Philipp zu Eulenburg

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Philipp Friedrich Alexander Graf zu Eulenburg, ab 1867 auch Freiherr von und zu Hertefeld, ab 1900 Fürst zu Eulenburg und Hertefeld Graf von Sandels – geboren am 12. Februar 1847 in Königsberg; gestorben am 17. September 1921 in Liebenberg, heute Löwenberger Land), war ein preußischer Diplomat und enger Vertrauter des Deutschen Kaisers Wilhelm II.

Leben

Herkunft und Jugend 1847–1869

Eulenburg war der Sohn des Oberstleutnants Philipp Konrad zu Eulenburg (1820–1889) und von dessen Ehefrau Alexandrine, geborene Freiin von Rothkirch und Panthen (1824–1902). Sein Vater war Berufsoffizier im Ostpreußischen Kürassierregiment Nr. 3 in Königsberg, nachher im 1. Brandenburgischen Ulanenregiment Nr. 3 in Potsdam und in den 1850er Jahren persönlicher Adjutant des Generalfeldmarschalls Friedrich Graf von Wrangel, in dessen Haus auch der junge Eulenburg häufig verkehrte. Der älteste Sohn des Grafen, welcher nach dem Tode Karl von Hertefelds 1867, des Großonkels der Gräfin Alexandrine, auch Herr von und zu Hertefeld geworden war, verließ 1866, kurz vor Ausbruch des Deutschen Krieges, das Vitzthumsche Gymnasium zu Dresden und trat in Potsdam ins Regiment der Gardes du Corps ein, wo er um die Jahreswende 1868/69, nach Besuch der Kriegsschule Kassel, zum Offizier befördert wurde. Eulenburg schrieb im Rückblick über diese Zeit:

„Ich lernte sattsam den Dienst und – die eleganteste der eleganten Garden kennen; auch alle Vorurteile, alle Fehler, allen Mangel an Bildung, aber, um gerecht zu sein, auch alle Schneidigkeit, Ritterlichkeit und militärische Tugend. Ich kam mir jedoch mit meinen weitabliegenden Kenntnissen, Interessen und, ich kann wohl sagen, meiner Bildung wie eine rechte Hand vor, die verurteilt war, einen linken Handschuh zu tragen, und das war nichts für meinen unabhängigen Geist.“

Politische Ausrichtung und Interessen

Nicolaus Sombart kennzeichnet Eulenburg als einen „geradezu prototypischen Repräsentanten der ostelbischen Junkerkaste (…), Gutsbesitzer, deren Familien seit Generationen die Führungskräfte des preußischen Staates stellen, selbstverständlich rücksichtslos in der Verteidigung ihrer Standesinteressen, von einem nicht zu übertreffenden Pflichtbewusstsein, was den Dienst am Staate betrifft.“ Nach eigenem Bekunden war Eulenburg ein „Royaliste sans Phrase“, ein Anhänger des Königtums „ohne wenn und aber“ also, und damit einem Typus zugehörig, von dem es bei Sombart heißt, dass eine tief in der Persönlichkeit verankerte Identifizierung mit der monarchischen Herrschaftsstruktur dafür charakteristisch war, „das Ergebnis eines säkularen Sozialisierungs- und Züchtungsprozesses, ein psychisches Verhaltensmuster, eine Mentalitätsstruktur, ein Wertmaßstab, um den herum sich das ganze Weltverständnis und Wertesystem organisiert.“

1869 nahm der junge Sekondeleutnant bereits Urlaub, um sein Abitur nachzuholen, was seine elitären Offizierskameraden einigermaßen in Erstaunen versetzte. Nach einem Intermezzo im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, wo er sich das Eiserne Kreuz erwarb, nahm er nach Zwistigkeiten mit Vorgesetzten seinen Abschied vom Militär. Anschließend ging er auf Reisen, bevor er 1875 in Kassel das erste juristische Examen absolvierte und in Jura promovierte. Im selben Jahr heiratete er in Stockholm die Freiin Sandels. Der junge Eulenburg verkehrte bei den vornehmsten preußischen Familien, war im Hause Bismarck bis zur Entlassung des Kanzlers 1890 ein gern gesehener Gast und überdies eng befreundet mit Herbert von Bismarck und dessen späterer Lebensgefährtin, der Fürstin Elisabeth zu Carolath-Beuthen, bei deren unglücklicher Affäre 1881 er eine wichtige Vermittlerrolle spielte. Eulenburg liebte die bildenden Künste, aber auch die Jagd und war ein begeisterter und nicht unbegabter Komponist und Musiker: Seine „Skaldengesänge“ und vor allem seine „Rosenlieder“ erfreuten sich zu seinen Lebzeiten einiger Popularität; er selber trug sie gelegentlich im Salon der Gräfin Schleinitz vor, wo er häufig verkehrte.

Berufliche Laufbahn 1877–1903

1877 trat Eulenburg in den preußischen diplomatischen Dienst ein. Von 1881 bis 1888 war er Legationssekretär in München, 1888 wurde er Gesandter beim Großherzogtum Oldenburg, 1890 für kurze Zeit in Stuttgart und von 1891 bis 1894 in München. Seit 1894 schließlich war er Botschafter in Wien. 1903 schied er aus dem diplomatischen Dienst aus. Bald engster Freund Kaiser Wilhelms II., spielte er 1890 eine maßgebliche Rolle beim Sturz des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck, was diesen, lt. Harden, zu einer säuerlichen Charakterisierung seines ehemaligen Hausfreundes veranlasste:

„Als Politiker nicht ernst zu nehmen. Als Diplomat auf wichtigem Posten nicht verwendbar. Aber sehr schicklich, belesen, liebenswürdig. (…) Werden will er nichts; weder Staatssekretär noch Kanzler. (…) Schwärmer, Spiritist, romantisierender Schönredner, (…) der so geschickt den Garderobier der mittelalterlichen Phantasie des Königs mache.“

Weitere Urteile Bismarcks lauteten: „Etwas wie ein preußischer Cagliostro“. Und: „Für das dramatische Temperament unseres Kaisers ist die Sorte ganz besonders gefährlich. Wenn er in der Nähe des hohen Herrn ist, nimmt Eulenburg Adorantenstellung ein.“

Am 1. Januar 1900 erhob ihn der Kaiser zusammen mit zwei anderen Grafen in den erblichen preußischen Fürstenstand. Seine Erhebung, die er selber zuvor beim Kaiser zu verhindern gesucht hatte, war in der Berliner Gesellschaft nicht unumstritten und sorgte bei seinen Neidern für einige Gehässigkeiten, wie ein Tagebucheintrag einer ursprünglich glühenden Bismarck-Verehrerin, der Baronin Spitzemberg, belegt:

„Die beste Kritik der ‚neuen Fürsten‘ ist das Gesicht, das man sieht, wenn sich Bekannte darauf anreden: Lächeln, Achselzucken, ein paar spöttische Worte, besonders was Phili Eulenburg, den ‚Grafen Troubadour‘ betrifft, der wenig Geld, wenig Verdienste und viele Kinder besitzt, auch nicht einmal Chef seines Hauses ist.“

Freundschaft mit Kaiser Wilhelm II. 1886–1906

Am 19. April 1886 begegnete Prinz Wilhelm von Preußen dem zwölf Jahre älteren Grafen Eulenburg erstmals auf einer Jagdgesellschaft beim Grafen Eberhard Dohna im ostpreußischen Prökelwitz. Zwischen beiden entspann sich eine homoerotisch angehauchte Freundschaft, in der der lebenserfahrene, weltgewandte Graf dem jungen, ungestümen und nervösen Prinzen ebenso emotionalen Halt wie intellektuelle Zerstreuung bieten sollte. Prinz Wilhelm stand seit Jahren gegen seine zum Liberalismus neigenden Eltern, Kronprinz Friedrich Wilhelm und besonders Kronprinzessin Victoria, in Opposition, hatte aber auch beim elitär-konservativen Offizierkorps der Potsdamer Garderegimenter, in denen er militärische Kommandos bekleidete, nur oberflächlich Anschluss finden können. Auch die strenge Erziehung in seiner Jugend, mitsamt der schmerzlichen Therapie seines verkrüppelten linken Arms, hatte ihn schwer traumatisiert und schon früh verbittert.

So war Eulenburg der erste im Leben des Prinzen, der ihm das Gefühl der Geborgenheit und des Verstandenwerdens vermittelte. Infolge ihrer Begegnung formierte sich auf seinem brandenburgischen Herrensitz der sogenannte Liebenberger Kreis, ein Zirkel preußischer Aristokraten, in dem der Prinz und spätere Kaiser – brieflich oft „das Liebchen“ genannt – sich an einer männerbündlerischen Geselligkeit mit teils kultivierten, musischen und spirituellen, teils zotig-vulgären Gesprächsinhalten erfreute und Entspannung fand. Es wurde gemeinsam gelesen und musiziert, wobei Eulenburg sein künstlerisches Talent voll zur Geltung bringen konnte. Daneben hatte der Liebenberger Kreis auch eine politische Dimension; Eulenburgs eigene Ambitionslosigkeit ließ eine regelrechte Günstlingswirtschaft allerdings kaum zu, wenngleich er ein persönliches Regiment des Kaisers befürwortete und der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow sein Protegé war. Eulenburgs außenpolitische Position galt als friedliebend und konsensorientiert, was ihn in Widerspruch zur offiziellen Politik des Auswärtigen Amtes brachte und ihm nachmals den Ruf eines „Weichlings“, Wilhelm aber den Spottnamen „Guillaume le Pacifique“ bzw. „le Timide“ (deutsch: „Wilhelm der Friedfertige“ bzw. „der Schüchterne“) eintrug.

Nach dem Sturz des Reichskanzlers Leo von Caprivi im Jahr 1894 empfahl er dem Kaiser als Nachfolger mit Nachdruck Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Die Verbindung zwischen dem Kaiser und „Phili“, wie Eulenburg im intimen Kreis genannt wurde, hielt bis zum Ausbruch der Harden-Eulenburg-Affäre 1906.

1899 wurde der Stadtkommandant von Berlin, Kuno Graf von Moltke, von seiner Frau Lily, geborene von Heyden, geschieden, da diese entdeckt hatte, dass ihr Mann bereits seit Jahren eine Affäre mit Philipp zu Eulenburg hatte, damals preußischer Botschafter in Wien.

„Seit der Jahrhundertwende nahm der Einfluss Eulenburgs jedoch deutlich ab. 1902 gab er seinen Botschafterposten in Wien auf und zog sich ganz aufs Schloss Liebenberg zurück. Wilhelm meldete sich zwar hin und wieder noch zu Besuch an, aber für Eingeweihte war erkennbar, dass der Kaisergünstling seine große Zeit hinter sich hatte. In den Augen der kritischen Öffentlichkeit galt Eulenburg indes immer noch als Haupt einer Nebenregierung, einer »Kamarilla«, die einen verderblichen Einfluss auf den Kaiser und die Reichspolitik ausübe.“ (Volker Ullrich)

Eulenburg-Affäre 1906–1908

Ab November 1906 warf der Publizist Maximilian Harden Eulenburg in mehreren Artikeln andeutungsweise vor, homosexuell zu sein. Ab Herbst 1907 kam es deswegen zu mehreren Sensationsprozessen, die sich zunächst indirekt und dann auch direkt gegen Eulenburg wegen Vergehens gegen Paragraph 175 Reichsstrafgesetzbuch richteten. Zu einer Verurteilung kam es nicht mehr, obgleich Harden Zeugen unter Eid vorführte, die regelmäßig mit Eulenburg verkehrt haben sollten, da Eulenburg seit 1908 wegen seines Nervenleidens als prozessunfähig galt. Die sogenannte Harden-Eulenburg-Affäre war einer der größten Skandale der Wilhelminischen Zeit. Der Begriff Liebenberger Kreis, der die von Eulenburg geführte Kamarilla rund um den deutschen Kaiser bezeichnete, kam dadurch in Misskredit. Am 29. Juni 1908 wurde der entscheidende Prozess gegen Eulenburg eröffnet. Ihm wurde Meineid vorgeworfen, da er im Bülow-Brand-Prozess als Zeuge unter Eid ausgesagt hatte, niemals sexuelle Handlungen mit Männern vorgenommen zu haben. Im August desselben Jahres wurde das Verfahren jedoch wegen Eulenburgs angeschlagenen Gesundheitszustands[14] unterbrochen und im Jahr 1909 dauerhaft ausgesetzt. In der Bevölkerung löste der Skandal einen Sturm der Entrüstung gegen Homosexuelle und die angebliche Verquickung homosexueller Männerfreundschaften mit politischen Machtansprüchen aus. Wilhelm II. war politisch bloßgestellt und ließ Eulenburg fallen.

Rückzug und Tod 1908–1921

Als schwer kranker Mann zog sich Eulenburg daraufhin tief enttäuscht auf seinen Sitz Schloss Liebenberg in den Kreis seiner Familie zurück, wo er von seinen adeligen Freunden gemieden wurde. In den Folgejahren bis zu seinem Tod widmete er sich der Aufarbeitung seiner umfangreichen politischen Korrespondenz (hrsg. v. John Röhl. Boppard/Rhein 1976–83) und der Familiengeschichte. Philipp zu Eulenburg starb in Liebenberg am 17. September 1921 und wurde in der Familiengruft in Liebenberg beigesetzt.

Familie – Ehe

Am 20. November 1875 heiratete Philipp zu Eulenburg in Stockholm die Freiin, spätere Gräfin Augusta Sandels (* 12. Mai 1853 in Stockholm; † 14. Dezember 1941 in Liebenberg), eine Tochter von Samuel August, dem letzten Grafen Sandels, und der Hedvig Henrietta Emilie Augusta Tersmeden.