Moses Calvary

Quelle: Quelle: Crossener Heimatgrüße – http://www.heimatkreis-crossen-oder.de/

 Moses Calvary wurde am 1. Februar 1874 nach Angaben des Sohnes und nach Angaben der Crossener Schulakten am 1. Februar 1876 in Messingwerk bei Eberswalde geboren. Seine Eltern sind der Kaufmann Gotthard Calvary und seiner Ehefrau Esther geb. Hildesheimer. Er wuchs in Messingwerk bei Eberswalde im Umfeld der Hirsch Kupfer und Messingwerke (HKM) auf.

Die Hirsch Kupfer und Messingwerke (HKM) Im Ortsteil Finow wurden im Jahr 1698 gegründet und arbeiteten bis 1945. Sie waren das erste industriell-gewerbliche Zentrum der Mark Brandenburg. 1863 kaufte der Industrielle Gustav Hirsch das Werk für 100.000 preußische Taler. Er sorgte sich – was zur damaligen Zeit alles andere als üblich war – sehr um das Wohl seiner Arbeiter und baute die Messingwerksiedlung wesentlich aus. Angeschlossen war eine jüdische Gemeinde mit eigener Synagoge. Zu dieser Gemeinde gehörten die Fam. G. Hirsch, Fam. Calvary, Fam. Rosenblüth, Fam. Jeidel und Adolf Hirsch. Noch ohne Familie waren der spätere Firmenchef Aron Hirsch, Moses Hildesheimer, Wiener, Löwenberg, Katzenstein, Schwab, Spangenthal, Rothenberg und noch einige andere. Die angegebenen Familien und jungen Leute waren die Bewohner des sogen. großen Hauses, das alte königliche Hütten Amt.

Produziert wurden Bleche, Drähte, Kessel und Röhren, außerdem im Rahmen umfangreicher Rüstungsaufträge Munitionshülsen, Zünder und Granaten. 1872 waren 200 Arbeitnehmer beschäftigt. 1899 übernahm sein Neffe Aaron Hirsch den Betrieb und gründete 1906 die Hirsch Kupfer- und Messingwerke AG. 1907 waren 950 Arbeiter beschäftigt, 1918 bereits 2390. 1917 begann der Bau des Neuwerkes, das 1920 durch Siegmund Hirsch eingeweiht wurde.

1929 war das Werk das größte und leistungsfähigste Messingwerk Europas. 1932 schied die Familie Hirsch infolge der Berliner Bankenkrise aus dem Unternehmen aus. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte der ehemalige Juniorchef Siegmund Hirsch aufgrund der jüdischen Herkunft der Familie nach Ägypten.

Villa Hirsch Quelle: Von Doris Antony, Berlin – photo taken by Doris Antony, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=797174

1941 gehörte der Betrieb fast zu 100 % der AEG und wurde in Finow Kupfer- und Messingwerke AG umbenannt.

Calvary geht in Eberswalde und Halberstadt zur Schule und wechselt für ein Jahr auf das Rabbinerseminar seines Großvaters, des Rabbiners. Esriel Hildesheimer und sein Schwiegersohn Gustav Hirsch waren übrigens Gründungsmitglieder der Berliner jüdischen Reformgemeinde Adass Jisroel in Berlin, der am 9. September 1885 vom preußischen König die Rechte einer Synagogen – Gemeinde und somit der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden.

Esriel Hildesheimer Quelle: Wikipedia

An der Universität in Berlin studierte Moses Calvary klassische Philologie, mit Schwerpunkten in Latein und Griechisch.

In einem Artikel der „Crossener Heimatgrüße ist über Moses Calvary zu lesen:

„ … Im Schuljahr 1907/08, also mit 31 oder 33 Jahren kam er als wissenschaftlicher Hilfslehrer (Assessor) nach Crossen. Schon am 14. Mai 1918 wurde er als Oberlehrer (Studienrat) fest angestellt. Im Sommerhalb­jahr 1914 ließ er sich beurlauben, besuchte, bzw. erkundete als überzeugter Zionist Palästina. Er kehrte jedoch an die Oder zurück und lehrte hier weitere fünf, also insgesamt zwölf Jahre. Im Herbst (Michaelis) 1919. so hielt Direk­tor Dr. Hübetier in der Festschrift von 1920 fest, ging Moses Calvary nach Li­tauen. Sein Nachfolger in der Oderstadt wurde der Studienrat Max Roland.“

Und die gleiche Quelle:

„… Im Sommerhalbjahr 1914 lässt er sich zu einer Studienreise nach Palästina beurlauben. 1919 verließ Calvary Crossen zusammen mit seiner Frau Ester-Hadassa geb. Perlmann und seinem Sohn Gideon und arbeitet als Pädagoge und Schriftsteller am hebräischen Gymnasium Ponercz (Litauen). 1922 wanderte die Familie Calvary nach Palästina aus. Er hat dort das Erziehungswesen als „israelischer Pestalozzi“ wesentlich beeinflusst.“

Ergänzend möchte ich hinzufügen, die Reise nach Palästina ging auch nach Griechenland und Kleinasien, die Rückreise zum Beginn des I. Weltkrieges war abenteuerlich.

Moses Calvary war wohl ein guter Pädagoge, Friedrich Waschinsky erinnert sich:

„… In der Schlossstraße, im Haus von Kaufman Gloege hatte im I. Stock Moses Calvary seine bescheidene Bleibe. Bei ihm konnten wir schon in der Quarta Caesars „Bell um Gallium“ übersetzen. In seiner Wohnung bauten wir eine von Caesar beschriebene Brücke mit großem Eifer nach.“

Später zog Calvary in eines der Beamtenhäuser an der Lochwitzer Straße um. An dieses Domizil erinnerte sich Rechtsanwalt und Notar im Ruhe­stand Wolfgang Egget (Wiesbaden):

„… Als ich 1914 aus der 3. Vorschulklasse in die Sexta kam, wurde Calvary mein Klas­senlehrer. Er fand gut und schnell Kon­takt zu uns 18 bis 20 Sextanern. Er lud uns in der Woche einmal oder sogar zweimal in seine Wohnung gegenüber der Molkerei an der Lochwitzer Straße ein.

Wir lasen mit ihm das Buch über Nils Holgersson von Selma Lagerlöf. Da­durch bekamen wir untereinander und mit dem Lehrer guten Kontakt Wir hat­ten damals Latein als erste Fremdspra­che, in der uns Calvary ebenfalls unter­richtete. Als er sich für eine Palästina-Reise beurlauben ließ, erhielten wir für die restlichen Monate Professor Lüddecke als Klassenlehrer.“

Mit über 40 Jahren heiratet er Esther Perlmann, mit der er einige Jahre in Crossen lebte, denn Friedrich Waschinsky schrieb:

„… Er heiratete die bildhübsche Tochter eines Zionistenführers.“ Michaelis 1919 verließ nach den Schulakten Moses Calvary Crossen Richtung Litauen. Im gleichen Jahr wurde der Sohn Gideon geboren. Dieser teilte über einen Aufenthalts seines Va­ters im Baltikum nichts mit. Er berich­tete lediglich, dass die Familie 1922. also erst drei Jahre nach der Zeit an der Oder, nach Palästina auswanderte.“

Quelle: Guido von Kaulla Brennendes Herz Werner Classen Verlag Zürich Stuttgart

In Litauen arbeitet er als Lehrer und Schriftsteller am hebräischen Gymnasium Ponercz (Litauen). Im heutigen Israel übernimmt er mit seiner Frau die Leitung des Jugenddorfes „Meir Shefeya“ für Kriegswaisenkinder. Auch sein Sohn Gideon wird dort Oberlehrer und lebte bis zu seinem Tode im Mai 2004 im Kibbuz Hagoshrim im Obergalilea.

Über seine Tätigkeit in Palästina gibt ein Brief seines Sohnes Auskunft:

„… In Palästina fand meines Vaters pädagogische Arbeit ihren besonderen Weg. Er lehrte in Kinder- und Jugendheimen: Zuerst im Kinderheim Schefeya am südlichen Teil des Carmel-Berges, dann im Jugendheim Ben-Schemen nicht weit von Tel-Aviv. Letztens im Kin­derheim Ahava bei Haifa. Ahava war 1934 von Berlin mit organisierter Kinderverwaltung und Erziehern nach Palä­stina übergesiedelt. Außerdem unterrichtete mein Vater an drei Gymnasien in Jerusalem, Tel-Aviv und Haifa.“

Im Einvernehmen mit der Leitung des Crossener Gymnasiums engagierte sich Moses Calvary sehr in der damaligen „Jugendbewegung“, in einem Artikel der Crossener Heimatgrüße heißt es:

„… Das veranlagte Prof. Dr. G. Schulz, nach Lebensdaten des „Oberlehrers“ zu fragen. Er teilte mit. dass nach seinen und seiner Doktoranden Erkenntnissen Calvary an der Bobermündung die Wandervogelgruppe geleitet habe und an der Gründung des Wanderbundes „Blau- Weiß“ beteiligt gewesen sei. Weiter führte der Wissenschaftler aus: „Calvary spielte bei der Schaffung von Jugendsiedlungen im britisch besetzten Palä­stina eine Rolle. Er hat das Erziehungswesen beeinflusst und ist sogar ein israeli­scher Pestalozzi genannt worden. Dies alles, bevor der Staat Israel ins Leben trat.

Der jüdische Pädagoge wartete im Verlauf seines Lebens mit zahlreichen schriftlichen Veröffentlichungen auf. 1907, dem Jahr seines Dienstantritts in Crossen, wurde eine Rede, die er zu Kai­sers Geburtstag (26. Januar) vor Gymna­siasten gehalten hatte, in den „Neuen Jahrbüchern“ (XX. Band. 3. Heft) ab­gedruckt. In deutscher Sprache erschien ferner 1936 sein Buch „Das neue Juden­tum“ im Schockenverlag in Berlin. 1988 publizierte der Piperverlag (München und Zürich) einen ins Deutsche über­setzten Aufsatz von ihm mit dem Titel: „Lust an der Erkenntnis – Jüdische Theologie im 20. Jahrhundert“.

Prof Dr. Gerhard Schulz, hat inzwischen schon einige der Arbeiten von Moses Calvary in deut­schen Bibliotheken ausfindig gemacht. Der „Heimatgrüße“ Redakteur bekam Ablichtungen wichtiger Passagen zuge­sagt Sollten diese eintreffen und aussagekräftiges über den Verfasser enthal­ten, werden die Leser dieser Zeitschrift mit einem das Lebensbild eventuell er­gänzenden Artikel bedacht. Es dürfte ja z.B. recht interessant sein, wie der jüdisch-orthodoxe Crossener Oberlehrer von 1907 bis1919 das Deutsche Kaiser­reich mit dem damals regierenden Wil­helm II. sah.“

Aber es gab weitere Veröffentlichungen von Moses Calvary:

„Durch Palästina“. Berlin : Jüdischer Verlag, 1920

Erinnerungen“. Übersetzung von Esther Bondi und Siegfried Hirsch. Grindelwald 1949

„Die Aufgabe des deutschen Zionismus“ (1900 und 1910)

“Palästina”: Bilder von Land und Leben erschienen 1921

„Das Wagnis des Glaubens“: (Vortrag gehalten … in Beth Jizchak)

„Im Morgenlande”, erschienen 1920.

Gut zwei Jahrzehnte wirkte Moses Calvary unter britischem Regime im Heiligen Land. Er stirbt am 22. Januar 1944 in Haifa, erlebte also die Gründung des Staates Israel nicht mehr.