St.-Johannis-Freimaurer- Loge „Zur festen Burg“

Zusammenschluss der Prominenz 1880 gegründet – Im „Reichsadler“ und auf „Hohenzollernhöhe“

„Meister vom Stuhl“ (Vorsitzender) der Crossener Loge war ab 1911 Dr. Alfred Henschke. Der 1858 geborene Apothe­ker übernahm das Amt somit im 53. Le­bensjahr.

Von Mitte der 20er Jahre bis zu Hitlers Machtergreifung nahm mein Vater Karl Wein etwa zweimal monatlich an Veran­staltungen der Crossener Loge teil. Gelegentlich wohl bei festlichen Anlässen zog er sich dazu einen Frack an. Meine Mutter musste ihm dann die weiße Schleife binden. Von der Freimaurerei erzählt hat er kaum jemals, auch nicht in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Sein Ar­beitgeber Verleger Rudolf Zeidler hatte ihn gewissermaßen in die Loge „befoh­len“. Die Mitgliedschaft schuf Ansehen und Verbindungen im Leben des Kreises Crossen.

Freilich galt und gilt die Freimaurerei als ein wenig geheimnisumwittert. Schulkameraden, die ich bei Treffen be­fragte, was unsere Väter da wohl einst auf der „Hohenzollernhöhe“ angestellt haben, wussten genauso wenig wie ich. Deshalb griff ich zu, als kürzlich in einem Katalog des Antiquariatsbuchhandels zwei Mitgliederverzeichnisse der Cros­sener Loge zu einem mäßigen Preise angeboten wurden. Durch das Studium dieser zumindest in personeller Beziehung aufschlussreichen Schriften und des langen Artikels im großen Brockhaus-Lexikon kann ich nun im Folgenden über das Logenwesen im Allgemeinen und speziell in Crossen einiges berichten.

Die Freimaurerei – der Name weist auf übernommene Bräuche mittelalterlicher Dombauhütten hin – entstand An­fang des 18. Jahrhunderts in London, Sie breiteten sich in West- und Mitteleuropa sowie in Amerika aus. Ihr Ziel ist das gemeinsame Streben nach Wahrheit. Men­schenliebe, Selbstkritik und Duldsamkeit. Die Mitglieder der Freimaurer-Lo­gen bekämpfen Totalitarismus in Politik und Kirche, Chauvinismus, Aberglau­ben und Kastengeist. Sie setzen sich für friedliches und sozial gerechtes Zusam­menleben der Menschen ein. Sie beken­nen sich zur Gehorsamspflicht gegen­über den Gesetzen ihrer Staaten. Politi­sche Betätigung bleibt dem Gewissen des Einzelnen überlassen.

Die Freimaurer organisieren sich auf örtlicher Ebene in sogenannten Logen, In den einzelnen Staaten gibt es jeweils eine oder mehrere Großlogen. Das sind Bünde, in denen sich die örtlichen Logen zusammengeschlossen haben Alle Großlogen und Logen unterstehen dem Vereinsgesetz. Ihre Satzungen, Mitgliederlisten und Vorstände müssen den zu­ständigen Behörden bekannt sein.

In Deutschland wurde die erste Loge 1737 in Hamburg gegründet. Die Freimaurerei verbreitete sich durch die um 1800 vorherrschende humanistische Geistesrichtung. Friedrich der Große. Blücher, Scharnhorst, Hardenberg, Fichte. Alexander von Humboldt, Klopstock, Wieland. Matthias Claudius, Les­sing. Herder, Goethe, Haydn und Mo­zart waren Logenbrüder. Als Brüder. Kinder eines Vaters, bezeichnen sich die Freimaurer aus ethischer Überzeugung.

In Crossen wurde die „St. Johannis-Freimaurer-Loge „Zur festen Burg im Orient“ offensichtlich erst 1880 gegründet. Jedenfalls weisen die erhaltenen Mitgliederverzeichnisse von 1915/16 und 1921/22 erst von diesem Jahr ab Meister vom Stuhl (Vorsitzende) aus. Das waren C. Hagen (1880 bis 1882), R. Sachs (1882 bis 1886). P Löwen Hardt (1886 bis 1897). Hermann Nippe (1897 bis 1911) und Dr. Alfred Henschke (ab 1911).

Da Johannes der Täufer der Patron der untersten drei Grade der Logenbrüder, der Lehrlinge. Meister und Gesellen, ist. weist der Na­me „St. Johannis-Freimaurer-Loge“ dar­auf hin, dass die Crossener Loge nur Mitglieder dieser drei Grade umfassen sollte und umfasste. Die Loge der Oderstadt arbeitete im Rahmen der Großen-National-Mutter-Loge „Zu den drei Weltku­geln“. Das war eine der preußischen Großlogen.

An der Spitze des Mitgliederverzeichnisses stand 1915 noch der 1843 ge­borene Hermann Nippe, der in Berlin-, Steglitz wohnte und als Ehrenmeister und Mitstifter der Crossener Loge be­zeichnet wurde. Der Vorstand, „Beam­te“ genannt, umfasste damals 13 Perso­nen. Es waren dies neben dem Meister vom Stuhl Dr. A. Henschke Amtsanwalt Eduard Pannwitz als zugeordneter Mei­ster vom Stuhl, Medizinalrat Dr. Bern­hard Günther und Maurermeister Carl Tschäke als I. und II. Aufseher, Fabrik­besitzer Hermann Butting als stellver­tretender Aufseher, Kantor Hugo Scheibel als Redner. Professor Wilhelm Scho­ber als Schriftführer, Verleger Richard Zeidler als Schatzmeister, Gärtnereibesitzer Hugo Schulz und Rechnungsrat Albert Große als 1. und II. Schaffner, Kaufmann Georg Kurzan als stellvertre­tender Schaffner, Rentner Hermann John als Ordner sowie Bankier Max Doering als vorbereitender Bruder.

Die Zahl der sonstigen ordentlichen Mitglieder betrug 1915 etwa 40 und stieg bis 1921 auf rund 50. Aus diesem Grunde war wohl in den sechs Jahren auch die Zahl der „Beamten“ auf 17 erhöht wor­den. Neben den meisten Vorstandsmitgliedern von 1915 tauchen nun neu die Namen Pfarrer Ludwig Reinicke als stellvertretender Redner, Rektor Her­mann Ebert als stellvertretender Schrift­führer, Zahnarzt Alfred Reich als stell­vertretender Schaffner, Postsekretär Röhricht als stellvertretender Ordner. Forstrentmeister Johann Mohr als vorbereitender Bruder und Kreiswohl­fahrtsdirektor Franz Hoffmann als stellvertretender vorbereitender Bruder auf. Hermann Nippe, Hermann Butting und Max Doering sind nun nicht mehr in der „Beamten“-Liste aufgeführt.

Unter den sonstigen ordentlichen Mit­gliedern – ich greife hier nur auf das Verzeichnis von 1921 zurück – sind viele be­kannte Crossener zu finden. So vertra­ten das Wirtschaftsleben Fabrikbesitzer Oskar Hegel, Bankvorsteher Harry Herr, Kaufmann Carl Kölligs. Drogist Georg Müller, Kaufmann Max Rohle­der. Kaufmann Oskar Schmidt, Gärtnerei Besitzer Werner Schulz, Bahnhofs­wirt Max Simon, Kaufmann Conrad Wallenburg und Kaufmann Gustav Zahn. Von den Pädagogen gehörten da­mals Studienrat Carl Berloge, Mittel­schullehrer Max Galle. Rektor Eduard Hohensee. Zeichenlehrer Carl Noack, Studienrat Max Roland und Zeichenleh­rer Siegfried Stößel der Loge an. Von den übrigen Beamten in der Stadt waren Postdirektor Ernst Backe, Schlachthof­direktor Ernst Bergfeld und Oberzollinspektor Julius Nase Mitglieder. Auch der Rechtsanwalt Georg Maul und der Facharzt Dr. Richard Rummler sind im Verzeichnis aufgeführt.

Aus dem weite­ren Kreisgebiet waren schließlich der Strauber Mühlenbesitzer Fritz Köhler, der Bobersberger Pfarrer Wilhelm Kupfernagel, der Grieseler Landwirt Her­mann Linke, der Bobersberger Bürger­meister Heinrich Meyerdierks und der Lettendorfer Mühlenbesitzer Oskar Müller Angehörige der Crossener Loge. Die Mitgliederzahl ist in den 20er und frühen 30er Jahren gewiss weitet gestie­gen. An den Vorweihnachtsfeiern der Vereinigung durften oder mussten auch wir Kinder der Logenbrüder teilneh­men. Die Gedichte, die ich dabei aufzusagen hatte, studierte Kantor Frost ein. Ich glaube ferner, dass ich eine weitere Anzahl von Lehrern sowohl des Realreformprogymnasiums als auch der Volks­schulen dort gesehen habe.

Nicht ganz klar ist mir geworden, was unter den „Dienenden Brüdern“ zu verstehen ist. die in den Mitglieder-Ver­zeichnissen aufgeführt sind. Sie hießen 1921 Handelsmann Gustav Martin. Kirchendiener Carl Falkenberg und Lohndiener Carl Wolf. Sie stiegen alle auch bis zum Meister auf. Ich vermute, dass sie Arbeiten außerhalb der Vorstandstätig­keit zu verrichten hatten.

In den Jahresprogrammen werden die Veranstaltungen als Logen für alle Mitglieder und als Unterricht für die einzel­nen Grade bezeichnet. Der Unterricht dürfte Vorträge und Diskussionen im Sinne der Ziele der Freimaurer umfasst haben. Gewiss sind auch die Wohlfahrts Maßnahmen, für die sich die Logenbrüder einsetzten, dabei besprochen wor­den. Das Johannisfest im Sommer und die Weihnachtsfeier wurden mit Ange­hörigen begangen. Die Frauen der Lo­genmitglieder pflegten an Kaffeenach­mittagen unter sich Geselligkeit.

Die Crossener Logenbrüder waren zweifellos überwiegend politisch kon­servativ und national eingestellt. Politi­sche und kirchliche Kräfte mit totalitä­rem Anspruch, so auch die katholische Kirche. lehnten und lehnen die Freimau­rerei aber entschieden ab. Die national­sozialistische Regierung löste alle Logen in Deutschland zwangsweise auf. Teil­weise kam es zu Verfolgungen und Verhaftungen von Logenmitgliedern. Da die NSDAP die Aufnahme von ehemali­gen Freimaurern entschieden ablehnte, wurden die Crossener Logenbrüder in den braunen zwölf Jahren teilweise mehr durch die Umstände als durch eige­nes Wollen von der Parteimitgliedschaft bewahrt.

In der Bundesrepublik und in West­berlin lebte das Logenwesen nach dem 2. Weltkrieg wieder auf. Die Große Natio­nale Mutterloge zu den drei Weltkugeln, der die Crossener Loge „Zur festen Burg“ angehörte, gewann nur eine klei­ne Anzahl ihrer Logen zurück. Sie ging nach dem Lexikon im „Bund christlicher Großlogen in Deutschland“ auf.

H.-U.Wein

Etwa ab 1925 war die „Hohenzollernhöhe“ das Lokal der Loge „Zur festen Burg“. Verleger Rudolf Zeidler hatte das Grundstock erworben und an den Apotheker und Drogisten Hans Knigge verpachtet, der seit 1920 der Loge angehörte. In der warmen Jahreszeit hielten die Frauen der Mitglieder ihre „Kaffeekranzeben“ im Garten der Berggaststätte ab. Sie genossen dann die obige Aussicht auf die Stadt, auf deren öf­fentliches Leben ihre Männer nicht wenig Einfluss besaßen.

Die Loge tagte zuerst im Hotel „Drei Kronen“

Der Name der dreizehn Gründer – Mindestens acht Mitgliederverzeichnisse blieben erhalten

In dem Aufsatz über die Freimaurer­loge „Zur festen Burg“ auf Seite 1 und 2 der Februar-Nummer 1988 wurde das Gründungsjahr dieser Crossener Ver­einigung mit 1880 angegeben. Der Re­dakteur stellte inzwischen fest, dass die Gründung in der Obstfeiderschen Chro­nik erwähnt und auf den 6. Oktober 1880 datiert ist. Pfarrer Ekkehard Hieronimus, der sich der Logenforschung widmet, teilte allerdings mit, die Gründung habe am 16. Oktober (also zehn Tage später als von Obstfelder angegeben) stattge­funden. Nach seinen Erkenntnissen hie­ßen die 13 Gründungsmitglieder Ober Maschinenmeister Carl Hagen (aus Gil­ben), der als erster Meister vom Stuhl amtierte, Johann Borne, Theodor Schack, Friedrich Heinse (Guben), Bür­germeister Carl Hermann Lorenz, Carl Wilhelm Räthel, Carl Julius Sandmann, Oswald Wölfl (Guben), Julius Gottlieb Beuck. Hermann Nippe. Heinrich Pohl und Hermann Riedel.

Die Loge tagte zuerst. das ist ebenfalls bei Obstfelder nachzulesen, im Hintergebäude des Hotels „Drei Kronen“. Sie muss später in das Hotel „Reichsadler“ umgezogen sein, welches Lokal durch das Mitgliederverzeichnis 1915/16 belegt ist.

Landsmann Ekkehard Hieronimus ist nicht Mitglied einer Loge. Seine Logenforschung werde aber, so schrieb er, auch von Freimaurern anerkannt. Er be­sitzt Kopien der Mitgliederverzeichnisse der Crossener Loge von 1881/82, 1908/ 09, 1913/14, 1923/24, 1926/27 und 1928/ 29. Da die „HG“-Redaktion die Mitglie­derverzeichnisse von 1915/16 und 1921/ 22 antiquarisch erwarb, sind also mindestens die Texte von acht derartigen Jah­resschriften erhalten.

An Einzelheiten teilte Pfarrer Hiero­nymus mit, dass Studienrat Max Roland 1926 nicht mehr der Loge angehörte und dass der Gründer der „Heimatgrüße“ und erste Crossener Heimatkreisbetreuer Karl Wein am 18. Mai 1926 in den 1. Grad aufgenommen wurde.