Rudolf John Gorsleben

Rudolf John Gorsleben Quelle: Wikipedia

Klabund wurden viele Freunde zugeschrieben und eine ganze Menge haben sich selber dazu gemacht. Einer dieser „dazu gemachten“ war sicher Rudolf John Gorsleben. Fredi kannte ihn, aber ein Freund? Auch wenn Guido von Kaulla schreibt:

„… kommt es zu einem Wiedersehen mit dem an Tuberkulose erkrankten Bry, der sein letztes Lebens­jahr in Davos verbringt, mit seiner Frau Helene, der Schwester von Rudolf John Gorsleben, einem lieben Kollegen aus dem Vorkriegs-München.“

Warum ich an eine angebliche Freundschaft nicht glaube, wird sicher durch die Biographie von Rudolf John Gorsleben klar, denn die beiden „passten“ einfach nicht zueinander, als Gorsleben anfing, nationalistische und rassistische Texte zu veröffentlichen und das geschah sehr früh.

Rudolf John Gorsleben (eigentlich Rudolf John) wurde am 16. März 1883 in Metz geboren – eine an der Mosel gelegene Stadt in Lothringen, im Nordosten Frankreichs. Die Stadt ist Hauptstadt des Départements Moselle und war Hauptort der früheren Region Lothringen, die seit 2016 in der Region Grand Est aufgegangen ist.

Die Place Saint-Jacques Jakobsplatz Metz Quelle: Von Alice Volkwardsen in der Wikipedia auf Deutsch, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10681319

Wikipedia beschreibt seine „Gesinnungen“ so:

„…war ein ariosophisch orientierter Runologe und Esoteriker, der eine „originär rassistische Mysterienreligion“ schuf. Seine Spezialgebiete waren die Edda sowie Runen und Runenmagie.“

Was sich dahinter verbirgt – Kommt noch!

In Elsass-Lothringen aufgewachsen, geht er noch vor dem I. Weltkrieg nach München – er will zum Theater und bereits 1913 schreibt Gorsleben „Der Rastaquär“, den er „Eine ernsthafte Komödie in drei Aufzügen“ betitelt. Einen Rastaquär könnte man übersetzen als grellen und reichen Emporkömmling, der die Züge eines Hochstaplers zeigt mit exaltierten Manieren, eben ein „anrüchiger Mensch“.

Ein Erfolg scheint das Stück selbst im damaligen München zur damaligen Zeit nicht gewesen zu sein, denn bei Wikipedia hießt es: „welches kurze Zeit in München aufgeführt wurde.“

Gorsleben arbeitete als Journalist und gab eine „Flugblatt-Zeitschrift“ heraus, die nationalistisch und alldeutsch ausgerichtet war – ihr Titel: „Allgemeine Flugblätter Deutscher Nation“.

Nationalistisch ist klar aber „alldeutsch“ bedarf einer Erklärung, bei Wikipedia ist zu lesen:

„… Der Alldeutsche Verband (bis 1894 Allgemeiner Deutscher Verband) bestand von 1891 bis 1939. In der Zeit des Deutschen Kaiserreichs zählte er zeitweise zu den größten und bekanntesten Agitationsverbänden. Er wurde als eine der lautstärksten und einflussreichsten Organisationen des völkischen Spektrums wahrgenommen. Sein Programm war expansionistisch, pangermanisch, militaristisch, nationalistisch sowie von rassistischen und antisemitischen Denkweisen bestimmt. Regional war der Alldeutsche Verband in Ortsgruppen organisiert, die auch im Ausland existierten.“

Einer der Initiatoren, bzw. Förderer war Alfred Hugenberg, Montan- und Rüstungsunternehmer und der größte Medienmogul der Weimarer Republik. 1928 wurde Hugenberg Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) – einer nationalkonservativen Partei, deren Programmatik Nationalismus, Antisemitismus, kaiserlich-monarchistischen Konservatismus sowie völkische Elemente enthielt. Die Partei lehnte die Republik ab und unterstütze z.B. den „Kapp-Putsch“ und auf Initiative Hugenbergs traf sich am 11. Oktober 1931 in Bad Harzburg die „Nationale Opposition“, namentlich Harzburger Front, zu einer Großveranstaltung, um ihre Geschlossenheit im Kampf gegen die Weimarer Republik zu demonstrieren.

Getrost kann ich also schreiben, Hugenberg hatte überall da seine Finger im Spiel, wo Rechtsradikale der Republik und Andersdenkenden geschadet haben – oder, ohne Hugenbergs nationalistischer und antisemitischer Propaganda wäre der Aufstieg der rechten bzw. rechtsextremistischen Parteien in der Weimarer Republik so nicht möglich gewesen.

Alfred Hugenberg (1933) Quelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-2005-0621-500 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5426207

Bei Kriegsausbruch 1914 meldete sich Gorsleben freiwillig bei einem bayrischen Regiment und kämpft zwei Jahre an der Westfront, um anschließend zu einer Einheit zu wechseln, die die osmanische Armee im Kampf gegen Beduinenstämme in Arabien unterstützte.

Er hatte bei Kriegsende den Rang eines Leutnants und erhielt zwölf militärische Auszeichnungen.

Nach Kriegsende wurde er für das neugeschaffene Reichswehrkommando 4, der Nachrichten-, Presse- und Propagandaabteilung, die die politische Aufklärung der Truppe zur Aufgabe hatte, als politischer Lehrer angeworben.

Damit war er Kollege von Karl Alexander von Müller (geboren am 20, Dezember 1882 in München, gestorben am 13, Dezember 1964 in Rottach-Egern), einem Historiker und entschiedenen Gegner der Weimarer Republik. Er war von 1914 bis 1933 Mitherausgeber der zunehmend radikalnationalistischen „Süddeutschen Monatshefte“ und ein gefragter Redner auf Veranstaltungen der rechten Szene.

Karl Alexander von Müller (1929) Quelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-2006-1024-500 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5426452

Im nationalsozialistischen Deutschland stieg Müller zu einem der einflussreichsten Historiker auf und stand 1942 auf dem Höhepunkt seiner Karriere, 1945 verlor er seine sämtlichen Ämter, aber 1961 reichte es immerhin noch zur Verleihung des Bayerischen Verdienstordens, ein weiteres trauriges Beispiel für den Umgang mit ehemalige hohen Nationalsozialisten.

Zurück zu Gorsleben, der nach München zurückgekehrt, Dietrich Eckart kennen lernte. Diesen zu beschreiben, erforderte ein eigenes Kapitel, daher abgekürzt, Eckart tauchte überall dort auf, wo sich rechtsradikale Kreise gebildet hatten und zählte zu Hitlers „Ideengebern“ und war Mentor und Freund. In seiner Karriere ein Höhepunkt war der Chefredakteursposten des „Völkischen Beobachter“. Er starb am 26. Dezember in Berchtesgaden an einer Herzattacke.

Dietrich Eckart, Zeichnung von Karl Bauer Quelle: Wikipedia

In München wird Gorsleben Mitglied der „Thule-Gesellschaft“, einer antisemitistischen Organisation, deren Mitglied Anton Graf von Arco auf Valley am 21. Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner auf dem Weg in den Landtag ermordet. . Zu seiner Rechtfertigung behauptete er: „Eisner ist Bolschewist, er ist Jude, er ist kein Deutscher, er fühlt nicht deutsch, untergräbt jedes vaterländische Denken und Fühlen, ist ein Landesverräter.“ Die „Thule Gesellschaft“ habe ich im Kapitel über Graf Arco beschrieben.

Wikipedia schreibt weiter über Gorsleben:

„… Für den radikal antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund wurde er im Juni 1921 Gauleiter für Südbayern und geriet bald in interne Parteistreitigkeiten Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurden er im Januar 1922 von der Bundesleitung abgesetzt. Zuvor war Gorsleben eine Allianz mit Julius Streicher eingegangen. Nach weiteren internen Streitigkeiten, die sich noch nach seiner Absetzung bis Mitte 1922 fortsetzten, wandte er sich von der Politik ab und widmete sich vornehmlich seinen ideologischen und literarischen Interessen.“

Julius Streicher ist einer der widerlichsten und fanatischsten Nazis und Antisemiten, der sich mit seiner Zeitschrift „Der Stürmer“ nicht nur eine „goldene Nase“ verdiente, sondern auch auf die Judenverfolgung einen maßgeblichen Anteil hatte.

Julius Streicher (vor 1934) Quelle: Von unbekannt – Büro des Reichstags (Hg.): Reichstags-Handbuch 1933, VIII. Wahlperiode, Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1933, PD-§-134, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=4914748

„Am 1. Oktober 1946 wurde er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tod durch den Strang verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet. In der Urteilsbegründung wurde Streicher als „Judenhetzer Nummer eins“ bezeichnet. Sein Leichnam wurde einen Tag später im Städtischen Krematorium auf dem Münchner Ostfriedhof eingeäschert und die Asche in den Wenzbach, einen Zufluss der Isar, gestreut“, so Wikipedia

Und über Gorslebens Umzug und sein weiteres Engagement lese ich bei Wikipedia:

„… 1922 zog er nach Dinkelsbühl, wo er unter anderem in den Fachwerken Runen zu erkennen glaubte. Hierzu erschien 1928 sein Buch über „das Geheimnis von Dinkelsbühl“. In München übernahm er 1926 ein Wochenblatt, das er in „Deutsche Freiheit“, später in „Arische Freiheit“ und schließlich in „Hagal“ umbenannte. Er wurde zudem Schriftleiter der „Zeitschrift für Menschenerkenntnis“.

Hagal – Die Allumfassende ? „Der Name Hagal rührt von der Hagalaz-Rune her. Von 1930 bis 1934 gab es eine Zeitschrift der Münchener Edda-Gesellschaft, die von Rudolf John Gorsleben begründet wurde und ebenfalls nach der Hagal-Rune benannt war“. So zu lesen in einer Inhaltsangabe zu Hagal.

Nach Gorsleben zu stöbern, heißt, man findet alles, bzw. er ist an allem beteiligt gewesen oder hat gegründet, was mit Esoterik, Okkultismus und „Germanentum“ zu tun hatte. Wenn er dafür zahlreiche „Orden“ und Gesellschaften gegründet hat, warum nicht, eine „Marotte“ Anfang des 20, Jahrhunderts? Auch. Und man könnte lachen über dieses Unsinns.

Aber da wären die Schlussfolgerungen und die sind für mich rechtsradikal und rassistisch, denn es entsteht immer eine Verherrlichung des „Germanentums“ und damit auch ein offener oder verdeckter Antisemitismus.

Als Beispiel sei die Edda genannt. Wikipedia schreibt:

„… Als Edda werden zwei verschiedene, in altisländischer Sprache verfasste literarische Werke bezeichnet. Beide wurden im 13. Jahrhundert im christianisierten Island niedergeschrieben und behandeln skandinavische Götter- und Heldensagen.“

Und diese Edda überträgt Gorsleben 1920 in der ersten Auflage ins Deutsche und behauptet, die Edda sei in Atlantis erschienen. Eben jenem Atlantis, das der antike griechische Philosoph Platon in der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. als Erster erwähnte und beschrieb als Insel des Atlas und da lag Atlantis noch im heutigen Mittelmeer.

Deckblatt einer isländischen Abschrift der Snorra-Edda aus dem Jahr 1666 Quelle: Wilipedia

In der Edda sah Gorsleben – „wie auch in der Bibel und in den „Veden“ geheime Inhalte urarischer Herkunft, die er deuten wollte“, schreibt Wikipedia. Und über die „Veden“:

„…Veden (Sanskrit, („heilige Lehre“) ist eine zunächst mündlich überlieferte, später verschriftete Sammlung religiöser Texte im Hinduismus. Viele hinduistische Strömungen überliefern eine grundlegende Autorität des Veda. Den Kern des Veda bildet die mündliche Tradition der Shruti, das sind von Rishis (Weisen) „gehörte“ Gesänge, also Offenbarungen.“

Am 29. November 1925 gründete Gorsleben „folgerichtig“ in Dinkelsbühl die „Edda-Gesellschaft“, eine Art Lesergemeinde um die Edda-Übersetzung“ (Wikipedia).

Als Anfang der 30 er Jahre diese „Gesellschaft“ in finanzielle Schwierigkeiten geriet, traten ganze SS-Abschnitte in diese ein und auch das SS-Ahnenerbe interessierte sich für sie.

„Die religiöse Zielsetzung der Edda-Gesellschaft wird aus dem Untertitel ihrer Zeitschrift deutlich: „Arische Freiheit“. Monatsschrift für Arische Gottes- und Welterkenntnis, für seelische Läuterung, geistige und körperliche Hochzucht durch artgerechtes Wissen und Weisen, Wirken und Werden, Richten und Raten, Schauen und Schaffen, Helfen und Heilen, Ackern und Ernten, Atmen und Essen zur Lebensmeisterschaft. Sie war also ganzheitlich, metaphysisch und mystisch orientiert und versuchte das indogermanische (arische) religionsphilosophische Erbe zu erforschen und in eine idealistische lebensreformerische Naturphilosophie und Weltanschauung zu integrieren.“

Aus Wikipedia

Und wenn ich dann noch lese, dass Gorslebens Edda-Übersetzung unter anderem von Mathilde Ludendorff aufgenommen und übernommen wurde, ist klar, aus welcher Ecke der „Gestank“ kommt.

Eine seiner Schriften, nämlich „Die Überwindung des Judentums in uns und außer uns“ wurde nach dem II. Weltkrieg in der russischen Besatzungszone auf die „Liste der auszusondernden Literatur“ gesetzt.

Erschienen ist diese Schrift im „Deutschen Volksverlag München“ und über den lese ich bei Wikipedia:

„… Der Deutsche Volksverlag wurde am 1. April 1919 in München aus dem Verlag J. F. Lehmann für betont antijüdische Veröffentlichungen ausgegründet. Die Adresse des Deutschen Volksverlags war die Paul-Heyse-Straße 9, zweiter Stock, welche auch Alfred Rosenberg in der Weimarer Zeit als seine Adresse in Veröffentlichungen angab. Als Verleger fungierte Ernst Boepple, ein ehemaliger Mitarbeiter des Münchener Verlegers Julius Friedrich Lehmann.“

Alfred Rosenberg (1941), Foto: Hoffmann Quelle: Von Bundesarchiv, Bild 146-2005-0168 / Heinrich Hoffmann / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5419898

In diesem Verlag wurde u. a. die antisemitische Monatszeitschrift „Der Weltkampf. Monatsschrift für Weltpolitik, völkische Kultur und die Judenfrage aller Länder“ von Rosenberg seit 1924 herausgegeben.“

Werke von Rudolf John Gorsleben:

„Der Freibeuter“, Drama, 1913.

„Der Rastäquar“, Drama, 1913.

„Die königliche Waschfrau“, Lustspiel, 1918.

„Die Überwindung des Judentums in uns und außer uns“. 71 S., Deutscher Volksverlag Dr. Ernst Boepple, München 1920.

„Die Edda“. Übertragen von Rudolf John Gorsleben.

„Die Heimkehr“ (W. Simon, Buchdr. u. Verlag), Pasing 1920.

„Gedichte“, 1921.

„Das Blendwerk der Götter“ 

„Das Geheimnis von Dinkelsbühl“. Eine tiefgründige und doch kurzweilige Abhandlung über den Ursprung der Stadt, ihre Geschichte, die Herkunft des Wappens, über den Brauch der uralten „Kinderzeche“ und über die Bedeutung einer rätselhaften Inschrift der Geheimen Bruderschaft der Bauhütte, hauptsächlich an Hand der Kenntnis der Runen / entdeckt, entziffert u. erklärt von Rudolf John Gorsleben, 70 S., Brückner, Berlin 1928.

Rudolf John Gorsleben, „ein lieber Kollege aus dem Vorkriegs-München“?

Am 23. August 1930 stirbt Rudolf John Gorsleben in Bad Homburg vor der Höhe.