Oswald Spengler

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Oswald Arnold Gottfried Spengler – geboren am 29. Mai 1880 in Blankenburg am Harz; gestorben am 8.  Mai 1936 in München – war ein deutscher Philosoph und Gymnasiallehrer.

Er war als Schriftsteller auf geschichtsphilosophischem,  kulturhistorischem Gebiet, sowie als antidemokratischer politischer Autor tätig. Spengler wird zur nationalistischen und antidemokratischen „Konservativen Revolution“ gerechnet, lehnte aber den Nationalsozialismus und namentlich dessen Rassenideologie ab. Trotzdem gilt er vielfach als geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus.

In seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ richtet sich Spengler gegen eine lineare Geschichtsschreibung, die die Geschichte „der Menschheit“ als Geschichte des Fortschritts erzählt. Stattdessen vertritt er eine Zyklentheorie, nach der immer wieder neue Kulturen entstehen, eine Blütezeit erleben und sich durch eine Phase des Verfalls vollenden und untergehen. Er fasst Kulturen als eindeutig abgrenzbare, quasi-organische Gebilde mit einer Lebensdauer von etwa 1000 Jahren auf, die jeweils ganz charakteristische, das Denken und Handeln der Individuen prägende Eigenschaften aufweisen. Schon der Titel des Werkes enthält die These, die im Buch dargestellt und begründet werden soll, dass in der Gegenwart Spenglers die „Kultur des Abendlandes“ im Untergang begriffen sei.

Spengler hat im Urteil einiger Zeitgenossen Entwicklungen seiner Zeit richtig vorausgesagt und andere Geschichtswissenschaftler stark beeinflusst, darunter Franz Borkenau und vor allem Arnold J. Toynbee. Von der heutigen Geschichtswissenschaft wird sein Werk nicht als grundlegend erachtet.

Leben

Kindheit und Jugend

Spengler wurde am 29. Mai 1880 als zweites von fünf Kindern des Postbeamten Bernhard Spengler und seiner Frau Pauline Spengler, geb. Grantzow, in Blankenburg am Harz geboren; er wurde evangelisch getauft. Der ältere Bruder war im Alter von drei Wochen gestorben. Im Jahr 1891 zog die Familie nach Halle an der Saale, wo Spengler die Latina der pietistisch orientierten Franckeschen Stiftungen besuchte. Seine Kindheit war geprägt von Nervenkrisen und Panikanfällen, außerdem neigte er zum Somnambulismus.

Später erinnerte er sich an seine Jugend als eine durch „Kopfschmerzen“ und „Lebensangst“ geprägte Zeit. Bereits früh richtete er seine bemerkenswerte Phantasie auf historische Themen: Als 15-Jähriger füllte er ganze Hefte mit detaillierten Angaben zu Geschichte, Geografie und Verwaltung zweier fiktiver Reiche. Spengler bildete sich neben der als eng empfundenen Schulwelt autodidaktisch weiter.

Studium

Nachdem er 1899 das Abitur bestanden hatte und wegen eines schweren Herzfehlers vom Militärdienst befreit worden war, studierte er in Halle, München und Berlin Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie. Seine Dissertation schrieb er bei dem Philosophen Alois Riehl zum Thema „Der metaphysische Grundgedanke der Heraklitischen Philosophie“. Die Prüfungskommission lehnte nach der mündlichen Verteidigung die Dissertation mit der Begründung ab, es sei zu wenig Fachliteratur zitiert worden. Spengler wiederholte die Prüfung und wurde am 6. April 1904 an der Universität Halle zum Dr. phil. promoviert.

Im Dezember 1904 bestand er die Prüfung für das Höhere Lehramt in den Fächern Zoologie, Botanik, Physik, Chemie und Mathematik. Das Thema der Staatsexamensarbeit lautete: „Die Entwicklung des Sehorgans bei den Hauptstufen des Tierreiches“. Spengler lernte in seinem Studium einerseits die Naturwissenschaften kennen, andererseits die Philosophie. Prägend wirkten auf ihn Ernst Haeckel, die fiktionale Philosophie Hans Vaihingers (Philosophie des Als Ob), in besonderem Ausmaß aber die Kulturkritik Friedrich Nietzsches, besonders seine Konzepte von Dekadenz und dem Willen zur Macht. Außerdem verehrte er lebenslang Goethe als einen Gipfel der abendländischen Kultur.

Erste Berufstätigkeiten

Das Seminarjahr trat Spengler 1905 in Lüneburg an. Der Schuldienst sagte ihm jedoch nicht zu. Er erlitt einen Nervenzusammenbruch, woraufhin er wieder abreiste. Auf Wunsch seiner Mutter nahm er 1906 eine Stelle in Saarbrücken an und absolvierte sein Probejahr in Düsseldorf an der Oberrealschule am Fürstenwall, heute Geschwister-Scholl-Gymnasium. Nachdem er die Lehrbefugnis für das Fach Mathematik erhalten hatte, trat er 1908 eine feste Anstellung als Ordinarius am Heinrich-Hertz-Realgymnasium in Hamburg an. Bei seinen Schülern war er beliebt, besonders wegen seiner improvisierten Vorträge.

Eine kleine Erbschaft nach dem Tod seiner Mutter eröffnete Spengler die Möglichkeit, seine Unterrichtstätigkeit aufzugeben und als freier Schriftsteller seinen literarischen Ambitionen nachzugehen. Schließlich zog er im März 1911 nach München-Schwabing. In München war er zunächst für verschiedene Zeitungen als Kulturreferent tätig. Für die „unvergleichliche Atmosphäre vieldeutiger Modernität“ der Münchner Szene voller Künstler und Revolutionäre verschiedener Couleur empfand Spengler nur Ekel und Verachtung. Daher teilte er den in diesen Kreisen offenen Antisemitismus nicht, dessen Sprache er als vulgär ablehnte. Gleichwohl sind von ihm aus dieser Zeit Äußerungen überliefert, die judenfeindliche Ressentiments zeigen, wenn er etwa „Schmutz und Gemeinheit“ der deutschen Literaturszene seiner Gegenwart mit „einem russischen Ghetto“ verglich.

Arbeit am Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ (1911–1921)

Die Zweite Marokkokrise 1911 nahm er als Demütigung des Deutschen Reichs wahr, dessen Außenpolitik ihm schwächlich erschien. Dies stellte er später als den Anlass dar, mit der Arbeit an seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ („Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“) zu beginnen. Im April 1917 schloss er den ersten Band ab, der im September 1918 erschien, wenige Wochen vor Ende des Ersten Weltkriegs, an dem Spengler wegen seiner Gesundheitsprobleme nicht hatte teilnehmen können. Die Koinzidenz zwischen dem unheilverkündenden Titel und der deutschen Niederlage trug zum fulminanten publizistischen Erfolg des Buches bei. Spengler wurde schlagartig berühmt und in literarischen, wissenschaftlichen und politischen Kreisen zum Gegenstand heftiger Debatten und Kontroversen. Der zweite Band erschien 1922. Während seiner rund zehnjährigen Arbeit an seinem Hauptwerk lebte er isoliert, litt unter psychischen Problemen und später unter materiellen Schwierigkeiten. Während seiner Münchner Zeit litt Spengler stark unter seiner sozialen und intellektuellen Isolierung. „Insgeheim vergleicht er sich mit Deutschland, das ebenfalls allein ist.“ Er war erschöpft und fühlte sich müde. Dennoch ging er davon aus, dass sein Werk „epochemachend“ sein würde.

Zwischen 1914 und 1917 verfasste Spengler zwei undatierte Denkschriften, die nur in Fragmenten überliefert sind. Die eine richtete er an Kaiser Wilhelm II., die andere an den Adel. In seiner Denkschrift an den Kaiser fordert Spengler, dass die „Monarchie den republikanischen Herausforderungen mit der Bereitschaft der Selbsterneuerung begegnen“ müsse. Vom Adel forderte er, dass er auf seine politischen Privilegien verzichtet. Mit seiner antiaufklärerischen Kritik forderte Spengler eine demokratische Elitenbildung, damit „mit großer Wahrscheinlichkeit so starke Begabungen tatsächlich an der geeigneten Stelle und unter hinreichender Schulung vorhanden sind, wie das System stillschweigend voraussetzt“. Spenglers Überzeugung war, dass ein leistungsfähiger Adel in einem monarchischen Staat, der Aufstiegsmöglichkeiten für Nichtadelige bietet, grundsätzlich besser sei als eine reine Demokratie.

Die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg akzeptierte er nicht. Bereits im Dezember 1918 schrieb er in einem Brief, dass der Friede nur provisorisch sein könne: Der Weltkrieg trete „erst jetzt in sein zweites Stadium“ ein.

Antidemokratisches Denken und Wirken

Als politischer Schriftsteller brachte Spengler seine antidemokratische Gesinnung in kleineren Schriften zum Ausdruck. Er hoffte, dass der Weimarer Republik durch einen Diktator ein Ende gesetzt werde, der imstande sei, die großen innen- und vor allem außenpolitischen Herausforderungen in einem Zeitalter der „Vernichtungskriege“, das er in seinem Untergang des Abendlandes prophezeit hatte, erfolgreich zu bewältigen. Politik verstand er ausschließlich als das Werk „großer Männer“, weshalb ihm die Idee der Volkssouveränität töricht vorkam.  Das Volk erschien ihm lediglich als Ansammlung von Nörglern, bereits 1919 verunglimpfte er die Volksvertretung als „Biertisch höherer Ordnung“. Parlamente tat er als dünkelhaft, beschränkt und unfähig zu echten Taten ab, die parlamentarische Republik erschien ihm nicht als Staatsform, sondern als Firma, da darin der Handel den Staat beherrsche und nicht umgekehrt.

Anfang der zwanziger Jahre versuchte er auch selbst auf die Politik Einfluss zu nehmen. Mit dem Geld schwerindustrieller Freunde und Bekannten, darunter Albert Vögler und Paul Reusch wollte er 1922 ein geheimes Büro zur zentralen Lenkung der Presse aufbauen, in dem neben ihm selbst auch der rechtskatholische Publizist Martin Spahn und der Journalist Paul Nikolaus Cossmann von den „Münchner Neuesten Nachrichten“ tätig werden würden. Die Zeitungen sollten über eine Kontrolle der Anzeigen, die eine für sie wichtige Einnahmequelle darstellten, auf eine nationalistische Linie gebracht werden. Die Presse des Hugenberg-Konzerns und die von Hugo Stinnes kontrollierten Blätter hoffte er durch Vermittlung Georg Escherichs einbinden zu können, des Führers der illegalen Einwohnerwehren. Der Plan scheiterte an der Rivalität Alfred Hugenbergs gegen Spenglers Förderer Reusch und Karl Haniel. Nach dem Historiker Paul Hoser war Spenglers Idee einer geheimen Presselenkung „nichts als ein phantastischer Kleinbürgertraum“. Diese Vorgänge verarbeitete Leonhard Florian Seidl in seinem Kriminalroman „Vom Untergang“.

In der zweiten Jahreshälfte 1923 beteiligte Spengler sich an Planungen rechtsgerichteter Kreise um den Chef der Heeresleitung der Reichswehr, Hans von Seeckt, die Reichsregierung unter Gustav Stresemann durch ein autoritär regierendes „Direktorium“ zu ersetzen, in dem er selbst Bildungsminister werden sollte. Ein persönliches Treffen mit Seeckt verlief für beide Seiten enttäuschend, denn dieser äußerte anschließend, er wünschte, Spengler „wäre mit dem Abendland untergegangen – ein politischer Narr!“ Der bezeichnete seinerseits Seeckt in der Folge als „Opportunisten“.  Nun wünschte sich Spengler Escherich oder den bayrischen Generalstaatskommissar Gustav von Kahr als Diktator. Dazu orchestrierte er eine Pressekampagne gegen Stresemann, die erfolglos blieb – nach Spenglers Ansicht auch, weil man zu seinem Bedauern darauf verzichtet hatte, Informationen über Stresemanns Privatleben auszuschlachten. Nach dem gescheiterten Hitlerputsch zog er sich aus der aktiven politischen Tätigkeit zurück und arbeitete nur noch publizistisch. In den 1920er Jahren stand er dem Nietzsche-Archiv nahe.

Haltung zum Nationalsozialismus

Den Nationalsozialismus lehnte Spengler ebenso ab wie die Weimarer Republik. Ein Angebot Gregor Strassers, des NSDAP-Gauleiters von Niederbayern, an den „Nationalsozialistischen Monatsheften“ mitzuwirken, schlug er 1925 aus, weil ihm die „primitive Lösung eines Antisemitismus“ zuwider war. Aus dem gleichen Grund lehnte er 1927 eine Mitarbeit an der völkischen Zeitschrift „Deutsches Volkstum“ ab.

Nach der Machtergreifung änderte sich seine ablehnende Haltung nicht; das Kabinett Hitler bezeichnete er in einem Brief als „Faschingsministerium“. Wie er in seinem 1933 erschienenen Werk „Jahre der Entscheidung“ deutlich machte, sah er seine antidemokratischen und antiparlamentarischen Ideale vielmehr in Benito Mussolini als Diktator des faschistischen Italien erreicht.

Der Bitte von Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels, anlässlich des Tages von Potsdam am 21. März 1933 eine Rede zur Versöhnung von „Preußentum und Sozialismus“ zu halten, kam er nicht nach. Am 14. Juni 1933 erhielt Spengler einen Ruf an die Universität Leipzig, lehnte aber auch diesen ab, nachdem er bereits im Jahr 1919 einem Ruf an die Universität Göttingen nicht gefolgt war. Am 25. Juli 1933 fand in Bayreuth eine Unterredung zwischen Spengler und Adolf Hitler statt, bei der deren gegenseitige Abneigung deutlich wurde.

In seinem Buch „Jahre der Entscheidung“, das am 18. August 1933 erschien, distanzierte sich Spengler öffentlich von Hitler und dem Nationalsozialismus, dagegen feierte er Mussolini enthusiastisch. Trotz seiner oppositionellen Tendenz wurde das Buch vom NS-Regime nicht verboten. Es lief zwar eine Kampagne gegen das Buch, doch Reichspropagandaminister Goebbels bemühte sich weiterhin, Spengler auf seine Seite zu ziehen. Erst nachdem dieser ein Angebot von Goebbels ausgeschlagen hatte, einen Aufsatz über den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund (26. Oktober 1933) zu schreiben, gab der Minister auf und erteilte die Anweisung, Spengler in Zukunft zu ignorieren.

Die als „Röhm-Putsch“ bekannt gewordene politische Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom 30. Juni 1934 bedeutete für Spengler den endgültigen Bruch mit dem Nationalsozialismus. Unter den Ermordeten befand sich mit Gregor Strasser einer seiner früheren politischen Ansprechpartner. Besonders betroffen war er aber vom Tod des Münchner Musikkritikers Willi Schmid, der offenbar das Opfer einer Verwechslung mit dem ebenfalls bei den „Münchner Neuesten Nachrichten“ publizierenden Paul Schmitt wurde.

Obwohl er wesentliche Gedanken wie die Rassenideologie nicht mittrug und sich vom Nationalsozialismus unter Hitler distanzierte, gilt er als geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus. Als so genannter „Meisterdenker der Konservativen Revolution“ trug er wie Ernst Jünger und andere Protagonisten dieser Bewegung wesentlich dazu bei, das verhasste „System“ der Weimarer Republik zu delegitimieren und zu unterminieren. Für Thomas Mann relativierte Spenglers späte Distanzierung von den Nationalsozialisten keineswegs seine Bedeutung als ihr intellektueller Wegbereiter. Gemäß Barbara Beßlich konnten sich die Nationalsozialisten nicht recht entscheiden, ob sie Spengler zu ihrem Wegbereiter oder zum Abtrünnigen erklären sollten. So wurde einerseits Spengler im Dritten Reich als „Ewig-Gestriger“ isoliert. Dem NS-Philosophen Alfred Baeumler zufolge gehörte Spengler „in die Rumpelkammer der Geistesgeschichte“. Andere Nationalsozialisten sahen ihn als einen ihrer „geistigen Väter“ an. Herbert Schacks Buch „Denker und Deuter. Männer vor der deutschen Wende“ von 1938 etwa unternahm den Versuch, eine direkte und konsequente geistesgeschichtliche Entwicklung von Richard Wagner und Friedrich Nietzsche über Oswald Spengler in die nationalsozialistische „deutsche Wende“ von 1933 nachzuzeichnen.

Letzte Jahre und Tod

In seinen letzten Jahren widmete sich Spengler wieder verstärkt wissenschaftlichen Fragen, die im Horizont einer Weltgeschichte von Anfang an standen, in die die Geschichte der Hochkulturen eingebunden werden sollte. Parallel dazu legte Spengler unter dem Stichwort „DiG“ (Deutschland in Gefahr) Notizzettel für den zweiten Band der „Jahre der Entscheidung“ an. Darin rechnete er mit dem Nationalsozialismus ab und stellte ihn auf eine Stufe mit dem Bolschewismus, den er bisher als das größte aller Übel auf der Ebene der Politik bezeichnet hatte. Hingegen behielt er in diesen Notizen seine Bewunderung für Mussolini bei.

Im Oktober 1935 trat Spengler aus dem Vorstand des Nietzsche-Archivs aus, weil er sich mit der Neudeutung Friedrich Nietzsches im Nationalsozialismus nicht abfinden wollte.

Spengler starb in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1936 in seiner Münchner Wohnung an Herzversagen; sein unerwarteter Tod gab Anlass für „Gerüchte, er sei von NS-Männern ermordet worden“. Er wurde auf dem Münchner Nordfriedhof beigesetzt (Sektion 125, Grabanlage 2).