Tötungsanstalt Hadamar

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In der Tötungsanstalt Hadamar im mittelhessischen Hadamar wurden zwischen Januar 1941 und März 1945, im Rahmen der sogenannten Aktion T4 und der anschließenden „dezentralen Euthanasie“, etwa 14.500 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in einer Gaskammer, durch tödliche Injektionen und Medikationen sowie durch vorsätzliches Verhungernlassen ermordet. Die Anstalt war im heutigen Altbau der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Hadamar auf dem Mönchberg untergebracht. An die Verbrechen erinnert heute die Gedenkstätte Hadamar.

In einem Flügel des Hauptgebäudes der Landesheilanstalt Hadamar war 1940 die sechste NS-Tötungsanstalt des Deutschen Reichs für das nationalsozialistische Euthanasie-Programm (im Nachkriegssprachgebrauch Aktion T4) eingerichtet worden, nachdem im November die Provinz Hessen-Nassau die Anstaltsleitung an die Zentraldienststelle T4 in Berlin abgab. Die Landesheilanstalt Hadamar war die letzte der sechs späteren Tötungsanstalten, die von den jeweiligen Gebietskörperschaften in die Hoheit des Reichs übergingen. Hierzu war ein Teil der Anstalt vom Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau an die Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege, einer Tarnorganisation der mit der Durchführung der Krankenmorde beauftragten Kanzlei des Führers, verpachtet worden.

1940 traf ein Abgesandter der Berliner Reichskanzlei mit Decknamen Hase erste Vorbereitungen zum Umbau der Anstalt. Neben der Einrichtung von Büro-, Schlaf- und Gesellschaftsräumen für das neue Personal wurden die Gaskammer und das angeschlossene Krematorium gebaut. Die Umbauarbeiten der Kellerräumlichkeiten wurden von Fritz Schwerwing, einem Schwager des Landesrates Fritz Bernotat, und anderen Installateuren ausgeführt, die bevorzugt nicht aus der Region kamen. Kurz vor Weihnachten erreichte dann das extra für das Euthanasie-Programm ausgewählte Personal, bestehend aus Ärzten, Schwestern und Pflegern, sowie drei graue Omnibusse der Gekrat die Landesheilanstalt Hadamar. Das bisherige Personal wurde zum Stillschweigen über die künftigen Vorgänge verpflichtet.

Herkunft der Opfer

Die Herkunft der Opfer war durch das vorgegebene Einzugsgebiet der seit 1907 bestehenden Landesheil- und Pflegeanstalt Hadamar bestimmt. In Hadamar wurden ab 1941 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen aus Heilanstalten der preußischen Provinzen Hessen-Nassau, Westfalen, Hannover und der Rheinprovinz sowie der Länder Hessen, Baden und Württemberg ermordet.

Zwischenanstalten

Hadamar waren neun sogenannte Zwischenanstalten zugeordnet, in die die zu ermordenden Menschen aus den einzelnen Heilanstalten ohne vorherige Information der Angehörigen in Sammeltransporten verlegt wurden. Von dort wurden sie je nach vorhandener Kapazität in Hadamar abgerufen und zur gezielten Ermordung abtransportiert.

In den Zwischenanstalten wurden Menschen nach Abschluss der ersten Phase der Aktion T4 in eigener Verantwortung der Anstaltsärzte dezentralisiert ermordet.

Zahl der Opfer 1941

Nach einer erhalten gebliebenen internen T4-Statistik wurden in der Tötungsanstalt Hadamar in nur acht Monaten zwischen dem 13. Januar 1941 und dem 1. September 1941 insgesamt 10.072 Menschen durch das Gas Kohlenmonoxid ermordet, in der Sprache ihrer Mörder: desinfiziert. Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen wurde im Sommer 1941 die Verbrennung des 10.000sten Patienten gefeiert, bei der sämtliche Angestellte eine Flasche Bier erhielten. Gemäß aktualisierter Opferliste der Gedenkstätte Hadamar (Stand 2010) betrug die Opferzahl 10.122. Die Menschen wurden in einem als Duschraum getarnten Kellerraum ermordet und ihre Leichen im angrenzenden Krematorium verbrannt. Die Rauchwolken des Krematoriums und der Geruch nach verbrannten Leichen führten zusammen mit Berichten des Personals der Anstalt dazu, dass die Einwohner von Hadamar und Umgebung die systematischen Ermordungen zumindest vermuten konnten. Das Sonderstandesamt Hadamar-Mönchberg versandte an Angehörige Sterbeurkunden mit unzutreffenden Todesursachen.

Die Opferzahl von mehr als 10.000 Menschen umfasst lediglich die erste Phase der Aktion T4 in Hadamar. Diese wurde auf Anordnung Adolf Hitlers mit dem Datum 24. August 1941 eingestellt. Dazu hatte unter anderem der Protest der katholischen Kirche beigetragen. Der Limburger Bischof Antonius Hilfrich, in dessen Diözese Hadamar lag, schrieb am 13. August 1941 an das Reichsjustizministerium, dass in Hadamar „planmäßig Handlungen vollzogen werden, die nach Paragraph 211 StGB mit dem Tode zu bestrafen sind“.

Am Ende dieser ersten Phase der sogenannten Erwachsenen-Euthanasie waren über 70.000 Kranke durch Gas getötet worden. Der Reichsbeauftragte für die Heil- und Pflegeanstalten, Herbert Linden, konnte daher feststellen, dass der Krankenbestand seit 1939 um 25 % abgenommen habe. Seine Zielvorgabe war jedoch, weitere 60 % der Klinikbetten in den Psychiatrien für eine Verwendung durch Bombenkriegsopfer und verwundete Soldaten freizumachen. Dies war Aufgabe der zweiten Phase des Euthanasie-Programms, die unter der Bezeichnung ‚wilde‘, ‚dezentrale‘, ‚Medikamenten-Euthanasie‘ oder Aktion Brandt bekannt wurde. Im Gegensatz zum bisherigen Vorgehen wurde nicht mehr in wenigen zentralen Anstalten durch Gas getötet, sondern in zahlreichen Anstalten im ganzen Reich durch gezielte Mangelernährung bis zum Hungertod und durch Überdosen von Medikamenten wie Luminal, Veronal bzw. Injektionen von Morphin-Skopolamin oder einfach Luft.

Zeitraum von 1942 bis 1945

In der Zentraldienststelle T4 war bis zum Sommer 1942 noch nicht bekannt, ob die Gasmorde nach dem Stopp wieder aufgenommen werden würden. Bis endgültige Klarheit darüber bestand, wurden die NS-Tötungsanstalten weiter in Bereitschaft gehalten. Das Pflegepersonal wurde teils an Heil- und Pflegeanstalten abgeordnet oder für den sogenannten Osteinsatz verwendet, das heißt in den Vernichtungslagern der Aktion Reinhardt.

Im Sommer 1942 war in Berlin die endgültige Entscheidung gefallen, dass die Gasmordaktion nicht mehr fortgeführt und die Vergasungsanstalten aufgelöst werden. In Hadamar wurden daher die entsprechenden Anlagen entfernt, benutzte Gebäudeteile wieder in den Ursprungszustand versetzt und die Räumlichkeiten für ihre vormalige Nutzung hergerichtet. Die Arbeiten in Hadamar waren bis Ende Juli beendet, sodass die Anstalt am 31. Juli 1942 in die Trägerschaft des Bezirksverbandes Nassau in Wiesbaden zurückgegeben werden konnte, der ab dem 1. August 1942 die Landesheilanstalt wieder komplett betrieb.

Auf Geheiß von Landesrat Fritz Bernotat übernahm Oberarzt Adolf Wahlmann die ärztliche Leitung und Landessekretär Alfons Klein die Verwaltungsgeschäfte, wobei Klein, der im Gegensatz zu Wahlmann als „parteipolitisch zuverlässig“ galt, selbst eine ärztliche Leitungsbefugnis von Bernotat erhielt und ausübte. Unter der Verantwortung dieser beiden Männer wurden ab August 1942 die Morde an behinderten und psychisch kranken Menschen fortgesetzt, jetzt jedoch nicht mehr in einer Gaskammer, sondern durch von Ärzten und Pflegern verabreichte Injektionen, überdosierte Medikamente sowie durch planmäßiges und vorsätzliches Verhungernlassen. Im Gegensatz zur ersten Phase waren nicht nur Ärzte die todgebenden Täter, sondern ebenso Krankenschwestern und Pfleger.

Der Kreis der zu ermordenden Menschen wurde in dieser zweiten Phase der Tötungsanstalt Hadamar noch zweimal erweitert. Im April 1943 wurde dort auf Anweisung des Reichsministeriums des Innern ein vorgebliches „Erziehungsheim für minderjährige jüdische Mischlingskinder“ und als jüdisch geltende Kinder aus staatlichen Fürsorgeeinrichtungen des Reichs eingerichtet. Bernotat ordnete am 15. Mai 1943 an, ihm alle so definierten Kinder in Anstalten des Bezirksverbandes Nassau zu melden. An sich waren diese Kinder im Gegensatz zu „Volljuden“ vor Deportation und Ermordung geschützt. Nun wurden sie in die allgemeine Vernichtung mit einbezogen: 39 jüdische Mischlinge wurden nach Hadamar eingewiesen. 34 Kinder wurden durch Giftinjektionen ermordet, fünf Kinder wurden auf energischen – auch juristischen – Druck ihrer Angehörigen hin wieder aus der Anstalt entlassen.

Ab Ende Juli 1944 wurden angeblich unheilbar an Tuberkulose erkrankte Ostarbeiter durch Giftinjektionen ermordet. Es handelte sich um 274 Männer, 173 Frauen und 21 Kinder im Alter von unter 15 Jahren, insgesamt um 468 Menschen. 375 waren Sowjetbürger und 63 Polen.

Zwischen dem 13. August 1942 und dem 24. März 1945 wurden 4.817 Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung nach Hadamar transportiert, die meisten davon durch die Gekrat, die Transportorganisation der T4. 4.422 von ihnen starben in diesem Zeitraum, der überwiegende Teil keines natürlichen Todes.

Erst die Besetzung Hadamars durch US-Truppen am 26. März 1945 beendete die bis zum Kriegsende anhaltende systematische Ermordung von Menschen. Die Gesamtzahl der Opfer in der Tötungsanstalt Hadamar beläuft sich auf mindestens 14.494 Menschen.

Tötungsärzte

Die T4-Organisatoren Viktor Brack und Karl Brandt ordneten an, dass die Tötung der Kranken ausschließlich durch das ärztliche Personal erfolgen durfte, da sich das Ermächtigungsschreiben Hitlers vom 1. September 1939 nur auf Ärzte bezog. Die Bedienung des Gashahns war somit Aufgabe der Vergasungsärzte in den Tötungsanstalten. Allerdings kam es im Laufe der Aktion auch vor, dass bei Abwesenheit der Ärzte oder aus sonstigen Gründen der Gashahn auch vom nichtärztlichen Personal betätigt wurde. Alle Ärzte traten im Schriftverkehr nach außen nicht mit ihren richtigen Namen auf, sondern verwendeten Tarnnamen. In Hadamar waren als Tötungsärzte tätig:

Leiter: Ernst Baumhard (‚Dr. Moos‘): Januar 1941 bis Juni 1941
Leiter: Friedrich Berner (‚Dr. Barth‘): Juni 1941 bis August 1941
Leiter: Curt Schmalenbach (‚Dr. Palm‘): Dezember 1941 bis Juli 1942
Leiter: Adolf Wahlmann: 5. August 1942 bis April 1945
Stellvertreter: Günther Hennecke (‚Dr. Fleck‘): 13. Januar 1941 bis Juni 1941
Stellvertreter: Bodo Gorgaß (‚Dr. Kramer‘): 18. Juni 1941 bis August 1941

Aufarbeitung

Wiesbadener Prozess und Nürnberger Prozesse

Im Wiesbadener Prozess vor einem Militärgericht wurde vom 8. bis 15. Oktober 1945 die Ermordung von 476 russischen und polnischen Zwangsarbeitern durch Leon Jaworski angeklagt. Alfons Klein und die Pfleger Heinrich Ruoff und Karl Willig wurden zum Tode verurteilt, der Arzt Adolf Wahlmann aufgrund seines hohen Alters zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe. Zwei Verwaltungsangestellte erhielten Freiheitsstrafen von 35 Jahren und 30 Jahren und die einzige weibliche Angeklagte Irmgard Huber 25 Jahre. Die Todesurteile wurden am 14. März 1946 vollstreckt. Eine Anklage wegen der Ermordung von etwa 15.000 weiteren Menschen war nach Kriegsrecht nicht möglich.

Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde Hadamar in dem Beweismittelfilm Nazi-Konzentrationslager mit gezeigt und gegen den Angeklagten früheren Reichsinnenminister Wilhelm Frick das Schreiben des Bischofs Hilfrich an das Innenministerium als Beweismitteldokument angeführt. Frick wurde u. a. wegen der Verantwortung für zahlreiche Euthanasiemorde zum Tode verurteilt. Die Tötung der angeblich tuberkulösen Zwangsarbeiter wurde beim Nürnberger Ärzteprozess von der Klagevertretung als Ausweitung und Fortsetzung der Euthanasiemorde vorgebracht.

Prozess vor dem Frankfurter Landgericht

Wegen der Morde an deutschen Patienten in den Jahren 1941 bis 1945 fand in Frankfurt ein Prozess gegen insgesamt 25 Angeklagte statt, von denen 11 verurteilt wurden. Die Ärzte Gorgaß und Wahlmann wurden zum Tode verurteilt und die Strafe vom hessischen Ministerpräsidenten in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt. Die weiteren Strafen gegen hauptsächlich Krankenpfleger und Krankenschwestern beliefen sich auf 2 Jahre und 6 Monate bis 8 Jahre Zuchthaus. Die Strafen von Wahlmann und Gorgaß wurden dann weiter umgewandelt und 1956 wurde Gorgaß als letztem Sträfling an Weihnachten die Haft durch den hessischen Ministerpräsidenten Zinn erlassen.

Erforschung und Erinnerung

Im amerikanischen Dokumentationsfilm Die Todesmühlen von 1945 wurden Sequenzen zur Exhumierung von Leichen und zum Verhör der Anstaltsleitung verarbeitet. Der Film wurde im Rahmen des Umerziehungsprogramms gezeigt.

Die Erinnerung an den systematischen Krankenmord auf dem Hadamarer Mönchberg begann von deutscher Seite im Jahr 1953 durch die Installation eines Gedenkreliefs im Eingangsbereich der ehemaligen Tötungsanstalt. In den 1960er Jahren wurde die Thematik u. a. im Spiegel aufgegriffen, jedoch nicht systematisch erforscht. Der Frankfurter Journalist und Wissenschaftler Ernst Klee recherchierte und publizierte umfänglich zu den Morden auf dem Mönchberg in Hadamar. Im März 2018 übergab dessen Witwe Elke Klee den publizistischen und wissenschaftlichen Nachlass ihres Mannes an die Gedenkstätte Hadamar. Dort soll er baldmöglichst erschlossen und der Forschung zugänglich gemacht werden.

Der Rechtsnachfolger der für die Morde verantwortlichen Institution, der Landeswohlfahrtsverband Hessen, zeigte wenig Interesse an einer kritischen Befassung mit den Verbrechen. Im Jahr 1985 publizierten der Sozialarbeiter Gerhard Kneuker und der ärztliche Direktor Wulf Steglich einen nicht-wissenschaftlichen Erfahrungsbericht. Das Buch basiert zum Teil auf Forschungen im Hessischen Hauptstaatsarchiv, insbesondere den Akten zum Hadamar-Prozess der Jahre 1946/1947, sowie auf eigenen Gesprächen mit Zeitzeugen.

Zu Beginn der 1980er Jahre gründeten 18 Studierende und zwei Professoren eine Arbeitsgruppe an der Fachhochschule Frankfurt am Main, deren definiertes Ziel die gründliche Erforschung des Krankenmordes auf dem Mönchberg war. Unter dem Arbeitstitel „Psychiatrie im Faschismus: Die Anstalt Hadamar 1933–1945“ begannen die Forscher, die im Hessischen Hauptstaatsarchiv vorhandenen Akten zum Hadamar-Prozess auszuwerten sowie die bisher unbearbeiteten Akten im Keller der ehemaligen Tötungsanstalt zu sichten und systematisch zu bearbeiten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die rund 5.000 im Keller der ehemaligen Mordanstalt gelagerten Patientenakten nicht beachtet oder archiviert worden. Vielmehr lagen sie „verstaubt und durchfeuchtet … archivarisch völlig unversorgt“ in einem nicht abgeschlossenen Kellerraum. Die sich über drei Jahre erstreckende Forschungsarbeit wurde durch den Landeswohlfahrtsverband nicht unterstützt, sondern behindert. Dieses formulierte die von der Hessischen Landesregierung unterstützte Forschergruppe nach Abschluss der Arbeit in aller Deutlichkeit in ihrem Vorwort zu einer Publikation.

Die „Behinderungsstrategien … waren wesentlich bestimmt durch das Motiv, den in den Archiven lagernden politischen Zündstoff so weit wie möglich zu entschärfen.“[16] Trotz der institutionell-politischen Widerstände entstand die erste grundlegende Untersuchung zur Rolle der Anstalt Hadamar, weil das Projekt durch die Hessische Landesregierung und den Minister für Soziales Armin Clauss unterstützt wurde. Bis in die Gegenwart wird die so entstandene wissenschaftliche Studie von Roer/Henkel nicht in den Literaturhinweisen der Gedenkstätte Hadamar auf den Seiten des LWV aufgeführt, obwohl die erste Ausstellung in den Kellerräumen der Mordanstalt auf dieser Studie basierte und somit der Grundstein für die Einrichtung der Gedenkstätte Hadamar gelegt war. Erst im Jahr 2002 erfolgte, diesmal allerdings unter der Federführung des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, eine grundlegende Erforschung der Rolle des Bezirksverbands im Rahmen der Aktion T4 und der sich anschließenden 2. Phase des Krankenmordes. Nachdem die vormals im Berlin Document Center gelagerten Akten zur Aktion T4, also der 1. Mordphase, im Bundesarchiv Berlin seit Mitte der 1990er Jahre allgemein zugänglich sind, ist die systematische Aufarbeitung, auch und gerade von Opferbiografien, Gegenstand zahlreicher Studien.

Gedenkstätte Hadamar

Im Jahr 1953 wurde in der Eingangshalle des Psychiatrischen Krankenhauses Hadamar ein Wandrelief angebracht. 1964 wurde der Friedhof, auf dem die Toten der Jahre 1942 bis 1945 liegen, umgestaltet und durch den Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Pfarrer Martin Niemöller, der Öffentlichkeit übergeben. Ein Mahnmal und symbolische Grabsteine erinnern an die Opfer.

1983 erarbeiteten vier Gießener Studenten eine erste Ausstellung zu den Krankenmorden, die in den Kellerräumen der einstigen Tötungsanstalt gezeigt wurde. Diese ehrenamtliche Initiative gilt als Gründungsimpuls für die Gedenkstätte Hadamar, die bis in die Gegenwart in der offiziellen Geschichtsschreibung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen nur zögerlich anerkannt wird. 1991 wurde der Öffentlichkeit durch den Landeswohlfahrtsverband Hessen eine neu konzipierte Dauerausstellung präsentiert, die seitdem im Erdgeschoss des Gebäudes untergebracht ist. Betrieb und Pflege der Gedenkstätte liegen beim Landeswohlfahrtsverband.

Die Gedenkstätte umfasst neben der Ausstellung ein Archiv (Außenstelle des Archivs des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen in Kassel), eine Bibliothek und Seminarräume. Ein Förderverein unterstützt die Arbeit der Gedenkstätte. Rund 15.000 Menschen besuchen pro Jahr die Gedenkstätte, die meisten von ihnen im Rahmen einer etwa dreistündigen Führung. Zusätzlich zum Denkmalschutz hat die Gedenkstätte den Schutzstatus für den Kriegsfall nach der Haager Konvention erhalten. Im September 2019 wurde bekannt, dass die Gedenkstätte bis 2025 vergrößert und modernisiert werden soll.

Im Jahr 2007 erhielt die Gedenkstätte Hadamar den Preis für Innovation in der Erwachsenenbildung für Wir entdecken unsere Geschichte. Menschen mit Lernschwierigkeiten arbeiten zum Thema NS-‚Euthanasie’-Verbrechen in der Gedenkstätte Hadamar.

Leiter der Gedenkstätte ist seit April 2014 der Historiker Jan Erik Schulte.

Opferdatenbank

Seit 2006 steht eine digitale Opferdatenbank zur Verfügung, die in ihrer Vollständigkeit einmalig für die sechs Tötungsanstalten ist. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Angehörige bei der Aufdeckung der verschleierten Todesumstände zu unterstützen. Sie leistet so einen wichtigen Beitrag zum Gedenken.

Stolpersteine

Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig werden dezentral am letzten Wohnort der Mordopfer verlegt und erinnern dort an die Opfer.

Erste Hinweise auf die Opfer der Tötungsanstalt Hadamar geben Transportlisten und die Opferdatenbank von Hadamar. Flankierend werden die Lebensläufe der Opfer recherchiert, dokumentiert und offenbaren das Vorgehen der Täter und die Traumatisierung und Benachteiligung der Familienangehörigen und Nachkommen.

Bekannte Todesopfer

Carl Langhein (1872 bis 26. Juni 1941), Maler und Grafiker
Eduard Senz (1877 bis 28. Februar 1941), Original (Neunkirchen (Saar))
Gertrud Stockhausen (1900 bis 27. Mai 1941), Mutter des Komponisten Karlheinz Stockhausen