Vollständiger Name Erich Caesar Reiß (ab Mitte der 1920 er Jahre schrieb er seinen Nachnamen Reiss), war Verleger des gleichnamigen Verlages, sesshaft in Berlin.
Erich Caesar Reiß wurde am 1. Februar 1887 als Sohn des Fabrikanten Alexander Reiss (gestorben entweder 1901 oder 1903) und seiner Ehefrau Helene Reiss (gestorben 1934) in Berlin geboren. Die Familie war jüdischen Glaubens. Zusammen mit seinem fünf Jahre älteren Bruder wuchs er in Berlin auf und wegen seiner schwachen Gesundheit und den häufiger Reisen seiner Eltern erzog ihn ein Hauslehrer.
Mit 21 Jahren erbte er ein beträchtliches Vermögen von seinem Vater und gründete mit diesem Erbe 1908 den „Erich Reiss Verlag“ im Berliner Westend. Leo Greiners Drama „Der Herzog von Boccanera“ war die erste Publikation des Verlages.
Leo Greiner (geboren am 1. April 1876 in Brünn; gestorben am 21. August 1928 in Berlin) „war ein österreichisch-deutscher Schriftsteller jüdischer Herkunft, Kritiker, spätromantischer Lyriker, Lenau-Forscher, Übersetzer aus dem Chinesischen“ schreibt Wikipedia.
Wikipedia:
„… Nach dem frühen Tod des Vaters verließ er Brünn und wanderte jahrelang mit Mutter und Schwester, die Schauspielerin war, durch Österreich-Ungarns Städte, ließ sich dann in Kronstadt nieder und kam von dort nach München, wo er ab 1895 Literaturgeschichte und Ästhetik studierte. Er war dort auch Dozent für Dramaturgie und mit dem Namen „Dionysius Tod“ einer der „elf Scharfrichter“ (erstes politisches Kabarett in Deutschland). Ab 1904 war er nach seiner Übersiedlung nach Berlin dort Lektor (Dramaturg) bei S. Fischer.“
Hauptwerke
Das Jahrtausend (Lyrik), 1900
Lenau-Biographie (Nikolaus Lenau), 1904
Der Liebeskönig (Drama), 1905
Gedichte (unter dem Titel Tagebuch), 1906
Komödie Lysistrata frei nach Aristophanes, 1908
Herzog Boccaneras Ende (Drama), 1908
Arbaces und Panthea (Schauspiel), 1911
Altdeutsche Novellen (Herausgeber, mustergültige Anthologie), 1912
Chinesische Abende, Novellen und Geschichten aus dem Chin. (Übersetzung), 1914
Sehr schnell wird der Reiss-Verlag einer der führenden Literaturverlage in Deutschland und ab 1905 erscheint dort die Zeitschrift „Die Schaubühne“.
Wikipedia schreibt:
„… Die Weltbühne war eine deutsche Wochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. Sie wurde von Siegfried Jacobsohn in Berlin unter dem Namen „‚Die Schaubühne“ als reine Theaterzeitschrift gegründet und erschien am 7. September 1905 zum ersten Mal. Am 4. April 1918 wurde die „Schaubühne“, die sich seit 1913 für wirtschaftliche und politische Themen geöffnet hatte, in „Die Weltbühne“ umbenannt. Nach dem Tode Jacobsohns im Dezember 1926 übernahm Kurt Tucholsky die Leitung des Blattes, die er im Mai 1927 an Carl von Ossietzky weitergab.“
Es ist zu erahnen, nach dem Reichstagsbrand verboten die Nationalsozialisten das Blatt am 7. März 1933. Unter dem Titel „Die neue Weltbühne“ wurde sie im Exil in Wien, Prag und ab 1928 in Paris bis 1939 weiter geführt, Dort verboten französische Behörden das Blatt endgültig.
Wikipedia:
„… Mit ihren kleinen roten Heften galt die „Weltbühne“ in der Weimarer Republik als das Forum der radikaldemokratischen bürgerlichen Linken. Rund 2500 Autoren schrieben von 1905 bis 1933 für die Zeitschrift. Dazu gehörten neben Jacobsohn, Tucholsky und Ossietzky auch prominente Journalisten und Schriftsteller wie Lion Feuchtwanger, Moritz Heimann, Kurt Hiller, Erich Mühsam, Else Lasker-Schüler, Erich Kästner, Alfred Polgar, Robert Walser, Carl Zuckmayer und Arnold Zweig.
Auch ein wenig in Vergessenheit geratene Publizisten wie Rudolf Arnheim, Julius Bab, Erich Dombrowski, Axel Eggebrecht, Hellmut von Gerlach, Richard Lewinsohn, Fritz Sternberg, Heinrich Ströbel und Richard Treitel gehörten zu den wichtigen Mitarbeitern des Blattes. Ferner die erste weibliche Journalistin der Volkswacht (Freiburg im Breisgau), Käthe Vordtriede.
Selbst in ihrer Hochphase hatte die „Weltbühne“ nur eine geringe Auflage von rund 15.000 Exemplaren. Publizistisch drang sie dennoch durch. Beispiele dafür sind die Aufdeckung der Fememorde innerhalb der Schwarzen Reichswehr sowie Berichte über die heimliche Aufrüstung der Reichswehr, die später zum sogenannten „Weltbühne-Prozess“ führten. Auch der von Tucholsky geprägte Satz „Soldaten sind Mörder“ führte zu einer Anklage gegen den damaligen Herausgeber Ossietzky.“
Nach dem Ende des II. Weltkrieges erschien sie unter ihrem ursprünglichen Namen bis 1993 in Ost-Berlin, Wikipedia schreibt:
„… 1946 wurde die „Weltbühne“ von Maud von Ossietzky und Hans Leonhard wieder gegründet und im „Verlag der Weltbühne“, Ost-Berlin, herausgegeben. (…) In den Jahren nach dem Kriege fand die Zeitschrift auch in den westlichen Besatzungszonen viele Abnehmer. In den 1950 er und 1960 er wurde die „Weltbühne“ daher als Brücke zu den intellektuellen Kreisen im Westen gesehen sowie als Möglichkeit betrachtet, diese Kreise zu beeinflussen. (…)
Von 1967 bis 1971 fungierte Hermann Budzislawski wieder als Herausgeber und Chefredakteur der „Weltbühne“. Von Dezember 1989 bis zur Einstellung des Blattes im Juli 1993 übernahm Helmut Reinhardt diese beiden Aufgaben. Die Zeitschrift musste auch deswegen eingestellt werden, weil Peter Jacobsohn nach der Wiedervereinigung die Rechte an dem Zeitschriftentitel geltend machte. Einen ersten Prozess vor dem Landgericht Frankfurt am Main verlor Jacobsohn jedoch. Der zwischenzeitliche Eigentümer des Verlages, Bernd F. Lunkewitz, versuchte sich im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main außergerichtlich mit Jacobsohn zu einigen. Da diese Einigung misslang, stellte er die hochdefizitär gewordene Zeitschrift am 6. Juli 1993 ein.“
Einige Wiederbelebungsversuche gab es – nicht sehr erfolgreich – aber unter dem Titel „Das Blättchen“ gibt es mit kurzer Unterbrechung eine Nachfolgerin der „Weltbühne“, als reine Internetzeitschrift.
Neben der „Weltbühne“ erschienen weitere führende Zeitschriften in seinem Verlag, so die „Tribüne der Kunst und der Zeit“, „Der Anbruch“, „Styl“, „Faust“ und die „Zukunft“, schreibt Wikipedia.
Zurück zu Erich Caesar Reiß und dem Verlag. Neben Leo Greiner erschienen in den nächsten Jahren weitere Autoren. 1910 publizierte Reiß Alfred Polgars Doppelmonographie Brahms und Ibsen und 1921 folgte Polgars Monographie über Max Pallenberg (in der Reihe „Der Schauspieler“).
Alfred Polgar (geboren am 17. Oktober 1873 in Wien; gestorben am 24. April 1955 in Zürich) hieß eigentlich Alfred Polak und ließ am 23. September 1914 offiziell seinen Namen in Polgar ändern. Der österreichische Schriftsteller, Übersetzer, Kritiker zählt zu den bekanntesten Autoren der Wiener Moderne und schrieb auch unter dem Pseudonyme Archibald Douglas. Die Familie war jüdischen Glaubens.
In den zwanziger Jahren verlegte Reiss Egon Erwin Kisch – österreichischer und später tschechoslowakischer Schriftsteller – und mit Max Reinhardt verband ihn eine enge Freundschaft, da Reiss auch als Theaterverleger bekannt war.
Neben einer Reihe von Klassikern gehörten Hugo von Hofmannsthal, Gabriele d’Annunzio, Toller, André Gide, Julius Bab, Maximilian Harden, Kasimir Edschmid, Richard Huelsenbeck, Maurice Maeterlinck, Hugo Ball und Johannes R. Becher zu seinen Autoren.
„Neben literarischen Werken publizierte er auch historische und politische Darstellungen, etwa von Poincaré und Tomáš Garrigue Masaryk. Für die Ausstattung seiner Bücher engagierte Reiß Künstler wie George Grosz“, schreibt Wikipedia.
Ein besonderes Verhältnis hatte er sicher zu Klabund und Gottfried Benn, die er beide verlegte. Allerdings veröffentlichte Klabund immer wieder auch in anderen Verlagen, weil er Reiss und dessen Ansichten nicht immer akzeptierte, oft genug ging es aber auch nur um Honorare.
Im Jahre 1926 gerät der Verlag in finanzielle Schwierigkeiten, ausgelöst durch Veruntreuungen eines Angestellten, von denen er sich bis zur Beschlagnahmung des Verlages 1936 durch die Nazis nicht mehr erholt.
Wikipedia schreibt über die folgenden Jahre:
„… 1934 publizierte der Erich Reiss Verlag, der ab 1933 (noch vor dem offiziellen Verbot für jüdische Verleger, Bücher nicht-jüdischer Autoren zu verlegen) nur noch Bücher jüdischer Autoren herausbrachte, Gerson Sterns ersten Roman „Weg ohne Ende“. Dieses Debüt eines bislang unbekannten Autors erschien in einer für die damaligen Umstände recht hohen Auflage von 5 000 Exemplaren, wenige Monate später folgte eine zweite Auflage von weiteren 4 000 Exemplaren.“
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fanden die als „Novemberpogrom“ bekannt gewordenen Zerstörungen jüdischen Eigentums in Deutschland und Österreich statt, in der Bevölkerung auch zynisch (Reichs-)Kristallnacht genannt.
Wikipedia schreibt:
„…Dabei wurden vom 7. bis 13. November etwa 800 Juden ermordet, 400 davon in der Nacht vom 9. auf den 10. November. Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Ab dem 10. November wurden ungefähr 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, wo mindestens weitere 400 ermordet wurden oder an Haftfolgen starben.
Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust mündete.“
Auch Erich Reiss wurde verhaftet und „landete“ im Konzentrationslager Sachsenhausen, einem Lager im Ortsteil Sandhausen der Stadt Oranienburg nördlich von Berlin. Durch Fürsprache der dänischen Schriftstellerin Karin Michaëlis und der Schwedin Selma Lagerlöf wurde er entlassen.
Reiss emigrierte nach Schweden und dann in die USA, wo er als Theaterkritiker arbeitet. In New In New York lernt er die ebenfalls aus Deutschland emigrierte Fotografin Lotte Jacobi kennen – sie heiraten 1940 und Reiss arbeitet im Fotostudio seiner Frau.
Lotte Jacobi (geboren am 17. August 1896 in Thorn, Westpreußen, gestorben am 6. Mai 1990 in Concord, New Hampshire) war eine deutsche Fotografin auf den Gebieten des Porträts, des Theaters und der Kunst. Sie ist die Tochter des Photographen Sigismund Jacobi, Fotograf, und der Marie Lublinski.
Wikipedia schreibt:
„… Jacobi entstammte in der vierten Generation einer jüdischen Fotografenfamilie und wuchs ab dem zweiten Lebensjahr in Posen auf; 1921 ging die Familie nach Berlin. Nach der Ausbildung − zunächst bei ihrem Vater − studierte Lotte Jacobi von 1925 bis 1927 in München Film und Fotografie. Danach übernahm sie das väterliche Studio in Berlin. Bereits zu dieser Zeit war sie bekannt als Fotografin der Künstler und der Kunst. Ihre Bilder erschienen in Magazinen wie der „Berliner Illustrierten Zeitung“ oder in der „Münchner Illustrierten Presse“. Ende der 1920 er Jahre machte Lotte Jacobi die Bekanntschaft mit der italienischen Fotografin Tina Modotti. Im September 1930 stellte Modotti ihre Fotografien in Jacobis Galerie aus.
Als das nationalsozialistische Regime ab 1933 der Jüdin Lotte Jacobi die Arbeit nahezu unmöglich machte, arbeitete sie zunächst unter verschiedenen Pseudonymen, begünstigt auch durch die Agentur Schostal. Jacobi sah sich jedoch letztlich zur Emigration gezwungen. Ihr Atelier am Berliner Kurfürstendamm 35, das sie zusammen mit ihrer Schwester Ruth Jacobi führte, wurde von dem Fotografen Hein Gorny übernommen. Sie ging 1935 mit ihrem Sohn aus der zwischenzeitlich geschiedenen Ehe nach New York. Hier heiratete sie 1940 den Berliner Verleger Erich Reiß († 1951), der 1939 über Schweden nach New York emigriert war. Bis 1955 lebte sie in der Stadt und porträtierte amerikanische und emigrierte europäische Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler.
Nachdem Lotte Jacobi New York verlassen hatte, ließ sie sich im ländlichen Deering in New Hampshire nieder, wo sie wieder ein Studio eröffnete und auch Arbeiten junger Künstler ausstellte. Ihr Nachlass umfasst 47.000 Negative.(…)
Zu ihren charakteristischen Arbeiten gehören aber auch die in den 1940 er und 1950 er Jahren entstandenen, ohne Kamera geschaffenen, experimentellen Foto-Grafiken, später von Leo Katz als „photogenics“ bezeichneten Werke.
1983 wurde Lotte Jacobi mit dem Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.“
Übrigens, „die Agentur Schostal war eine Pressebildagentur, die ihren Sitz in Wien hatte, aber auch Niederlassungen u. a. in Paris, Mailand, Berlin und Stockholm hatte. Der Besitzer war Robert F. Schostal“, so Wikipedia.
Von Erich Reiss stammen unter dem Titel „Lieber Bennito“ Briefe an Gottfried Benn aus den Jahren 1946-1951; herausgegeben von Helmut Heintel, Warmbronn 1995.
Erich Reiß starb am 8. Mai 1951 im Alter von 64 Jahren in New York.