Als Crossen eine Handball-Hochburg war

Zivile und militärische „Schusskanonen“ des MTV – Der Oberliga-Aufstieg wurde nicht geschafft

Über die „großen Fußballtage“ des VfB Crossen ist in den „Heimatgrüßen“ schon mehrfach geschrieben worden. Weniger intensiv scheinen die Erinne­rungen der sportlich interessierten Landsleute an jene Zeiten zu sein, da Crossen eine Feldhandball-Hochburg war. Das ist eigentlich unverständlich. Denn die Fußballer des VfB verloren ja nach dem Aufstieg in die Bezirksliga alle Spiele und stiegen nach einer Sai­son wieder ab. Die Handballer des MTV dagegen wurden nach dem Auf­stieg sogleich Meister der zweithöch­sten Spielklasse.

Allerdings nahm ihr Auftritt insofern ebenfalls ein negati­ves Ende, als die Aufstiegsspiele zur Oberliga „in die Hose gingen“ und die Mannschaft danach zerfiel. Sportliche Erfolgserlebnisse haben die Crossener jedoch durch die Handballer in größe­rem Ausmaß gehabt als durch die Fußballer. Entsprechend hoch lagen damals beim Feldhandball die Zu­schauerzahlen. Vielleicht hat die schwä­chere Erinnerung an die Leistungen der MTV-Elf darin ihre Ursache, dass die Spitzen-Handballer zum Teil in der Stadt noch nicht voll verwurzelte Un­teroffiziere der Wehrmacht, also weni­ger bekannt als die Luscherts, „Dackel“ Burdack, Werner Becker und Freunde waren.

Im „MTV Crossen von 1860 wurde das Feldhandballspiel wohl schon An­fang der 30er Jahre gepflegt. Die Ge­brüder Wehnert mit dem unvergesse­nen Allround-Sportler „Fritze“ an der Spitze sorgten für ein ansprechendes Leistungsniveau. Herausragendes in die­ser Disziplin, deren Technik sportliche Talente schneller fassen als das beim Fußball der Fall ist, wurde an der Oder aber erst geboten, als hier ab 1934 die neuen Bataillone der Wehrmacht entstanden. Rasch sammelten sich da­mals im MTV die Spieler für zwei Män­ner-Mannschaften. Die „erste“ dieser beiden Garnituren war so leistungs­stark, dass sie für die Saison 1936/37 in die zweithöchste Spielklasse, die Bezirksliga, aufgenommen wurde.

Ob das durch Aufstiegsspiele oder einfach durch Anerkennung ihrer Leistungen geschah, das weiß der damals jugend­liche Berichterstatter nicht zu sagen.

Jedenfalls wurde es unter der Regie des heute 80 Jahre alten Spartenleiters Karl Siemund eine großartige Saison. Die Mannschaften der Bezirksklasse Ostlausitz, die die Vereine des Raumes Guben-Forst-Sorau stellten, waren alle ziemlich gleich stark. So kam es auf dem relativ engen Spielfeld zwischen Crossener Turnhalle und Aschplatz und erst recht auswärts zu manchem „Zit­terspiel. Besonders stark in Erinnerung ist dem Angehörigen der Jugend-Mannschaft, die die Senioren meist begleitete und das Vorspiel bestritt, die „Schlacht“ von Seifersdorf. In diesem Vorort von Sorau schossen die beiden Mannschaften fast in regelmäßigem Wechsel jeweils ein Tor, wobei die Crossener schließlich ein bisschen mehr Glück und die besseren Nerven hatten und 14:13, 18:17 oder ähnlich gewan­nen. Dieses Spiel ebnete den Weg zur Meisterschaft. Der stärkste Rivale der Crossener war jedoch die Elf des TuS Guben. Diese wurde an der Oderaue ganz knapp durch prächtige Tore des Junglehrers Tlusti (aus Radenickel oder Tammendorf?) geschlagen. Dagegen ging das Rückspiel in Guben ebenso knapp verloren. Der Meistertitel fiel den Mannen des MTV lediglich zu, weil die Gubener irgendwo anders eine schwache Stunde hatten und einen Punkt oder sogar zwei einbüßten.

In der Meistermannschaft standen hinten fast nur Soldaten. Die Stür­merreihe war dagegen überwiegend ziviles „Gewächs“. Hier erwiesen sich mit dem Sparkassen-Angestellten Puchert und dem Junglehrer Tlusti zwei grundverschiedene Temperamente als die Hauptvollstrecker. Mittelstürmer Puchen „kanonierte“ den kleinen Le­derball mit einer schwungvollen Körperdrehung und mit tollem Effet in die unteren Ecken des gegnerischen Tores. Der in der Statur schmächtigere Junglehrer dagegen verstand es, von einer Wurfkreisseite den Ball auf ge­krümmter Flugbahn genau ins lange obere Eck zu zirkeln. Diesen beiden standen mit dem Schornsteinfeger Helmut Scholz und dem Polizisten Wenzel zwei weitere äußerst schussstarke und stets fröhliche Partner zur Seite. Die fünfte Stürmerposition wur­de wechselnd besetzt. Dem Berichter­statter ist der meist als Linksaußen spielende Unteroffizier Kroll von der 14. Kompanie des I. R. 29 am stärksten in Erinnerung.

Hinten war der Mittelläufer Ober­feldwebel Borchert die Spielerpersön­lichkeit schlechthin, ein Wühler, der auch in Schlamm und Schnee im Kampf um die Lederkugel in neun von zehn Fällen Sieger blieb. So einsatz­freudig wie auf dem Handballfeld hat er sich wohl auch als Infanterist im Kriege erwiesen. Wenn der Berichter­statter richtig informiert ist, bekam er relativ zeitig das Ritterkreuz und ist später gefallen.

Das Schlussdreieck bestand eben­falls aus stämmigen Soldaten. Der Torwart – hieß er nicht „Ete Schnei­der“? war ein Meister seines Fachs. Verteidiger Werner Popering und sein Nachbar scheuten auch körperliche Härte nicht, um die gegnerischen Stür­mer am erfolgreichen Schuss zu hin­dern. Verschiedene Akteure besetzten abwechselnd die Außenläufer-Positio­nen. Häufig spielte hier mit Hubatsch ein weiteres ziviles Crossener Kind. Sein Partner auf der anderen Spielfeldseite war oft ein Unteroffizier na­mens Schütten.

Die Aufstiegsspiele zur höchsten berlin-brandenburgischen Spielklasse hat der Berichterstatter, der bis dahin die Handballtaten des MTV getreulich im „Crossener Tageblatt“ registrierte, nicht mehr miterlebt. Wahrscheinlich schwebte er damals in „Abitur-Nöten“ oder war er schon im Arbeitsdienst. Je­denfalls ging das erste Aufstiegsspiel gegen den Namensvetter-Verein aus Frankfurt/Oder knapp verloren. Ob weitere Niederlagen folgten oder ob die Mannschaft wegen Nichterreichens des angestrebten Zieles auseinander lief, vermag der Chronist nicht zu sa­gen. Jedenfalls gab es im Winter drauf keine Männer-Handballmannschaft des MTV mehr. Eine wesentliche Ursache dafür dürfte gewiss die weitere Ver­größerung der Wehrmacht mit ihren Versetzungen und Verlegungen gewe­sen sein. Die den 2. Weltkrieg auslösen­de deutsche Politik machte somit der Handball-Hochburg Crossen ein Ende.