Wir treten zum Beten

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Wir treten zum Beten (niederländischer Originaltitel: Wilt heden nu treden), auch bekannt als Altniederländisches Dankgebet, ist ein Lied niederländischen Ursprungs. Es findet sich erstmals in der von Adrianus Valerius zusammengestellten Sammlung Nederlandtsche Gedenck-clanck und entstand vermutlich im Zusammenhang des Sieges der Niederländer über die spanischen Truppen in der Schlacht von Turnhout 1597 während des Achtzigjährigen Krieges. Die Melodie stammt von dem Volkslied Hey, wilder dan wilt, wie sal mij temmen (Hei, wilder als wild, wer soll mich zähmen) aus dem 16. Jahrhundert.

Text – Karl Budde, 1901 – Übersetzung

Wollt heute nun treten
vor Gott den Herrn,
Ihn über alles loben
von Herzen sehr,
Und machen groß seines
lieben Namens Ehre,
Der da uns unseren
Feind schlägt darnieder.

Zu Ehren unsers Herrn
wollt all eure Tage
Dieses Wunders besonders
gedenken doch;
Befleißige dich, o Mensch,
vor Gott stets eines guten Betragens,
Tut ein jeder recht und
hütet euch vor Betrug!

Arglose, der Böse,
um etwas zu finden,
Läuft drohend und brüllend
gleich einem Löwen,
Suchend, wen er
grausamlich verschlingen
Oder geben könnte
einen tödlichen Streich.

Betet, wachet und machet,
daß ihr in Verführung
Und das Böse
nicht fallet!
Eure Frömmigkeit bringt
den Feind zur Zerstörung,
Wäre auch sein Reich noch
einmal so stark bewallt.

Üblicherweise sind zwei Zeilen von hier in einer Zeile gesetzt. Die dritte Strophe (die ein biblisches Motiv aus 1. Petr 5,8 ausführt) wird auch in niederländischen Texten heute oft ausgelassen. Sie war im Druck von 1871 nicht in der Partitur, sondern nur als Anmerkung auf Seite 41 vorhanden. Dies mit der Bemerkung, dass sie nicht gut gemacht sei.

Nachwirkung

Die Lieder des Gedenck-clanck wurden im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Neben dem Wilhelmus, der bald zur Hymne der Niederlande wurde, fand vor allem Wilt heden nu treden voor God, den Here großen Anklang. In der deutschen Übersetzung des einer jüdischen Familie entstammenden Dichters Joseph Weyl (1821–1895) und dem Arrangement für Singstimmen und Klavier des Wiener Komponisten und Musikdirektors Eduard Kremser (1838–1914) wurde Wir treten zum Beten vor Gott, den Gerechten nach der Veröffentlichung von Sechs Altniederländische Volkslieder (1877) schnell sehr beliebt, vor allem durch den persönlichen Einsatz Kaiser Wilhelms II. Das Lied wurde Bestandteil des Großen Zapfenstreichs und häufig bei Anlässen besonderer Bedeutung gespielt. Es entwickelte sich geradezu zum Inbegriff der Thron-und-Altar-Zivilreligion des Kaiserreiches.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Lied bewusst bei Massenveranstaltungen eingesetzt, um ihnen eine würdevolle Weihe zu geben und um die angeblich gottgewollte Kontinuität des Dritten Reiches mit dem Deutschen Reich zu betonen. So zum Beispiel am 9. April 1938 im Anschluss an die Rede Hitlers in Wien: „Danach Niederländisches Dankgebet, gesungen vom Wiener Männergesangsverein. Die Nation singt mit. Bei der dritten Strophe läuten alle Glocken der Kirchen im Reichsgebiet.“

Gott, der Gerechte wurde zu einer Metapher für die „Vorsehung“, und das Lied verkam zur Durchhalteparole. Als solche ist es unter anderem in den Filmen Fridericus Rex und Kolberg (1945) sowie in Joseph Vilsmaiers Stalingrad (1993) zu hören.

Zur gleichen Zeit wurden die Geusenlieder jedoch auch von der niederländischen Widerstandsbewegung neu entdeckt und gegen die deutschen Besatzer gesungen.

Auch in England und Amerika hatte das Lied seit seiner Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert schnell Anhänger gefunden. Hier entwickelte sich We gather together, die Übersetzung von Theodore Baker (1894) zu einem festen Bestandteil des Lied-Repertoires zu Thanksgiving. 1902 schuf Julia Bulkley Cady Cory eine neue, etwas entschärfte Übersetzung: We praise thee, o God, our Redeemer.

In Amerika wird das Lied in zahlreichen Arrangements (unter anderem der Boston Pops) bei Konzerten zum 4. Juli oder zu Thanksgiving gespielt bzw. gesungen; in Deutschland dagegen wird es außerhalb seiner nach wie vor traditionellen Verwendung beim Feierlichen Gelöbnis der Bundeswehr kaum noch gespielt. Möglicherweise ist es durch seinen Gebrauch in der NS-Zeit noch kompromittiert.