Das dunkle Schiff

Auserlesene Sonette, Gedichte, Epigramme des Andreas Gryphius.

Mit einem Nachwort herausgegeben von Klabund

Roland Verlag Dr. Albert Mundt München 1916

Welt rühme, was du willst!
Ich muss die Trübsal preisen …

Sonette

Andreas Gryphius über seine Sonn- und Feiertags- Sonette

In meiner ersten Blüt, ach unter grimmen Schmerzen,
Bestürzt durchs scharfe Schwert und ungeheuren Brand,
Durch liebster Freunde Tod und Elend, als das Kand,
In dem ich aufgíng, fiel, als toller Feinde Scherzen,

Als lästerzungen-Spott mir rasend drang  zu Herzen:
Schrieb ich dies, was du siehst mit noch zu zarter Hand,
Zwar Kindern als ein Kind, doch reiner Andacht Pfand,
Tritt Leser nicht zu hart auf Blumen erstes Märzen!

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 An die Welt

Mein oft bestürmtes Schiff, der grimmen Winde Spiel,
Der frechen Wellen Ball, das schier die Flut getrennet,
Das wie ein schneller Pfeil nach seinem Ziele rennet,
Kommt vor der Zeit an Port, den meine Seele will.

Oft wenn uns schwarze Nacht am Mittag überfiel,
Hat der geschwinde Blitz die Segel schier verbrennet.
Wie oft hab ich den Wind und Nord und Süd verkennet!
Wie schadhaft ist Spriet, Mast, Steuerruder, Schwert und Kiel!
Steig aus du müder Geist, steig aus, wir sind am Lande,
Was graut dir vor dem Port: Jetzt wirst du aller Bande
Und Angst und herber Pein und schwerer Schmerzen los.

Ade verfluchte Welt, du See voll rauher Stürme,
Glück zu, mein Vaterland, das stete Ruh im Schirme
Und Schutz und Frieden hält, du ewig lichtes Schloss!

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Es ist alles eitel

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo jetzt und Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

Was jetzt und prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein;
Nichts ist. Das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach, was ist alles dies, was wir für köstlich achten.

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind,
Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder findt.
Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten!

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Menschliches Elend

Was sind wir Menschen doch? Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen,
Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,
Ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid,
Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.

Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen,
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid
Und in das Totenbuch der großen Sterblichleit
Längst eingeschrieben sind, sind uns aus Sinn und Herzen.

Gleichwie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt,
Und wie ein Strom verschießt, den keine Macht aufhält,
So muß auch unser Nam, Lob, Ehr und Ruhm verschwinden.

Was jetzt und Atem holt, muss mit der Luft entfliehn,
Was nach uns kommen wird, wird uns ins Grab nachziehn –
Was sag ich? Wir vergehn wie Rauch von starken Winden.

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An Anna Erhard

Grabinschrift für die beste, im sechsunddreißigsten Lebensjahre am 21. März 1028 verstorbene Mutter.

Ach, edle Tugendblum, an welcher recht zu schauen,
Was keusch, was unverzagt, was treu und heilig sein,
O Spiegel der Geduld in ungemeiner Pein,
O andachtsvolle Ros; o Richtschnur keuscher Frauen,

Hat euch die scharfe Sens des Todes abgehauen,
Eh als euer Mittag hin, deckt dieser Marmorstein
Die durch Leid, Schwindsucht, Angst und Schmerz verzehrten Bein,
Nachdem der Tod den Geist Euch Gott hieß anvertrauen?

Gott riss Euch von uns weg, gleich als sein Grimm entbrannt,
Als Seelennot und Krieg verheerten Kirch und Land.
Jetzt seht ihr Christen selbst, mit süßer Freud umfangen!

Wir schauen Glut und Mord und Pest und Sturm und Schwert,
O Mutter, Ihr seid Euch gar eben von der Erd,
Mir aber gar zu früh, ach gar zu früh entgaqngen!

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An Eugenien

Was wundert ihr euch noch, ihr, Rose der Jungfrauen,
Dass dieses Spiel der Zeit, die Ros, in Eurer Hand,
Die allen Rosen trotzt, so unversehns verschwand?
Eugenie, so geht’s, so schwindet, was wir schauen.

Sobald des Todes Sens wird diesen Leib abhauen,
Scharrt man den Hals, die Stirn, die Augen, dieses Pfand
Der Liebe, diese Brust in nicht zu reinsten Sand,
Und dem, der Euch mit Liebe jetzt ehrt, wird vor Euch grauen.

Der Seufzer ist umsonst, nichts ist, das auf der Welt,
Wie schön es immer sei, Bestand und Farbe hält,
Wir sind von Mutterleib zum Untergang erkoren.

Mag auch an Schönheit was der Rose gleich sein:
Doch ehe sie recht blüht, verwelkt und fällt sie ein.
Nicht anders gehen wir fort, sobald wir sind geboren.

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Auf Herrn Joachim Spechts Medici Hochzeit

Indem der Sternen Fürst von uns beginnt zu weichen,
Indem der Sommer stirbt, indem das grüne Kleid
Der Wiesen durch den Frost des herbste wird gemaiht,
Fängt such der Vögel Schar an fern von uns zu schleichen.

Drum schauet unser Specht, weil alle Bäum erbleichen,
Auf die der Skorpion sein schädlich Gift ausspeit,
An welchem Ort er doch der Winter Grimmigkeit
Entgeh, und ob für ihn ein Nest sei zu erreichen.

Indem er also sucht, zeigt ihm Cupido an
Den Ort, in dem er sich gar sicher bergen kann;
Drauf ist er, Jungfrau Braut, in Euren Schoß geflogen.

In dem er voll von Lust sich seinen Sitz erkiest;
Und weil er Eurer Gunst gar hoch versichert ist,
Wird mancher junge Specht hier werden auferzogen.

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An Jolinden

Was habt Ihr, das Ihr mögt an Euch Eur eigen nennen?
Die Schmink ist’s, die Euch so blutrote Lippen macht;
Die Zähne sind durch Kunst in leeren Mund gebracht,
Man weiß das Meisterstück, wodurch die Wangen brennen.

Eur eingekauftes Haar kann auch ein Rind erkennen,
Der schlimme Schweiß entdeckt des Halses falsche Pracht,
Die aufgestreifte Stirn wird billig ausgelacht,
Wenn sich der Salben Eis will bei den Runzeln trennen.

Gemalte, sagt mir doch, wer seid ihr und wie alt?
Ihr, mein ich, sechszehn Jahr, drei Stunden die Gestalt;
Ihr seid von Haus, und sie ist über See ankommen.

Ihr schätzt euch trefflich hoch umsonst! Der Maler hat
Noch für ein schönes Bild, das feil war in der Sradt
Und länger bleibt denn Ihr, drei Kronen nur genommen.

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Tränen des Vaterlandes
Im Jahre 1636

Wir sind ja nunmehr ganz, ja mehr denn ganz vergeeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posuan,
Das von Blut fette Schwert, die donnernde Kartaun
Hat allen Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret.

Die Türme stehn in Glut, die Kirche ist umgekehret,
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschändet, und wo wir hin nur schaun,
Ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchfähret..

Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut,
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut,
Von Leichen fast verstopft, sic h langsam fortgedrungen;

Doch schweig ich noch von den, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot;
Dass auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.

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An die Sterne

Ihr Lichter, die ich nicht auf Erden satt kann schauen,
Ihr Fackeln, die ihr Nacht und schwarze Wolken trennt,
Als Diamanten spielt und ohn Aufhören brennt;
Ihr Blumen, die ihr schmückt des großen Himmels Auen,

Ihr Wächter, die, als Gott die Welt auf wollte bauen,
Sein Wort; die Weisheit selbst, mit rechten Namen nennt,
Die Gott allein recht mißt, die Gott allein recht kennt.

Ihr Bürgen meiner Lust, wie manche schöne Nacht
Hab ich, indem ich Euch betrachte, gewacht?
Herolde dieser Zeit, wann wird es doch geschehen.

Dass ich, der eurer nicht allhier vergessen kann,
Euch, deren Liebe mit steckt Herz und Geister an,
Von andren Sorgen frei wird unter mir bestehen?

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An Furium

Du falscher, böser Mensch, aus dessen krummen Rachen
Die grüne Natter pfeift, aus dessen schlimmen Mund
Die schwarzen Schlangen sehn, du mehr denn tober Hund,
Du ganz verschalkter Fuchs, du Haus der Grimmen Drachen,

Will dir denn nicht einmal der leib vor Gift zerkrachen?
Es ist ja nichts an dir (wie jung und alten kund)
Von deinem Schädel ab bis auf den Fuß gesund.
Du bist so teufelschwarz, Als du dich weiß kannst machen.

Dein Aug ist Flamm und pest, die Zung ein schneidend Schwert.
Du leichter Ehrendieb bist Rad und Feuers wert.
Wie, dass die Rache dein, o Schaum der Laster, schonet?

Sie straft dich durch dich selbst, du kannst nicht mehr entgehn,
Weil jeder, der dich sieht, mit Schrecken muß gestehn,
Dass wesentlich in dir die ganze Hölle wohnt.

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Über die Gebeine der ausgegrabenen Philosette

O Häßlich‘ Anblick! ach! wo sind die güldnen Haar!
Wo ist der Stirnen Schnee? wo ist der Glanz der Wangen?
Der Wangen, die mit Blut und Lilien umfangen?
Der Rosen rote Mund! wo ist der Zähne Schaar?

Wo sind die Sternen hin? Wo ist der Augen Paar
Mit den die Liebe spielt? jetzt flechten schwarze Schlangen
Sich um das weite Maul, die Nasen ist vergangen
Die keinem Elfenbein vorhin zu gleichen war.

Ist jemand der noch kann beherzt und sonder Grauen
Der Ohren kahlen Ort, der Augen Lücken schauen?
Ist jemand, der sich nicht für dieser Stirn entsetzt?

Der denke, wie sich werd‘ alsdann sein Geist befinden.
Wenn er in kurzem wird auf gleichen Schlag verschwinden?
Weil schon der Tod auf ihn die schnellen Pfeile wetzt.

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Ebenbild unsres Lebens

Auf das gewöhnliche Königspiel

Der Mensch das Spiel der Zeit, spielt weil er allhier lebt.
Im Schau-Platz dieser Welt; er sitzt und doch nicht feste.
Der steigt und jener fällt, der suchte der Paläste
Und der ein schlechtes Dach, der herrscht und jener webt.

Was gestern war ist hin, was jetzt das Glück erhebt;
Wird morgen untergehn; die vorhin grüne Äste
Sind nunmehr dürr und tot; wir Armen sind nur Gäste,
Ob den ein scharfes Schwert an zarter Seide schwebt.

Wir sind zwar gleich am Fleisch, doch nicht von gleichem Stande:
Der trägt ein Purpur-Kleid und jener gräbt im Sande.
Bis nach entraubtem Schmuck / der Tod uns gleiche macht.

Spielt denn dies ernste Spiel: weil es die Zeit noch leidet,
Und lernt: daß wenn man von Bankett des Lebens scheidet:
Kron, Weisheit,  / Stärk und Gut bleibt ein geborgter Pracht.

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Tränen in schwerer Krankheit
Im Jahre 1640

MIr ist, ich weiß nicht wie, ich seufze für und für.
Ich weine Tag und Nacht, ich sitz in tausend Schmerzen;
Und tausend fürcht ich noch, die Krafft in meinem Herzen
Verschwindt, der Geist verschmacht, die Hände sinken mir.

Die Wangen werden bleich, der muntern Augen Zier
Vergeht, gleich als der Schein der schon verbrannten Kerzen
Die Seele wird bestürmt gleich wie die See im Märzen.
Was ist dies Leben doch, was sind wir, ich und ihr?

Was bilden wir uns ein! was wünschen wir zu haben?
Jetzt sind wir hoch und groß und morgen schon vergraben:
Jetzt Blumen morgen Kot wir sind ein Wind / ein Schaum,

Ein Nebel und ein Bach, ein Reif, ein Tau, ein Schatten
Jetzt was und morgen nichts, und was sind unser Taten?
Als ein mit herber Angst durchaus vermischter Traum.

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An sich selbst

MIr grauet vor mir selbst, mir zittern alle Glieder
Wenn ich Lipp‘ und Nas‘ und beider Augen Kluft.
Die blind vom Wachen sind,  / des Atems schwere Luft
Betracht‘ / und die nun schon erstorbnen Augenlieder.

Die Zunge, schwarz vom Brand fällt mit den Worten nieder
Und lallt ich weiß nicht was; die müd e Seele ruft
Dem großen Tröster zu, das Fleisch riecht nach der Gruft,
Die Ärtzte lassen mich, die Schmerzen kommen wider,

Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein;
Das Sitzen ist mein Tod, das Ligen meine Pein.
Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnötenl

Was ist der hohe Ruhm und Jugend, Ehr und Kunst?
Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst.
Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten.

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Über die unterirdischen Grüfte der heiligen Märtyrer zu Rom

Hier beuge Knie und Haupt! die unter irdschen Gänge
Die Grüfte sonder Licht, die du bestürzter Christ.
Nicht ohn Entsetzen siehst, die waren als die List
Und Macht Gott Krieg anbot, nicht Tausenden zu enge.

Die Leichen sonder Zahl, der heiligen Körper Menge
Sind die, auf die sich Höll und Welt umsonst gerüst,
Die Pein und Tod gepocht, die Pfahl und Schwert geküßt,
Die nach der Qual getrennt mit fröhlichem Gedränge.

Hier ists, wo Christus Kirch mit feurigen Gebeten,
Von Blut und Tränen nass, Gott vor Gesicht getreten
Die stets der Welt abstarb, mußt unter Leichen sein.

Die ewig wachsen sollt; mußt allhier Wurzel finden,
In dieser finstern Nacht mußt ihr Licht sich entzünden:
Die auf den Fels gegründt, wohnt’ unter lauter Stein.

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Morgen

DIe ewig helle schar wil nun i Licht verschlissen,
Diane steht erblaßt; die Morgenrötte lacht
Den grauen Himmel an, der sanfte Wind erwacht
Und reizt das Federvolk, den neuen Tag zu grüßen.

Das Leben dieser Welt eilt schon, die Welt zu küssen,
Und steckt sein Haupt empor; man sieht der Strahlen Pracht
Nun blinken auf der See. : O dreimal höchste Macht,
Erleuchte den / der sich jetzt beugt vor deinen Füssen.

Vertreib die dicke Nacht, die meine Seel umbgibt,
Die Schmerzenfinsternis, die Herz und Geist betrübt,
Erquicke mein Gemüt und stärke mein Vertrauen!

Gib, daß ich diesen Tag in deinem Dienst allein
Zubring, und wenn mein End und jener Tag bricht ein.
Daß ich dich, meine Sonn, mein Licht mög ewig schauen!

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Abend

Der schnelle Tag ist hin, die Nacht schwingt ihre Fahn
Und führt die Sterne auf. Der Menschen müde Scharen
Verlassen Feld und Wer; wo Tier und Vögel waren
Trauert jetzt die Einsamkeit. Wie ist die Zeit vertan!

Der Port naht mehr und mehr sich / zu der Glieder Kahn.
Gleichwie dies Licht verfiel, so wird in wenig Jahren
Ich, du und was man hat und was man sieht / hinfahren.
Dies Leben kommt mir vor als eine Rennebahn.

Laß höchster Gott mich doch nicht auf dem Laufplatz gleiten
Laß mich nicht Ach, nicht Pracht , nicht Luft, nicht Angst verleiten.
Dein ewig heller Glanz sei von und neben mir.

Laß, wenn der müde Leib entschläft, die Seele wachen,
Und wenn der letzte Tag wird mit mir Abend machen,
So reiß mich aus dem Tal der Finsternis zu dir!

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H. Eliae Aebelii und Jungfrau Barbara Gerlachin Hochzeit.

Bisher, hört ich allein mein werter Freund euch singen,
Wofern es singen heißt, wenn nicht Gefährten sind:
Schaut, wie der Himmel Euch zu neuem Dank verbindt,
Der zu Viol und Laut, die liebe Braut muß bringen,

Wohl, last die Balge gehn! nun wird die Orgel klingen!
Stellt lange Pausen ein, singt hurtig nicht zu lind
Den Euch bequemen Baß. Wenn ihr Tenor sich findt,
Wird letztlich der Discant sich in die Tripel zwingen.

Der Alt, so jetzt noch ruht, und was die kluge Welt
Vor Stücklein mehr erdacht, drauf man so trefflich hält
Wird schon zu rechter zeit sich ins Concert aufmachen.

Wohl dem, der also singt! Wieviel gewünschter Lust,
Ist, dünkt mich, Euer Hertz Herr Abel ihm bewußt“
Wie wird die Jungfer Braut doch denn so gerne lachen.

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Grabschrift eines hochberühmten Mannes

Hier lieg ich, nicht mehr Ich, ein abgelebte Leichen
Ruht unter diesem Stein, der Geist der Erd und See
Und Sternen, durchgesucht, Sucht nunmehr in der Höh
Die ewig’ Ewigkeit, die hier nicht zu erreichen.

Die Welt hat nichts als Dunst, was lebt muß stracks erbleichen:
Die Wissenschaft ist Wahn, die Schönheit: leichter Schnee,
Der Adel fremde Pracht. Zeigt etwas das jetzt steh’
Und nicht dem rauen Grimm der Zeiten müsse weichen.

Mein Gut, mein Stand ist hin, kein Freund weiß mehr von mir,
Mein Ruhm hat auch sein Grab, man lässt doch alles hier,
Um daß ihr Menschen pflegt, was ewig. Zu verlieren.

Dies was ihr Leben nennt’ ihr sterblichen, ist Tod,
Was ihr für Tod  anschaut, ist Leben sonder Not.
Die Welt muß in die Gruft, die Gruft zum Himmel führen.

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Der Tod.

Was hilft die ganze Welt? Mensch! deine Stunde schlägt!
Zwar ehr als du vermeint! doch wer muß nicht erbleichen?
Nun wird die Schönheit Rauch; nun muß die Tugend weichen
Nun ist dein Adel Dunst, die Stärke wird bewegt!

Hier fällt auf eine Bahr, der Hut und Krone trägt
Hier feilt die grosse Kunst, kein Tagus schützt die Reichen.
Man sieht kein Alter an, die ganz verstellte Leichen
(O Freunde! gutte Nacht!) wird in den Staub gelegt

Du scheidest, ganz allein, von hier: wohin! so schnelle?
Dies ist des Himmels Bahn, die öffnet dir die Hölle.
Nachdem der strenge Prinz sein ernstes Urteil hegt.

Nichts bringst du auf die Welt, nichts kannst du mit bekommen:
Der einig’ Augenblick hat, was man hat, genommen.
Doch zeucht dein Werk dir nach. Mensch, deine Stunde schlägt.

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Das letzte Gerichte.

Auf  Toten! auf! die Welt verkracht in letztem Brande!
Der Sternen Heer vergeht! der Mond ist dunkelrot,
Die Sonn’ ohn allen Schein! Auf ihr die Grab und Kot
Auf! ihr,  die Erd und See und Hölle hielt zu Pfande!

Ihr, die ihr lebt kommt an: der Herr, der vor in Schande
Sich richten ließ, erscheint, vor Ihm lauft Flamm und Not,
Bei Ihm steht Majestät, nach ihm folgt Blitz und Tod,
Um ihn, mehr Cherubim als Sand an Pontus Strande.

Wie lieblich spricht Er an, die seine Recht’ erkoren.
Wie schrecklich donnert er, auf diese, die verloren
Unwiderruflich Wort: kommt Freunde; Feinde flieht!

Der Himmel schleußt sich auf! O Gott! welch fröhlich Scheiden!
Die Erden reist entzwei. Welch Weh, welch schrecklich Leiden.
Weh, Weh dem, der verdammt; wohl dem, der Jesum sieht!

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Auf den Sontag des wachsenden Wortes – Math. 13.

Kein Körnlein ist so klein als Senf von uns zu schätzen,
Doch wenn es in die Schoß der feuchten Erden fällt
So wurtzelts eilend ein und keimet in die Welt
Und wird ein hoher Baum, der rund um allen Plätzen

Des Schattens Lust aufteilt. Denn eilet sich zu setzen
Manch Vogel um den Ast,, der sich da sicher hält
Alsbald der Himmel blitzt alsbald man nach ihm stellt.
Ihn kann kein Wind, kein Sturm, kein Jägergarn verletzen.

So scheint des Höchsten Wort in Menschen Augen klein
Doch kommts einmal ins Herz, / so nimmt’s die Sinnen ein
Und läßt bald Stock und Zweig/ und Blüt und Früchte schauen.

Der unter diesem Baum bei trüber Wetterszeit
Ihm Zuflucht außerkiest, dem wird vor Windes Streit,
Vors Teufels Vogelnetz, vor Teufels Pfeil nicht grauen.

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Auf den Sonntag des herzerkennenden Propheten; Matth. 7

Nicht größter Blätter Art, nicht weiter Äste Sprossen
Nicht hoher Stämme Macht, nicht hoher Blüten Licht
Ist, was den Baum bewährt; man suchet nur die Frücht,
Alsbald die Reifezeit des Sommers ist verflossen.

Der zweig verraucht, von dem nie jemand was genossen:
So nützen schöne Wort und kluge Reden nicht,
Wenn Gott den schlimmen Wolf nach seinen Taten richt’t,
Der Christum in den Mund, nie in das Herz verschlossen.

Drum prüfe, Mensch, die werk, schau nicht die Kleider an:
Es sit kein Distelstrauch, der Feigen bringen kann,
Ob dessen Blüt auch schon von ferne Rosen Gleichte.

Ob schon manch Mordprophet, Herr, ohn Aufhören schreit
Und wohl den Teufel zwingt, kommt doch die harte Zeit,
In welcher Jesus spricht: Ich kenn euch nicht, entweichet!

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Auf den Sonntag des für uns sorgenden Schöpfers, Matth. 6

Weg, Welt, weg, Traurigstein, weg, Teufel, Fleisch und Zagen,
Weg, Eitelkeit und Furcht, weg, was mich oft so krämkt!
Mein Vater, das auf Gras und wilde Tiere denkt,
Der wird mir, was ich darf, zu keiner Zeit versagen-

Der für die Vögel sorgt, wird ja mehr Kummer tragen
Für mich sein Ebenbild; der mir dies Leben schenkt,
Wird, was zu leben not, und der mich speist und tränkt,
Wird meiner Blöß ein Kleid ja nimmermehr abschlagen.

Drum weg, was irdisch ist! Wer stes nach Erde tracht
Und nur den Mammon ehrt, mag forthin Tag und Nacht
Sich kümmern, wie er mög ein Eil sich selbst zusetzen.

Laßt Erd und Welt vergehn; wenn mir der Himmel bleibt,
Das Schloss der Ewigkeit, das Gott mir selbst verschreibt,
So bin ich ewig reich und ewig groß zu schätzen.

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Auf den Sonntag des letzten Greuels, Matth. 24

Ist jemals, weil der Bau der großen Welt gestanden,
So grimme Tyrannei und Greuel auch erhört?
Ist was, das nicht durch Krieg, Schwert, Flamm und Spieß zerstört?
Ist solche Grausamkeit, sind soviel Sünd und Schanden?

Ganz ohne Furcht verübt, nun Redlichkeit in Banden
Und Heiligkeit verjagt, nun sich die Sünde mehrt,
Und mancher Widerchrist in Gottes Tempel lehrt,
Und schwere Ketzerei sich heckt in allen Landen?

Ach, wie wird deiner Schar, Herr Jesu Christ, so bang!
Verkürze dich die Zeit und bleib nunmehr nicht lang,
Daß nicht der Satan uns in Wahn und Irrtum bringe!

Indessen gib, daß ich, o wahre Seelenspeis,
Mich von der faulen Welt und ihrer Lust abreiß
Und bald zu dir, mein Hort, mit Adlersflügeln schwinge!

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Über die Geburt Christi 1657

Kind dreymalh süsses Kind, in was bedrängten Nöthen
Bricht dein Geburtstag ein! Der Engel Schaaren Macht
Bejauchtzet deine Kripp‘ und singt bey stiller Nacht,
Die Hirten preisen dich mit hellgestimmten Flöten.

Ach um mich klingt der Hall der rasenden Trompeten,
Der rauhe Pauckenklang, der Büchsen Donner kracht:
Du schläffst, der tolle Grimm der schnellen Zwietracht wacht
Und dräut mit Stahl und Schwerdt und Flamm und Haß und Töten!

O Friedefürst, lach uns aus deinen Windel an!
Daß mein bestürtztes Hertz das nichts als Seuffzen kann,
Dir auch ein Freudenlied, O Sohn der Jungfrau, bringe.

Doch wenn ich, Gott, durch dich mit Gott in Friede steh,
So kann ich fröhlich sein, ob auch die Welt vergeh,
Indem du in mir ruhst. O Kind mein Wunsch gelinge!

                                        +++

Auf seinen Geburtstag Anno 1656

Der wundergroße Gott, der nichts als Wunder macht,
Pflegt diese, die ihm treu, nur wundelich zu führen:
Sie gehen durch Stahl und Schwert, doch muss kein Schwert sie rühren;
Sie stehn, ob und um  der Erde Grund erkracht;

Es wird kein haar versehrt, ob schon die Flamm erwacht
Und an die Sterne schlägt. Wo Pest und Tod zu spüren,
Verspürt man seine Kraft: Er weiß sie auszuzieren
Mit diesem, was der Feind zu ihrer Qual erdacht..

Er führt in wüstes Feld durch ungebahnte Wege
Und führt auf rechte Weg aus heckenvollem Stege
Und führt durch Herzensangst zu ewig steter Ruh.

Die ungeheure Flut schluckt oft in tiefste Teufen,
Die er erheben will, und darf sie nicht ersäufen:
Gott und was Gottes ist kommt nicht als Wunder zu.

                                        +++

Schluß des 1648sten Jahres

Zeuch hin betrübtes Jahr, zeuch hin mit meinen Schmerzen,
Zeuch hin mit meiner Angst und überhäufften Weh,
Zeuch so viel Leichen nach! Bedrängte Zeit vergeh
Und führe mit dir weg die Last von diesem Herzen!

Herr, vor dem unser Jahr als ein Geschwätz und Scherzen,
Fällt meine Zeit nicht hin wie ein verschmeltzter Schnee?
Laß doch/ weil mir die Sonn gleich in der Mittagshöh
Mich noch nicht untergehn gleich ausgebrennten Kerzen.

Herr es ist genug geschlagen.
Angst und Ach genug getragen,
Gib doch nun etwas Frist, daß ich mich recht bedenke,

Gib daß ich der Handvoll Jahre
Froh werd‘ eins vor meiner Bahre
Mißgönne mir doch nicht dein liebliches Geschenke!

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Schluss des 1650sten Jahres

Nach Leiden, Leid und Ach und letzt ergrimmten Nöten,
Nach dem auf uns gezuckt- und eingestecktes Schwert,
Indem der süße Fried ins Vaterland einkehrt.
Und man ein Danklied hört statt rasender Trompeten:

Indem wir eins aus Lust und nicht durch Glut erröten,
Schließ ich dies rauhe Jahr und was mein Herz beschwert:
Mein Herz das nicht die Angst die unser Land verheert
Vermocht durch rauhen Sturm und linde Gift zu töten.

Gott wir haben dies erlebet was du uns verheißen hast,
Daß der unerhörte Schmerzen und der überhäuften Last
Letztes Ziel ist angebrochen.

Bisher sind wir tot gewesen/ kann nun Fried ein Leben geben,
Ach so laß uns Friedenskönig, durch dich froh und friedlich leben
Wo du Leben uns versprochen.

                                        +++

An Eugenien

Ich finde mich allein und leb in Ensamkeit,
Ob ich schon nicht versteckt in ungeheure Wüsten,
In welchen Tigertier und wilde Vögel nisten.
Ich finde mich allein, vertieft in herbes Leid,

Auch mitten unter Volk, das ob der neuen Zeit
Des Friedens sich ergötzt in jauchzenvollen Lüsten,
Find ich mich doch allein. Wir, die einander küßten
In unverfälschter Gunst, sind leider nur zu weit.

Ich finde mich allein und einsam und betrübet,
Weil sie so fern von mir, mein Alles und mein Ich,
Ohn die mir auf dem Kreis der Erden nichts beliebet.

Doch tritt ihr wertes Bild mir stündlich vor Gesichte.
Sollt ich denn einsam sein? Ihr Bild begleitet mich.
Was kann sie, wenn ihr Bild mein Trauren macht zunichte.

                                        +++

An Ebenselbige

Was hat des Fürsten Hof, was fand die weise Stadt,
Das mächtig sei mich zu erfreuen?
Ich muß die schöne Zeit bereuen,
Die mein Gemüt ohn sie, mein Licht, verzehret hat.

Bei ihr find ich, was ich voll Herzensseufzer bat.
Die Samen in das Land einstreuen.
Begehren so nicht das Erneuen
Des Frühlings, der mit Tau krönt die erfrischte Saat;

Als mich verlanget sie zu schauen,
Sie meine Lust, Wonn und Vertrauen,
Die mir der Himmel gab zu enden meine Klagen.
Sie kann ich diesen Tag nicht sehn;
Ach, Himmel laß es doch geschehn,
Daß mir mög ihr Gesicht die Nacht ein Traum vortragen.

                                        +++

Auf ein Jungfernspiel

Mein Freund wo muß ich hin? verzeiht ich muß ja fragen,
Findt auch bei euer Lust mich mein stets während Leid?
Mich kränkt was euch ergötzt/ der angenehme Streit;
Erweckt nur mehr und mehr mein immerfrisches Klagen.

Wenn Doralice mich, die Hurtige wil jagen,
Versetzt Uraine mit strenger Lieblichkeit
Den nicht mehr freien Lauf. Alisa springt zur Seit
Und läst Roselien anmutig auf mich schlagen;

Seh ich Roxanen denn die Widrige nur an,
Bald deck ich wie mit mir der Himmel spielen kann
Von dem ich minder noch weiß etwas zu erlangen.

Ich wünsch, ich ruf,  ich hoff, ich leid, ich streit, ich flieh,
Ich irr, ich lauf, ich such und finde nichts als Müh
Und daß mich alles jagt und niemand doch will fangen.

                                        +++

An Clelien

Zeit, mehr denn über Zeit, die Brüste zu verdecken,
Indem der Jahre Reif sich an die Schläfe legt.
Deckt zu, was Grauen, Haß und keine Lust erregt!
Verdeckt, vor was Ihr selbst (beschaut Euch!) mußt erschrecken!

Der Rosen Schnee ist weg, versteckt die dörren Hecken!
Ob Chloris, ob Dian nackt einzuziehen pflegt,
Steht’s dennoch der nicht an, die nichts als Knochen trägt,
Gehüllt in schrumpfend Fell voll schwärzlich gelber Flecken.

Legt ein, Eur Markt ist aus. Schließt Kram und Laden zu!
Fragt nicht, was Lieben sei! Denkt an die lange Ruh!
Doch nein, was fällt mir ein? Entblößet Hals und Brüste!

Entdeckt (damit Ihr noch was nützet auf der Welt),
Wie Seuch und lange Zeit und Schmink hab Euch verstellt,
Dämpft durch dies fremde Bild der tollen Jugend Lüste.

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Auf den Tag der unschuldigen Kindlein, Matth. 2

Nicht’ klage Rachel nicht! ob gleich die zarte Reben,
Die Kinder deiner Brust, im Aufgang ihrer Zeit,
Von mehr als grausem Sturm, der Schwerter abgemaiht
Es ist so ganz nicht aus! ach traure nicht! sie leben.

Die Lämmlein, so ihr Blut fürs werte Lamm gegeben,
Sindt jetzt nach kurzer Angst, und kaum gekannten Leid,
In dem besternten Sitz der großen Herrlichkeit,
Indem sie Gottes Rat und hohes Lob erheben.

O selig, wer noch,  eh der Mund kann Christum nennen,
Die Glieder für ihn gibt! Wer aus der Mutter Schoß
Die Marterkron ergreift, und tritt ins Himmelsschloß!

O selig, wer noch, eh er seinen Feind kann kennen,
Schon überwunden hat! Wer, eh er Sünde spürt
Und eh er weiß, was Tod, von beiden triumphiert.

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Auf den Tag Maria Magdalena; Luk. 7

Die Tränen, die du schaust diesen Wangen fließen,
Dringt ernste Reu, doch mehr entbrannte Lieb hervor.
Die, oft vor Christi Wort verstopfet Herz und Ohr,
Kommt jetzt, und fällt vor Angst zu seinen zarten Füssen.

Die Augen, die sie ließ bald hin und bald wieder schissen.
Sehn traurig unter sich, ihr Seufzen steigt empor.
Das Haar, der Unzucht Netz, der Mund , des Herzens Tor,
Das Geile fing, lernt jetzt die Keuschheit selbst einschließen.

In dem sie Christi Fuß mit heißen Zähren netzet,
Hat Christus aller Schuld und Sünde sie entsetzet.
Sie macht des Herren Fuß, er ihre Seele rein.

Sie rührt den Arzt kaum an, er heilet ihre Wunden,
Sie windt ihr Haar um ihn, und wird doch selbst verbunden;
Sie salbet seinen Leib, er stillet ihre Pein.

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Auf Herrn Gottfried Eichhorns und Rosine Stoltzin Hochzeit

Obgleich der weiße Schnee jetzt Berg und Tal decket,
Und manch geschwinder Fluß in einen Harnisch fährt,
In dem Er sich des Zorns der grimmen Kälte erwehrt,
Vor welcher jeder Baum bis in den Tod erschreckt:

Ob gleich der bleiche Frost die scharfe Sens ausstrecket
Und alle Blumen raubt, die Chloris hat begehrt,
Hat doch der Lieb Glut Euch süßer Zeit beschert.
Als wohl die Sonne selbst und Hitz und Lust erwecket.

Sie hat, Herr Gottfried! Euch die schöne  Rose bracht,
Bei der Ihr Frühling habt und aller Winter lacht.
Wohl Euch und mehr denn wohl! Was Mögt Ihr noch erdenken?

Wohl Euch und mehr denn wohl! Wenn diese rauhe Zeit
So schöne Blumen gibt und solche Lust bereit,
Was wird Euch nicht der Herbst für süße Früchte schenken?

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Andenken eines auf der See ausgestandenen gefährlichen Sturms

O Gott! was rauhe Not! Wie schäumt die schwarze See
Uns spritzt ihr grünes Salz! Wie reißt der Zorn die Wellen
Durch nebelvolle Luft! Wie heult das wüste Bellen
Der tollen Stürm uns an! Die Klippe kracht von Weh.

Wir fliegen durch die Nacht und stürzen von der Höh
In den getrennten Grund. Die often Stöße fällen
Den halbzerknickten Mast; die schwache Seiten prellen
Auf die gespitzte Klipp. O Himmel, ich vergeh!

Der dicke Querbaum bricht und schlägt den Umgang ein;
Das Segel flattert fort; der Schiffer steht allein
Und kann noch Bootsmann mehr, noch Seil, noch Ruder zwingen.

Wir missen Glas, Kompaß und Tag und Stern und Nacht;
Tot war ich vor dem Tod. Doch Herr! du hasts gemacht,
Daß ich dir lebend und errettet Lob kann singen.

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Auf den Tag Matthiä; Matth. 2

Hört an! Die Weisheit ruft; hört an die Liebe schreit:
Kommt alle! Kommt!  die Angst, Ach und Weh verzehret;
Ihr, die die harte Last der großen Schuld beschweret:
Kommt!  die ihr bebt in Not und sinkt in Traurigkeit.

Kommt“  die ihr irregeht in schwarzer Dunkelheit.
Kommt! Die der grimme Zorn des Höchsten hat verzehret
Hier wird euch Labsal, Trost und Freud‘ und Lust bescheret;
Hier ist der Freistadt Schloß und euer Heil bereit.

Nehmt willig auf mein Joch und lernt nach meinen Sitten,
Sanft gegen Menschen sein, in Demut Gott erbitten,
So wird gewünschte Ruh um euer Seelen sein.

Dies Joch ist mehr als süß und mehr als leicht zu tragen
Doch hat die kluge Welt mein Lehren ausgeschlagen.
Drum zeig ich denen mich, die arm, schlecht, schwach und klein.

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Auf den Tag der Verklärung Jesu; Matth. 17

Gleich wie das Heil der Welt, mit hellem Glanz umgeben,
Auf Thabors Spitze steht, wie seiner Kleider Licht
Hellstrahlende verblendt der Jünger Angesicht,
So scheint, wer Christum liebt, in neuverklärtem Leben.

Hier schaust du Mosen nur mit dem Thesbiten schweben
Kaum einen Augenblick, Dort fliehn die Engel nicht;
Dort ist der Haufen, der geheime Ding‘ ausspricht;
Dort sind, die Gottes Ruhm mit freiem Mund erheben;

Hier hat des Himmels Fürst mit Wolken sich umbdeckt;
Hier wird durch seine Stimm der Jünger Hertz erschreckt;
Dort hört man seinen Trost, dort kann man klar Ihn schauen.

Wenn hier ein einig Nun so fröhlich Petrum macht,
Was wird wohl ewig tun? Drum eilt ihr Leut‘ vnd wacht
Und laßt uns fröhlich dort, nicht hier die Hütten bauen!

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Gedichte

Vanitas! Vanitatum Vanitas!

Die Herrlichkeit der Erden
Muss Rauch und Aschen werden,
Kein Fels, kein Erz kann stehn.
Dies was uns kann ergetzen,
Was wir für ewig schätzen,
Wird als ein leichter Traum vergehn.

Was sind doch alle Sachen,
Die uns ein Herze machen,
Als schlechte Nichtigkeit?
Was ist des Menschen Leben,
Der immer um muss schweben;
Als eine Phantasie der Zeit?

Der Ruhm nach dem wir trachten,
Den wir unsterblich achten,
Ist nur ein falscher Wahn.
Sobald der Geist gewichen:
Und dieser Mund erblichen:
Fragt keiner was man hier getan.

Es hilft kein weises Wissen,
Wir werden hingerissen,
Ohn einen Unterscheid.
Was nützt der Schlösser Menge?
Dem hie die Welt zu enge,
Dem wird ein enges Grab zu weit.

Dies alles wird zerrinnen,
Was Müh‘ und Fleiß gewinnen
Und saurer Schweiß erwirbt:
Was Menschen hier besitzen,
Kann für dem Tod nicht nützen,
Dies alles stirbt uns, wenn man stirbt.

Ist eine Lust, ein Scherzen
Dass nicht ein heimlich Schmerzen
Mit Herzensangst vergällt!
Was ists womit wir prangen?
Wo wirst du Ehr‘ erlangen
Die nicht in Hohn und Schmach verfällt?

Was pocht man auf die Throne?
Da keine Macht noch Krone
Kann unvergänglich sein.
Es mag vom Totenreien,
Kein Zepter dich befreien.
Kein Purpur, Gold, noch edler Stein.

Wie eine Rose blühet,
Wenn man die Sonne siehet,
Begrüßen diese Welt:
Die eh der Tag sich neiget,
Eh sich der Abend zeiget,
Verwelkt, und unversehns abfällt:

So wachsen wir auf Erden
Und hoffen groß zu werden,
Und schmerz- und sorgen frei:
Doch eh wir zugenommen,
Und recht zur Blüte kommen,
Bricht uns des Todes Sturm entzwei.

Wir rechnen Jahr auf Jahre,
In dessen wird die Bahre
Uns für die Thür gebracht:
Drauf müssen wir von hinnen,
Und eh wir uns besinnen
Der Erden sagen gute Nacht.

Weil uns die Lust ergötzet
Und Stärke freie schätzet,
Und Jugend sicher macht;
Hat uns der Tod bestricket
Die Wollust fortgeschicket
Und Jugend, Stärk und Mut verlacht.

Wie viel sind jetzt vergangen!
Wie viel liebreicher Wangen,
Sind diesen Tag erblasst?
Die lange Rechnung machten,
Und nicht einmal bedachten,
Dass ihn ihr Recht so kurz verfaßt.

Auf Hertz! wach‘ und bedenke
Dass dieser Zeit Geschenke,
Den Augenblick nur dein.
Was du zuvor genossen?
Ist als ein Strom verschossen,
Was künftig: wessen wird es sein!

Verlache Welt und Ehre,
Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre,
Und fleh den Herren an.
Der immer König bleibet:
Den keine Zeit vertreibet:
Der einig ewig machen kann.

Wohl dem der auf ihn trauet!
Er hat recht fest gebauet,
Und ob er hier gleich fällt:
Wird er doch dort bestehen,
Und nimmermehr vergehen
Weil ihn die Stärke selbst erhält.

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Verlangen nach den ewigen Hügeln
Bruchstück

Mit Tränen grüßen wir,
In Tränen lebt man hier:
Mit Tränen gibt man gute Nacht!
Was ist der Erden Saal?
Ein herbes Tränental!
Wie Rosen die wir ziehn.
Auf Dornen nur verblühn.
Wie ein verworfnes Kind verschmacht,
So muß, wer hie will stehn
In Kummer untergehn.

Wenn der Morgenglanz der Erden
Tausendfaches Leid entdeckt!
Wird von donnernden Beschwerden
Mein bestürztes erschreckt;
Wenn der Abend hergeschlichen
Und der stille Mond erwacht,
Preis ich selig, was erblichen
Und der Gruft zu Pfande bracht.

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Abschied

Ade, verfluchtes Tränental,
Du Schauplatz herber Schmerzen,
Du Unglückshaus, du Jammersaal,
Du Folter reiner Herzen!
Ade, mein Kerker bricht entzwei,
Die Kette reißt, mein Geist wird frei,
Die Schlösser sind zersprungen!

Die Erde schau ich unter mir!
Ist dies, warum wir kämpfen
Mit Schwert und Flammen; welche wir
Mit Blut und Leichen dämpfen,
Die Hand voll Graus, dies Häuflein Sand,
Um welches Eitelkeit und Tand
Und Fluch und Laster dingen?

Dort fällt ihr Reich, das andre Kracht,
Und dies wird nicht gefunden.
Dort schluckt die Erd ein ihre Pracht,
Die dar im Rauch verschwunden.
Was nicht der strenge Nord auslöscht,
Was nicht die stolze Well abwäscht,
Wird durch sich selbst verkehret.

Und mag noch jemand sein, der mich
Mit Zähren ruft zurücke,
Denkt, Liebsten, wo ihr und wo ich!
Missgönnt man mir mein Glücke?
Ich lach, ihr weint; ich sieg, ihr Kriegt;
Ich herrsch, ihr dient; ich steh, ihr liegt;
Ich leb, ihr müßt verschmachten.

Ihr seid, um die man trauern soll,
Ich, den die Luft erquicket.
Ihr zagt, und mir ist ewig wohl,
Gott hat mich heimgeschicket.
Der euch bald rufen wird zu mir.
Indessen lernt die falsche Zier
Der eitlen Welt verachten!

Ade, ihr Liebsten, ich muss fort;
Lasst ab von euren Tränen,
Denkt, dass ich aussteig in den Port,
Nach dem sich alle sehnen.
Dort war der Kampf, hier ist der Lohn;
Dort war der Kerker, hier der Thron;
Dort Wünschen, hier Erlangen.

Das reiche Schloss der Ewigkeit
Gebt auf! Ich bin angekommen.
Ade, Welt, Hoffen, Schmerz und Streit,
Gott hat mich eingenommen.
Hier will ich ewig leben dir,
Hier will mit Jauchzen für und für
Ich dich, mein Gott, umfangen.

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Vergänglichkeit
Bruchstück

Der Menschen Ehre glänzt und bricht gleich einem Glase,
Ein Augenblick verkehrt,
Was langer Nächte Fleiß, was vieler Jahre Sorgen
Uns Armen kaum gewährt.
Was dieser Abend grüßt, kann untergehn vor morgen.
Ein unverhofftes Nun
Reißt alle Weisheit hin; die Fenster meiner Sinnen,
Die Augen fallen zu,
durch die ich dich geschaut, was Menschen schaun, zerinnen.
Der Sonnen große Flucht,
Des Mondes Wankelmut, die Leiche der Kometen,
der Bäume Laub und Frucht
Bezeugen, dass die Zeit kann, was nur Zeitlich, töten.

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Allmacht des Todes
Bruchstück

Hier hilft kein Recht, wir müssen weichen;
Hier hilft kein Kraut: Der Mensch ist Gras;
Hier muss die Schönheit selbst erbleichen;
Hier hilft nicht Stärke: Du bist Glas;
Hier hilft kein Adel: Du bist erden,
Nicht, Ruhm: Du musst zu Asche werden.

Hier hilft kein Purpur, kein Gepränge,
Die Herrlichkeit ist nur ein Traum;
Und wird uns gleich die Welt zu enge,
Wir finden doch im Grabe Raum.
Hier gilt nicht Gold, nicht greise Haare:
Der Tod wirft alles auf die Bahre.

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Am Ende
Bruchstück

Ich habe meine Zeit in heißer Angst verbracht:
Dies lebenslose Leben
Fällt, als ein Traum entweicht,
Wenn sich die Nacht begeben
Und nun der Mond erbleicht;
Doch mich hat dieser Traum nur schreckenvoll gemacht.

Was nutzt der hohe Stand? Der Tod sieht den nicht an.
Was nutzt mein Tun und Schreiben,
Das die geschwinde Zeit
Wird wie den Rauch zertreiben?
O Mensch, o Eitelkeit,
Was bist du als ein Strom, den niemand halten kann?

Jedoch was klag ich dir? Dir ist mein Leid erkannt.
Was will ich dir entdecken,
Was du viel besser weißt:
Die Schmerzen, die mich schrecken,
Die Wehmut, die mich beißt,
Und daß ich meinem Ziel mit Winseln zugerannt?

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Auf seine und seiner Ehegeliebten Vermählung

Reine Lieb ists, die nichts zwinget,
Ob der Erden Abgrund kracht;
Ob durch schwarze Lüfte dringet
Der entbrannten Strahlen Macht.
Keiner Taten Wunderwercke
Dämpfen treuer Liebe, Stärke.

Spannt der Tod schon seinen Bogen,
Steckt er Trauerfackeln an!
Sie hat ihre Sehn gezogen.
der nichts widerstehen kann.
Ihre Glut brennt,  wenn wir Erden
Und zur Handvoll Aschen werden.

Lasst die stolzen Wellen toben;
Schäumt ihr Meere! braust und schmeißt
Wenn der strenge Nord von oben
In des Salzes Teuf einreist:
Wird doch Wind und Wassers kämpfen
Nicht den Brand der Liebe dämpfen.

Lieb ist, der nichts gleich zu schätzen.
Wenn man alles Gold der Welt
Gleich wollt‘ auf die Wage setzen:
Lieb ist, die den Ausschlag hält;
Lieb ist trotz der Silberhaufen
Nur durch Liebe zu erkaufen

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Die Wunder bei dem Tode Christi

Reiß Erden! Himmel brich: ihr Friedensengel klaget!
Der Fürst der Welt vergeht! saust Lüfte! Menschen zaget!
Der alles trägt, verfällt; die Ehre wird veracht;
Der alle deckt ist nackt, der Tröster ist verschmacht!

Der Höchste steht am Holtz genagelt an die Äste.
Die Hände sind durchbohrt, durch die die Wolckenfeste
In ihren Stand gesetzt, der Leib ist eine Wund.
Von Fuß auf, Scheitel ab/ ist nichts an Ihm gesund!

Das Licht der Welt erblasst, gleich als der Tag sich teilet,
Die Sonne wird mit Nacht im Mittag übereilet
Und löscht die Flammen aus, das große Land erschrickt
In dem es kaum sich selbst in Finsternis erblickt.

Der Vorhang, der das Stift des innern Tempels decket,
Reist oben ab entzwei; was vor uns ward verstecket;
Steht offen! last uns gehn! Dies Wunder zeigt uns frei,
Das nichts mehr Heilig‘s im entweihten Tempel sei.

Der Erden Grund erkracht,  die trotzen Felsen springen,
Die Klippen spalten auf, die schnellen Ritze dringen
Fast in den Mittelpunkt, die Länder fallen ein
Und wollen Zeugen nur des großen Mordes sein.

Der Tod verliert sein Recht. Der Grüfte Marmor zittern,
Die Gräber brechen auf, der heilgen Leiber schüttern
Und schaun, mit ihrem Geist vermählt das Opfer an,
Das Gottes heißen Grimm der Rach‘ auslöschen kann.

Volk, Hauptmann und Soldat, bewegt durch solche Zeichen,
Bedenkt die grimme Tat, die Herzen selbst erweichen/
„Ach wahrlich!“ ruft man jetzt, „der war ein frommer Mann
Und Gottes Sohn, an dem das Recht nichts tadeln kann.“

Man bricht, weil schon der Tag sich gegen Abend neiget,
Der Mörder Bein entzwei; ein neues Wunder zeiget
Den Grund der Prophezei: Ihm, den der Tod entsetzt,
Wird von der grimmen Faust nicht einig Bein verletzt.

Doch durch die blasse Seit wird Ihm ein Speer gedrungen,
Aus welcher bald für uns ein Gnaden-Brunn entsprungen,
Ein Blut- und Wasserstrom, der unser Sünd abwäscht
Und die entbrannte Glut der schwarzen Höll auslöscht.

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Himmlisches Vaterland
Bruchstück

Süßes Wohnhaus höchster Ehre,
Platz der heiligen Lieblichkeit,
Da ich, fern von Weh und Streit,
Nichts als jauchzend Lachen höre,
Hofstatt ewig sichrer Ruh,
Liebstes Vaterland, Glück zu!

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Tränen in großer Hungersnot

So muss dein Fluch den Himmel schließen?
Versiegelst du den Brunnenquell?
Indem wir Tau und Regen missen
Und schmachten als in einer Höll?
So wird die Erden die uns nähret,
In Fels und Eisen ganz verkehret!
Weh mir! Die ehrnen Wolken brennen!
Die dunkelrote Sonne glüht!
Indem der Grund sich will zertrennen
Und man die Ufer wachsen sieht.
Die Ströme die sich vor ergossen,
Sind fast den Bächen gleich verschossen.
Der Wald steht laublos und empfindet
Wie der verhasste Sud auszehr,
Die Äst‘ und Wipfel oft entzündet.
Schau wie die Wiese sich verkehr:
Das Gras mit Blum und Klee vermenget,
Ist Boden gleich, ganz abgesenget.

Das scheue Wild macht sich von hinnen,
Der Vögel junge Zucht verschmacht‘.
Man sieht kein Tröpflein abwärts rinnen,
Wie hart der Wetter-Sturm erkracht!
Das Vieh wirft die verdorrten Glieder
Tot bei der leeren Krippen nieder!

Was rühr‘ ich, ach, der Menschen Zagen
Das nunmehr unaussprechlich ist.
Ach wer kann diese Rut‘ ertragen!
Ach Herrscher der du alles siehst!
Ergötzet dich ja unser Sterben,
So lass uns doch nicht so verderben.

Schau wie die lebenden Gerippe
Mit tiefen Augen dir nachsehn,
Wie sie mit ganz verschrumpfter Lippe,
Fast atemlos dich, Herr, anflehn!
Und wenn sie nun den Geist hingeben
Zu dir die dürren Arm‘ erheben.

Des Kindes Herze wird gebrochen
An der erstarrten Mutterbrust.
Der Mutter die (nur Haut und Knochen)
Selbst auf dem Kind erblassen musst!
Der sucht vor den erhitzten Magen
Was schwer und schrecklich ist zu sagen.

Ach Herr! ach! ach! Dass dich erweiche
Die grimmst‘ und allgemeine Not.
Das ganze Land ist eine Leiche,
Ist deine Vatertreu denn tot?
Nein! nein! Du wirst uns Herr nicht lassen,
Du kannst nicht dein‘ Geschöpfe hassen.

Eröffne die liebreichen Hände,
Und speise, was sich dir verpflicht‘.
Erfreu die dürren Feldgewände
Durch Korn und segenreiche Frücht‘.
Teil unter dürftige Gemüter
Die Füll‘ und Schätze deiner Güter.

Lass unser Seufzen dich versöhnen,
Eil aus mitleidendvollem Sinn
Das Jahr mit Fruchtbarkeit zu krönen,
Dass unsre Nahrung nicht zerrinn‘
Du hast das Leben ja gegeben:
Gib denn, was nötig ist zum leben!

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Großer König aller Götter
Bruchstück

Großer König aller Götter; der du Prinz und Kron erhebest,
Und der Länder Nutz und B lühen
Und der Feinde Macht und fliehen
Durch ein Winken bringst zuwege, der du ewig sitzt und lebest,
Alles, alles Fleisch erscheinet:
Alles,  alles was hier weinet;
Alles, alles was hier wachet;
Alles, alles was hier lachet;
Alles, kommt zu dir allein
Und ergötzt sich deiner Güte,
Weil du aller herbe Pein
Wendest,  freundlichstes Gemüte!
Singt Halleluja! Halleluja! Ehr nd Wonne!
Kommt! Halleluja! nur von dir, O Freuden Sonne.

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Der Welt Eitelkeit

Was ist die Welt,
Die mich bisher mit ihrer Pracht betöret?
Wie plötzlich fällt,
Was Alt und Jung und Reich und Arm geehret!
Was ist doch alles, was man allhier findet?
Ein leichter Wind!

Was jetztund blüht,
Kann noch vor Abend ganz zertreten werden.
Der sich hier müht
Um flüchtig Geld, muss ohne Geld zur Erden;
Er sammlet fleißig, doch für andre, ein
Und stirbt allein.

Das kleine Tier,
Das seiden spinnt, verstrickt sich in sein Spinnen:
So müssen wir
Durch unsren Fleiß oft unsern Tod gewinnen;
Viel hat Verstand, und was uns weise macht,
Ins Grab gebracht.

Der Tulipan
Wird, weil er glänzt, von Jungfern abgeschnitten;
Schau Menschen an:
Sie haben Schmach, um daß sie schön, erlitten,
Und wenn sie nicht entsetzt ein schneller Tod,
Ach, Angst und Not!

Wie ohne Ruh
Ein Schifflein wird bald her, bald hin geschmissen.
So setzt uns zu
Der Sorgen Sturm, wir werden hingerissen,
Auf dieses Lebens schmerzensvoller See,
Da eitel Weh.

Wie selig ist,
Wer schadenfrei kann an den Port einfahren!
Wer sich erkiest
Den rechten Lauf der Gott ergebnen Scharen,
Der kann, ob Wellen Bergen gleich aufstehn,
Nicht untergehn.

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„Friede – Freiheit“

Wie wenn nach langer Angst und überstandnem Brausen
Der Port die Segel streicht,
Wenn nach der Wellen Macht und ungestümen Sausen
Ein Schiff das Land erreicht;
Wie die aus Weh entrückten Herzen
In Lust vergessen ihrer Schmerzen;
Wie sich die Welt erneuert,
Wenn sie den Frühling findet;
Wie sich der Schnitter freuet,
Wenn er die Garben bindt;
Wie Feld und Städte springen,
Wenn nun der Krieg aufhört:
So muß voll Wonne singen,
Mein Geist, Herr! Der dich ehrt.

Wie eine Mutter sich nach mehr denn grimmen Leiden
Ob ihrer Frucht ergötzt;
Wie nach der Krankheit lacht, der nun die pein fühlt scheiden,
Die Fleisch und Bein verletzt;
Wie den die sanfte Ruh erquicket,
Den Arbeit, Hitz und Last gedrücket,
Wie ein Gefangner starret
Und schier vor Wollust stirbt,
Wenn er den Tag erharret,
Der Freiheit ihm erwirbt;
Wie wer dem Tod entgangen,
Sich kaum vor Freuden kennt:
So muß die Seele prangen,
Die sich errettet nennt.

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Über den Untergang der Stadt Freystadt

Was soll ich mehr noch sehn? nun grimme Pestilentzen,
Nun bleicher Hungerangst verwüstet deine Grenzen;
Nun der Karthaunen Blitz, nun Hauptmann und Soldat
An unserm Gut und Blut sich statt gefressen hat;
Zeucht eine Nacht noch auf, voll tausendfacher Plagen:
Recht eine Nacht voll Nacht voll Ach! und Jammerklagen:
Und reißt, O Freystadt, was bisher noch von dir stand
Gleich einem Zedernbaum mit Ast und Stumpf zugrund,
Eh jemand dies vermeint. Die Sonne war gewichen,
Der Himmel stand besternt; und Morpheus kam geschlichen
Mit seiner Träume Schar; der Sorgen Feind,  die Ruh,
Schloß der nun müden Schaar die trägen Augen zu.
Als das Geschrei anging. O was für Donnerschläge
Empfind ich noch in mir, wenn ich den Blick erwäge,
Den ersten Jammerblick: Die schnelle Luft ersaust,
Der Mond entfleucht bestürzt, der Winde Wüten braust,
Und Freystadt kracht im Brand.  Es steigen Dampf und Flammen,
Und Funkenhimmel an: Dort fällt ein Haus zusammen
Und schlägt das andre ein. Was nicht von diesem schmaucht
Ist schon Staub/ Asch‘ und Graus: Wo jener Haufen raucht,
War vor der schönste Saal: Wo sind der Türme Spitzen?
Wo ist das Rathaus hin? Und wo die Richter sitzen?
Die Kirche brasselt auch! soll denn kein Erz noch Stein,
O Freystadt/ frei an dir von seinem Sterben sein?
Schützt keiner Mauren Krafft? sind keiner Retter Hände?
Ist alles Helfen aus, und gehn die kleinen Wände
Zusamt den großen ein? O ja! dies ist der Schluss,
Der alles, was noch stund,  zu Boden werfen muß!
So sinkt ein kranker Leib, den schon der Todt erkohren,
(Der Arzt tu, was er kann, sein Bessern ist verloren.)
So wird die große Welt/ auf angesetzte Zeit,
Durch schweffellichte Glut des Donners abgemaiht,
Verlodern und vergehn. Was seh‘ ich dort für Haufen
Bestürzt und tränenvoll! mit ihren Kindern laufen?
O Kinder! die ihr kaum das Vaterland erkannt,
Schaut wie, was euch gebaut, noch eh‘ ihr hin, verbrannt.!
Stadt! hochgestürzte Stadt! musst du dir selbst anzünden
Den Holzstoß, auf dem Zier und Gut und Lust verschwinden?
Hat doch des Himmels Zorn: Hat doch das scharfe Schwert:
Hat doch der Feinde Grimm dich nicht so umgekehrt,
Wie du dich selbst hinrichtst! Was wünschen wir die Sonnen?
Weil Luft und Flamme scheint: Was diese Nacht zerronnen,
Sieht auch wer ganz nicht sieht: Oh man schon um und an
Den Schaden noch nicht recht/ für Rauchen sehen kann.
Wir sehen keine Stadt! wie ist der Ort verworren
Mit dunkelroter Glut! Die Häuser sind verschorren
In Asch‘ und in sich selbst! Wird auch noch jemand sein,
Der aus den Kohlen sucht ein halbverbrannt Gebein
Von denen die der Schlaf dem Feuer hat verraten!
Wir schauen derer Not, die in den Flammen braten,
Und schauen keinen Rath. Ihr Musen! ach umsunst!
Auch euer Schatz vergeht: Es hat die tolle Brunst
In dies, was heilig heißt, sich grimmig eingedrungen:
Und mit der Blätter Rest weit über Feld geschwungen!
Und was ein weiser Sinn erforschet und erdacht,
Wodurch ein sterblich Mensch sich ewig hat gemacht,
Nimmt eine Stunde weg. Wir treten jetzt mit Füssen
Dies was wir gestern Kunst und große Weisheit hießen!
O Eitelkeit der Welt! wie solt‘ ein Mensch bestehn
Wenn, was die Zeit abteilt, muß vor der Zeit vergehn.
Und mag ein zartes Fleisch sich lange Rechnung machen?
Wenn Felsen und Metall so unversehns zerkrachen?
Und mag wohl jemand sein der keine Laster scheut,
Wenn der sonst sanfte Gott mit solchen Straffen dräut!
Weil doch der Sünden Glut uns diese Brunst erreget/
Die Freystadt eingefeurt und frei in Graus geleget?
O daß mein Deutschland sich mit diesem Zunder trägt;
In den der Wetter Macht mit schnellen Funken schlägt,
Der uns zu Aschen brennt! wenn Bosheit wird verschwinden,
Denn wird, was jetzt und hin, sich reicher wiederfinden,
Denn wirst du tote Stadt aus deiner Kohlengruft
Dein jetzt verscharrtes Haupt aufheben in die Luft,
Dann soll, wo Wolken jetzt von Rauch‘ und Flammen ziehen,
Dein‘ aufgesetzte Zier gleich einer Rosen blühen.
Denn wird,  was jetzt und bricht, durch Zutun weiser Hand
Erlangen, was man wünscht, und in recht neuem Stand
Sich breiten für und für. Es werden deine Mauren
Nicht mehr voll Jammer stehn: Und wo man jetzt und Trauern
Und Zeterrufen hört, wo jetzt des Höchsten Grimm
Ohn Maß und Ende tobt,  da wird die Jubelstimm
Erschallen voll von Lust. Die neugebauten Türme.
Des Hauses schöne Pracht wird Sicherheit im Schirme
Erhalten: Ja der Spieß, das halbverroste Schwert
Wird werden in ein Beil und einen Pflug verkehrt,
Auch wird die werte Treu, die Treu, die wir verloren
Von aller Redlichkeit stehn bei uns neugeboren.
Wie denk ich doch so weit, Ich, der ich dieser Näh‘
Nun dritten Untergang mit nassen Augen seh‘!
Und was geht jetzt nicht ein! Wie selig sind zu schätzen
Die, welchen keine Not die Klau‘ ins Hertz kann setzen.
Weil sie der Tod entsetzt. Wir sind recht lebend tot
Und teilen unser Zeit in tausendfache Not.
Wir teilen Leib und Gut! was nicht die Pest genommen,
Hat Büchs‘ und Säbel hin; was diese nicht bekommen,
Frißt die erhitzte Glut! was lässt der Flammen Raub
Von Freystadt? Was du siehst; die Handvoll Asch‘ und Staub.

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Epigramme

Über die Leiche der heiligen Cäcilie, welche von Fäule unversehrt in dem 1599. Jahre nach Christi Geburt entdecket.

Jung, doch verständig; schön, doch züchtig; reich, doch rein;
Vermählt, doch Jungfrau; schwach, doch stärker denn die Pein;
Bei Engeln, auf der Welt; geschmissen mit dem Schwert
Dreimal und nicht enthalst; vergraben, nicht verzehrt.
Verdeckt zwölfhundert Jahr, doch nicht verkehrt in Erden;
Kann, was nicht irdisch ist, wohl Erd und Asche werden?

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Auf den Albin

Albinus bittet mich schier jeden Tag zu Gaste;
Warum dann komm ich nicht? Weil ich nicht gerne faste.

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Auf Thusnelda

Du willst sechs Worte  nur zur guten Nacht von mir?
Thusnelda, nimm  sie hin: Es ist nichts Guts an dir.

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An Flora

Du zeuchst als Jungfer auf und meinst uns zu betrügen;
Dein Kind spricht noch kein Wort und straft dich dennoch Lügen.

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An Maria

Hier ist ein Raum für dich, das Haus ist voll Gedränge;
Warum? Der den du trägst, dem ist die Welt zu enge.

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Gedanken über meine Geburt

Der du mich an das Licht hast bei besternter Nacht
Aus meiner Mutter leib, als einen Kerker bracht,
Lass fern von Sternen mich, doch Sternen gleich aufgehen,
wenn hier ich untergeh, dort über Sternen stehen!

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Über die unterirdischen Grüfte der  heiligen Märtyrer zu Rom

Die Grüfte, die du schaust, hat diese Schar besessen,
Die lebend-tot, der Welt und ihrer Lust vergessen
Und Länder doch bekehrt und Höll und Feind erschreckt
Und Wunderwerk erweist und Tote auferweckt;
Der heilig-hohe Glanz, dem sie hier wollen dienen,
Hat diesen Ort bestrahlt und ihr Gemüt beschienen.
Jetzt jauchzen sie bei Gott; wir leben in der Welt,
Wir, denen ihre Weis und Wohnung nicht gefällt.
Drum mag bei unsrem Tag ihr schönes Licht erbleichen:
Wir gehen mit Menschen um, drum hört uns keine Leichen,
Sie wohnten, schau, wie tief! Doch stieg ihr Geist hinauf.
Wir bauen hoch! Ach, ach, Wohin sinkt unser Lauf!

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Als er sich in sein  Vaterland begeben

Als Glogau ganz in Graus verfallen, ließ mich Gott
Beschreiten diese Welt; nun grimme Kriegesnot
So Land als Stadt verheert, ruft Gott mich wieder ein
Und heißt das weite Land mein einig Sorgen sein.
Will Gott, was leigt, durch mich, der sonder Kräft aufrichten?
Wie, oder heißt mich Gott, was zweimal fiel, Vernichten?

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Auf das Gesicht an die Opticos

Was Augen sehn, ist nichts; Wann wir die Augen schließen,
Dann  werden wir viel mehr, ja alles sehn und wissen.

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Über der Welt Wollüste

Fragt nicht, warum ich der Welt höchste Lust für Unlust achte:
Fragt, warum auf weiter See oft ein Mensch in Durts verschmachte.

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An Eugenie

Fragt ihr, warum ich erbleiche= Habt ihr dies nicht längst vermutet?
Dass ich blass sei, weil mir täglich mein verwundtes Herze blutet?

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Auf den Adelio

Du fragtest, warum ich die Kammer lasse schleißen,
Ardeloi, vor dir? Ich kann kein Buch mehr missen.

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An Cajus

Der hochgeehrte Greis hat viel mit dir zu schaffen;
Warum? Ein großer Mann ergötzt sich oft an Affen.

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An Cassandra

Ihr wünscht euer eigen Lob von meiner Faust zu lesen:
Ihr seid die Schönheit selbst, Cassandra, – doch gewesen.

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An Philippus

Man hält weit mehr von euch als mir, und jedermann
Lobt euch. Warum? Ihr lobt, was ich nicht loben kann.

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Auf Flaccilla

Flaccilla leiß sich nächts den letzten Zahn ausreißen –
Und gleichwohl kann sie noch so unaussprechlich beißen.

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Auf die von Eugenie übersendeten Früchte

Ich hab, Eugenie, weil mich die herbe Nacht
Der Fieber jetzt verzehrt, an keine Zeit gedacht;
Ich weiß nicht, ob die Welt so herben Winter kenne,
Ich weiß nicht, ob mich bald Seuch oder Sommer brenne:
Eugenie, damit ich nicht mehr dürfe fragen,
Heißt ihr den ganzen Herbst in meine Kammer tragen.

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An Eugenie

Verkehrt die neue Tracht und meinen Schmerz in Scherz:
Verdeckt die bloße Brust und öffnet mir das Herz!

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Auf übersendete Blumen an Eugenie

Ihr schenkt, Eugenie, mir fremden Tulipan,
Granat und Gelsemin und Rosen und Meiran
Und was von Blumen nur bei jemand zu erfragen
Und wollt mir eine Blum ohn Unterlass versagen?

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An Paerus

Sollt ich dir, wer du bist, anzeigen aus der Hand,
Da doch, dass du ein Schelm, an deine Stirn gebrannt?

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Auf Balbinus

Wie seltsam ists: Balbinus ist ein Dieb,
Und sein Weib hat stets fremde Männer lieb;
Er nimmt von allem, was er immer kann,
Und diese beut sich selber an!
Was dünkt euch wohl, was hieraus sei zu schleißen?
Sie will sein Nehmen durch ihr Geben büßen.

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Auf den Buscus

Der karge Buscus, den das zehnmal neue Jahr
Und Dürr und Lungensucht schrecktmit der schwarzen Bahr,
Entsetzt sich vor dem Tod: Nicht das er wünscht zu leben,
Nur, dass er für ein Grab soll vierzig Kreuzer geben.

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An Balbus

Du schläfst den ganzen Tag und wachst die Nacht beim Wein,
Weil du ein kluges Kind der Finsternis willst sein.

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Grabschrift eines gehenkten Seilers

Was diesen Leib erhält, muss oft den leib verderben,
Ich lebte von dem Strick und muss durch Stricke sterben.

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Grabschrift, die er sich selbst in tödlicher Leibesschwachheit aufgesetzt

Ich bin nicht mehr denn du, ich bin was du gewesen;
Bald wirst du sein, was ich. Mein Wissen, Tun und Lesen,
Mein Name, meine Zeit, mein Leben, Ruhm und Stand
Verschwunden als ein Rauch. Die leichte Hand voll Sand
Verdeckt denselben Leib, den vorhin viel geehrt,
Den nächst der Fieber Glut, jetzt Fäul und Stank zerstört.
Beweine, wer du bist, nicht mich, nur deine Not.
Du gehst, indem du gehst und stehst und ruhst, zum Tod.

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Närrische Ehrsucht

Nächst sollten Cinc und Knes durchs Henkers Schwert verderben,
Weil sie den Hals verwirkt; doch Knes ging oben an
Und fiel vor jenem hin, Als Cinc ihn sahe sterben.
Schmerzt ihn der Ehrgeiz mehr, denn Kling und Marter kann.
Dass er aus Ungeduld und Neid und Grimm verging,
Eh er den schnellen Streich auf seinen Hals empfing.

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An Paulina

Fragt ihr, warum ich nicht woll euch, Paulina kennen?
Weil ich ein Christ, und ihr Euch lasset Göttin nenne.

                                        +++

An Fulvius

Der Teufel, den du ruffst, hat dich nicht weggenommen.
Weil du der Müh nicht wert, auch selbst wirst zu ihm kommen.

                                             +++

Auf Bavius

Baff rühmt, dass alle Welt auf seine Schriften seh:
Baff hält für alle Welt zwei Städtlein in der Näh.

                                        +++

Über eine Sonnenuhr

Der Schatten misst die Zeit, indem er fleucht mit ihr,
Die, Mensch, dich mit sich reißt – und du stehst müßig hier.

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Über die Himmelskugel

Schau hier des Himmels Bild, dies hat  ein Mensch erdacht,
Der doch auf Erden saß! O übergroße Sinnen.
Die mehr, denn jemand schaut, durch Forschen nur gewinnen!
Soll dies nicht himmlisch sein, was selber Himmel macht?

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Auf Atratus

Dein überprächtig Grab; das schwer erschunden Geld
Und armer Leute Schweiß und Tränen aufgestellt,
Bricht jetzt der Krieg entzwei, und die verfaulten Glieder
Reißt ein ergrimmter Hund voll Rasen hin und wieder,
Der nimmt die Ziegel hin, und der die schönsten Stein,
Der setzt die Marmelstück in seine Fenster ein
Und spricht: Wer jedem nahm, von dem muss jeder nehmen.
Dein Blutsfreun steht und siehts und muss sich deiner schämen:
Ihn jammert, dass er dich muss tot berauben sehn;
Mich jammert. Dass es nicht eh, als du tot, geschehn.

                                        +++

An Marcus

Erheb dich nicht zu sehr,
dass du aufs Höchste kommen:
Der Mond hat, eh er voll, noch keinmal abgenommen.

                                        +++

Hippolytes Tod

Der Frühling reißt dich hin, du Schönste muss vergehn.
Weil deiner Glieder Schnee nicht kann den Sommer sehn.

                                        +++

Grabschrift Hippolytens

Du hättest, werter Engel können leben,
Weil alles, was an dir, nichts als nur englisch war;
Doch Gott, der als ein Mensch starb auf dem Kreuzaltar,
Hat dir die Ehr, ihm gleich zu werden, selbst gegeben.

                                        +++

Grabschrift Laelii, welcher sich selbst erschossen

Hier liegt in einer Gruft der Kläger, der Beklagte,
Der Recht sprach, der gezeugt, und der die Zeugen fragte,
Und der das Recht ausführt, und der, so muss erbleichen:
Du zählest sieben zwar und findst nur eine Leichen.

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Nachwort zu Gryphius

Andreas Gryphius wurde den 2. Oktober 1616 in Großglogau geboren. Sein Vater war Archidiakonus und starb, als Gryphius fünf Jahre alt war, an den Folgen einer Vergiftung. Mit dem außergewöhnlichen Todesfall seines Vaters beginnt die Kette der vielfältigen und sonderbaren Leiden, die Gryphius im Laufen seines Lebens zu erdulden hatte und die ihn befähigten, das allgemeine Elend seiner Zeit am eigenen Leibe und an eigener Seele individuell zu erleben: Der dreißigjährige Krieg, der Deutschland bald nach seiner Geburt zu verwüsten begann, wütete entsetzlich auch im engsten seines Seins. Es ist nicht zu verwundern, dass das Leitmotiv seiner Gedichte ein religiöses wurde; es ist das christliche Symbol von der Vergänglichkeit des Menschen und der Eitelkeit alles Irdischen. Dieses ursprünglich religiöse Gefühl vertieft sich aber in seinen Sonetten grandios künstlerisch zur Weltanschauung einer erschütternden Resignation und eines erhaben schmerzlichen Pessimismus. Eine grauenvolle Zeit, in die das Schicksal ihn versetzt hatte, duldete keines fröhlichen Weltfreundes rosenroten Optimismus. Gryphius erkrankte schon im Kindesalter unzählige Male, mußte aus der Görlitzer Schule wegen Kriegsgefahr nach Glogau fliegen, das bald nach seiner Ankunft fast völlig niederbrannte. Er geriet in Not und durch einen Magister Eder nach Fraustadt gebracht, wo er sich eine vielseitige Bildung anlegte: Er lernt Griechisch, Lateinisch, Polnisch, Französisch, Italienisch, Schwedisch, Holländisch, Englisch Lesen und sprechen und durfte sich schon im Jugendalter den besten Gelehrten seiner Zeit zurechnen. Einige Zeit nach seinem Eintritt in die Fraustädter Schule brach dort die Pest aus und die Schule wurde geschlossen. Gryphius bildete sich privatim weiter und ging 1634 nach Danzig. Sein unersättliches Streben nach einer umfassenden allgemeinen Bildung seines Wesens und Charakters lässt ihn in vielem Goethe ähnlich erscheinen. Gryphius wird als Hauslehrer an den Hof des kaiserlichen Pfalzgrafen von Schlesien Georg von Schönborn berufen. Sein Name hatte damals schon solchen Klang, dass er – 1637 – zum kaiserlichen Poeten gekrönt, zum Magister der Philosophie ernannt und geadelt wurde. Er hat von dem Recht der Adelsführung niemals Gebrauch gemacht, was ihn späterhin, als er wegen der unerbittlichen Ethik und der krassen Darstellung seiner Kriegsgedichte viele Anfeindungen kriegsbeteiligter Element zu erdulden hatte, die ihm vorwarfen, er empöre durch seine grauenhaften Darstellungen das Volk gegen den Krieg – bei allerlei hohen Herren an sich schon verdächtig machte. Die Tatsache, dass er ein Protestant war und blieb, tat ein übriges. Gryphius Gönner, starb bald, Gryphius Bruder wurde aus Fraustadt vertrieben, Gryphius floh wiederum nach Danzig, von wo er sich nach Holland begab, An der Küste von Rügen fiel das Schiff, das ihn trug, beinah einem Sturm zum Opfer. Amsterdam und Leyden nahmen ihn auf. Von 1639-1644 hielt er Vorlesungen an letzterer Universität über Anatomie, Logik, Geographie, Metaphysik, Optik, usw. Er ist der erste gelehrte in Deutschland gewesen, der die Bedeutung der Chiormantik anerkannte. 1638 erschien die erste Sammlung seiner Sonette des Elzevier. Dem Einfluss des holländischen Theaters verdanken seine Dramen ihr Entstehen. 1634 starben seine Schwester und sein Bruder, der zuletzt als Superintendant in Crossen an der Oder tätig gewesen war. Im selben Jahr erkrankte er gefährlich. 1644 reist Gryphius als Reisemarschall eines reichen Mannes durch Frankreich, Italien, Deutschland. 1646 finden wir ihn in Straßburg, Köln, Amsterdam, endlich Stettin, wo er neue dramatische Werke schafft. 1647 traf er wieder, von der Bevölkerung bejubelt – jenes Wort, dass der Prophet in seiner Heimat nichts gelte, Lügen strafend – in Fraustadt ein.

Rufe nach den Universitäten Uppsala und Frankfurt lehnte er aus Liebe zur schlesischen Heimat ab. 1649 vermählte er sich mit einer Jüdin – Rosine Deutschländer aus Fraustadt – nach dem Ende des entsetzlichen Krieges, der nur in dem Krieg, in dem wir heute gezwungen sind, zu leben und zu sterben, noch eine Parallele findet (er fleht in einem ergreifenden Sonett seinen Gott an, ihm das liebliche Geschenk des Friedens nicht zu missgönnen und ihm noch einige friedliche Jahre eines menschenwürdigen zu gestatten). Durch Schlesien und Deutschland scholl sein Ruhm. Die Glogauer Landstände ernannten ihn zu ihrem Syndikus. Der größte teil seiner dramatischen Arbeiten gehört seinem letzten Lebensabschnitt an; zum Beispiel die berühmten Scherzspiele Peter Squenz und Horribiskribisar. Im Jahre 1664, den 16, Juli, starb er auf dem Landhause in Glogau jenen plötzlichen Tod, den er sich immer gewünscht hatte: ein Schlaganfall setzte dem Achtundvierzigjährigen ein Ziel.

Der vorliegenden Auswahl aus den Gedichten des Andreas Gryphius liegt die letzte, durch seinen Sohn Christian besorgte Ausgabe der Trauerspiele, Lustspiele Sonette, Oden und Epigramme zugrunde (Breslau und Leipzig 1698), mit der ich die Ausgabe von 1663 verglichen habe. Ich habe einige der Gedichte verkürzt. In den Sonetten da und dort sehr schonend dem heutigen Leser unverständliche Worte modernisiert, an Stelle von lateinischen deutsche Überschriften gesetzt und die altertümliche Rechtschreibung durchwegs der deutschen angepasst.

Wer sich über die Lyrik des Andreas Gryphius näher unterrichten will, dem sei das philologisch ausgezeichnet gearbeitete Werk des Viktor Mannheimer; Die Lyrik des Andreas Gryphius (Berlin 1904, Weidmannsche Buchhandlung) empfohlen.

Am 2. Oktober 1916 sind es vierhundert Jahre her, dass Gryphius geboren wurde. Es sind unwürdigere Jubiläen gefeiert worden.

Mögen diese Gedichte, insbesondere die Sonette, die den schönsten deutschen Dichtungen zuzuzählen und in einer der unsrigen so verwandten Zeit gewachsen sind, einen neuen Weg in deutsche Herzen finden!

Möge neben dem Dramatiker Gryphius, den die Literaturgeschichte ehrend nennt, dem ungleich tieferen, wahrhaft genialen Lyriker Gryphius zu seinem Recht verholfen werden!

Mittenwald, im Juli 1916 Klabund

Den Titel zeichnete Otto Wirsching in Dachau.