Die deutsche Revolution hat im Jahre 1918 im Saale stattgefunden.
Das, was sich damals abgespielt hat, ist keine Revolution gewesen: keine geistige Vorbereitung war da, keine Führer standen sprungbereit im Dunkel; keine revolutionären Ziele sind vorhanden gewesen. Die Mutter dieser Revolution war die Sehnsucht der Soldaten, zu Weihnachten nach Hause zu kommen. Und Müdigkeit, Ekel und Müdigkeit.
Die Möglichkeiten, die trotzdem auf der Straße gelegen haben, sind von Ebert und den Seinen verraten worden. Fritz Ebert, den man nicht dadurch zu einer Persönlichkeit steigern kann, dass man ihn Friedrich nennt, ist solange gegen die Errichtung einer Republik gewesen, als er nicht merkte, dass hier ein Posten als Vorsitzender zu holen war; der Genosse Scheidemann è tutti quanti sind verhinderte Regierungsräte gewesen.
Weisen wir auf diesen Verrat an der eigenen Klasse hin, so wird uns ununterbrochen versichert, Ebert habe keine silbernen Löffel gestohlen. Wenn man so unbegabt ist, hat man ehrlich zu sein – das wäre ja noch schöner!
Es ist auch nicht richtig, dass damals nichts zu machen gewesen ist. Die SPD hat nicht gewollt, weil sie keinen Mut, keine Charakterstärke, keine Tradition mehr hatte – wer vier Jahre hindurch Kriegskredite bewilligen mußte, konnte das freilich nicht mehr haben.
Folgende Möglichkeiten sind damals ausgelassen worden:
Zerschlagung der Bundesstaaten;
Aufteilung des Großgrundbesitzes;
Revolutionäre Sozialisierung der Industrie;
Personalreform der Verwaltung und der Justiz.
Eine republikanische Verfassung, die in jedem Satz den nächsten aufhebt, eine Revolution, die von wohlerworbenen Rechten des Beamten des alten Regimes spricht, sind wert, dass sie ausgelacht werden.
Die deutsche Revolution steht noch aus.
Bereiten wir sie gegen alle jene Parteien vor, die ein wirtschaftliches oder ideologisches Interesse haben, sie zu verhindern – die gefährlicheren unter ihnen sind die, die so tun als ob – und die unter alten Flaggen neue, aber verfaulte Ware verkaufen: überaltert, feige, verlogen und seelisch korrupt.
Gesetze fallen nicht vom Himmel. Erst, wenn dem Deutschen die revolutionäre Idee über das Gesetz, über die Bestimmung und über seine eigene Wichtigkeit geht, werden wir einen 9. November erleben, der keinen Noske, keinen Ludendorff und keinen Otto Wels übrig läßt. Nieder mit den lebenden Leichnamen!
Es lebe die Revolution!
Ignaz Wrobel
„Die Schwarze Fahne“, 1928, Nr. 44.