Unter weißer Flagge mit rot-blauer Gösch

  1. Geburtstag des RCCr 1913- Bootshausweihe vor einem halben Jahrhundert

Crossener Heimatgrüße 1973/4

Die Geburt des zweiten Crossener Ruderclubs vor 60 Jahren war nicht nur ein sportliches, sondern vor allem auch ein sozialgeschichtliches Ereignis in unserer Heimatstadt. Wilhelm Voßberg ‚hat vor einem Jahrzehnt zum 50. Geburtstag seines Vereins in den „Heimatgrüßen“ bereits darauf hingewiesen, dass bei den 85ern anno 1913 Anmeldungen aus Kreisen, die körperliche Arbeit verrichteten, nicht erwünscht waren, Der an der Gründung aktiv beteiligte letzte amtierende Bürgermeister von Crossen, Otto Schätze, schildert den Vorgang wie folgt: „Wir stellten fest, dass es nicht möglich war, bei dem bestehenden Verein unterzukommen. So geschah es am 5, Juli 1913 im Restaurant „Viktoriagarten“ beim Tanz. Von den Sportsleuten des Ruderclubs 1885 rief uns Herr Exner zu: ‚Versucht es doch mal!‘ Wir haben es daraufhin nicht nur versucht, sondern den Ruder-Club Crossen von 1913 in aller Form gegründet.“

Die der Redaktion von Wilhelm Voßberg übermittelte Vereinschronik führt darüber aus: „Am 5. Juli 1913 wurde im Restaurant „Viktoriagarten“ von den Sportskameraden Richard und Paul Sandberg. Otto und Robert Schatze und Felix Knöpfle der langgehegte Wunsch in die Tat umgesetzt, in diesem kleinen Kreis der neue Verein gegründet und die Fühlungnahme mit den vier Bootsbesitzern Ernst May, Hermann  Panke, Bruno Wahl und Otto Weiss aufgenommen. Diese erklärten sofort ihre Bereitschaft, sich mit ihren Booten dem neuen Verein anzuschließen. Zwei Tage später wurde in einer weiteren Zusammenkunft der geschäftsführende Vorstand mit Richard Sandberg als     Vorsitzendem, Bruno Wahl als Schriftführer sowie Ernst May als Boots- und Ruderwart bestellt. Man entschied sich für das Restaurant Machule als Vereinslokal, wählte als flagge für den Club das weiße Feld mit der Gösch in den Stadtfarben und setzte das Eintrittsgeld auf 10 Mark sowie den Monatsbeitrag auf 1,00 Mark für aktive und 50 Pfennig für passive Mitglieder fest. Den Ruderbetrieb nahm die zunächst kleine Gemeinschaft sogleich auf.

Das angelegte Fahrtenbuch ver­zeichnete am 28. Juli die erste Ein­tragung, eine Tour zur Ziegelscheune stromaufwärts Goskar. Und im Ganzen kamen im ersten Vereinsjahr bei 19 Aktiven 163 Fahrten mit 3097 km zusammen. Dabei wurde eine beschlos­sene Ruderordnung, die u. a. lange schwarze Strümpfe vorsah, streng ein­gehalten, und man trug auch schon die weiße Ruderermütze mit rotem Band und blauem Knopf. Als Ausgangspunkt ihrer Fahrten diente den 13ern damals das alte Bootshaus in Paulkes Garten. Dort taufte man auch die im ersten Vereinsjahr angeschafften Boote, den Gig-Vierer „Blücher“ und den Gig-Doppelzweier „Pfeil“.

Im 2. Lebensjahr wurde der Ruder­betrieb zunächst beachtlich ausgedehnt, 264 Fahrten mit 4216 km registrierte das Fahrtenbuch. Aber dann zogen die Wolken des 1. Weltkrieges herauf und brachten den Sport fast völlig zum Er­liegen. Immer mehr Mitglieder wurden eingezogen, die Aktiven Gottfried Fröhlich und Willi Schipplick blieben auf dem Schlachtfeld^ und der Vor­stand Ernst Hauptmann. Hermann Jensen und Bruno Wahl hatte Mühe, das Vereinsschiff um alle Klippen, vor allem um die finanziellen, zu steuern.

Nach Kriegsende setzte dafür im Allgemeinen und bei den Crossener ‚ Ruderern im speziellen ein umso regeres sportliches Leben ein. Immer neue Mitglieder mussten in die An­fangsgründe des Ruderns eingeführt werden, die Anschaffung von drei neuen Booten war nicht zu umgehen. Ferner begann sich das Interesse für die Rennruderei zu regen. Aus diesem Grunde vereinbarten die beiden Crosse­ner Vereine eine Stadtregatta, bei der die „Klette“ das Ziel war. Sie wurde mehrmals ausgetragen, bis die 13er alle ausgesetzten Preise errungen, also den 85ern gezeigt hatten, dass sie mit Riemen und Skulls umzugehen verstan­den. Daneben begann der RCCr v. 1913 im Jahre 1921, seine Mannschaften auf auswärtige Regatten zu schicken. Hier­bei brachte der Doppelzweier Alben Kliche, Fritz Milde und Steuermann Bruno Wahl aus Frankfurt/Oder den ersten Sieg mit.

Die wachsende Mitgliederzahl zwang den Vorstand, sich ausgerechnet in der Inflationszeit   Gedanken über einen Bootshausbau zu machen. Denn das alte Bootshaus mit seiner primitiven Einrichtung war unzulänglich geworden so kaufte man von der Reichsvermögensverwaltung auf Abbruch eine Bürobaracke   des Kriegsgefangenenlagers Crossen, lagerte die Bauteile auf dem Trockenplatz der Fischerei und machte sich auf die Suche nach einem geeigne­ten Grundstück.

Nachdem sich Vor­schläge, den Bau an der Elisenbrücke. am Schlosswall oder am Lorenzsteg vorzunehmen, nicht verwirklichen lie­ßen, fand das Vorstandsmitglied Stadtbaumeister Förster endlich ein geeignetes Grundstück an der Mün­dung des Fischergrabens in die Oder, das von der Witwe Gurschke zunächst für zehn Jahre gepachtet und in späterer Zeit käuflich erworben wurde, Um die Pfahle für das Fundament des neuen Vereinsheimes zu gewinnen, kaufte Meister H, Kliche bei Goskar ein Waldstück. Dies wurde abgeholzt, die Mitglieder flößten die Stämme I stromabwärts und machten sich eifrig an die Bauarbeiten. Dabei scheint man dies unbürokratisch und nicht gerade reibungslos vor sich gegangen sein, denn Landsmann Otto Schätze machte in seinem Beitrag zur Geschichte des Vereins die Anmerkung, dass das Boots­haus fertig, aber verboten und der Vor­sitzende Richard Sandberg bestraft, aber nicht eingesperrt wurde. Doch immerhin nahmen die Aktiven das neue Bootshaus bereits im August 1922 in Benutzung, und beim 10. Stiftungs­fest anno 1923 wurde es feierlich eingeweiht. In den folgenden Jahren bis zum bitteren Ende des deutschen Crossen taten Vorstand und Mitglied­schaft alles Erdenkliche, um ihr Heim immer schöner werden zu lassen. Je­denfalls meldet die Chronik fast für jedes Jahr eine neue Errungenschaft.

Bereits zur Zeit des Bootshausbaus und vor allem in den Jahren danach warte­te der RCCr v. 1913 mit vorzüglichen sportlichen Leistungen auf. Er schickte seine Zweier- und Vierer-Mannschaften auf die Regattaplätze Frankfurt/Oder. Neusaiz, Glogau, Breslau, Landsberg, Küstrin und Berlin, und diese errangen in einer Vielzahl von Rennen Erfolge. Wohl der sportlich bedeutsamste Tag der Vereinsgeschichte war der der zweiten in Crossen ausgetragene« Re­gatta des Regattavereins Mittlere Oder. An diesem Sommertag des Jahres 1924 beteiligten sich die 13er an sechs Ren­nen und wahren dabei fünfmal siegreich Sie sorgten dafür, dass die Hälfte aller ausgesetzten Preise in Crossen blieb. Überhaupt war der RCCr v. 1913 um die Mitte der 20er Jahre groß in Form, Als mit Albert Küche auch noch ein erfolgreicher Einer-Ruderer‘ aus ihm hervorging, erschien sein Name 1926 an 54, Stelle auf der Punktwertungs­liste des Deutschen Ruderverbandes, auf welcher aufgeführt zu werden keiner der beiden Crossener Vereine bis dahin geschafft hatte.

Natürlich trug der Verein auch viel zum geselligen Leben in Crossen bei. Neben den Vereinsvergnügen verdienen da vor allem das 15. Stiftungsfest am 9. September 1928 und die Feier des 25jährigen Bestehens am 25./26. Juni 1938 Erwähnung. Regatten, Feste und Wanderfahrten brachten ferner zahl­reiche Verbindungen mit auswärtigen Clubs. Besonders gute Beziehungen hatten und pflegten die 13er mit dem Neusalzer RC „Möwe“.