Im Matthes & Seitz Verlag in München erscheint 1985 „Rasputins Ende“ – Autor Fürst Felix Jussupoff. Darin beschrieben die Ermordung Rasputins durch den Fürsten und seine Unterstützer und Helfer. Die Einleitung schreibt Boris Groys, ein russisch-deutscher Philosoph, Kunstkritiker und Medientheoretiker und das Vorwort, wie aber auch das Nachwort steuert Klabund bei.
Boris Groys schreibt über Klabunds Beitrag in diesem Buch: „Sowjetische Quellen stellen Rasputin ebenfalls als einen ausschweifenden Menschen dar, der sich an die Juden verkauft hat – dieses Thema spielt auch jetzt in der sowjetischen Propaganda eine große Rolle – sowie generell an das Ausland. Auf den Gedanken, Rasputin als Verkörperung des Volkes und des Volkstümlichen zu präsentieren, wie das Klabund in seinem Vorwort zu Jussupows Erinnerungen getan hat, kommen die sowjetischen Autoren einfach nicht – vielleicht nur aus geistiger Trägheit.
Rasputin oder
Geschichte und Legende, Wahrheit und Dichtung, Mythos und Persönlichkeit
Tempo, Tempo, Sechstagerennen. Von London nach Paris eine Stunde zwanzig Minuten im Flugzeug.
Eisläufer laufen 500 Meter in 41 Sekunden.
Wir telephonieren von Berlin nach New York,
drahten unsere Photographie von Hamburg nach Wien.
Aus Idioten werden Radioten.
Edison und Graf Arco erfinden auf Gott oder
Teufel heraus —
Fernsehen —
Einsteins Relativitätstheorie —
Die Relativität von Raum und Zeit —
Hoppla wir leben,
Hoppla wir sterben.
Mensch bleibt Mensch — der Maschine zum Trotz.
Die Seele bleibt absolut.
Und heute wie vor tausend, wie vor zwei-, drei-, viertausend Jahren regieren Liebe und Haß des Menschen Herz.
Es wandelt ein zweibeiniges, zweiarmiges Wesen über die braune Erdkruste, behaftet mit Groß- und Kleinhirn, mit Lust- und Zwangsvorstellungen, mit Wünschen und Sehnsüchten, Zu- und Abneigungen.
Es hat, zum Schutz gegen die Unbill des Klimas, seine empfindsame weiße Haut mit Wolle und Seide behängt. Seine Augen sehen schlecht und bedürfen einer gläsernen Vorrichtung von x Dioptrien, um den nächsten Baum und den nächsten Stern am Himmel zu erkennen. Da seine Kräfte schwach sind, hat es zur Verlängerung der Arme auf hölzernen Knüppeln aufmontierte Eisenrohre erfunden, welche Feuer speien und mit kleinen schwarzen Kugeln auf große Entfernungen andere lebende Geschöpfe, Feinde genannt, töten.
So brechen vor dem feigen, schwächlichen, kurzsichtigen, zweibeinigen Geschöpf edle, starke und tapfere Tiere, brechen Löwen und Leoparden und Elefanten sterbend ins Knie. Das Geschöpf, weißer Mann genannt, ist der Herr
der Erde. Denn hinter seiner dünnen Stirn brennt das Feuer des Geistes und der Seele. Das Geschöpf ist befähigt, zu denken, zu träumen, zu schaffen. Das Geschöpf ist ein Schöpfer. Das Denken des Geschöpfes vollzieht sich in kontinuierlicher Form.
Der Mensch denkt, der Mensch lenkt, die Menschheit denkt sich selbst.
Was sie denkt, setzt sie in Tat, in Geschehnis, in Geschichte um. Aber diese Geschichte wird wiederum nur Tat, indem sie nachschaffend neu gedacht und empfunden wird.
Der Denker und der Dichter verleihen der Wirklichkeit erst das Signum der Wahrheit. In hoc signo vincis.
Geschichte ist nur insofern „geschehen“ — als sie durch ein Auge, das die Welt sieht, durch Weltanschauung „gesehen“ wird.
Die Kriege der Trojaner und Griechen sind nur so weit Wirklichkeit für uns, als sie uns von Homer als wirklich berichtet und bedichtet werden. Achill und Hektor leben nur durch die Gnade Homers — sonst wären sie längst vergessen. Den Helden schafft der Dichter: aus seiner Verbundenheit mit der Allseele der Menschheit heraus. Und wen er vergißt: der hegt tot im Sarge der Vergessenheit für alle Zeiten.
Der Dichter schuf den Begriff des „Kosmos“. Ohne Dantes „Göttliche Komödie“ keine „menschliche Tragödie“. Der Dichter schafft den Mythos, die Legende, den Helden. Aber er kann sie nur meißeln aus einem vorhegenden, edlen Material. Nur aus karrarischem Marmor gelang es Michelangelo, seine Gestalten herauszuschlagen. Kein Feldstein trägt in sich das unerlöste Antlitz einer Venus oder eines Herakles. Im Marmor schon steckt der Wunsch und Wille zur Statue.
Wir leben in einer Zeit des chaotischen Steinbruchs. Die Erdrinde ist gespalten. Erdbeben erschüttern sie. Der Vesuv, der Fushijama und der Stromboli speien Feuer. Aber überall wirft der gebärende Schoß der Erde auch Marmorblöcke auf die Oberfläche, rohe und unbehauene. Die Dichter der Zukunft, vielleicht auch schon der Gegenwart, werden Gesichte und Gedichte aus ihnen gestalten.
In Zürich am Münsterplatz lebt in einem engen möblierten Zimmer ein russischer Emigrant, ein untersetzter Mann von slavisch-mongolischem Typ. Er kneift die Augen immer halb zusammen, ißt für billiges Geld im vegetarischen Restaurant „Kaiser Karl der Große“, zieht sich schlecht und nachlässig an. Er saß jahrelang in sibirischen Gefängnissen, und seine Bibel ist das „Kapital“ von Marx.
Ein Jahr später ist dieser kleine Mann „der rote Zar“.
Riesengroß wächst vom Roten Platz in Moskau aus seine Gestalt ins Heldische, Mythische, Symbolische.
Er ist der Abgott der „Unterdrückten aller Länder“. Millionen, die früher zu Gott beteten, beten zu ihm.
Ein Redakteur eines italienischen sozialistischen Parteiblattes, ein gewisser Benito Mussolini, ehedem ein schüchterner und nicht eben willensstarker Mann, als Oppositioneller oft in Furcht vor dem Gefängnis schwebend, erlebt den italienischen Krieg als „italischen Mythos“. Er begründet den Fascio, den Faszismus und modelt ein ganzes Volk nach seinem neu gewonnenen heroischen Bild.
E. Lawrence, ein junger englischer Privatgelehrter, besonders mit dem Studium des Arabischen beschäftigt, wird vom Ausbruch des Krieges bei seinen Studien unliebsam überrascht. Er ist kein Freund militärischer Ideologie, macht sich im englischen Militärdienst unmöglich und lächerlich, man schiebt ihn nach Arabien ab, mehr um ihn los zu sein — und dieser „Stubenhocker“, dieser Feind des militärischen Schemas, wird einer der größten Heerführer des Weltkrieges, geht in wenigen Monaten in die Legende über, wiegelt die arabischen Stämme gegen die Türken auf, zieht als ungekrönter König von Arabien in Damaskus ein, entzweit sich mit der englischen Regierung, kehrt nach Oxford zurück und beginnt wieder sein früher gewohntes Leben. Da er den Ruhm, der ihm geworden, haßt, flieht er unter einem falschen Namen nach Indien und lebt dort heute, wie man erzählt, als einfacher Soldat.
Der stellungslose griechische Kellner Basil Zaharoff wandelt sich durch starke Willens- und Seelenkräfte in den ehrenwerten englischen Sir Basil Zaharoff, der die gesamte Munitions- und Waffenindustrie der Ententestaaten beherrscht. Er kauft Zeitungen und Spielbanken und finanziert und regt Kriege an, wo immer es ihm möglich ist. Sein Vermögen wird heute auf 30 Millionen Pfund geschätzt.
Lenin, Mussolini, Lawrence, Zaharoff: vier „Helden von heute“: sie leben mitten unter uns, essen, trinken, atmen, denken wie wir.
Aber da meldet sich noch ein fünfter, der merkwürdigste von allen, ein einfacher russischer Bauer, ein gewisser Grigorij Jefimowitsch Rasputin, aus dem Dorfe Pfokowskoje in Sibirien. Er wurde am 16. Dezember 1916 von dem russischen Fürsten Felix Jussupoff, einem der reichsten Aristokraten des zaristischen Rußlands, im Palais Jussupoffs mit Unterstützung des eleganten, scharmanten Großfürsten Dimitrij und mit Hilfe des Dumaabgeordneten Purischkewitsch, des Leutnants Suchotin und des Arztes Lasowert ermordet. Der Fürst hatte sich in das Vertrauen Rasputins eingeschlichen. Er spiegelte dem Frauenliebhaber eine Neigung seiner schönen Gattin Irina zu ihm vor und hatte ihn in sein Haus gelockt unter dem Vorwand, ihm Irina vorzustellen. Rasputin argwöhnte nichts. Er mochte Jussupoff sehr gern. Und er war zweifellos in den jungen, schönen Fürsten Jussupoff auch physiologisch verliebt. Obwohl sehr viele Augenzeugen der „Rasputiniade“, der Epoche, in der Rasputin Rußland „regierte“, noch leben — ist seine Gestalt je länger je mehr von mystischen Nebeln umwallt und legendär geworden. Der Prozeß dieser Legendenbildung kann wohl geklärt und erleuchtet werden — er ist aber, wie alle Legendenbildungen, nicht mehr rückgängig zu machen.
In diesem Sinne wird auch Jussupoffs hier vorliegendes Buch (falls es sich nebenbei auch diese Aufgabe stellte), nichts mehr ausrichten können „wider ihn“.
Mag Rasputin moralisch und intellektuell gewesen sein wie er wolle und wer er wolle: die Gewalt seiner Persönlichkeit war so stark, daß sie mythenbildende Kraft in sich trug. Die Zahl der über Rasputin erschienenen Bücher geht schon heute in die Hunderte. Sie teilen sich in pro- und kontra-rasputinsche. Die letzteren sind in der Überzahl. Die Tochter Rasputins („Die Wahrheit über Rasputin“, Verlag Altrußland, Hamburg), die Hofdame Anna Wyrubowa („Glanz und Untergang der Romanows“, Amalthea-Verlag, Wien 1926), heben ihn in ihren Schriften in den Himmel, während ihn Almasoff („Rasputin und Rußland“, Amalthea-Verlag, Wien 1923), 0. v. Taube („Rasputin“, C. H. Beck, München 1923; prozaristisch und antibolschewistisch) und Fürst Jussupoff in seinen hier vorliegenden Memoiren mehr einen Platz in der Hölle anweisen möchten. Eine Mittelstellung nimmt Rene Fülöp-Miller in seiner Rasputin-Apologie „Der Heilige Teufel“ ein (Grethlein, Leipzig 1927), die sich wie ein Roman liest und eines der legendenbildendsten Bücher über Rasputin werden wird.
Joseph Kessel hat ihn zum Helden eines Romans ausersehen: „Les rois aveugles“ (Paris 1925, Editions de France). Zwei Rasputinfilme sind in Vorbereitung, darunter einer vom Schreiber dieser Zeilen bei der Metro-Goldwyn. Lon Chaney spielt hier den Rasputin. A. Tolstoi hat ein Dokumentendrama „Rasputin“ verfaßt, das Piscator in seinem Berliner Theater erfolgreich aufführte. Wegener war ein überzeugender Rasputin, und Edthofer wurde als Fürst Jussupoff von diesem in persona applaudiert, denn er saß unten im Zuschauerraum und sah sich noch einmal morden. Wie hart sich im Räume Rasputin die Gedanken und Meinungen stoßen, dafür nur ein charakteristisches Beispiel: Anna Wyrubowa schreibt:
„Ich bezeuge vor Gott dem Allmächtigen, daß ich während aller der Jahre meiner Bekanntschaft mit Rasputin niemals etwas Unwürdiges an ihm wahrgenommen oder von Augenzeugen gehört habe. Ich glaube, daß keine Frau, nicht einmal die skrupelloseste, jemals in Verführung gekommen wäre, sich zum Gegenstand seiner Lüste zu machen. Geduldig hörte er die Damen an, stets bestrebt, sie von sündigen Handlungen abzuhalten, wo er glaubte, solche voraussetzen zu können.“
Die Protokolle der geheimen Überwachung Rasputins (Staatsarchiv Moskau, abgedruckt bei Fülöp-Miller) bezeugen, wenn auch nicht vor Gott dem Allmächtigen:
„In der Nacht vom 17. auf den 18. Januar hat Marja Gill, die Gattin des Hauptmanns vom 145. Regiment, bei Rasputin geschlafen. In der Nacht vom 25. auf den 26. November hat die Schauspielerin Warwara bei Rasputin geschlafen.
21. März. Rasputin fuhr in das große Nordhotel zu der Kurtisane Eugenia Terechowa, wo er zwei Stunden lang blieb.
21. Mai. Rasputin ist mit der Prostituierten Gregubowa in dem Automobil des Kaufmanns Mandels nach Hause gekommen. Er war total betrunken.“
Es muß bemerkt werden, daß alle diese Bücher, wo sie Dokumente, selbsterlebte Gespräche, Bilder vermitteln, bedeutungsvoll und lehrreich sind. Das gilt in hervorragendem Maße von den Erinnerungen des Fürsten Jussupoff, soweit sie Berichte des tatsächlich Erlebten sind. Sobald sie eine eigene Meinung, eine Kritik von Zuständen und Menschen zu äußern beginnen, werden sie flach, banal und überzeugen wenig. Ja, die Gespräche Rasputins, die Jussupoff zitiert, sind so originell und stark geformt, daß sie sich gegen Jussupoffs eigene Auslegung wenden. Er will ihn beispielsweise zu einem Verräter an der Sache Rußlands stempeln, zu einem deutschen Spion, — und Rasputin erweist sich in den Gesprächen über den Frieden als kluger und einsichtiger Kopf, der die Realität aus seinem einfachen Bauernschädel klarer und besser erschaute als der in den Kasten- und Rassenvorurteilen seiner Gesellschaft befangene dekadente Fürst. Die Motivierungen, die Jussupoff für seinen Mord an Rasputin suchte, stehen für einen Nichtan-gehörigen des Verbandes allrussischer Leute auf schwankendem Boden. Er, Rasputin, soll an dem Zusammenbruch der Front schuld sein, soll daran schuld sein, daß die russischen Soldaten mit Knüppeln schössen und auf Pappsohlen marschierten ? Und wenn man ihn umbringt, dann wird „der Sieg“ plötzlich da sein ? —
Fülöp-Miller will den Mord Jussupoffs an Rasputin vor allem mit der „ästhetischen Langeweile“ des jungen Fürsten erklären, der, einer der schönsten Männer Petersburgs und eines Dorian-Gray-Schicksals nicht unverdächtig, mit Rasputin Katze und Maus, Tod und Leben spielen wollte. Ich möchte diese Argumentation für falsch halten. Die Motive, die Jussupoff für seinen Mord aufbrachte, sind dumm, der Horizont, in dem er Rußlands Geschichte sah, sehr beschränkt: aber haben unsere Rathenau- und Erzberger-Mörder bessere und klügere Motive gehabt? Es kommt darauf an, ob Jussupoff an die idealen Beweggründe seiner Tat glaubte — und diesen Glauben kann man ihm nicht abstreiten. Ebensowenig wie ein nicht gewöhnliches schriftstellerisches Talent. Freilich, wie er den Mord ausführte, das ist nur aus der grenzenlosen Verachtung des russischen Aristokraten für den Dreck von Muschik begreifbar. Dieser Rasputin war kein Mensch. Er war ihm gefühlsmäßig nicht mehr als eine Laus, die er zerdrückte. (So ähnlich spricht auch der Mörder Raskolnikow bei Dostojewsky von der Frau, die er tötet.) Die Gestalt des Bauern Rasputin, der als Wanderprediger, als Staretz, als „heiliger Mann“ an den Zarenhof kam, Zar und Zarin mit seiner faszinierenden Persönlichkeit beherrschte und die Frauen sich leiblich und seelisch hörig machte: dieser Rasputin ist, neben Lenin, zu einer gleichnishaften Gestalt des heutigen Rußlands geworden, wie es zu ihrer Zeit Iwan der Schreckliche und Peter der Große waren. Er trug die größten Gegensätze in sich. Er war ein Erotomane und ein guter Familienvater.
Er war ein frommer und ein lasziver Mensch. Er war sehr gutmütig und immer hilfsbereit. Er war „dumm“ und — sehr klug. Er war ungebildet — aber er „bildete“ sich und andern seine Welt „ein“. Er besaß ungewöhnliche Willenskräfte, und selbst ein Paleologue, Zar, Zarin und auch Jussupoff, wie er ja selbst zugibt, hatten Mühe, sich in seiner Nähe zu behaupten, wenn er seinen suggestiven Willen spielen ließ.
Er verfügte über starke hypnotische und magnetische Heilkräfte, die besonders auf den kranken Thronfolger lindernd wirkten.
Er hatte innen- und außenpolitisch die Kardinalpunkte der russischen Politik durchaus richtig erkannt:
Er riet dem Zaren immer wieder, die Agrarfrage in einer den Bauern günstigen Form zu lösen. Und er warnte den Zaren vor dem Kriege und hat dessen düsteren Ausgang oft prophezeit. Den allrussischen Leuten (zu denen Jussupoff gehörte), der Entente-Clique, dem englischen und französischen Botschafter in Petersburg mußte Rasputin darum ein Dorn im Auge sein. Aber seine Ermordung begossen bei Sekt und Wein nur die „vornehmen“ Leute. Das einfache Volk hatte sich ihm immer verbunden gefühlt. Er hatte — alles in allem — doch ihre Sache verfochten. Die Sache des Friedens, die Sache der Bauern, die Land wollten — und ihre Ruhe. Dostojewsky hatte einmal prophezeit, es werde ein einfacher Muschik kommen, ganz unten aus dem Volk, der werde bis an den Zarenthron gelangen und das Ohr des Zaren haben.
Nun, war das nicht Rasputin gewesen? Jetzt hatten ihn die „feinen Leute“ umgebracht, weil er einer „von unten“ gewesen war. Aber die Sache ging anders aus, als der Mörder es sich vorgestellt.
Die Arbeiter, Bauern, Matrosen machten ihrerseits mit „denen oben“ Schluß.
Die Ermordung Rasputins gab den Auftakt zur russischen Revolution.
Und das hatte Fürst Jussupoff doch nicht gewollt. Jetzt sollten er und all die andern „vornehmen“ Leute all ihr Hab und Gut und Macht und Einfluß verlieren.
Und er, Fürst Jussupoff, hatte die erste Brandfackel in sein eigenes Haus geschleudert.
Klabund
NACHWORT
Ich hatte das Vorwort kaum niedergeschrieben, als ich das neueste Heft der in Paris erscheinenden „Sowremennya Sapiski“ las. Hier berichtet Maklakow, wie Fürst Jussupoff ihn besuchte und ihm seinen Plan der Ermordung Rasputins unterbreitete. Maklakow, Anwalt, auf dem rechten Flügel der Kadetten stehend, versucht dem Fürsten vom Standpunkt eines klugen Reaktionärs aus die politische Aussichtslosigkeit einer Ermordung Rasputins darzustellen. Jussupoff wollte durch Maklakow Verbindung zu den „Revolutionären“ bekommen, denn da Maklakow ein „Oppositioneller“ war, mußte er ja wohl zu ihnen Beziehungen haben. Der Fürst wollte die „Revolutionäre“ zu einem Attentat auf Rasputin ermutigen.
Maklakow erwiderte ihm, daß die „Revolutionäre“ kein Interesse daran haben würden, Rasputin zu beseitigen, denn der lebende Rasputin arbeite ja durch die Kompromittierung des Hauses Romanow für sie. Jussupoff fragte, ob man nicht jemand für Geld dingen könne, Rasputin umzubringen. Er würde das Geld dazu hergeben. Maklakow meinte, ein gekauftes Subjekt wäre eine unsichere Sache. Es würde sich für den Mord bezahlen lassen — aber nicht morden. Maklakow war nicht für die Ermordung Rasputins, aber wenn sie nach dem Plan des fanatisierten Jussupoff nicht mehr aufzuhalten sei, so wolle er ihn mit gutem Rat unterstützen. Vor allem gab Maklakow den Rat, Jussupoff und seiner Mitverschworenen Namen (Großfürst Dimitrij!) dürften im Volk nicht bekanntwerden. Es würde eine revolutionäre Strömung auslösen, wenn das Volk sehe, daß ein Großfürst und ein Fürst wider den Zaren aufständen. Wenn die sich das erlaubten — was würde sich erst das Volk erlauben! Jussupoff stimmte Maklakow zu.
Aber seine Mitverschworenen hielten nicht reinen Mund. Purischkewitsch vor allem rühmte sich in der Duma ganz offen seiner Mitschuld an Rasputins Mord — vor einer Versammlung von Journalisten.
Es geht jedenfalls aus diesen Erzählungen Maklakows hervor, daß der Vorwurf, Jussupoff habe seinerzeit seine Täterschaft aus Feigheit geleugnet, nicht aufrechterhalten werden kann.
Er leugnete sie aus „staatspolitischen Gründen“, die ihm Maklakow eingeblasen hatte.
Maklakow hätte besser getan, ihm den Mord überhaupt auszureden.
Aber dazu war er wohl nicht stark — und seiner eigenen Sache nicht sicher genug.
Klabund