Klabund – Die Dadakratie
Eine Rezension
Als Hauptergebnis der Wahlen 1920 darf es wohl bezeichnet werden, daß die Deutsche Volkspartei unter dem Rufe: Dada Dada über alles (abgekürzt: Dadalles) in corpore zu den Dadaisten übergetreten ist. Sie ist bekanntlich sowohl als auch teils dafür und dagegen, hinwiederum obzwar. Dies aber ist gerade, auf die kürzeste Formel gebracht, das Prinzip des Dadaismus. Stresemann ist bereits zum Ei-wei-dada ernannt worden und hat seine Mitarbeit an der „Geschichte des Dadaismus“ (erscheint in zwölf Lexikonoktavbänden unter der Direktion vom Kaiserlichen Rat Huelsenbeck) zugesagt.
Über des erlauchten Schwillers „Anna Blume“ braucht kein Wort mehr verloren werden, das sie nicht selbst bereits verloren hätte. Des Herrn Melchior Vischer „Sekunde durch Hirn“ ist ein ganz übler Kolportageroman. Er könnte direkt von Goethe oder Balzac geschrieben sein.
„Die Kathedrale“ ist ein Album mit Ansichten vom Niederwalddenkmal, Hindenburg, Otto Ernst, Courths-Mahler und Henny Porten. Ein jeder guter deutscher Bürger wird es gern im Salon auf der Plüschdecke aufliegen haben.
Jan van Mehan, der weit über die Grenzen seines engeren Vaterlandes sowie seines Verstandes hinaus bekannte holländische Dichter, hat die Tragödie der Urlaute, das Weihefestspiel (für Oberammergau zur Aufführung angenommen): „Weltgericht“ geschrieben – was sag ich, geschrieben: geseufzt, geheult, gezischelt und gejohlt. Das Drama besteht ausschließlich aus Vokalen. Die Kenntnis der Konsonanten ist nicht zu seinem Verständnis erforderlich. Es sei besonders den fortgeschrittenen Säuglingen empfohlen, Hans Arp ist der Eichendorff des Dadaismus, ihr mystischer Meister Eckehard. Seine Verse sind manchmal verständlich. Zuweilen rühren sie sogar durch einen stillen Klang. Sein Versbuch betitelt sich „Die Wolkenpumpe“ und ist wie alle eben empfohlenen Bücher im Verlag der Silbergäule Paul Steegemann, Hannover, publiziert. Huelsenbecks „Verwandlungen“ (Rolandverlag, München) ist eine antidadaistische Groteske. Gleichzeitig wird bekannt, daß der Verlag Erich Reiß den allgemeinen internationalen dadaistischen Welt-, Wald-und Wiesenalmanach ankündigt, unter Mitarbeit von George Groß, Ludendorff, Sternickel, Pfarrer Kneip, d’Annunzio, Wulle, Tzara, Dr. Heim, Max Pallenberg, Rudolf und Wilhelm Herzog usw. Na, wir werden ja sehen.
(aus: Der Marstall 1/2, (1920)
Die Zeitschrift „Der Marstall“ erschien im Verlag Paul Steegemann in Hannover ab 1920 als „Zeit- und Streitschrift“. Herausgeber war Paul Steegemann. Ebenfalls von Steegemann wurde die Zeitschrift „Störtebeker“ herausgegeben.