Pharmazeutische Zeitung Dr. Alfred Henschke

Pharmazeutische Zeitung 

  1. Jahrgang – Berlin, Mittwoch 31. März 1926 – Nr. 26

Dr. Alfred Henschke

Am 1. April werden es 50 Jahre, daß „unser Henschke“, Herr Dr. Alfred Henschke in Crossen a. d. O. die Apothekerlaufbahn begann. Was der Jüngling sich damals vorgesetzt: ein tüchtiger und ganzer Mann zu werden und seinen Beruf im Dienste des all­gemeinen Wohles auszuüben, das hat er in vollkommener Weise aus­geführt.

Alfred Henschke wurde am 1. März 1858 in Lebus, Rbz. Frankfurt a. d. 0., als Sohn des Apothekenbesitzers H. Henschke geboren. Er besuchte dort zwei Jahre lang die Volksschule, dann, als sein Vater 1866 die Adler-Apotheke in Frankfurt a. d. Oder erwarb, das Realgymnasium, wo er bis zum 1. April 1876 blieb. Er trat dann als Lehr­ling in die väterliche Apotheke und bestand 1879 die Vorprüfung mit I. Von 1879-81 war er in den Apotheken in Gottesberg, Schlesien, Oherlahnstein a. Rhein und Kon­stanz a. Bodensee tätig, und zwar bis zum 1. März 1882, und ging dann zum Studium nach Halle. Hier interessierte sich Prof. Ernst Schmidt, der zu jener Zeit außerordentlicher Professor der Pharmazie war, von Anfang an für den jungen, strebsamen Studenten. Nachdem A. Henschke das Staatsexamen mit I bestanden und bereits wieder in einer Berliner Apotheke tätig war, berief ihn Prof. Ernst Schmidt, der 1884 nach Marburg als Direktor des pharmazeutischen Instituts übergesiedelt war, als Assistent nach Mar­burg. In dieser Stellung verblieb er bis zum Jahre 1888 und hielt in seiner freien Zeit für die Kandidaten der Pharmazie mit gu­tem Erfolg Repetitorien ab. 1887 promo­vierte er in Erlangen mit einer Arbeit über „Chelidonin, Chelerethyrin, Sanguinarin“. Am 1. April 1888 erwarb er die Adler-Apo­theke in Crossen a. d. Oder, die er noch heute besitzt. Er ist verheiratet mit Antonie Buchenau, Tochter des früheren Gymasialdirektors Geheimrat Buchenau in Mar­burg. Der Ehe sind zwei Söhne entsprossen. Der ältere, Alfred Henschke, ist der vielen Lesern der Pharm. Zeitung sicher wohl bekannte Schriftsteller und Lyriker Klabund. Der jüngere Sohn hat das Fach des Vaters gewählt und ist nach bestandenem Staatsexamen bereits in die väterliche Apotheke eingetreten, um sie dereinst selbst zu übernehmen.

Die Bürger der Stadt erkannten bald das große Interesse, wel­ches A. Henschke für das Allgemeinwohl besaß, ebenso sein organisatorisches Talent, und schon 1893 berief ihn das Vertrauen seiner Mitbürger in den Magistrat. Er organisierte die freiwillige Feuerwehr, die Sanitätskolonne und andere Wohlfahrtseinrichtun­gen. Er wurde nach wenigen Jahren zum Beigeordneten der Stadt gewählt und, daß er nebenbei seine Apotheke mustergültig verwal­tete, erkannte die Regierung mehrfach an, und bewies dies auch dadurch, daß sie ihn im Jahre 1901 zum Pharmazeutischen Bevollmächtigten ernannte. Im Jahre 1904 wurde er als Mitglied in die Apothekerkammer gewählt und im Jahre 1909 als Sachverständiger in Apothekenangelegenheiten   beim Landgericht Guben vereidigt.

Durch seine Tätigkeit im Fach ist er wohl einem großen Teil der Kollegen des Rbz. Frankfurt bekannt geworden.

Als der Krieg im Jahre 1914 ausbrach, übernahm Dr. Henschke die Verwaltung der Stadt Crossen, da der Bürger­meister schon am 2. Tage nach der Mobilmachung zum Heeres­dienst eingezogen wurde. 7 Jahre lang hatte Dr. Henschke den Posten des Bürgermeisters ehrenamtlich inne. Wie hoch seine Arbeit im Dienste der Stadt anerkannt wurde, beweisen wohl die Dankesworte des Landrates und eines Sprechers der Stadt, als bei der Einführung des neuen Bürgermeisters diese aussprachen, daß die Stadt Crossen un­auslöschlichen Dank ihm schulde, da er in 7 Jahren unter den schwierigsten Verhältnissen sein Amt ohne Entgelt verwaltet hätte. Sein Name werde daher nie in Vergessenheit geraten. Für seine kommunale und soziale Tätigkeit wurden ihm der Rote Adlerorden, das Kriegsverdienstkreuz, die Rote-Kreuz-Medaille, die Medaille für Ver­dienste um das Feuerlöschwesen verliehen. Im Jahre 1922 erklärte er dem Magistrat, daß er das Amt des Beigeordneten niederlegen wolle, behielt aber auf allgemeinen Wunsch der Behörde das Amt, das er noch heute inne­hat. In Anerkennung seiner großen Ver­dienste ernannte ihn die Stadt einmütig zum Ehrenbürger und überreichte ihm im März 1922 den Ehrenbürgerbrief.

Wir Kollegen seines Heimatbezirkes Frankfurt a. O. aber schätzen nicht nur den verdienstvollen Mann, sondern verehren und lieben ihn als treuen Freund und Berater und wünschen von Herzen, daß er uns noch lange Jahre als solcher in Frische und Ge­sundheit erhalten bleiben möge!

Es mag anschließend noch darauf hingewiesen werden, daß der Apothekerstand
dem Dichtersohne Henschkes für eine der schönsten Apothekergestalten der deutschen Literatur dankbar sein darf. In der Erzählung „Die Krankheit“ läßt Henschke-Klabund einen Apotheker auftreten, dessen gütige Menschlichkeit und Zartheit, dessen Verinnerlichung und ästhetische Neigungen im deutschen Schrifttum nur ein einziges pharmazeutisches Gegenstück haben, den „Alfonso Gieshübler“ in der „Effi Briest“ eines anderen, gleichfalls aus einem Apothekerhause stammenden Literaten, des Apothekers, Apothekersohnes und Dichters Theodor Fontane (s. Pharm. Ztg. 1923, Nr. 102). Den Namen Henschke als solchen aber, und zwar im Zusammenhange mit dem Apothekerberuf sowohl wie mit Crossen a. d. Oder verewigt eine andere Apothekergestalt aus der modernen deutschen Literatur. Bruno Frank hat in seinem in Pharm. Ztg. 1924, Nr. 46 besprochenen Roman „Die Favoritin“, dem er neuerdings den Titel „Die letzten Tage eines Königs“ gegeben hat, einen Apotheker Henschke aus Crossen a. d. 0. geschildert, dessen klare, männliche und bestimmte Art, dessen Pflichtgefühl und Wahrheitsliebe er in einem Zwiegespräch mit dem gealterten und misstrauischen großen Friedrich so prachtvoll zutage treten läßt, daß man fast der Ansicht sein könnte, er habe den lebenden Träger dieses Namens und Berufes gekannt und den Apotheker seiner Phantasie diesem Vorbilde nachgezeichnet.