Ein Objet trouvé

Aus Wikipedia:

„… (franz. für ‚gefundener Gegenstand‘) ist ein Alltagsgegenstand oder Abfall, der wie ein Kunstwerk behandelt wird. Readymade (abgeleitet von engl. ready-made article = ‚Fertigware‘) wird er genannt, wenn ein Künstler am vorgefundenen Objekt keine oder kaum Bearbeitungen vorgenommen, den Gegenstand also lediglich präsentiert und für Kunst erklärt hat.

Entstehung und Objekte

Bereits in der älteren Skulptur wurden vorgefundene Gegenstände integriert, wie Kleider, Waffen, Schmuckstücke oder Alltagsgegenstände. Diese sind jedoch nicht als Objets trouvés zu bezeichnen, da sie für sich keinen Kunstcharakter besitzen und auch nicht den Ausgangspunkt eines Kunstwerks bilden, sondern dieses nur ergänzen. Entstanden ist das Objet trouvé im Umkreis des Dadaismus als skulpturale Erweiterung der Collage (Kurt Schwitters, Merz-Bauten). Der Missbrauch und die zweckfreie Kombination von trivialen Gegenständen und Materialien in neuen Sinnzusammenhängen sowie die Erhebung zum Kunstwerk hatte spielerische, anarchische und provokante Züge.

Im Surrealismus bekam das Objet trouvé einen eher fetischartigen Charakter. Lautréamonts 1874 formulierte Metapher aus den Gesängen des Maldoror „Schön wie die Begegnung einer Nähmaschine mit einem Regenschirm auf einem Seziertisch“ (gemeint war ein junger Mann) wurde nicht nur zum „Slogan“ des Surrealismus, sondern ist auch eine literarische Vorwegnahme des Objet trouvé in dieser surrealen Form. Bekanntestes Beispiel des surrealistischen Objet trouvé dürfte Meret Oppenheims Das Frühstück im Pelz (1936) sein, eine Tasse samt Untertasse und Löffel, alle mit Pelz bezogen.

Radikaler und früher als Dadaisten und Surrealisten verwirklichte der Franzose Marcel Duchamp das Konzept des Objet trouvé in seinen Readymades wie Fahrrad-Rad (1913), Flaschentrockner (1914) und Fontäne (1917). Während Fahrrad-Rad noch aus einer Kombination aus Rad, Fahrrad-Vordergabel und Holzhocker besteht, werden bei den beiden anderen ein industriell hergestelltes Drahtgestell zur Flaschentrocknung und ein Urinal kurzerhand auf einen Sockel gestellt und zur Kunst erklärt. Der Gegenstand wird aus von seinem ursprünglichen Gebrauchszweck gelöst und durch die Aufstellung und den gewählten Titel semiotisch neu aufgeladen. Der künstlerische Akt liegt also primär im Auswählen bzw. im Erkennen des künstlerischen Potenzials eines Alltagsgegenstandes, womit gleichzeitig der traditionelle Kunstbegriff ironisiert wird.

In dieser Tradition steht auch Picassos Stierschädel (1943), der Bronzeabguss eines Fahrradsattels als Schädel mit einem Rennlenker für die Hörner.

Mit dem Multiple ich kenne kein Weekend (1971–1972) reflektierte Joseph Beuys auf die Duchamp’schen Boîtes-en-valises, den tragbaren Künstlermuseen mit Reproduktionen und kleinen Objekten. In einen Koffer, einem Readymade, der dazu dient, Künstlergrafiken zu transportieren, befestigte Beuys auf der Innenseite des Deckels weitere Readymades, eine Maggiflasche und ein Exemplar der Reclam-Ausgabe von Immanuel Kants „Kritik der reinen Vernunft“, gestempelt mit BEUYS: ich kenne kein Weekend. Im Boden des Koffers befinden sich – abgedeckt und nicht sichtbar – Grafiken von KP Brehmer, Karl Horst Hödicke, Peter Hutchinson, Arthur Køpcke, Sigmar Polke und Wolf Vostell.

Im Sinne des Objet trouvé sammelt der französische Konzeptkünstler Saâdane Afif seit 2008 Abbildungen von Marcel Duchamps Fountain aus verschiedensten Publikationen. Die Seiten des Duchamp’schen Urinals trennt Afif aus den Publikationen heraus und lässt sie als Teil seines prozessualen Kunstprojektes Fountain Archive rahmen. Die Rahmenobjekte stellen somit neue, eigenständige Werke dar.

Objet trouvé und Readymade haben bis heute großen Einfluss behalten – der „gefundene Gegenstand“ ist beispielsweise bei Pop Art und Land Art ein wesentliches Element.

Das Konzept des Objet trouvé ist etwas umfassender als jenes des Readymades, indem es auch Alltagsgegenstände umfasst, die in ein Kunstwerk integriert wurden. Letztere sind dagegen – zumindest in Duchamps Verständnis – nicht als Readymades anzusehen.

Quer zu den Stilrichtungen hat sich für Kunstwerke, die vor allem aus vorgefundenen Materialien bestehen, der Begriff Objektkunst etabliert.