Aus Wikipedia:
„… geboren am 20. Juni 1887 in Hannover; gestorben am 8. Januar 1948 in Kendal, Cumbria, England) war ein deutscher Künstler, Maler, Dichter, Raumkünstler und Werbegrafiker, der unter dem Kennwort Merz ein dadaistisches „Gesamtweltbild“ entwickelte. Seine Werke umfassen die Stilrichtungen Konstruktivismus, Surrealismus und Dadaismus, dem sie aber nur durch Gegensätzlichkeit ähnlich waren. Aus heutiger Sicht zählt Schwitters zu den einflussreichsten Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts.
Leben und Wirken
Kurt Schwitters wurde als Sohn des Ehepaares Eduard und Henriette Schwitters (geb. Beckemeyer) in Hannover als Hausgeburt im Erdgeschoss der Rumannstraße 2, dem Gebäude mit der heutigen Hausnummer 8, geboren. Sein Vater war Mitbesitzer eines Damenkonfektionsgeschäfts, das er 1898 verkaufte. Den Erlös investierte er in einige Mietshäuser. 1893 zog Familie Schwitters in die Waldstraße (später umbenannt in Waldhausenstraße) in Döhren (Hannover). Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Hannover machte Kurt im Jahr 1908 das Abitur und studierte für kurze Zeit an der Kunstgewerbeschule Hannover. Nach konventionellen impressionistischen und expressionistischen Anfängen als Schüler Carl Bantzers im Sommer 1909 in der Willingshäuser Malerkolonie belegte Schwitters bis 1914 Kurse bei Carl Bantzer und anderen Professoren, wie beispielsweise Emanuel Hegenbarth, die an der Königlich Sächsischen Akademie der Künste in Dresden lehrten. Den künstlerischen Umbruch in dieser Zeit, der sich im italienischen Futurismus, im französischen Kubismus, im Blauen Reiter sowie in der bereits 1905 gegründeten Künstlergruppe Brücke ausdrückte, nahm er damals noch kaum wahr.
Nach dem Studium heiratete Schwitters 1915 Helma Fischer. Zum Militärdienst im Ersten Weltkrieg wurde er im März 1917 eingezogen und wegen seines labilen Gesundheitszustands – er litt an Epilepsie und neigte zu Depressionen – bereits im Juni wieder entlassen. Bis zum November 1918 wurde er zur Arbeit als technischer Zeichner in einem Eisenwerk verpflichtet. Am 9. September 1916 wurde sein erster Sohn Gerd geboren, der aber wenige Tage später, am 17. September 1916, verstarb. Sein zweiter Sohn Ernst wurde am 16. November 1918 geboren. Ebenfalls 1918 lernte er Herwarth Walden kennen und hatte seine erste Ausstellung in dessen Galerie „Der Sturm“ in Berlin, wo er nach einer verkürzten Rekapitulation des Kubismus und Expressionismus 1919 das erste „MERZ-Bild“ zeigte. Weitere Künstler, die dort ausstellten, waren Paul Klee, Johannes Molzahn und Magda Langenstraß-Uhlig. Bis 1919 studierte er zwei Semester Architektur in Hannover.
Schwitters engagierte sich kaum politisch, wenn er auch mit der 1918 gegründeten Novembergruppe, einer radikalen Künstlergruppe, sympathisierte. Da ihm eine derartige Festlegung fremd war, stieß er bei der politisch beeinflussten Berliner Dadaistengruppe auf Ablehnung. Besonders Richard Huelsenbeck setzte sich mit Schwitters negativ auseinander und nannte ihn später in seiner Schrift Dada und Existentialismus „ein Genie im Bratenrock“ oder den „Kaspar David Friedrich der dadaistischen Revolution.“ Allerdings waren die Beziehungen zwischen Huelsenbeck und Schwitters zuerst freundschaftlich. Beim ersten Treffen im Frühjahr 1919 war Huelsenbeck begeistert von Schwitters‘ Arbeiten und bot seine Unterstützung an; gleichzeitig versprach Schwitters, einen Verleger für Huelsenbecks Dadapublikationen zu finden. Huelsenbeck besuchte Schwitters Ende 1919 und bekam als Geschenk eine Lithographie, die er sein Leben lang behielt. Das Verhältnis war allerdings jetzt gespannt, obwohl Huelsenbeck Januar 1920 einen versöhnlichen Brief schrieb: „Sie wissen, dass ich Ihnen durchaus freundlich gegenüber stehe. Ich finde auch, dass der gewisse Gegensatz, den Sie und ich zwischen unseren Tendenzen feststellen konnten, uns nicht hindern dürfte, gemeinsam gegen den gemeinsamen Feind, Bourgeoisie und Banausentum, vorzugehen“. Erst Mitte 1920 fing der Streit an, wahrscheinlich wegen Unstimmigkeiten bezüglich Schwitters‘ geplantem Beitrag zu Huelsenbecks (nie erschienenem) Dada Atlas Dadaco. Es ist zudem sehr unwahrscheinlich, dass Schwitters sich der Berliner Dadabewegung anschließen wollte, da er unter Vertrag zu Herwarth Waldens Der Sturm stand; er suchte eher eine Gelegenheit, seine Merzbilder auszustellen.
Da Schwitters erste Kontakte sowohl mit Berlin Dada als auch mit Zürich Dada explizit seine Merzbilder erwähnen, gibt es keinen Grund für die weitverbreitete Meinung, dass die Ablehnung der Dadaisten Schwitters ermutigte, seine eigene Merzbewegung zu erfinden.
Schwitters wurde auf jeden Fall 1920 nicht zur Ersten Internationalen Dada-Messe in Berlin zugelassen. Er arbeitete jedoch mit den Dadaisten Hans Arp, Raoul Hausmann, Hannah Höch und Tristan Tzara zusammen, war Initiator der Bewegung von Dada Hannover und eröffnete seine eigene MERZ-Schriftenreihe mit einer Dada-Nummer, dem Holland Dada. Schwitters sah im Gegensatz zu den Dadaisten, die Kunst ablehnten, seine Merz-Kunst als Kunst an und verteidigte Merz als einen „absolut individuellen Hut, der nur auf einen einzigen Kopf paßte,“ – auf seinen eigenen.
Mit Merz bezeichnete Schwitters seine Technik, aus Zeitungsausschnitten, Reklame und Abfall Collagen zu erstellen. Als Gegenprojekt zu dem eher destruktiven Dadaismus sollten diese seit 1919 entstandenen Bilder und Skulpturen für einen Wiederaufbau stehen, was Schwitters in die Nähe des Konstruktivismus rückt. Der Begriff „Merz“ entstand bei einer Collage aus einer Anzeige der „Kommerz und Privatbank“ und evoziert Assoziationen zu „Kommerz“, „ausmerzen“, „Scherz“, „Nerz“, „Herz“ und dem Monat März, der für den Frühlingsanfang steht.
Der Merzbau (eine grottenartige Collage-Raum-Skulptur mit Erinnerungsstücken), an dem Schwitters etwa zwanzig Jahre hauptsächlich in seiner Wohnung im Haus seiner Eltern in der Waldhausenstraße arbeitete, wurde ebenso wie viele seiner Arbeiten bei einem Bombenangriff 1943 zerstört. Eine Rekonstruktion ist im Sprengel Museum Hannover zu besichtigen.
Außer der Zusammenarbeit mit Hans Arp, Hannah Höch und Raoul Hausmann unterhielt Schwitters Kontakte zu Konstruktivisten wie dem Holländer Theo van Doesburg und dem Russen El Lissitzky. 1922 führte Van Doesburg den Dadaismus in den Niederlanden ein und veröffentlichte – unter dem Pseudonym I. K. Bonset – die dadaistische Zeitschrift Mecano. Am 10. Januar 1923 initiierte er mit u. a. Schwitters den „Dada-Feldzug“ in den Niederlanden mit dem ersten Dada-Abend in Den Haag. Die letzte Dada-Soirée fand wiederum mit Schwitters am 13. April im friesischen Drachten statt. In diesem Jahr 1923 endeten die Aktionen des Dadaismus endgültig. Er gab unregelmäßig die Zeitschrift Merz heraus und arbeitete als Werbe- und Gebrauchsgrafiker unter anderem für die Stadt Hannover und den Schreibwarenhersteller Pelikan.
In der Verlagsdruckerei A. Molling & Comp. arbeitete Kurt Schwitters gemeinsam mit der Künstlerin Käthe Steinitz an der Gestaltung seiner Märchen vom Paradies, die er 1925 auch bei Molling drucken ließ. „Im Keller des imposanten Druckereigebäudes [… sammelte er] Fehldrucke für seine Kunstwerke“. Seine bekannteste Arbeit war jedoch die typographische Gestaltung für die Dammerstocksiedlung in Karlsruhe. Um 1928 wurde er Mitglied im Deutschen Werkbund. Den größten Teil seines Lebensunterhaltes sicherten ihm (nach dem Tod des Vaters 1931) Mieteinkünfte aus vier Häusern in Hannover.
1928 initiierte Schwitters die Künstlervereinigung die abstrakten hannover. Am 12. März 1928 trafen sich in seiner Wohnung in der Waldhausenstraße 5 im hannoverschen Stadtteil Waldhausen die weiteren Gründungsmitglieder Hans Nitzschke, Friedel Vordemberge-Gildewart, Karl Buchheister und Rudolf Jahns.
1932 trat Schwitters der SPD bei.
Als Lyriker und Schriftsteller hinterließ Kurt Schwitters ebenfalls ein umfangreiches Werk. In seiner Jugend von Expressionisten wie August Stramm beeinflusst, markiert auch für den Dichter Schwitters das Jahr 1919 den Durchbruch zu einem eigenständigen Stil mit dem Gedicht An Anna Blume. Bekannt wurde auch das groß angelegte Lautgedicht Sonate in Urlauten (oder Ursonate), das die Sonatenform nachbildet. Von diesem Text ist auch eine Tonaufzeichnung von Schwitters erhalten, dessen Vortragsqualitäten oft gerühmt wurden. Mit phonetischen oder typografischen Gedichten versuchte Schwitters, verschiedene Kunstgattungen zu verschmelzen. Seine erzählenden und dramatischen Texte sind experimentierfreudig und oft humoristisch. Die Erzählung Auguste Bolte spielt mit der Engführung und Verfremdung bildungsbürgerlicher Diskurse und kann allegorisch als Kritik der Kunstkritik aufgefasst werden.
Von den Nationalsozialisten als „entartet“ verfemt, emigrierte er im Januar 1937 nach Norwegen, wo er schon in den Jahren zuvor die Sommermonate verbracht hatte. In Norwegen entstanden zwei weitere Merzbauten, in Lysaker (zerstört 1951) und auf der Insel Hjertøya (bei Molde); wohlgemerkt bezeichnete er nur den ersten als Merzbau. Nach dem deutschen Überfall auf Norwegen floh er 1940 nach England.
Er wurde in verschiedenen Lagern in Schottland und England interniert: für zehn Tage in Midlothian, zwei Wochen in Edinburgh, sechs Wochen in York, etwa vier Wochen in Bury und ab dem 17. Juli bis 21. November 1941 im Hutchinson Internment Camp in Douglas auf der Isle of Man, wo er sich in einem kleinen Haus ein Atelier einrichtete. Hier lebte er zusammen mit Alfred Sohn-Rethel. Zweimal porträtierte er Sohn-Rethel, das eine Mal auf einem Stück Fußbodenholz, das sie unter einem Schrank wegrissen und zur Leinwand machten. Schwitters produzierte zahlreiche Porträts von Mitinternierten, veröffentlichte Geschichten in der Zeitschrift der Internierten The Camp und veranstaltete regelmäßig Konzerte im Künstler Café des Lagers. Dort traf er auf Fred Uhlman, malte sein Porträt, und wurde Mitglied des Bundes der Freien Deutschen Künstler in Großbritannien.
Im Dezember 1941, Schwitters war aus der Internierung entlassen, ging er nach London und wohnte in der 3 St. Stephen’s Crescent. In London lernte er seine spätere Lebensgefährtin Edith Thomas (1915–199; Spitzname „Wantee“) kennen und machte Bekanntschaft mit Jack Bilbo, der Werke Schwitters‘ in seiner Modern Art Gallery ausstellte. Mai 1942 lernte er Ben Nicholson und dessen Frau Barbara Hepworth kennen. August 1942 zog Schwitters zusammen mit seinem Sohn Ernst und dessen norwegischem Kollegen Gert Strindberg auf die 39 Westmoreland Road im Londoner Vorort Barnes.
Ab 1945 lebte er in Ambleside, im nordenglischen Lake District. In Elterwater konstruierte er einen letzten Merzbau (Merz barn), eine Arbeit, die er allerdings nicht zu Ende brachte. Seit 1944, als er nach einer schweren Grippe einen Schlaganfall erlitt, hatte er mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. 1946 erlitt er einen körperlichen Zusammenbruch und zog sich auch noch einen Oberschenkelhalsbruch zu.
Schwitters verstarb am 8. Januar 1948 im Beisein von Edith Thomas und Ernst Schwitters im Kendal Hospital in Kendal in der Grafschaft Westmorland. Todesursache waren ein Lungenödem und eine Herzmuskelentzündung. Er wurde auf dem Friedhof St. Mary’s im nahegelegenen Ambleside beerdigt. 1970 wurden die sterblichen Überreste von Kurt Schwitters auf den Stadtfriedhof Engesohde (Abteilung 6) seiner Heimatstadt Hannover übergeführt. Auf diesem Friedhof spielt sein 1946 im Exil entstandenes satirisches Stück Das Familiengrab. Der Grabstein trägt sein Motto „Man kann ja nie wissen“. Sein Sohn Ernst († 1996 in Oslo) wurde 1998 ebenfalls im Familiengrab beigesetzt.
Nach dem Umzug nach Nordengland hatte Schwitters sein Werk bei der mit ihm befreundeten Familie Alfred H. Ungers in deren Haus (London, Belsize Park) untergebracht. Nach dem Tod des Vaters holte sein Sohn sie dort ab. Einige seiner Werke wurden postum auf der documenta 1 (1955), der documenta II (1959) und der documenta III im Jahr 1964 in Kassel gezeigt.
Ehrungen
Zum Andenken an Kurt Schwitters sind zwei staatliche Schulen nach ihm benannt worden, zum einen in Hannover-Misburg und zum anderen in Berlin-Pankow. In Düsseldorf-Gerresheim ist die Förderschule im Bereich Sprache nach ihm benannt. Außerdem wurde in Hannover die gemeinsame Bibliothek der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und der Hochschule Hannover, die Bibliothek im Kurt-Schwitters-Forum an der EXPO-Plaza nach ihm benannt. Seine Heimatstadt Hannover ehrte ihn mit der Benennung des Platzes vor dem Sprengel-Museum mit seinen Namen. In Wittmund wurde eine Straße nach ihm benannt.
Am 20. November 2015 wurde in Hannover im Stadtteil Waldhausen vor dem ehemaligen Wohnhaus Kurt Schwitters’ in der Waldhausenstraße 5 in Anwesenheit des Oberbürgermeisters Stefan Schostok durch den Künstler Gunter Demnig zur Erinnerung an Schwitters und seinen Sohn zwei Stolpersteine verlegt.
Nachlass
Kurt Schwitters hat seinem Sohn Ernst Schwitters über 600 Werke vermacht. Ernst beauftragte 1963 die Marlborough Gallery in London damit, die Werke zu verwalten und zu verkaufen. 1995 erlitt Ernst einen Schlaganfall und starb 1996, sodass Kurts Enkel Bengt Schwitters die Verwaltung des Erbes übernahm. Bengt hatte „kein Interesse an Kunst oder den Werken seines Großvaters“ und kündigte die Vereinbarung der Familie mit der Marlborough Gallery. 2000 wurden der Galerie nach einem langen Rechtsstreit 18 Millionen norwegische Kronen als Entschädigung zugesprochen.
Bereits 1996 boten Bengt und seine Mutter Lola dem norwegischen Kulturministerium an, alle Werke in eine Stiftung zu überführen, um die Werksammlung komplett zu erhalten und nicht wegen Steuerforderungen verkaufen zu müssen. Das norwegische Kulturministerium zeigte kein Interesse. 2001 wurde die „Kurt-und-Ernst-Schwitters-Stiftung“ in Hannover gegründet, die etwa 350 abstrakte und 300 naturalistische Kunstwerke übernahm, sowie dokumentarisches Material, Bücher und Skizzen, weiterhin eine große Anzahl Fotografien von Ernst Schwitters. Erst 2009/2010 zeigte das Henie Onstad Art Centre die erste größere Ausstellung in Norwegen zum Leben und Werk Kurt Schwitters und baut seitdem eine Sammlung seiner Werke auf.
Zahlreiche Bilder von Schwitters sind auch im Museum Insel Hombroich bei Neuss zu sehen.