Eine Erinnerung an Klabund

anlässlich seines 30. Todestages am 14. August 1928

Jules Ferdmann in Davos Quelle: Davoser Revue

Klabund kam schon seit dem Ersten Weltkriege fast alljährlich zur Kur oder Erholung nach Davos, und hier in der von Frau Dr. Poeschel mit viel Herzlichkeit und Klugheit geführten Pension Stolzenfels ist ein Gutteil seiner Werke entstanden. Als ich 1925 die Davoser Revue grün­dete, konnte ich bereits im ersten Jahrgang einige Beiträge von ihm brin­gen, darunter einen Nachruf auf den Davoser Bildhauer Philipp Modrow, in welchem er u. a. sagt: „Wir sind ein Volk, ein eigenes Volk, wir Kran­ken. Mit eigenen Gesetzen, eigenen Hechten und Pflichten. Aus unserer Aristokratie ist der Adeligsten einer dahingegangen. Friede, toter Fechter, deiner Asche.“

Der Verkehr mit Klabund war sehr angenehm, und ich erinnere mich gern an die z. T. noch erhaltene Korrespondenz und die, Zusammenkünf­te mit ihm im Café Curhaus, dem eigentlichen Zentrum des damaligen Davos. Bei Gelegenheit hoffe ich, einmal mehr darüber zu berichten, jetzt aber, da mir die nötige Zeit dazu fehlt, möchte ich mich auf eine kleine, aber charakteristische Episode beschränken. Eines Tages im Winter 1928 bat ich Klabund, mir für eine Nummer der Davoser Revue, die ich dem bekannten elsässischen Dichter Rene Schickele widmen wollte, einen Bei­trag zu leisten. Schickele weilte damals mit seiner Familie im Stolzenfels und traf sich öfters mit befreundeten Schriftstellern im Curhaus. Klabund überlegte eine Weile, lächelte dann plötzlich wie ein Kind, blitzte mich schelmisch mit seinen großen, grauen Augen an – und sagte bereitwillig zu. Schon am nächsten Tage brachte er mir ein schmales, längliches Blättchen. das ich immer noch aufbewahre, auf dem mit Bleistift in rasch hin­geworfenen Zeilen das folgende Gedicht geschrieben stand:

A Rene – Für Schickele

Bonjour guten Tag
Coup de feu ein Schlag
Un coeur ein Herz
La douleur der Schmerz,

0 Eiffel! La tour!
0 Liebe! L’amour!
Nach Berlin! A Paris!
Anjourd’hui oder nie!

Mon peuple, mein Land,
La main! Gebt die Hand
Ueberm Rhein Euch — le Rhin —
Ach endlich! Enfin!

Klabund.

Das war ein echter Klabund: frisch und originell, einfach und doch kunstreich, freundlich und doch kritisch gegenüber dem zweisprachigen Rene Schickele. Das Schickele-Heft der Davoser. Revue erschien dann am 15. Februar 1928, befrachtet mit weiteren Beiträgen von Eduard Korrodi, Rudolf Utzinger, Wilhelm Herzog, Ernst Blaß, Paula Bretschneider und Rene Schickele selber. Dieses Heft ist längst vergriffen, und das obige Gedicht von Klabund steht, soweit ich weiß, in keiner Ausgabe seiner Werke. Ich halte es für sehr treffend in Bezug auf das, um was sich der Deutsch und Französisch schreibende Rene Schickele vor allem bemühte: nämlich um die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich auf der wahrhaft „höchsten“, d. h. auf der geistigen Ebene. Eine solche Ver­ständigung tut uns heute noch not: „Gebt die Hand überm Rhein Euch — le Rhin — ach endlich! Enfin!“

Jules Ferdmann.