Klabund – einst ein großer Name

Abschrift Luzerner Tagblatt vom 15.7.1972

Alfred Henschke auf der Suche nach einem Pseudonym, mit dem er Alfred Kerr, dem er schon bekannt war, ein paar nicht ganz ernst gemeinte Gedichte unterbreiten wollte, nannte sich einer Eingebung folgend, nach einem Frankfurter (Oder) Apotheker Klabund. Und als Klabund ging er in die Literaturgeschichte ein, wenn er auch zu seiner Zeit darin eine größere Bedeutung spielte, als sie ihm heute noch zugebilligt wird. Klabund, 1890 bis 1928. Sohn einer bürgerlichen Familie, Jude, wie alle bril­lanten Köpfe damals, tuberkulös und auf ein frühes Ende vorbereitet, war eine irritierende Erscheinung, an der vor allem ei­nes auffällig war, die Leichtigkeit und die rasende Schnellig­keit, aber auch die Vielfalt seiner Produktion. Er hat als Ro­mancier wie als Lyriker, als Dramatiker wie als Übersetzter ,bedeutendes geleistet; er hat ein Dutzend Gedichte geschrieben, über 20 Schauspiele, mehr als ein Dutzend Romane, 15 Erzählungen: Er hat vier fremde Theaterstücke bearbeitet, zwei Litera­turgeschichten geschrieben, fünf Nachdichtungen nach dem Chinesischen vorgelegt und 17 Bücher als Herausgeber mit Vorwort oder Nachwort versehen. Das alles in knappen 38 Jahren, von de­nen 29 produktiv waren. Daneben hat er auch noch gelebt, und dieses Leben selbst hatte in seiner Unrast und Zerrissenheit etwas von einem Roman, sogar von Kolportage an sich. Unter dem Titel „Brennendes Herz Klabund“ hat es Legende und Wirklichkeit zu einem sehr intensiven Bilde verwebend ,Guido von Kaulla nacherzählt (Classen-Verlag Zürich).dieses Bild lässt etwas von der Faszination ahnen, die von Klabund ausgegangen sein muss, obschon Kaulla weit davon entfernt ist, aus seinem Helden einen Säulenheiligen zu machen, sondern dem Manne seine Fehler und Schwächen – Schwächen für Frauen  insbesondere – lässt.

Er hat ein unerhört (?) reichhaltiges Material über Klabund zu­sammengetragen und gibt Einblicke in Korrespondenzen und Tagebücher, die auch noch das Persönlichste preisgeben. Man muss ihm freilich zum Vorwurf machen, dass er zum Verständnis und zur Deutung des   Werkes wenig beiträgt und dass er in der Darstellung des Mannes sich oft in der Nähe dessen, was Klatsch und Tratsch über ihn zusammengetragen haben, aufhält. Aber auch hier zeigt sich das Menschliche Klabunds, das viel­leicht das Sternschnuppenhafte seines Werkes überdauern könn­te, da es auf seine Weise exemplarisch war. Jedenfalls wird in Kaullas Darstellung der Halbvergessene der Nachwelt eindrücklich wieder in Erinnerungen gerufen, und zwar als einer, der auch in die geistige Landschaft unserer Zeit gehört.