Politische Kräfte im Kreis von 1919 – 1932

Mehrere national-bürgerliche Gruppen – SPD und KPD erhielten etwa ein Drittel der Stimmen

Der einstige Braschener Lehrer und langjährige Vorsitzende der SPD-Fraktion des Crossener Kreistages, Franz Röster, bewahrte die Zeitungsseiten auf, die die örtlichen Ergebnisse der Wahlen der Jahre 1925 bis 1932 der Öffentlichkeit bekannt machten.

Durch Ablichtung seines schrift­lichen Nachlasses kam vor kurzem die Re­daktion der „Heimatgrüße“ in den Besitz der Unterlagen. Sie wertete diese aus und beginnt hiermit eine Artikelserie, die die kommunalpolitischen Verhältnisse wäh­rend der Jahre der Weimarer Republik dar­stellt. Der Redakteur ist überzeugt, damit einen wichtigen Beitrag zur lokalen Geschichtsschreibung zu leisten, gibt es doch bislang keine erhaltenen Veröffentlichun­gen über die Ergebnisse der Stadt- und Gemeindewahlen nach dem 1, Wellkrieg

Soweit bekannt wählten die Einwoh­ner des. Kreises Crossen in den Jahren der Weimarer Republik viermal ihren Kreistag: am 2. März 1919, am 20. Fe­bruar 1921, am 30. November 1925 und am 17. November 1929. Die demokrati­sche Zeit begann mit dem Abgang des letzten königlich-preußischen Landrats von Gottberg zum 1. April 1919. Bis ge­gen Ende des ersten Nachkriegsjahres führte die Geschäfte der Kreisverwaltung kommissarisch der Assessor Dr. Schoenkaes. Dann ernannte die Regie­rung den neuen Landrat von Abel, von dem es bis zu seiner Abberufung anno 1933 hieß, dass er der SPD nahestand. Der Landrat war damals Staatsbeamter und wurde nicht irgendwie am Ort gewählt.

Von den ersten beiden Kreistags wäh­len nach dem 1. Weltkrieg liegen der Re­daktion bislang keine Ergebnisse vor. Die Publikationen über die Ergebnisse der dritten Wahl Ende November 1925 geben jedoch Hinweise, dass die politi­sche Zusammensetzung des Kreisparlaments mindestens in den drei Perioden ab Februar 1921 sehr ähnlich aussah. Es stand damals fortlaufend einer bürger­lich-nationalen Mehrheit, getragen von etwa 60 % der Kreisbevölkerung, eine im wesentlichen sozialdemokratische Opposition gegenüber, deren Basis ein gutes Drittel der Wählerstimmen war. Die kleine Restgruppe ist nach den vor­liegenden Unterlagen hinsichtlich ihrer politischen Ziele schwer einzuordnen. Vermutlich nahm sie eine Mittelstellung ein. Ein Rechtsradikalismus tauchte in Gestalt der NSDAP erst 1929 auf.

Das bürgerliche Lager bestand im Wesentlichen aus drei Gruppierungen, de­ren Repräsentanten wohl durchweg überörtlich zur Deutschnationalen oder zur Deutschen Volkspartei (DNVP und DVP) hinneigten. Es waren dies die Ein­heitsliste Sommerfeld-Crossen, die ländliche Gruppierung um den Bobersberger Bürgermeister Meyerdierks so­wie der Landbund.

Auf dem Wahlvorschlag der Einheits­liste Sommerfeld-Crossen standen je­weils nur Namen von Bürgern der bei­den genannten Städte. Bei den Sommer­feldern nahm 1925 Bürgermeister Dr. Busch, 1929 sein Nachfolger Dr. Georg Schultze den 1, Platz ein. An 2. Stelle folgte in beiden Perioden der städtische Beamte Richard Peterk. Ansonsten fin­den sich Fabrikanten, Kaufleute. Handwerker und Beamte auf der Liste. Bei­spiele: Fabrikant Wilhelm Gattel, Zie­geleibesitzer Wirsig, die Kaufleute Domagk undGeorg Förster, Schmiedemeister Zimmermann, Elektromeister Kahl, Konrektor Dachs, Lehrer Groß­mann, Bahninspektor Buchund Bahn­assistent Büttner. Crossener Spitzen­kandidaten waren sowohl 1925 als auch 1929 der Bürgermeister Franz Küntzel und der Kaufmann Max Kloß. Im Übrigen wechselten die Namen der kandidie­renden Oderstädter genauso wie die der Sommerfelder, Nur 1925 kandidierte Fabrikbesitzer Hegel, der in der Folge eine führende Rolle spielte, Von den Handwerkern engagierten sich Bäcker Leschke, Friseur Hiecke, Schmiedemeister Otto Schätze, Fischermeister Hermann Horlitz und Uhrmacher Wil­helm Rondke. Von den Beamten ließen sieh Postamtmann Riese, Kreisamtmann Schnecke und Katasterdirektor Karl Degenhardt auf die Städterliste set­zen. Von den Lehrern tauchten dort Paul Kupke und Hermann Karg auf.

Auch „Tageblatt „Geschäftsführer“ Fritz Wagner war 1925 Kandidat.

Die Beamten. Angestellten und Handwerker sowie einzelne Bauern aus Bobersberg und den Dörfern kürten vor beiden Wahlen den Bobersberger Bür­germeister Heinrich Meyerdierks zu ih­rem Spitzenkandidaten. Sie nannten ihren Wahlvorschlag 1925 „Bürgerblock““ und 1929 „Heimatliste Meyerdierks“ Neben dem Verwaltungschef der klei­nen Stadt traten bei beiden Wahlen der Landwirt Salle (Leitersdorf), der Schmied Franz Otto (Schonfeld) und der Kaufmann Adolf Bügler (Bobersberg) an. Ansonsten finden wir u.a. 1925 Schmiedemeister Otto (Schönfeld). Mühlenbesitzer Stühn (Kossar). Ge­meindevorsteher Pehnke (Göhren). Kantor Reinhart (Tornow) und Amtsvorsteher Richter (Merzwiese) sowie 1929 Tischler Kubale (Deutsch-Nettkow). Lehrer Hemmerling (Tschaus­dorf). Bauer Paul Oerlach (Dobersaul). Schmied Poefke (Brankow) und Pfarrer Gerharid Koch fPlau) auf dieser Vor­schlagsliste.

Beim Landbund, der ab 1919 auch überörtlich wirkte und dabei der größte wtrtschaftspolitische Verband der deutschen Landwirtschaft war. gaben in der Kreiskommunalpolitik über die Wahl­perioden hinweg die Bauern August Noack (Preichow) und Paul Wishöth (Göhren), der Crossener Stadtförster Willi Streese (Tschausdorf) sowie Gutsbesitzer Freiherr von Kottwitz (Kossar) den Ton an.

Ab 1929 spielte hierbei auch der Alt-Rehfelder Bauer Carl Malke eine große Rolle. Weiter kandidierten auf dieser Liste u. a, der Pommerziger Amtsvorsteher Schwulke. die Gutsbe­sitzer bzw –Pächter Fournier (Lochwitz) und Sehendel (Beutnitz), der Mühlenbe­sitzer Berget (Neuendorf) und der Schiffseigner Beerfelde (Messow).

In ihrer politischen Zielsetzung weni­ger leicht einzuordnen als die vorste­hend beschriebenen drei Wahlgemeinschaften war eine vierte kleinere Grup­pierung. Sie nannte sich 1925 „Schaffen­de Landbevölkerung“ und 1929 „Mitte“ Sie soll laut „Crossener Tageblatt“, was die Zielsetzung anbetrifft, in beiden Pe­rioden ..teilweise identisch“ gewesen sein. Für sie kandidierten 1925 u. a. Schiffer Türk (Messow), Gemeindevor­steher Noske (Groß-Blumberg), Ge­meindevorsteher Ouoos (Tammen­dorf), Landwirt Schnell (Neuendorf), Gemeindevorsteher Mertke (Güntersbergl, Fleischermeister Ehrlich (Räd­nitz) und Gemeindevorsteher Sturz (Pollenzig). 1929 standen nur noch der Landwirt Hermann Slurtz (Pollenzig). der Schmied Wilhelm Lehmann (Kurtschow). der Häusler Paul Klüger (Mes­sow) und der Bauer Wilhelm Redlich (Klebow) auf der Vorschlagsliste. Gut wäre es. wenn Leser berichteten, wel­chen politischen Hintergrund diese Männer hatten.

Eindeutig der Reichspartei des deut­schen Mittelstandes (Wirtschaftspartei) nahe standen jene Stadt-Crossener und Dörfler, die nur 1929 unter der Bezeich­nung „Mittelstand“ kandidierten, einen relativen Erfolg errangen und sich auf ei­ner politischen Linie in der Mitte zwi­schen den Extremen bewegten. An ihrer Spitze standen zwei Crossener, der Landwirt Albrecht Bußwitz und der Drogist Oskar Römisch. Weiter zählten u.a. Bauer Richard Gabel (Dobersaul). Tischler Max Rüdnitz (Güntersberg). Ofensetzer Wilhelm Sturm (Bobersberg). Bauunternehmer Hermann Au­gustin (Groß-Blumberg), Gastwirt Paul Klein (Pfeifferhahn) und Amtsvorsteher August Schulz (Deutsch-Nettkow) zu dieser Gruppe.

Wer die Sozialdemokraten und Kom­munisten im Kreis Crossen repräsentierte und wo diese Parteien ihre lokalen „Hochburgen“ hatten, das soll in einem späteren Artikel dargestellt werden. Der Vollständigkeit halber sei lediglich noch erwähnt, dass es 1925 zusätzlich eine Liste „Deutscher Bauernbund“ gab und dass 1929 auch die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sowie eine Vereinigung der mittleren und kleinen Landwirte zur Kreistagswahl antraten. Auf diese Listen entfie­len aber nur so wenige Stimmen, dass sie bei der Mandatsverteilung unberücksichtigt blieben.