Ich hatte vom Film bisher wenig Ahnung. Das heißt, eine Ahnung hatte ich schon, mehr als Ahnung: Liebe empfand ich für ihn, und ein guter Film ist mir immer lieber gewesen, als ein schlechtes Theaterstück. Aber: vom Materiellen, Essentiellen des Films wußte ich so gut oder so schlecht wie nichts.
Da ruft eines Tages – ich bin gerade mal wieder drei Tage in Berlin – man bei mir an: „Hier Wolzogen von der Neumann Produktion. Lieber Klabund, haben Sie Lust, uns bei einem Film zu helfen?“ „Und was für ein Film ist denn das?“ „Ein Shakespearefilm!“ „Ein was?“ „Ein S-h-a-k-e-s-p-e-a-r-e-Film!“ „Beim seligen Bacon; was für einer denn?“ „… Der Sommernachtstraum … Wir schicken Ihnen sofort das Auto …“ Mir wurde schwindlig, aber ich faßte mich schnell: „Schön, schicken Sie das Auto, fahren Sie mich in den Sommernachtstraum …“ Das Auto kam nach zwei Minuten, mit 160 Kilometern Geschwindigkeit ging es nach Staaken. Ich bin plötzlich in einer Riesenhalle vor einer mächtigen Wand, in der Wand ist eine kleine Tür. Ein als griechischer Wächter gekleideter, etwas sonderbarer älterer Herr – es war Herr Behrendt, der Nachtwächter von Athen – öffnet mir: – und ich bin plötzlich im Wald, im tiefsten Hochwald, in einem Wald, wie ich draußen, im Freien, noch keinem begegnet bin. Diesen Wald hätte sich der liebe Gott als Vorbild nehmen sollen, als er daranging, seine diesbezüglichen Wälder zu schaffen. Es war einfach die Idee des Waldes, das Märchen des Waldes, der Wald schlechthin. Herr Neumann, der Direktor der Neumann Produktion, hatte ihn mit Hilfe seiner künstlerischen Mitarbeiter und Architekten aufgebaut. Frühmorgens pflegten die Arbeiter in Staaken ihre Arbeit zu beginnen, mit dem schönen Volkslied: „Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut …“, und ein dreifaches Echo aus Waldesdüster antwortete prompt: „Neumann!“« In diesem Waldesdüster ging es toll wie in einem Grimmschen Märchenbilderbuch zu, das sich mit einem amerikanischen Magazin gepaart hat. Elfen, Nickelmänner, Gnomen, Pucks trieben sich in Rudeln da herum. Eichhörnchen liefen einem da über den Weg und Ameisen. Der Geisterkönig Oberon erschien würdevoll mit seiner schönen Gattin Titania. Dazwischen taperten Handwerker, und Werner Krauss, Bendow, mit einem Schild um den Hals: „Wilhelm Bendow erteilt dramatischen Unterricht und heilt Zungenfehier.“ Und zwischen allen raste und galoppierte der weiße Mustang Herr Neumann selbst, der aus allen Mitarbeitern und Schauspielern mit seiner eisernen Energie und Arbeitskraft unermüdlich das Letzte herausholte.
Und so erging es auch mir mit ihm. Er ruhte nicht, bis ich, zur Titelung des schönen Filmes bestellt, in dessen Waldakten das Lichtbild nicht nur zu leuchten, sondern auch zu singen scheint, — bis ich, im Schweiße meines, seines und Wolzogens Angesichts, etwa zweitausend Titel, in drei Wochen bei zehnstündiger Arbeit täglich, von mir gab. Hundertfünfzig fanden dann Gnade vor seinen und unseren Augen. Sie gereichen dem Film hoffentlich nicht zur Unehre. Ich war von dem Film so begeistert, daß ich mich in mehr oder weniger holperigen Versen austobte: sowohl in den Titeln des Films wie in der Inhaltsangabe, bei der man bedenken möge, daß sie den Inhalt des Filmes „Sommernachtstraum“ wiedergibt – nicht den Inhalt des Shakespeareschen Schauspiels.
Die Arbeit am Film und im Film, dieser Film und der Film an sich, haben mich derart gefangen genommen, daß ich bestimmt weiß, ich werde jetzt einen Film schreiben, — einen Film in Versen, zu dem Hans Neumann die leuchtende Musik seiner Lichtbilder komponieren möge.
Ein Sommernachtstraum Erster Gesang
Wie Held Theseus mit Hippolyta um die Siegespalme rang.
Unter des Südens ewig blauem Himmel,
Vom blauen Meer umspült, liegt friedlich Hellas,
Glückhaftes Land, in allen Lesebüchern
Als Wiege der Kulturen hoch gepriesen.
Orangen reifen und Zitronen hier,
Die Acker geben reichlich Brot dem Bauern,
Der sich im Schweiße seines Angesichtes plagt,
Auf freiem Felde Korn und Rüben baut,
Indeß geborgen hinter sichern Mauern
Im Schweiß des Angesichts der anderen
Der Städter seinem edlen Tun obliegt: er schiebt,
Schiebt Düngemittel, Pferde, Götter-wie es eben kömmt.
Da zuckt ein jäher Blitz aus heiterm Himmel,
Die Kurse fallen, der Dinar selbst sinkt,
Und Panik packt die Börse von Athen.
Jäh fiel Hippolyta, der Amazonen stolze Fürstin,
Mit ihren wilden Weiberhorden – ohne Kriegserklärung
Ins friedliche, ins heil’ge Griechenland. –
Theseus, der Recke, Herzog von Athen,
Der Griechen sieggewohnter Führer, zieht
Mit seinen reisigen Mannen ihr entgegen,
Dem kampferprobten, löwenstarken Weib.
Voll Ungeduld erwartet ganz Athen
Die erste Nachricht von der Front. Während in Delphi
Die Priesterschaft und Presse sich versammelt,
Den Spruch der weisen Pythia zu vernehmen,
Welche mit prominenter Gage engagiert,
Die Zukunft Griechenlands vorauszusagen.
Was wird sie heute künden? Wird es möglich sein,
Den Spruch noch in das Abendblatt zu bringen?
Der Spruch der Pythia klingt reichlich dunkel:
»Wenn mancher Mann mit mancher Frau sich kriegt –
(Sich in die Haare kriegt zum Beispiel) – wird
Derjenige siegen, welcher Sieger ist,
Und unterliegen der, der unterliegt.« –
Kopfschüttelnd will man Pythia schon verlassen,
Als sie den Mund noch einmal öffnet: Hört!
»Wenn aber Theseus freit … Hippolyta,
Wird ewiger Friede sein in Griechenland.«
Am 16. September 67
– Vor Christi – pünktlich 9 Uhr früh, beginnt
Der schauerliche Kampf, der die Entscheidung
Soll bringen, ob die Weiberherrschaft künftig
In Griechenland wird herrschen, ob als Fahne
Auf der Akropolis ein Frauenhemd soll flattern.
Die Amazonen stürmen wild zur Schlacht,
Die Griechen sind nicht weniger erbittert.
Der Kampf wogt hin und her – ah, Zeus im Himmel,
Die Front der Griechen wankt, durchbrochen
Ist die Apollolinie, und sie treten
Den Rückzug an, den man strategisch nennt.
Da stürzt der Recke Theseus selbst aufs Feld
Und setzt sich an die Spitze seiner Truppen.
Sie machen kehrt. Sie scheinen neu belebt.
Eheu! Eheu! Die wilden Weiber flieh’n!
Kaum sieht’s Hippolyta im Scherenfernrohr,
Als sie persönlich sich zum Kampfe rüstet.
Sie pudert sich, macht sich das Haar, ergreift
Das Schwert der Ahnen: hüte, Theseus, Dich!
Im Zweikampf treten sich die beiden Feldherrn
Hippolyta und Theseus gegenüber.
(Ach, würde dieser Brauch noch heut‘ geübt!
Wie mancher Krieg kam gar nicht erst zum Kriege!)
Als wär’s im Boxring, machen beide Heere Platz,
Man wettet 2:1 auf sie, die Heldin,
Denn auf die Schönheit wettet jeder gern,
Auch wenn dabei er leicht sein Geld verliert,
Wie man hier sieht: zum mächtigen Schlage holt
Der Recke Theseus aus und schlägt sie nieder.
Der Krieg ist aus. Der Held trägt in das Zelt
Die schöne Kriegsgefangne, die ihn fragt:
Glaubst Du, Du hast für immer mich besiegt?
Er lächelt, lacht und nickt gewaltig: ja!
Du folgst samt dem gefangenen A. 0. K.
(Dem Amazonen-Ober-Kommando)
Mir nach Athen! Dort wirst Du schon erfahren,
Wie ich entsetzlich Rache an Dir nehme!
Zweiter Gesang
Wie sich die Weissagung des Orakels erfüllte.
Theseus kehrt heim als Sieger aus der Schlacht.
Die Opferfeuer steigen hell zum Himmel.
Auch der Dinar steigt wieder. Und die Börse
Bläst die Schalmei: Geld – Brief – von mir – an!
Weissageaktien werden stark gefragt,
Dem Spruch von Delphi naht sich die Erfüllung:
Der Herzog tritt bejubelt vor sein Volk,
Um ihm Hippolyta als sein Gemahl zu künden.
Die Sonnwendnacht soll sie vereinigt sehn.
Theaterspielen ist seit alters Brauch.
Der Spießer kostümiert sich gern als Held.
Der Held – als Gott. Und Gott geht wiederum
Gern unerkannt in allerlei Gestalten
Und Masken durch die Welt spazieren.
Zeus wandelt sich in einen Ochsen – und
Manch Ochse präsentiert sich uns als Zeus.
Die biedren Handwerksleute von Athen,
In ihren freien Stunden spielen sie
Komödie und Tragödie – unter Vorsitz
Des wackren Tischlermeisters Peter Squenz
Der neben seinem Holz auch Verse hobelt
Und Dichter manches hehren Schaustücks ist.
Zu Ehren seiner Hoheit, der die wilden,
Die Weiber übermannte, plant Herr Squenz
An dessen Hochzeitstag ein Trauerspiel,
Ein lustiges Trauerspiel bei Hof zu zeigen,
Zu dem er selbst den Text in Reimen schrieb —
Und schleunigst ruft die Meisters er zusammen:
Den Weber Zettel, Haupt- und Heldenspieler,
Den Werner Krauss Athens – den schönen Flaut,
Der — ach — die schönen Frauen spielen muß,
Hofschneidermeister Schlucker, Schreiner Schnock,
Und teilt die Rollen ihnen nach Gebühr.
In einer Schenke gehen sie probieren.
Es ist schon spät am Abend, das Geschrei
Der Stimmen, die gewaltig deklamieren,
Schieckt alle Gäste aus den Federn, die
Im ersten Schlaf gestört sie ziemlich unsanft
Und plötzlich an die frische Luft befördern.
Da liegen sie buchstäblich nun im Dreck.
Was nun? Was tun? Da leuchtet ein Gedanke
Im Hirn des Squenz: Meisters, ’s ist Vollmond heut!
Laßt in den Wald uns gehn, der vor den Mauern
Der Stadt sich viele Meilen dehnt. Dort sind
Wir ungestört und können tüchtig proben.
Nach Herzenslust! – Gedacht, gesagt, getan.
Als Hofschauspieler Seiner Hoheit ziehen
Sie majestätisch aus dem Tor Athens.
Der Bürger Egeus hat ein einziges Kind,
Die schöne, seelenvolle Hermia,
Die er Demetrius versprach, dem Hauptmann
Im ersten Garderegiment. Allein zur Zeit da
Der Held Demetrius im Felde weilt,
Verliebt sieb Hermia in einen jungen Fant,
Der sich Lysander nennt. Demetrius
Kehrt aus dem Felde heim – und findet Hermia
Des Vaters Wort zu halten nicht gesonnen.
Der Vater fleht und bittet, rast und tobt –
Umsonst: sie will von ihrem Freund nicht lassen,
Will nur Lysander, den Geliebten, frein. –
Der Vater, tief im Innersten ergrimmt,
Ruft Hermia vor des Herzogs Richterstuhl,
Daß Recht er nach Athens Gesetzen spreche:
Denn über seine Töchter hat Gewalt
Der Vater, sie nach seinem Wunsch
Und Willen zu vereh’lichen. Verweigert
Die Tochter den Gehorsam, droht der Tod ihr –
Doch Liebende schreckt nicht des Henkers Beil.
Hermia besteht auf ihrem Recht, dem Recht
Des Herzens – und es wird noch offenbar,
Daß einst um eine andere schöne Frau
Demetrius gebuhlt: um Helena,
Die ihn noch heut mit allen Gluten liebt. –
Der Herzog spricht den Spruch: Du folgst dem Vater,
Wenn nicht, so stirbst Du – doch Hippolyta,
Die künftige Gattin, ist voll Mitleid
Mit Hermia und Lysander, und sie flüstert
Dem Mädchen heimlich zu: Flieht in den Wald
Für einige Zeit! Zeus, der die Liebe kennt,
Wird Euer Schicksal sicher gnädig wenden!
Gedacht, gesagt, getan. Lysander flieht
Mit Hermia aus dem Tor Athens. Ihr nach
Stürzt sich Demetrius, dem wiederum
Helena jammernd folgt. Es nimmt der Wald
Die Handwerksmeister, Hermia, Lysander,
Demetrius, Helena dunkel auf.
Dritter Gesang
Wie Oberen sich mit Titania
Zur Sonnwendnacht im Walde traf.
Unweit Athens ein düsterer Märchenwald,
Der Geister Wohnsitz schon seit alten Zeiten:
Hier spukt’s von zarten Elfen, bockigen Faunen,
Winzigen Gnomen, dicken Nickelmännern,
Waldschrate hausen hier, boshafte Trolle.
Aus Teichen taucht verführerisch die Nixe,
Einsame Wanderer tödlich zu betören.
Im Baum wohnt die Dryade. Und im Bach
Spielt mit den Fischen zärtlich die Najade.
Einmal im Jahr, in lauer Sonnwendnacht,
Trifft sich der Geisterkönig Oberen
Im Wald hier mit der Elfenkönigin,
Trifft mit Titania sich im Waldesdüster.
Er liebt Titania wie sein eigenes Herz,
Doch ist sein Sinn von Eifersucht umwölkt.
Die Sonnwendnacht bricht an. Durch seinen Diener Puck
Läßt Oberen den Elfen, Gnomen, Geistern
Die königliche Ankunft melden. Hei,
Wie freuen sich die kleinen Gnomen, daß
Zu Ehren Seiner geisterhaften Hoheit
Die Schule heute ausfällt! Puck erscheint
Bei Oberon, um boshaft ihm zu melden,
Daß er Titania am Weiher traf
Beim Mondscheinspiel mit einem Mohrenknaben.
Es machen Liebesgram und Eifersucht
Auch nicht vor Geistern halt. Schwer leidet Oberon.
Der Zug der Elfen tanzt im Silberreigen
Durch Busch und Baum. Im tiefsten Wald begegnet
Dem Zug der Geister er mit Oberon.
Sie machen halt. Und wie ein Senkblei prüfend
Senkt Oberon den dunklen Geisterblick
Tief in Titanias Seele. Sie erbleicht.
Da tönt der Schreckensruf: Menschen im Wald!
Als hätte sich die Erde aufgetan,
Sie zu verschlingen, sind die Geister alle
Verschwunden, nur ein kleiner Geist kann nicht
Den Rückweg finden, sitzt im Moose weinend,
Bis eine Elfe ihn ins Nichts entführt.
Die Handwerksmeister von Athen sind es,
Die solchen Schrecken in den Wald gebracht,
Mit Squenz und Zettel an der Spitze trollen
Sie leise auf die Lichtung, um zu proben.
Zettel, der Weber, vom Theaterteufel
Gepackt, will voller Spielwut alles spielen:
Liebhaber, Held, Mond, Löwe, Wand
Und was für Rollen sonst es immer gibt.
Als nun das Stichwort für den Löwen fällt,
Tritt — ha — ein Löwe selber in Erscheinung,
Ein schröckhaft Tier, und gar entsetzlich brüllend,
Von Puck, dem Waldgeist, trefflich dargestellt.
Entsetzt stiebt alles auseinander – aber Puck
Hat es auf Zettel abgesehen, den er
Als schönste Elfe äfft und narrt und lockt.
Lysander irrt mit Hermia durch den Wald,
Von Puck verhöhnt, der ihnen bald ein Haus,
Bald einen falschen Wegeweiser zaubert.
Demetrius läuft hinter Hermia her
Und hinter ihm die schöne Helena,
So wie ein Hündchen folgt der Spur des Herrn,
Ob er’s auch schlägt und stößt und wenig achtet.
Puck äfft auch sie. Bald sieht sich Helena
Verlassen in der öden Finsternis.
Sie tastet weinend sich von Baum zu Baum
Und will im Teich ihr armes Dasein enden.
Doch Puck schreckt sie als Krokodil und weiter
Irrt sie durch pfadelose Finsternis. —
Vom Irren müde hat Lysander sich
Mit Hermia auf weichem Moos gebettet.
Der Zufall führt Demetrius und Helena
Zum gleichen Ort. Der Gott des Schlummers nimmt
Sie alle sanft in seine Arme. Puck jedoch
Träuft auf Lysander einen Zaubersaft
Von einem Wunderkraut, das er gefunden:
»Was Du zuerst erblickst, wenn Du erwachst,
Sollst Du verfolgen mit der Liebe Sinn —«
Lysander, der erwacht, sieht Helena
Und ist sogleich von Glut zu ihr entbrannt.
Auch sie erwacht, erschreckt, enteilt und er ihr nach,
Den beiden folgen Hermia und Demetrius.
Die Männer stoßen grollend aufeinander,
Mit Knütteln gehen sie auf die Mensur,
Die Faune ihnen in die Hände spielten,
Bis sie halb tot sich und ganz müde schlugen.
Bei ihnen halten Wacht die beiden Mädchen,
Bis sie sich leise in den Schlaf geweint.
Puck hat auf Oberons Geheiß von Tändelei
Mit jenem Negerknaben sie zu heilen, Titania mit seinem Kraut verhext.
Durch Dorn, durch Busch, Gesträuch und Sumpf und Wald
Lockt Zettel er, den Weber, zaubert listig
Ihm einen Eselskopf auf seinen Hals.
Er führt ihn also in Titanias Laube,
Die ihn erwachend in die Anne schließt,
Den Esel für Apollon selber hält
Und zärtlich ihm die langen Ohren zwirbelt,
Verliebt ihn auf das feuchte Maulwerk küßt.
Der Morgen graut. Der Spuk der Nacht verweht.
Schon zwitschert Vogelruf in allen Bäumen.
Der erste Strahl des rosenroten Lichtes
Schießt durch die Wipfel wie ein goldner Speer.
Alles erwacht – und reibt aus seinen Lidern
Den Traum und grauen Spuk der Sommernacht.
Titania, die den Eselskopf erblickt
In ihrem Schoß, ist tief beschämt. Sie schickt
Den Mohrenknaben heim – zu allen Teufeln.
Sie bittet um Verzeihung Oberon,
Und lächelnd schließt er sie in seine Arme.
Ein Halali von Hörnern tönt im Busch.
Die Geister schlüpfen ein in Baum und Fels.
Theseus der Herzog jagt im Wald. Er findet
Im feuchten Tau die Paare friedlich schlummernd
Wie rechtens sie zusammenpassen: Hermia
Ruht bei Lysander, und Demetrius
Für immer von dem falschen Wahn kuriert,
Daß Hermia er liebe: ruht verliebt
Bei Helena: er liebt sie wie sie ihn. —
Der Herzog scheucht sie aus dem Schlaf. Er will
Als seine Freunde sie nach Haus geleiten,
Da warnt der Kanzler ihn mit ernstem Wort:
Denkt des Gesetzes von Athen! Denkt auch an Egeus! —
Der Herzog stutzt: Gut! Folgt mir nach Athen!
Dort will gerecht ich Euer Urteil sprechen!
Vierter Gesang
Wie nach dem Ränkespiel der Liebenden
Nach Krieg und Zwietracht Frieden zog ins Land.
Der Hochzeitstag bricht an. Die Hauptstadt flaggt.
Musik ertönt. Hippolyta, die tapfere
Fürstin der Amazonen, reicht die schöne,
Gezähmte Hand dem Herzog von Athen:
Theseus dem Siebzehnten – für einige Zeit
Herrscht Friede zwischen Mann und Weib …
Auch Egeus
Kann Hermias Herzen länger nicht befehlen:
Kupido sucht sich seine Opfer selbst!
(Selbst alte Männer sind vor ihm nicht sicher,
Wie Egeus‘ Beispiel zeigt: Verliebte nicht
Der arge Greis sich in zwei Amazonen?)
Der Widerspenstige ist gezähmt. Er gibt,
Von Theseus selbst gebeten, Hermia frei.
So führt Lysander die Geliebte heim.
Demetrius fand sich zu Helena
Wie einst im Mai. Es naht das happy end.
Drei frohe Paare eint die dunkle Nacht,
Die hold heraufsteigt mit Gesang und Tanz –
Und endlich auch das große Festspiel bringt,
Das Peter Squenz den Meisters eingebläut:
Das lustige Trauerspiel von »Pyramus und Thisbe«.
Verfertigt eigenhändig von Herrn Squenz
Und von den anderen Herren dargestellt:
Was sag ich – dargelebt und dargestorben,
Heroisch, wie es die Antike will.
»Die Liebe«, oder, Squenzen zu zitieren,
»Wie hat es schwer derjenige, welcher liebt!« —
Das Drama hält sieh streng an das Gesetz,
Mitleid und Furcht hervorzurufen: Mitleid
Mit sich und mit den Komödianten,
Die lampenfiebernd teils und teils pathetisch
Das blödeste Geschwafel, das man je
Gehört, herunterleiern oder taprig stottern; –
Und Furcht: es möchte allzu lange dauern.
Denn in der Hochzeitsnacht wird ein verliebtes Paar
Leicht ungeduldig, läßt man’s nicht allein.
Doch naht das Ende schon, das gute Ende,
Das böse Ende: jeder liegt in seinem
Und in des anderen Blut, vom Mond beschienen,
Der weinerlich aus den Kulissen schleicht! —
Das Spiel wird kräftig applaudiert, beweint, belacht.
Der findet’s komisch und der andre rührend,
Der blöd, der tief, von zehn Kritiken sind
Elf ganz verschieden, die am Morgen dann
Erstaunt der Bürgersmann beim Frühstück liest.
— Ein Schoppen hält die Meisters noch zusammen.
Der erste Trinkspruch gilt dem hohen,
Erlauchten Paar, wie das so üblich ist,
Theseus der Siebzehnte: Eheu – Eheu — Eheu!
Indeß sich drei verliebte Paare seitwärts schleichen. —
Hippolyta erwartet den Gemahl.
Das Brautbett ist geschmückt, und zärtlich tut
Der Gatte die Moral des Stücks ihr kund:
Wenn Frauen kämpfen, unterliegen sie!
Sie lächelt, wehrt ihn ab und hebt den Finger:
Wenn Frauen unterliegen, siegen sie!