Ein welthistorisches Ereignis

Schauspiel in 1 Akt

Personen:

Napoleon, Kaiser von Frankreich
Graf von Metternich, Österreich Staatsmann
Berthier, Fürst von Neufchatel, fr. Marschall
Rustan, schwarzer Kammerdiener Napoleons
Maret, Herzog von Barzano.

Ort der Handlung: Dresden 28 Juni 1813

Erste Szene

NAPOLEON: (in einem Lehnstuhl vor seinem Arbeitstisch sitzend) Träume sind Schäume Soeben siegte ich in Gedanken über einen mächtigen Feind, und vor mir liegt die bitterste Wirklichkeit (nach einer kurzen Pause) Niemals war ich ein Träumer (sich erhebend und dem Fenster zuschreitend), darum weg mit aller Phantasterei! Wozu denn die Nacht heucheln, wo es Tag ist? (Zieht die Gardine zurück, so daß Licht in das Zimmer fällt) –
(Napoleon löscht die brennenden Kerzen aus mit den Worten) So elend und erbärmlich wie diese Flammen dem hellen Tag entgegenflackern, so elend erscheinen alle Luftschlösser, welche der Mensch baut am lichten Morgen des Glückes oder wenn Kummer und Sorge an seine Thür pochen.

Zweite Szene

(die Eingangstür wird leise geöffnet und Rustan tritt ein)
NAPOLEON: (ihm zurufend) Was gibt es?
RUSTAN: Monsieur Niort bittet vorgelassen zu werden, Sire
NAPOLEON: (unmutig) Er mag warten oder wiederkommen
RUSTAN: Diese Antwort wurde ihm schon gestern zuteil, Sire.
NAPOLEON: Heute muss er sich wieder damit begnügen.

Dritte Szene

(Napoleon schreitet unruhig im Zimmer hin und her Rustan sich entfernend kehrt bald wieder zurück)
RUSTAN: Monsieur Niort hat Euer Majestät hochwichtige Mitteilungen zu machen.
NAPOLEON: (verdrießlich) Diese Herren nennen alles wichtig, wobei sie eine Rolle spielen und bauschen jedes noch so unbedeutende Ereignis zu einem weltgeschichtlichen Vorgange auf! Ich erwarte Monsieur Niort heute Abend Bis dahin bin ich vollauf beschäftigt. (Rustan verbeugt sich und verschwindet)

Vierte Szene

(Napoleon geht an seinen Arbeitstisch und fertigt Briefe und Depeschen ab. Maret im Arbeitskabinett erscheinend)
MARET: Graf von Metternich bittet Sie um eine Audience Sire.
NAPOLEON: (sich hastig erhebend und Rustan klingelnd. Dieser erscheint)
RUSTAN: Was wünschen Euer Majestät?
NAPOLEON: Gebt mir meinen Hut und Degen.
RUSTAN: (gehorchend)
NAPOLEON: (winkt Rustan zu verschwinden)
NAPOLEON: (zu Maret) Se. Exzellenz möge nähertreten.
MARET: (sich entfernend)

Fünfte Szene

(Die Tür zu dem Vorgemach bleibt geöffnet; man sieht Berthier und Metternich)
BERTHIER: (zu Metternich) Nun, bringen Sie uns den Frieden? Seien Sie vernünftig, lassen Sie uns diesen Krieg beenden, den ja auch wir bedürfen.
METTERNICH: (zuckt die Achseln und schreitet dem kaiserlichen Kabinett zu)

Sechste Szene

NAPOLEON: (Läßt Metternich eintreten und verriegelt dann die Tür) Sind Sie endlich da, Herr von Metternich Wenn man den Frieden will, warum säumen Sie und kommen so spät? Bereits einen Monat haben wir verloren, wodurch verhindert wurde, die Preußen und Russen zu vernichten. Ich weiß gar wohl, was in Wien vorgeht und wie man dort liebäugelt. Ist das der Dank, daß ich dem Kaiser Franz dreimal den Thron wiedergegeben habe und den Fehler begangen habe, seine Tochter zu heiraten? Ihr tretet wie Leute auf, die bereit sind, das Schwert zum Kriege zu erheben. Wohlan denn, erklären Sie sich: wollen Sie den Krieg mit mir“ Ich habe die Russen und Preußen zusammengehauen Sehnt nun ihr euch danach wieder an die Reihe zu kommen? Gut, es kann geschehen! Auf Wiedersehen zu Wien.
METTERNICH: (in höflich kaltem Tone) Wir wollen Ihnen, Sire, keineswegs den Krieg erklären, aber wir müssen einem Zustande ein Ende machen, welcher für Europa unerträglich geworden ist, und uns alle mit Vernichtung bedroht.
NAPOLEON: Nun – was wollen, was verlangen Sie von mir?
METTERNICH: Einen Frieden, einen unumgänglich notwendigen Frieden, der Ihre Lage und die unsere sichert. Kaiser Franz ist der Meinung, wenn Sie, Sire, den Frieden wünschen, so müssen Sie Illyrien und Italien zurückgeben, Preußen wiederherstellen, das Herzogtum Warschau auflösen, und den Papst in seinen Kirchenstaat zurückkehren lassen; Spanien, die Schweiz und die Niederlande, sowie die Hansestädte und das Gebiet zwischen Elbe, Weser und Ems wieder freigeben. Auch ist es wünschenswert, daß Sie sich hinter den Rhein zurückziehen.
NAPOLEON: (in größtem Zorn) Also Sie verlangen, daß ich Sachsen den Preußen ohne Schwertstreich überlassen soll? Also dazu hat mein Schwiegervater Sie, mein Herr, hergeschickt? Aber bevor Ihr das erreicht, werdet ihr Millionen von Soldaten ausheben und das Blut von Generationen vergießen müssen, um dennoch erst am Fuße des Montmartre mit mir über den Frieden verhandeln zu können. (Einen Augenblick innehaltend) Ha, Metternich, wieviel haben Ihnen die Engländer gezahlt, daß Sie mir so schimpfliche Dinge sagen und diese Rolle mir gegenüber spielen? (Beide schreiten erregt auf und ab. Der Hut des Kaisers fällt zur Erde)
NAPOLEON: (nach einigen Sekunden) Ich kann auf die Forderungen nicht eingehen, denn ich bin Soldat und bedarf der Ehre und des Ruhmes.
METTERNICH: Dann dürfen diese unseligen Kriege nie aufhören. Und dennoch bedarf gerade Ihre Nation, Sire, gar sehr, der Ruhe Wo sind Ihre Graubärte hingekommen. Ihre Soldaten, Sire, sind Kinder, Sie haben vorzeitige Aushebungen vornehmen lassen und ein kaum ausgewachsenes Geschlecht in die Waffen gerufen Wenn dieses gleichfalls dahingerafft ist, wollen Sie dann noch jüngere Rekruten ausheben?
NAPOLEON: (seiner nicht mehr mächtig) Herr, Sie haben nicht im Lager gelebt und fremdes wie eigenes Dasein verachten gelernt. Ich … ich spucke auf das Dasein von 200 000 Menschen!
METTERNICH: Da wollen wir doch gleich Fenster und Türen aufmachen, damit ganz Europa Sie höre!
NAPOLEON: (mit großen Schritten im Zimmer umherrennend, stößt wütend seinen Hut in einen Winkel) Ihr wollt mir also den Krieg erklären?
METTERNICH: (wieder vollkommen ruhig) Nicht doch, Sire, wir wollen zwischen Ihnen und Ihren Gegnern den Frieden vermitteln.
NAPOLEON: (höhnisch auflachend) Aha, Ihr bleibt also dabei, mir Gesetze verschreiben zu wollen. Wohlan, ihr sollt den Krieg haben. Auf Wiedersehn in Wien! (mit großen Schritten umherrennend)

Siebte Szene

METTERNICH: (sich entfernend läßt die Tür zum Vorzimmer auf)
BERTHIER: Sind Sie mit dem Kaiser zufrieden, Exzellenz?
METTERNICH: Ja, ich für meinen Teil bin zufrieden. Ihr Gebieter hat mich ins klare gesetzt und, ich schwöre Ihnen – er hat – den Verstand verloren, (er eilt davon)

(Der Vorhang fällt)