Waffenstillstand von Compiègne (1918)

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Der erste Waffenstillstand von Compiègne (französisch Armistice de Rethondes) wurde am 11. Nov. 1918 zwischen dem Deutschen Reich und den beiden Westmächten Frankreich und Großbritannien geschlossen und beendete die Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg.

Der Vertrag wurde in einem Eisenbahn-Salonwagen unterzeichnet, der östlich der nordfranzösischen Stadt Compiègne auf einer Waldlichtung stand.

Politische Rahmenbedingungen

Mit dem Scheitern der Frühjahrsoffensiven von 1918 wurde der deutschen Obersten Heeresleitung (OHL) klar, dass der Krieg militärisch nicht mehr zu gewinnen war. Seit dem Sommer zeichnete sich sogar eine Niederlage ab. Die Lage an der Westfront war durch das verstärkte Eingreifen US-amerikanischer Truppen immer aussichtsloser geworden. Am 8. August 1918 begann die Schlussoffensive der Alliierten. Der Zusammenbruch Bulgariens Mitte September veranlasste das deutsche Oberkommando angesichts einer nunmehr unmittelbar bevorstehenden Katastrophe zu weiteren Schritten. Die deutsche Militärführung befürchtete den Zusammenbruch der Westfront und das Vordringen feindlicher Truppen auf Reichsgebiet.

Am 29. September 1918 forderte Erich Ludendorff im Namen der OHL die Reichsregierung auf, Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit dem US-Präsidenten Woodrow Wilson zu beginnen, dessen 14-Punkte-Programm vom Januar 1918 noch am ehesten Aussichten auf einen Verständigungsfrieden unter relativ günstigen Umständen versprach. Zu diesem Zweck wurde auch im Rahmen der Oktoberreform die demokratische Opposition von Sozialdemokraten, Zentrum und Fortschrittspartei in die neue Reichsregierung (Kabinett von Baden) unter Reichskanzler Prinz Max von Baden eingebunden.

Verlauf

Ein Termin für ein Treffen kam erst nach einem wochenlangen Notenwechsel mit dem amerikanischen Außenminister Robert Lansing zustande. Nach einmonatiger Verspätung erhielt eine deutsche Delegation unter Staatssekretär Matthias Erzberger die Erlaubnis, nach Frankreich zu reisen. Als Ort wurde von französischer Seite ein Eisenbahnwaggon in einem Waldstück der Gemeinde Compiègne nahe dem kleinen Ort Rethondes ausgewählt, wo sich bis März 1918 der Sitz des Alliierten Oberkommandos befunden hatte. Der mittags am 6. November in Berlin zur Delegation berufene Erzberger wurde in Spa unmittelbar vor der dortigen Abfahrt am 7. November zum Leiter der Delegation ernannt. Am Abend überschritt die Delegation nahe La Capelle die Frontlinie und erreichte am 8. November 1918 die Lichtung von Compiègne. Die ersten Gespräche fanden an diesem Tag um 10 Uhr statt.

Verhandlungen im eigentlichen Sinne gab es nicht. Den deutschen Vertretern wurde eine Frist von 72 Stunden gesetzt, und ihnen wurde nur der Dialog mit rangniederen Offizieren gestattet. Der alliierte Oberbefehlshaber Marschall Foch behielt es sich vor, den Kriegsgegner durch Abwesenheit zu demütigen. Am Tag nach dem Eintreffen der deutschen Delegation brach in Berlin die Novemberrevolution aus, Kaiser Wilhelm II. musste abdanken, die Republik wurde ausgerufen und statt der Reichsregierung hatte nun ein aus Sozialisten gebildeter Rat der Volksbeauftragten das Sagen.

Erzberger und den anderen deutschen Delegierten erschienen die Waffenstillstandsbedingungen, die ihnen vorgeschlagen wurden, als sehr hart, doch die Delegation der Entente-Mächte ließ Einwendungen nicht zu. Erzberger suchte Rücksprache in Berlin und wurde angeblich vom neuen Reichskanzler Friedrich Ebert nach Rücksprache mit dem Chef der OHL, Hindenburg, angewiesen, den Waffenstillstand zu jedweden Bedingungen anzunehmen. Tatsächlich stammte das fragliche Telegramm von der OHL ohne Rücksprache mit Ebert, der sich erst nachträglich einverstanden erklärte. Gleichwohl trugen diese Vorgänge zur Dolchstoßlegende bei.

Der Vertrag wurde am 11. November zwischen 5:12 Uhr und 5:20 Uhr französischer Zeit unterzeichnet und trat um 11 Uhr in Kraft.

Maßgebliche Punkte des Vertrags

Einstellung der Feindseligkeiten binnen sechs Stunden nach Vertragsunterzeichnung

Rückzug aller deutschen Truppen aus sämtlichen besetzten Gebieten Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs sowie aus dem Reichsland Elsaß-Lothringen binnen 15 Tagen

Innerhalb der darauf folgenden 17 Tage Besetzung der linksrheinischen Gebiete und von rechtsrheinischen Brückenköpfen um Mainz, Koblenz und Köln durch französische Truppen.

Übergabe von 5.000 Geschützen, 25.000 Maschinengewehren, 3.000 Minenwerfern und 1.700 Flugzeugen an die Entente
Internierung aller modernen Schiffe der Kaiserlichen Marine
die britische Seeblockade wurde nicht aufgehoben
Ablieferung von 5.000 Lokomotiven und 150.000 Eisenbahnwaggons
Annullierung des Friedens von Brest-Litowsk mit Sowjetrussland
Abzug der deutschen Truppen aus der Kolonie Deutsch-Ostafrika

Diese Maßnahmen nahmen dem Deutschen Reich die Möglichkeit, den Krieg fortzusetzen. Foch äußerte, jetzt sei Deutschland „den Siegern auf Gnade und Ungnade ausgeliefert“.

Die im Waffenstillstand vereinbarte Rückführung der rund 190 Divisionen des deutschen Westheeres wurde bis zum 17. Januar 1919 beendet.

Unterzeichner

Entente:

Marschall Ferdinand Foch für Frankreich, Generalissimus der alliierten Streitkräfte an der Westfront
Admiral Sir Rosslyn Wemyss, Erster Seelord
sowie Admiral George Hope (1869–1959) und Kapitän zur See Jack Marriott (1879–1938) für Großbritannien

Deutsches Reich:

Staatssekretär Matthias Erzberger, Reichsregierung
Graf Alfred von Oberndorff, Auswärtiges Amt
General Detlof von Winterfeldt, Deutsches Reichsheer
Kapitän zur See Ernst Vanselow, Kaiserliche Marine

Verlängerungen und weitere Entwicklung

Der Waffenstillstand trat am 11. November um 11 Uhr französischer Zeit in Kraft (12 Uhr deutscher Zeit) und sollte für 36 Tage gelten, wurde aber schon am 12. Dezember 1918 verlängert. Insgesamt wurde er dreimal verlängert, wobei die ersten beiden Verlängerungen sowohl den Zeitraum „einen Monat“ als auch ein konkretes Ablaufdatum benannten:

13. Dezember 1918 in Trier: bis zum 17. Januar 1919;

13. Januar 1919 in Trier: bis zum 17. Februar 1919;

15. Februar 1919 in Trier: für einen „kurzen Zeitraum“, jedoch ohne konkretes Ablaufdatum (mit einer Kündigungsfrist von drei Tagen durch die Alliierten).

Erst der am 28. Juni 1919 unterzeichnete und am 10. Januar 1920 in Kraft getretene Friedensvertrag von Versailles beendete formal den Kriegszustand.