Zur kommunalpolitischen Lage in der Zeit der Weimarer Republik
Sie hatten aber keine Mehrheit – Nur ein Nationalsozialist von 1930 – 1933 im Stadtparlament
In Preußen fanden im Zeitalter der Weimarer Republik Stadtverordneten-Wahlen am 2. März 1919, am 4. Mai 1924 und am 17. November 1929 statt. Über die Ergebnisse der ersten beiden Voten in Crossen waren wir bisher nur durch jeweils wenige Zeilen in der Obstfelderschen Chronik informiert. Der Nachlass des einstigen Braschener Lehrers Franz Rösler bescherte uns die Seite des „Crossener Tageblatts“ vom 18. November 1929 mit dem Bericht über die Neuwahl des Stadtparlaments Dieser fiel erfreulich ausführlich aus. Dadurch ist es jetzt möglich, einen Überblick über die kommunalpolitischen Kräfteverhältnisse in der Kreisstadt von 1919 bis 1933 zu vermitteln. Darüber hinaus kann sogar erzählt werden, welche Männer im genannten Zeitraum Rathauspolitik an der Bobermündung machten. Frauen, die, sich politisch betätigten, gab es damals offensichtlich in Crossen nicht.
Für das Stadtparlament waren 1919 immerhin 24, in den folgenden beiden Perioden aber nur 18 Abgeordnete zu wählen. Die politische Einstellung der Bürger der Oderstadt änderte sich im Verlauf der zehn Jahre nur geringfügig. In der Periode 1919 bis 1924 standen 15 bürgerlich-konservativen Stadtverordneten neun Sozialdemokraten gegenüber. Von 1924 bis 1933 lautete das Kräfteverhältnis 15:3 bzw. 14:4. wenn man im letzteren Falle den einen Nationalsozialisten großzügig zu den „Bürgerlichen“ zählt.
Als Parteiformationen traten allerdings durchgehend nur die Sozialdemokraten und 1929 zusätzlich die Nationalsozialisten an. Die „Bürgerlichen“ bildeten dagegen Wählergruppen. Es ist heute nicht bestimmbar, ob nun die Kandidaten der einen Liste mehr der Deutschnationalen Volkspartei, die der anderen Listen mehr der Deutschen Volkspartei, dem Liberalismus oder der Wirtschaftspartei zuneigten. Das waren jedenfalls damals die politischen Lager, denen man Kleinstadtbürger einordnen konnte. Doch wahrscheinlich haben bei der Bildung der Wählergruppen berufsständische und lokale Interessen eine wesentlich größere Rolle gespielt als parteipolitische Ansichten.
Die starken Pfeiler der Crossener Kommunalpolitik bildeten, wenn man die SPD ausklammert, zwei Gruppierungen. Die eine nannte sich 1924 „Liste Hegel“ und 1929 „Mittelstand (Hegel)*‘. Die andere firmierte zunächst „Liste für Wohlfahrtsarbeit“ und fünf Jahre später „Wohlfahrt und Fortschritt (Köhler)“. Die erste repräsentierten der Fabrikant Hegel (Mitinhaber der Landmaschinen Firma Seier), der Schmiedemeister Otto Schätze, der Kaufmann Kloß, der Bäckermeister Wagenknecht, der Landwirt Lehmann, der Schornsteinfegermeister Schulze, der Klempnermeister Martin und der Kaufmann Hans Stein. Vor allem Männer des Handels und des Handwerks hatten sich hier also zusammengefunden. Für „Wohlfahrt und Fortschritt“ saßen ab 1929 im Rat Stadt Inspektor Köhler, Studiendirektor Dr. Hübener, Bezirksdirektor Baller, Oberpostsekretär Witte und Schiffer Julius Krause. Hier handelte es sich also in der Mehrzahl um Beamte. Auffällt, dass ein Rathaus-Beamter und der Direktor des städtischen Gymnasiums Stadtverordnete und damit ihre eigenen Arbeitgeber sein konnten. Eine solche Konstellation ist nach heutigem Kommunalrecht nicht möglich. Die beiden beschriebenen Gruppen erhielten 1924 acht und drei Mandate (40,7 und 14.3 %), 1929 acht und fünf Sitze (43,5 und 25,9% der Stimmen). Sie konnten also bei Einigkeit nach Belieben schalten und walten.
1924 gab es zusätzlich eine Gruppe der Mieter, die bei 15,9 % der Stimmen immerhin drei Ratsherren stellte, eine Liste der Reichs- und Staatsbeamten, die 8,5 % der Stimmen und einen Sitz erhielt, sowie eine Gruppe Zeuke-Degenhardt, die bei 4.5 % Stimmenanteil mandatslos blieb.
Die „Linken“ traten 1924 getrennt als reine „SPD“ und als „Gewerkschaft“ an. Bei diesem Verfahren erhielt die „reine“ SPD einen Sitz (5,4 %) und stellte die „Gewerkschaft“ zwei Vertreter 10.6 %. Als es 1929 nur die SPD gab und diese vier Mandate (24,3 % der Stimmen) errang, merkte das „Tageblatt“ an. dass eine stattliche Anzahl der Wähler der einstigen Mieterkandidaten zur SPD übergeschwenkt sei. Es ist somit ein wenig grob und kühn, wenn insbesondere in der Grafik zu diesem Artikel die Mietervertreter dem bürgerlichen Lager zugerechnet wurden. Die vier Sozialdemokraten, die ab Ende 1929 im Stadtparlament saßen, waren der Krankenkassen Geschäftsführer Hubatsch, der Installateur Kinzel, der Kanzleisekretär i. R. Kloß und der Kupferschmied H. Hahn
Der Name des einen nationalsozialistischen Stadtverordneten der Periode 1929/33 sei nicht verschwiegen: 6,3 % der Wähler vertrat der Justizsekretär Kindermann.
Die Stadtverwaltung leitete nach der damaligen Kommunalverfassung ein hauptamtlicher Bürgermeister Dieser hieß bis zum April 1920 Dr. Strauß Danach wurde Franz Küntzel gewählt, der aus Oschatz in Sachsen kam, Anfang 1925 den Spitzenplatz im Rathaus einnahm und bis in die frühe NS-Zeit regierte. Zur Seite stand ihm ein ehrenamtlicher Beigeordneter(Stellvertreter). Das war nach der Chronik Dr. Alfred Henschke. Die engere Stadtregierung bildete der sogenannte Magistrat. Dieser wurde von der Stadtverordneten Versammlung gewählt. Laut Dr. von Obstfelder gehörten ihm 1424 bis 1929 der Beigeordnete Dr. Henschke. die Rats-Herren Dame, Fuchs und Kurzmann, Wohlfahrtsdirektor Hoffmann sowie die Kaufleute Fritz Lehmann und Max Rohieder an Welche Gruppen oder Parteien sie vertraten und welche Personen von 1929 bis 1933 dem Magistrat bildeten, bleibt noch zu erforschen.