Marietta di Monaco

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Marietta di Monaco – geboren am 10. März 1893 in München; gestorben am 19. Januar 1981 ebenda), auch „Marietta“, eigentlich Maria Kirndörfer, war eine deutsche Kabarettistin, Lyrikerin, Diseuse, Tänzerin und Dichtermuse. Außerdem stand sie Modell für Maler.

Leben

Bei Pflegeeltern aufgewachsen führt Marietta nach dem Besuch einer Klosterschule zunächst das Leben einer Vagabundin. 1913 wird sie eher zufällig im Schwabinger Kleinkunstlokal „Simplicissimus“, auch als „Simpl“ bekannt, für die Bühne entdeckt. In der Folgezeit tritt sie als Vortragskünstlerin und Tänzerin im „Simpl“, „Schwabinger Brettl“, der „Katakombe“ und der „Seerose“ in München auf, aber auch in Berlin oder Paris.

Markenzeichen

Markenzeichen der Marietta ist der literarische Vortrag mit seltsam gebrochener Jungmädchenstimme, dessen Wirkung ihr kleiner, zierlicher Wuchs unterstreicht und den sie bis ins hohe Alter pflegt. Sie gilt so als unnachahmliche Interpretin besonders von grotesker Alltagslyrik.

Dadaismus

1916 gehört Marietta zur Gründungsgruppe des „Cabaret Voltaire“ in Zürich, das als Wiege des Dadaismus gilt. Am 31. Mai 1916 führt sie dort zusammen mit Hans Arp, Hugo Ball, Emmy Hennings, Marcel Janco und Tristan Tzara das aufsehenerregende dadaistische Werk „Simultan Krippenspiel“ von Hugo Ball auf. Auch Hugo Ball als einer der wichtigsten Vertreter der in Fortführung des Expressionismus entwickelten avantgardistischen Kunst- und Literaturbewegung des Dadaismus bewegte sich wie Marietta zuvor in der Schwabinger Künstlerkolonie rund ums Simpl, wo bereits 1914 und damit das erste Mal in der Literaturgeschichte in einem von ihm und Klabund gemeinsam verfassten, von Marietta di Monaco vorgetragenen Gedicht der Begriff ‚Dada‘ auftaucht.

Künstlermuse

Enge Freundschaften mit Dichtern wie Joachim Ringelnatz, Frank Wedekind, Fred Endrikat und Klabund, deren lyrische Werke sie auf der Bühne rezitierte, machen Marietta des Weiteren als Dichtermuse berühmt.

Auch als Malermodell erlangt sie Prominenz; z. B. malte 1916 in Zürich einer der bekanntesten Maler der Neuen Sachlichkeit, Christian Schad, ein Porträt von Marietta in Öl auf Leinwand (60 × 41 cm; Christian Schad Stiftung Aschaffenburg).

1920 erscheint der kurze Liebesroman „Marietta“ von Klabund, der sich ausdrücklich auf die Vortragskünstlerin bezieht.

Betitelungen durch die Presse, die von „Muse Schwabylons“ bis zu „Königin der Schwabinger Bohème“ reichen, zeugen von der Berühmtheit, die Marietta zeitweilig besaß.

Emigration

1936 emigriert Marietta nach Frankreich, kehrt aber drei Jahre später zurück nach Deutschland.

Biographie und Ehrungen

An ihrem 65. Geburtstag ehrt der Schriftsteller Peter Paul Althaus Marietta mit einer Rede.

1962 veröffentlicht Marietta di Monaco, die zuvor bereits als Lyrikerin und für das Kabarett schriftstellerisch tätig war, „Reisebilder, Erinnerungen, Porträts“ unter dem auf ein Gedicht ihres frühverstorbenen Freundes Klabund anspielenden Titel „Ich kam – ich geh.“

Ebenfalls 1962 erhält sie den Schwabinger Kunstpreis.

Späte Schallplattenaufnahmen

Erst 1964 – 51 Jahre nach ihrem Debüt – wird ihre einmalige Vortragskunst im Rahmen einer Reihe mit privaten Document-Aufnahmen „Schwabinger Kleinkunst-Kostbarkeiten“ erstmals für eine Schallplatte aufgezeichnet. Marietta spricht hierfür Texte von Wilhelm Busch und ihren einstmaligen Weggefährten Endrikat und Ringelnatz.

Tod

Am 19. Januar 1981 stirbt Marietta di Monaco in einem Altenheim in München. Sie ist im alten Teil des Münchener Waldfriedhofs im Grab Nr. 222-3-171 beerdigt.

In der Süddeutschen Zeitung titelt Karl Ude in einem Artikel über  Marietta di Monaco:

Sie ist Schwabings letzte Bohemienne

Ob das kein richtiger Roman ist? Halbwüchsig kam sie aus dem Niederbayerischen ins prinzregentliche München, begann schlicht und be­scheiden als Biermadl, las im stillen Kämmer­lein zeitgenössische Verse, lernte solche von Morgenstern auswendig, wagte sich in den „Simplicissimus“ der Kathi Kobus, trat dort, wo sich junge Talente für das Brettl damals die Feuertaufe holten, erstmals als Diseuse auf, fand Gefallen an diesem neuen Metier, das die Delvard groß gemacht hatte, pflegte ihr Können autodidaktisch weiter, gewann im Simpl die Freundschaft des jungen Lyrikers Klabund, der noch im gleichen Jahr, 1914, eine kleine Schwa­binger Liebesgeschichte nach ihr benannte, wich auch hinfort keinem sich bietenden Abenteuer aus, auch nicht in der Zeit der Räterepublik, wo sie, wenn man ihr glauben darf, Kultusminister hätte werden sollen, gelangte während der In­flation durch einen valutastarken Holländer in den Besitz einer Villa in Nymphenburg, tingelte weiter, lebte bald in Paris, bald wieder in Schwabing, war 1947 dabei, als Gustl Weigert und Peter Paul Althaus die „Schwabinger Laterne“ über neuer Kleinkunst leuchten ließen, zuerst in der „Seerose“, dann im „Pfälzer Hof“ der Mutti Bräu, tat wacker mit, als später die Schwabinger Woche amtlich verordnet wurde, ließ sich 1962 mit einem Kunstpreis feiern und steht heute, an ihrem achtzigsten Geburtstag, wieder einmal mit Bild in der Zeitung!

Sie ist schon ein rechtes Unikum, diese Maria Kirndörfer, genannt und bekannt nur als „Marietta“ — noch immer ein kleines, tempera­mentvolles Persönchen, wuschelköpfig, vorlaut, wenn andere vortragen, gschamig, wenn sie selbst das Podium betritt, und kaum wieder zu bremsen, wenn sie erst einmal angefangen hat: mit Gedichten von Ringelnatz, Endrikat, Klotz, Althaus, Erich Mühsam, dessen „Revoluzzer“ ihr besonders liegt, oder auch mit der köstlich kon­fusen Ganghofer-Parodie, die sie sich selbst für ihr Repertoire ausgedacht hat.

Ihr Vortragsstil ist unverwechselbar und, wenn man so will, zeitlos, denn auch die Jugend von heute, die während der Schwabinger Woche das Theater an der Leopoldstraße zu füllen pflegt, läßt sie, die Seniorin, begeistert gelten. Sie de­klamiert keineswegs melodisch, sie spricht mit rauer Stimme, auch im Piano, eigenwillig die Texte zerhackend und akzentuierend, wobei ihr die flügelhaft auf und ab bewegten Arme helfen müssen. „Ich rezitiere lyrische Anthologie“, hat sie einmal von sich selbst gedichtet. „Nachts tanze und schreie ich durch die Straßen.“

Um sie ist noch das Flair des alten, des ganz alten Schwabing, zu dem Künstler wie Halbe und Wedekind, Johannes R. Becher, Hugo Ball und Lorschelmann gehört haben, die sie alle noch gekannt hat. Im erwähnten kleinen Roman „Marietta“ ließ Klabund, der sie „hübsch, aber schlampig“ nannte, sie von sich selbst in einem Monolog sagen: „Bin funkelndes Feuer. Und sehr viel Rauch.“ Wer nicht glaubt, daß dies auch heute noch von ihr gilt, kann es nachprü­fen, wenn sie morgen Abend wieder einmal in der „Katakombe“ auftritt und gefeiert wird — sie, Schwabings letzte Bohemienne.