Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben

aus Wikipedia:

Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben (auch: Eisenacher Institut) war eine antisemitische Einrichtung von elf deutschen evangelischen Landeskirchen in der Zeit des Nationalsozialismus. Es wurde auf Betreiben der Kirchenpartei Deutsche Christen (DC) am 6. Mai 1939 in Eisenach gegründet und bestand bis 1945.

Ähnliche Ziele verfolgten das Institut zur Erforschung der Judenfrage der NSDAP und das staatliche Institut zum Studium der Judenfrage im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das bereits 1934 gegründet worden war und später umbenannt wurde.

Entstehung

Die 1932 gegründete Kirchenpartei der Deutschen Christen wollte den deutschen Protestantismus an den Nationalsozialismus angleichen, die 1933 gegründete Deutsche Evangelische Kirche (DEK) in den NS-Staat eingliedern und das Christentum von allen Einflüssen des Judentums trennen und „reinigen“. Die angestrebte „Entjudung“ umfasste unter anderem die Beseitigung des Alten Testaments (AT), die Reduktion des Neuen Testaments (NT) auf das Bild eines „arischen Jesus“ und die Umgestaltung der evangelischen Gottesdienste, Gebete, Lieder und Theologenausbildung nach „rassischen“ Kriterien. Erste Vorstöße dazu hatten 1933 den Kirchenkampf ausgelöst. Die DC hatten die Führung der meisten evangelischen Landeskirchen erobert, waren aber in sich zerstritten. Ihre radikalen Teile schlossen sich bis 1938 zur Nationalkirchlichen Bewegung bzw. Einigung Deutscher Christen zusammen. Diese gewann im DC-Spektrum die Führung und Einfluss auf einige Landeskirchen.

Die DC-geführten Landeskirchen gründeten Anfang 1938 auf der Wartburg den Bund für deutsches Christentum und berieten dabei über ein „Amt für die Entjudung der Kirche“. Am 15. November 1938 (eine Woche nach den Novemberpogromen) sandte der Bund die Forderung des Thüringer Superintendenten Hugo Pich an alle evangelischen Landesbischöfe, dieses Amt zu gründen, um „die Verjudungsherde in Christentum und Kirche zu eliminieren“.

Am 21. November 1938 unterstützte der Jenaer Neutestamentler und NSDAP-Angehörige Walter Grundmann Pichs Forderung und legte einen Plan für eine „Zentralabteilung zur Entjudung des religiösen und kirchlichen Lebens“ vor. Die Judenfrage sei in ihr „akutestes Stadium“ getreten; die Kirchen müssten die Trennung von allem Jüdischen nun konsequent in allen ihren Tätigkeitsbereichen vollziehen.

Am 26. März 1939 schlug die Kirchenregierung unter Hanns Kerrl der DEK die Godesberger Erklärung vor, um deren durch den Kirchenkampf zerstörte Einheit auf möglichst breiter Basis wiederherzustellen, die Bekennende Kirche (BK) einzubinden und den Reichsbruderrat in ihr weiter zu isolieren. Dazu bezeichnete die Erklärung den Nationalsozialismus als konsequente Fortführung der Absichten Martin Luthers und behauptete, der christliche Glaube sei der „unüberbrückbare religiöse Gegensatz zum Judentum“. Am 4. April 1939 stimmten elf evangelische Landeskirchenleitungen dem Vorschlag zu, darunter auch einige Bischöfe der BK. Dabei beschlossen sie auch das geplante „Entjudungs“-Institut, um die Grundsätze der Erklärung umzusetzen. Der Beschluss wurde im Gesetzblatt der DEK veröffentlicht und erlangte damit kirchenrechtlichen Rang. Dies galt als großer Schritt zur Durchsetzung der DC-Ideologie in der DEK. Zwar stimmten Teile der BK der Godesberger Erklärung nicht zu, übernahmen aber deren antisemitischen Kernsatz und wandelten ihn nur zum „unüberbrückbaren religiösen Gegensatz zum Judaismus“ ab, den sie auch bei allen „nationalkirchlichen Bestrebungen“ ihrer Gegner am Werk sahen.

Nach der Gründung strich das Institut „und Beseitigung“ aus seinem Namen, um den jüdischen Einfluss auf das Christentum nicht generell vorauszusetzen und breitere Unterstützung zu gewinnen.

Gliederung

Die Zentralabteilung sollte laut Grundmanns Plan drei Bereiche abdecken:

ein Forschungsinstitut in Jena, das eine wissenschaftliche Zeitschrift herausgeben sollte,

eine Bibelgesellschaft, die Kirchengesangbücher und die Bibel überprüfen und eine „entjudete Volksbibel“ vorbereiten und herausgeben sollte,

eine Schule zur Fortbildung für Pfarrer, Lehrer und Kirchenvertreter, die ihnen die neuesten Erkenntnisse der anderen beiden Abteilungen vermitteln sollte.

Die Evangelische Kirche sollte dieses Institut in ständiger enger Abstimmung mit dem Reichspropagandaministerium, dem Reichskirchenministerium, Reichserziehungsministerium, der Reichsleitung der NSDAP und dem Gauleiter Julius Streicher einrichten.

Daneben sollten nach der Arbeitsgliederung des Instituts 192 Bischöfe, Konsistorialräte, Professoren, Doktoren, Pastoren, Religionspädagogen, Kunstschaffende und Regierungsbeamte in zehn Arbeitskreisen und an 16 Forschungsaufträgen oder Einzelarbeiten bei der „Entjudung von Theologie und Kirche“ mitwirken. Nicht alle davon kamen aber zustande.

Mitarbeiter

Leiter des Instituts wurde der Oberregierungsrat Siegfried Leffler. Hauptamtliche Mitarbeiter waren:

Walter Grundmann, Professor für Neues Testament an der Universität Jena, als wissenschaftlicher Leiter

Heinz Hunger, Pfarrer in Eisenach, als Geschäftsführer

Max Adolf Wagenführer, Theologe in Jena, als wissenschaftlicher Assistent.

Das Institut veröffentlichte als Teil seiner Öffentlichkeitsarbeit Mitarbeiterlisten in den Verbandsmitteilungen. Die erste dieser Listen vom 30. Dezember 1939 nannte rund 90 Mitarbeiter, darunter der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins, Adalbert Paulsen, und der Landeskirchenamtspräsident Christian Kinder. Die zweite Liste vom 31. Dezember 1940 führte rund 130 Namen auf. Weitere Listen vom 25. September und 15. Dezember 1941 nannten rund 33 „neue Mitarbeiter des Instituts“. Nur wenige der aufgeführten Personen verfassten eigene Beiträge für die Verbandsmitteilungen und Veröffentlichungen des Instituts; die meisten waren eher Unterstützer. Die Listen führen insgesamt 37 Personen in kirchenleitenden Ämtern (Bischöfe, Landessuperintendenten, Superintendenten), 91 Pastoren und 69 Hochschullehrer oder sonstige Akademiker auf.

Arbeitskreise

Das Institut veranstaltete in den Jahren 1940 bis 1942 in Wittenberg, Eisenach und Nürnberg drei Arbeitstagungen mit bis zu 600 Teilnehmern. Einige Arbeitskreise legten die Ergebnisse ihrer Arbeit in der Form praktischer Arbeitsmittel vor, die in den Kirchgemeinden der beteiligten Landeskirchen das religiöse Leben im Sinne des kirchlichen Antijudaismus und völkischen Antisemitismus prägen sollten:

Der Arbeitskreis „Volkstestament“ brachte 1941 ein „entjudetes“ Neues Testament unter dem Titel Die Botschaft Gottes heraus, in dem die Bezüge und Zitate aus dem Alten Testament getilgt waren. Die poetische Endfassung stammte dabei von Lulu von Strauß und Torney.

Der Arbeitskreis „Glaubensbuch“ veröffentlichte im gleichen Jahr einen „judenreinen“ Katechismus für Schule und kirchlichen Unterricht unter dem Titel Deutsche mit Gott.

Der Arbeitskreis „Gesangbuch“ empfahl 1941 das von der „Nationalkirchlichen Einung Deutsche Christen“ herausgegebene Gesangbuch Großer Gott wir loben dich zur Erprobung und Nutzung in den Kirchen.

In Planung war auch ein „Lebensbegleitbuch“ unter dem Titel Der Ruf des Lebens.

Die mit dem Zweiten Weltkrieg verbundene Notsituation in vielen Landeskirchen und Kirchengemeinden lassen freilich eine durchgängige Wirkung dieser Veröffentlichungen auf das kirchliche Leben fraglich erscheinen. Auch wurde das Institut „nur von einer Minderheit im Protestantismus“ getragen.

Beteiligung an der „Endlösung“

Das Institut stand in enger Beziehung zu anderen Einrichtungen, die sich der Gegnerforschung für die rassistisch orientierte nationalsozialistische Politik verpflichtet hatten, so das „Reichsinstitut für die Geschichte des Neuen Deutschland“ mit einer Abteilung Judenforschung, in der der Tübinger Neutestamentler Gerhard Kittel und der spätere Heidelberger Neutestamentler und Qumranforscher Karl Georg Kuhn aktiv antisemitisch tätig waren, und das „Institut zur Erforschung der Judenfrage“ in Frankfurt. Walter Grundmann war Assistent bei Kittel gewesen. Das Institut verstand sich als Teil des wissenschaftlichen Engagements („Kirchenkampf“) gegen Juden und gegen das Jüdische auf explizit rassisch-biologistischer Grundlage. Es stand unter dem Einfluss von Hans F. K. Günther, der seit 1930 Professor in Jena war. Grundmann persönlich fertigte Gutachten für das Reichssicherheitshauptamt an. Dort wurde die „Endlösung der Judenfrage“ geplant und geleitet. Grundmann und Georg Bertram teilten die Ziele der genannten wissenschaftlichen Einrichtungen explizit: die „Ausschaltung des Judentums“ und die „endgültige Lösung der Judenfrage“.

Inwieweit im Institut über eine physische Vernichtung jüdischer Kinder, Frauen und Männer gesprochen wurde, ist nicht sicher festzustellen. Jedenfalls waren die Mitarbeiter über die entsprechenden Mitteilungen in der Zeitschrift Weltkampf, die seit 1941 die wissenschaftliche Vierteljahresschrift des Instituts zur Erforschung der Judenfrage war, detailliert über die Entrechtung durch Arbeitsverbote und Reduktion der Lebensmittelversorgung, die Ghettoisierung, die „Umsiedlung“ des europäischen Judentums und die Judengesetzgebung in den besetzten und verbündeten Ländern informiert. In der Zeitschrift Weltkampf wurde wiederum regelmäßig über die Aktivitäten des Eisenacher Instituts berichtet. In den Publikationen des Instituts, die in dieses Umfeld, nämlich der wissenschaftlichen Gegnerforschung, gehören, steht die „endgültige Lösung der Judenfrage“ auf rassisch-anthropologischer Basis im Mittelpunkt.

Die eher kirchlichen Aktivitäten können nicht isoliert von der Hauptzielrichtung des Instituts betrachtet werden. So schreibt etwa Grundmann im Vorwort zu Das religiöse Gesicht des Judentums (1942): „Aber die eine Tatsache wird durch alle Zeiten unverrückbar bleiben: ein gesundes Volk muß und wird das Judentum in jeder Form ablehnen. … Deutschland hat dennoch die geschichtliche Rechtfertigung und die geschichtliche Berechtigung zum Kampf gegen das Judentum auf seiner Seite. Diesen Satz zu beweisen, ist das besondere Anliegen dieser Schrift; und an diesem Satz wird auch spätere Forschung nichts mehr ändern können! So dient diese Arbeit dem großen Schicksalskampf der deutschen Nation um seine politische und wirtschaftliche, geistige und kulturelle und auch um seine religiöse Freiheit.“ Am Ende seines Beitrags hält Grundmann fest: „Der Jude muß als feindlicher und schädlicher Fremder betrachtet werden und von jeder Einflußnahme ausgeschaltet werden. In diesem notwendigen Prozeß fällt der deutschen Geisteswissenschaft die Aufgabe zu, das geistige und religiöse Gesicht des Judentums scharf zu erkennen …“

Der Nachfolger Grundmanns, Georg Bertram, schreibt im März 1944: „‚Dieser Krieg ist der Kampf des Judentums gegen Europa.‘ Dieser Satz enthält eine Wahrheit, die sich bei der Forschungsarbeit des Institutes immer neu bestätigt. Dabei ist diese Arbeit nicht nur auf frontalen Angriff eingestellt, sondern auch auf die Festigung der inneren Front für Angriff und Abwehr gegen all das heimliche Judentum und jüdische Wesen, das im Laufe der Jahrhunderte in die abendländische Kultur eingesickert ist, (…) so hat das Institut neben der Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses die positive Aufgabe und Erkenntnis des eigenen germanischen christlichen deutschen Wesens und der Gestaltung des frommen deutschen Lebens aufgrund dieser Erkenntnis.“

Im Lichte der Aussagen der wissenschaftlichen Institutsleitung erscheint als Hauptziel im Verbund mit den anderen antisemitischen Instituten die wissenschaftliche Beteiligung an der „Endlösung der Judenfrage“ auf Basis der rassischen Definition von Judentum. Das Institut hatte Anteil an der Radikalisierung der Konzepte im Umgang mit dem Judentum. Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist nicht zuletzt die Umbenennung der Schriftenreihe des Instituts von Christentum und Judentum (Bände 1–3, 1940) in Germanentum, Christentum und Judentum ab 1941. Von diesem Prozess weiß man heute, dass er parallel zur Radikalisierung der Vernichtungspolitik des Reichssicherheitshauptamts verlief.

Aufarbeitung

Die Reflexion und Auseinandersetzung dieser zeitgeistförmigen Unterwerfung großer Teile des theologischen und kirchlichen Personals der deutschen Landeskirchen unter die NS-Ideologie erfolgte nach 1945 nur zögerlich und schleppend. Auch in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR fanden wichtige Protagonisten des Instituts weiter Verwendung in der Kirche:

Walter Grundmann als Institutsleiter wurde nach kurzer Karenzzeit der Leiter des Katechetischen Seminars in Eisenach und damit für die Ausbildung des theologischen Nachwuchses richtungsweisend.

Heinz Erich Eisenhuth als Professor und Lehrstuhlinhaber für Systematische Theologie in Jena wurde nach seiner Amtsenthebung zuerst kommissarisch, dann ordentlicher Pfarrer in Jena, später Superintendent in Eisenach und Leiter der Evangelischen Akademie. Eisenhuth hatte 1941 ein „Gutachten über die Stellung getaufter Juden in der Kirche“ verfasst.

Siegfried Leffler wurde wieder in den Dienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern übernommen, die er 1927 verlassen hatte, und Pfarrer in Hengersberg.

In der DDR hat der damalige Oberkirchenrat Erich Stegmann bereits 1984 mit einer kirchengeschichtlichen Arbeit auf die beabsichtigte antisemitische Stoßrichtung in der Kirche hingewiesen. Allerdings begann erst nach der Wende 1989/1990 eine tiefer gehende geschichtliche Aufarbeitung.

2019 war die Aufarbeitung in der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands soweit fortgeschritten, dass ein Mahnmal errichtet werden konnte. Das überlebensgroße Mahnmal zum „Entjudungsinstitut“ besteht aus zwei rostigen Metalltafeln, die an ein aufgeschlagenes Buch erinnern und die Aufschrift „Wir sind in die Irre gegangen“ tragen. Der Erinnerungsort liegt am Beginn der Eisenacher Bornstraße, wenige Meter vom damaligen Institutsgebäude entfernt. Es wurde am 6. Mai 2019 unter anderem im Beisein der Landesbischöfin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, Ilse Junkermann, und des Vorsitzenden der jüdischen Landesgemeinde Thüringens, Reinhard Schramm, eingeweiht.

Das Lutherhaus Eisenach zeigt seit September 2019 eine Sonderausstellung über die Vorgeschichte, Entstehung, Arbeit und Nachwirkung des „Entjudungsinstituts“.