Er war dann mal eben weg!

Im Jahre 1979 gründet sich der „Bauverein Wernerkapelle“ in Bacharach und das ist der Beginn einer mehr als mysteriösen Geschichte. Sinn und Zweck des Vereines äußerst löblich, denn im Laufe vieler Jahre sammelte sich rings um die Wernerkapelle jede Menge Geröllschutt und Erde an, kein schöner Anblick, aber auch gefährlich für Besucher und Touristen.

Quelle: Alte Postkarte aus dem Postkartenverlag Mades Bacharach

Damals einziges Ziel und Zweck des Vereines, einen weiteren Einsturz der hochgradig gefährdeten „Baumasse“ der Kapelle zu verhindern und die Reste zu erhalten und die Fläche rund um diese wieder vernünftig nutzbar zu machen.

Wer soll das bezahlen? Wir nicht, meinte die katholische Gemeinde Bacharach wie auch das Bistum in Trier als Eigentümer des Geländes und der Kapelle. Ein ziemlich unwürdiges Gerangel wurde schließlich beendet durch die Zusage des Bauvereines: „Wir arbeiten nicht nur, sondern wir bezahlen auch.“

Schließlich – 1981 – begannen die Arbeiten und dabei kam die nächste Überraschung zutage. Dort wo einst rund um die Wernerkapelle ein katholischer Friedhof lag, auf dem nach unterschiedlichen Quellen 1878, evtl. auch 1880 die letzte Beerdigung stattfand, wurden noch drei Grabsteine gefunden.

Der Rest des Friedhofes? Niemand weiß es. Und wer „niemand“ ist, liest sich so:

Katholische Gemeinde Bacharach

Der derzeitige Pfarrer Michael Knipp weiß über diesen Friedhof nichts, kein Wunder, denn er ist noch nicht sehr lange in der Gemeinde. Aber da wäre noch das Gemeindearchiv und an das komme man wegen Renovierungsarbeiten und Reparaturen nicht heran und das seit Monaten. Aber genau dieses Archiv wäre sehr wichtig, will man etwas über das „Schicksal“ des Friedhofes erfahren.

Bistum Trier

Auch dort habe ich nachgefragt, denn eine Kirchengemeinde kann nicht ohne Zustimmung des Bischofs einfach einen Friedhof verschwinden lassen, dachte ich wenigstens.

Im Archiv ist er zu finden und laut den dortigen Eintragungen fand die letzte Beerdigung 1880 statt. Aber weitere Unterlagen gibt es trotz angeblich gewissenhafter Suche nicht. Er taucht erst wieder auf, als der Bauverein Wernerkapelle nach seiner Gründung 1981 aktiv werden will. Wie schon geschrieben, auch das Bistum lehnt eine Beteiligung an den Kosten ab, gibt aber seine Zustimmung, wenn es „nichts kostet.“ Verstanden hat von meinen Gesprächspartnern in Trier niemand, warum nichts zu finden war, weiter geholfen hat das mir aber nicht.

Landesdenkmalamt Rhl.-Pfalz in Mainz.

Die Wernerkapelle steht unter Denkmalschutz und so hat das Land ein wichtiges „Wörtchen“ mit zu reden, wenn es um diese geht. Wie die künstlerischen Aktionen in den folgenden Jahren zeigen, hat es das auch getan.

Bei Gesprächen mit Mitarbeitern der Behörde stimmte man meiner Vermutung zu, wenn die Kapelle geschützt sei, gelte das doch sicher auch für das gesamte Gelände, also auch für den Friedhof. Warum aber weiß man auch in Mainz nichts über den Friedhof, obwohl er von Karl Ernst Linz in seinem Buch „Der Posthof zu Bacharach“ erwähnt wird und ein alter Stich eben diesen zeigt?

Wann war er denn eben mal weg?

Auch diese Frage konnte mir niemand beantworten, nicht Karl Ernst Linz und eine ganze Reihe älterer Bacharacher. Um die Liste der Befragten zu vervollständigen: Der Geschichtsverein Bacharach, meine Verwandtschaft, der ehemalige Ortsbürgermeister und Jochen Werner von der Binger Zeitung und auch nicht der Bauverein, also dessen Vorsitzender Peter Keber. Alle wissen nichts.

Bis zum Tode meines Opas waren wir fast jedes Jahr in den Ferien in Bacharach und ich natürlich auch auf dem Friedhof. Mein Opa starb im Februar 1963, daher war er ein Jahr vorher sicher noch da.

Im Jahre 1979 gründete sich der Bauverein und da war er nicht mehr da, bis auf die drei Grabsteine, die gefunden wurden und natürlich erhalten blieben.

In den dazwischen liegenden 16 Jahren ist er also verschwunden. Aber wie konnte das gehen? Man kann nicht einfach eine Anzahl Gräber mitsamt den dazugehörenden Einfassungen, Kreuzen und Grabsteinen abräumen – das waren sicher Tonnen – sie die berüchtigte „Treppe“ hinunter tragen oder über den Posthof abtransportieren und niemand bekommt davon etwas mit, zumal auch noch einige Bäume gefällt werden mussten.

Quelle: Alte Postkarte

Einen Tipp habe ich dann doch noch bekommen über den Verbleib der „Friedhofsreste“. Die Grabsteine sollen einige Jahre am Rhein gelegen haben, etwa da, wo auch heute noch der Anleger der Familie Bastian ist um auf die Insel zu kommen. Irgendwann – aber wann – verschwanden sie auch dort und landeten angeblich im Unterbau der B9.

Wenn niemand etwas weiß, haben genug andere etwas zu verbergen, das wenigstens ist mein Eindruck. Daher nochmal zurück zur katholischen Gemeinde Bacharachs.

Wenn es bei den Katholen so etwas Ähnliches gibt, wie bei den Evangelen, nämlich einen Kirchengemeinderat, dann hätte dieser sicher zustimmen müssen, wenn Pfarrer oder das Bistum den Friedhof „loswerden wollten.“ Und daher wäre das Archiv interessant. Vielleicht aber würden die Protokolle – wenn vorhanden – etwas ganz anderes aussagen.

Wen interessiert das denn?

Anscheinend nur mich und zwar deshalb, weil meine Ururgroßmutter Regina Friderika (Frieda) Stüber, geb. Kampfel, am 28.03.1871 starb und eben auf diesem Friedhof begraben wurde. Und dann möchte ich noch etwas wissen, wenn man die Gebeine der dort oben beerdigten liegen ließ, warum können dann seit der Räumung des Friedhofes Besucher und Touristen auf ihnen „rumtrampeln“? Pietätlos ist das allemal und zur „Rheinromantik“ will es auch nicht so richtig passen. Im Sommer 2016 bin ich oben gewesen, mühselig der Aufstieg und dann eine langweilige Rasenfläche und viele Absperrgitter, unromantisch.

Quelle: Alte Postkarte, zu erkennen auch hier die Gräber

Die Hoffnung gebe ich nicht auf, dass dieses Schweigen irgendwann endet, denn ein kompletter Friedhof kann nicht einfach verschwinden.