Die Thule-Gesellschaft …

„… war ein politischer Geheimbund, der im August 1918 in München gegründet wurde und in seiner stärksten Phase im Winter 1918/19 rund 1.500 Mitglieder hatte.“

Ihren Namen leitete diese „feine Gesellschaft“ nach der angeblichen und sagenumwobenen Insel Thule ab, einer von dem griechischen Entdecker Pytheas aus Massilia (Marseille) im 4. Jahrhundert v. Chr. beschriebene Insel, die später eine quasi-mythische Bedeutung erhielt und die weit im Norden gelegen haben soll.

Gründer der Thule-Gesellschaft war Rudolf von Sebottendorf, Der angebliche Freiherr schrieb sich auch Rudolf von Sebottendorff, wurde am 9. November 1875 in Hoyerswerda – also auch schon recht nördlich – geboren und hieß eigentlich Adam Alfred Rudolf Glauer, Pseudonym Erwin Torre. Er war ein rechtradikaler antisemitischer Okkultist und Verleger.

Nach eigenen Angaben hielt er sich in den Jahren 1901 bis 1914 in der Türkei auf, Dort kam er wiederholt mit einer Freimaurerloge, mit der islamischen Mystik und dem Sufismus, sowie dem ariosophischen Ableger der „Theozoologie“ des Jörg Lanz von Liebenfels in Kontakt. Dieser war ein Rassefanatiker, der meinte einen „Abwehrkampf“ der arischen Rasse gegen die Rasse der „Nichtarier“ oder „Affenmenschen“ führen zu müssen.

Wikipedia schreibt: „Lanz’ frühe Artikel waren zwar radikal, aber noch nicht exzentrisch. Die ihnen zugrunde liegende Kombination von Rassismus, Antisemitismus, Antikatholizismus, Antifeminismus und Antisozialismus hatte zu ihrer Zeit viele Anhänger. (…) Diese Lehre gestaltete Lanz weiter aus in seinem Buch „Die Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron“, das 1905 erschien.

Auf die weiteren Lehren und Veröffentlichungen dieses „Spinners“ weiter einzugehen, lohnt nicht, obwohl natürlich auch seine Phantastereien begeistert von den Nazis aufgegriffen wurden.

Zurück zum „Freiherrn“, bzw. zu Adam Alfred Rudolf Glauer und der vertrat im Grunde genommen den gleichen Unsinn, also auch nicht wert, seine Ansichten und Vorstellungen weiter zu erläutern.

In Istanbul lernte er angeblich den ausgewanderten Baron Heinrich von Sebottendorf kennen, welcher ihn adoptierte und daher nannte er sich seitdem Rudolf Freiherr von Sebottendorf. „Das Bezirksamt Freiburg indes ging 1919 davon aus, Glauer führe Namen, Titel und Adelsprädikat zu Unrecht“, schreibt Wikipedia und weiter:

„… Eine erste Ehe hielt nur einige Monate. Er erwarb die türkische Staatsbürgerschaft und nahm als Soldat der osmanischen Armee am Zweiten Balkankrieg von 1913 teil. Anschließend kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich erst in Berlin, dann in Kleinzschachwitz nieder, einem Dresdener Villenvorort, wo er für 50.000 Reichsmark ein großes Anwesen erstand. Wegen seiner türkischen Staatsangehörigkeit wurde er im Ersten Weltkrieg nicht zum Militär einberufen. 1915 heiratete er in Wien Bertha Anna Iffland, die Tochter eines reichen Berliner Kaufmanns. Seitdem lebte er vom Vermögen seiner Frau. (…)

Der zeitweise sehr vermögende Sebottendorf war im Umfeld der völkischen Bewegung, der Zerschlagung der Münchner Räterepublik, der Freikorps und antisemitischen Geheimbünde (…) aktiv. Sebottendorf trat dem völkischen Germanenorden bei, für den er mit erheblichen Geldsummen unbekannter Herkunft Werbung betrieb. In dessen Auftrag sammelte er Anfang 1918 die verbliebenen Münchner Mitglieder, um einen bayerischen Ableger des Ordens zu gründen: die Thule-Gesellschaft. Sie wurde am 17./18. August 1918 unter dem Namen „Thule Gesellschaft, Orden für deutsche Art“ im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten offiziell gegründet.“

Auf den Germanenorden einzugehen, lohnt auch nicht, denn auch er war nichts weiter als eine Ansammlung völkischer Kreise, verbunden mit Antisemitismus und dem Ziel, eine Militärdiktatur zu errichten. In der Weimarer Republik war der Germanenorden allerdings an der Rekrutierung politischer Attentäter beteiligt, so bei der Ermordung des ehemaligen Ministers Matthias Erzberger 1921 und bei einem Anschlag auf den Publizisten Maximilian Harden. 1934 wurde er verboten.

Um 1918 versammelte Sebottendorf Gesinnungsgenossen in der Thule-Gesellschaft, von denen etliche zum späteren Führungspersonal der NSDAP gehörten. Wikipedia schreibt:

„…Die Mitglieder dieses Geheimbundes begannen noch während des Krieges mit rabiater antisemitischer Propagandatätigkeit, mit der sie die Entwicklung des völkischen Radikalismus förderten Sie glaubten an die Verschwörungstheorie einer „jüdischen Verschwörung“, der sie mit konspirativen Mitteln das Handwerk legen wollten: Ihre Ziele waren die „Brechung der Zinsknechtschaft“, die Errichtung einer Diktatur und die Vertreibung aller Juden aus Deutschland. Diese Ziele sollten durch den Rückgriff auf die germanische Vorzeit im Namen und den Okkultismus kaschiert werden.

Im Juli 1918 kaufte Sebottendorf mit dem Vermögen seiner Frau von der Franz Eher Nachfolger Verlags GmbH den „Münchner Beobachter“. Das Boulevardblatt wurde unter Sebottendorfs Chefredaktion zum Zentralorgan der Thule-Gesellschaft. Im August 1918 wurde die Zeitung inVölkischer Beobachter“ umbenannt. (…)

Sebottendorf gründete aus dem Kreis der Mitglieder einen „Kampfbund“, der Waffen beschaffte und aus dem das Freikorps Oberland hervorging (…). Der Mörder des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner war der, kurz zuvor, wegen seiner jüdischen Mutter, aus der Thule-Gesellschaft ausgeschlossene Anton Graf von Arco auf Valley. Im Januar 1919 beauftragte Sebottendorf Karl Harrer, einen Sportredakteur seines „Münchner Beobachters“, der auch Mitglied der Thule-Gesellschaft war, sich in einem zunächst obskuren „Freien Arbeiterausschuss“ zu engagieren, aus dem im Januar 1919 mit Harrer als Vorsitzendem die Deutsche Arbeiterpartei entstand. Dreizehn Monate später benannte sie sich in NSDAP um. (…) 1919 verließ Sebottendorf die Thule-Gesellschaft.

Rudolf von Sebottendorf starb am 8. oder 9. Mai 1945 in Istanbul.

Über die Gründung der Thule-gesellschaft schreibt Wikipedia:

„… Am 17./18. August 1918 wurde der neue Geheimbund mit der Bezeichnung „Thule Gesellschaft, Orden für deutsche Art“ offiziell gegründet. Am 3. August 1919 wurde er unter dem Namen „Thule-Gesellschaft zur Erforschung deutscher Geschichte und Förderung deutscher Art e.V., Sitz München“ ins Vereinsregister eingetragen.

Der Versammlungsort war von 1919 bis 1924 das Münchener Luxushotel „Vier Jahreszeiten“. Im Winter 1918/19 hatte die Thule-Gesellschaft etwa 1.500 Mitglieder, davon 250 in München. Es handelte sich überwiegend um Akademiker, Aristokraten und Geschäftsleute. Als Emblem der Gesellschaft wurde ein Hakenkreuz mit Strahlenkranz hinter einem blanken Schwert gewählt, als Mottos galten „Halte dein Blut rein“ und „Bedenke, dass du ein Deutscher bist“, die Grußformel der Mitglieder untereinander war „Heil und Sieg“.

Nach der Ausrufung des „Freien Volksstaates Bayern“ am 8. November 1918 durch Kurt Eisner, den die Gegner der Revolution als Landesverräter, Zerstörer bayrischer Traditionen und nicht zuletzt als angeblich aus Galizien zugewanderten Juden diffamierten, wurde der „Kampfbund Thule“ als militärischer Arm der Thule-Gesellschaft gegründet. Dieser beteiligte sich im Dezember 1918 an den Vorbereitungen eines Staatsstreichs, an einem Versuch, Ministerpräsident Eisner zu entführen, und an verschiedenen Gewalttaten.

Etliche Personen, die später in der NSDAP Bedeutung erlangten, wurden als „Gäste“ der Thule-Gesellschaft registriert, darunter Alfred Rosenberg, Rudolf Heß und Hans Frank. Hitler selbst war nie Mitglied der Thule-Gesellschaft.

Zur Bedeutung der Thule-Gesellschaft schreibt der Historiker Nicholas Goodrick-Clarke:

„Aufgrund ihrer Propaganda und ihrer konterrevolutionären Tätigkeit, aber auch wegen des Märtyrertodes der Geiseln spielten die ‚Thule-Gesellschaft‘ und der ‚Germanenorden‘ eine bedeutende Rolle beim Entstehen einer aufgeheizten und emotionsgeladenen Atmosphäre, in der extreme Bewegungen wie der Nationalsozialismus gedeihen konnten.“

Auflösung

Nach dem gewaltsamen Ende der Münchner Räterepublik zerfiel die Thule-Gesellschaft und verlor ihre Bedeutung in der völkischen Bewegung. Sebottendorff, der die konterrevolutionären Aktivitäten der Gesellschaft organisiert hatte, wurde dafür verantwortlich gemacht, dass die Mitgliederlisten in die Hände der Militärpolizei gelangt waren, und zog sich aus der Gesellschaft zurück.

In den ersten Jahren hatte die Gesellschaft etwa 200 Mitglieder. Da schließlich weniger als 20 Mitglieder übrig blieben, die sich zu Gedenksitzungen versammelten, wurde sie um 1925 aufgrund mangelnder Unterstützung aufgelöst. 1932 wurde sie aus dem Vereinsregister gelöscht.

Es gab mehrere erfolglose Neugründungs-Versuche, zuletzt 1933 durch Sebottendorf, der sich zudem mit seinem Buch „Bevor Hitler kam“ (1933) als Vorläufer des Nationalsozialismus anzupreisen versuchte. Das stieß allerdings auf den Widerstand des nationalsozialistischen Regimes, und Anfang 1934 wurde er kurzzeitig inhaftiert und dann aus Deutschland abgeschoben.

Hakenkreuz und „Sieg Heil“

Die Verwendung des Hakenkreuzes als Symbol der NSDAP geht auf einen Vorschlag Friedrich Krohns zurück, der neben der NSDAP auch dem Germanenorden und der Thule-Gesellschaft angehörte. Entgegen Krohns Vorschlag setzte Hitler jedoch durch, dass das Symbol in umgekehrter Drehrichtung verwendet wurde. Beide Varianten waren damals in völkischen Kreisen gebräuchlich.

Eine Hypothese besagt, dass der Gruß der Thule-Gesellschaft „Heil und Sieg“ später zum „Sieg Heil“ des Hitlergrußes wurde.

Mythen und Spekulationen 

In der Nachkriegszeit wurde die Thule-Gesellschaft zum Gegenstand vieler, teils abenteuerlicher Mythen und Spekulationen, die zum Teil auf Sebottendorfs Memoiren zurückgehen, in denen er den Anteil der Thule-Gesellschaft an der Entstehung der NSDAP stark übertrieb. In ihrem Buch „Le matin des magiciens“ (1960, deutsch: „Aufbruch ins dritte Jahrtausend“, 1962) behaupteten Louis Pauwels und Jacques Bergier, dass zwei angebliche Mitglieder der Thule-Gesellschaft, Dietrich Eckart und Karl Haushofer, in den frühen 1920er Jahren Einfluss auf Hitler erlangt hätten, indem sie ihm Kenntnisse über okkulte Kräfte übermittelten, welche ihnen unter anderem durch die Thule-Gesellschaft zugänglich geworden seien. Diese Gesellschaft sei der „magische Mittelpunkt der NS-Bewegung“ und im Geheimen die eigentlich lenkende Kraft des Dritten Reiches gewesen. Auch Alfred Rosenberg, einer der führenden Ideologen der NSDAP, wurde in diesem Zusammenhang genannt. Tatsächlich war Eckart ein bedeutender Mentor Hitlers in dessen Anfangszeit als Parteiführer, indem er ihn in die „bessere Gesellschaft“ einführte, und auch dem Geographen Haushofer wird in der seriösen Literatur ein Einfluss auf Hitler zugeschrieben, allerdings nur auf geopolitischem Gebiet („Lebensraum im Osten“). Es gibt jedoch keinerlei Belege dafür, dass Haushofer irgendetwas mit der Thule-Gesellschaft zu tun hatte, und auch Eckart und Rosenberg waren keine Mitglieder, sondern wurden lediglich als deren Gäste bei gewissen Veranstaltungen registriert. Ebenso gibt es für das behauptete Fortbestehen der Gesellschaft im Dritten Reich und für angebliche okkulte Aktivitäten keine Indizien. Die diesbezüglichen Darstellungen von Pauwels und Bergier werden daher sämtlich als rein fiktiv betrachtet.

Zu den zahlreichen weiteren Ausgestaltungen dieser Fiktion gehört ein 1964 von Dietrich Bronder publiziertes Buch, das denselben Titel trägt wie Sebottendorfs Buch von 1933, „Bevor Hitler kam“. Darin behauptet Bronder, die Thule-Gesellschaft habe Kontakte zu geheimen Klosterorden in Tibet gepflegt, und 1939 habe die SS eine Expedition nach Tibet unternommen, um eine Radioverbindung zu den dortigen Lamas herzustellen.

Die vielfältigen Schilderungen angeblicher okkulter Aktivitäten der Thule-Gesellschaft reichten bis zu der Behauptung, man habe dort satanistische Praktiken gepflegt. So schrieb Trevor Ravenscroft in „The Spear of Destiny“ (1972, deutsch: „Der Speer des Schicksals“, 1974), bei derartigen Ritualen seien Juden und Kommunisten geopfert worden, und Eckart und Haushofer hätten Hitler in diese Praktiken eingeweiht und ihn so zu einem Werkzeug des Bösen gemacht.

In Wirklichkeit war die Thule-Gesellschaft eine rein weltliche, politische Kampforganisation, okkulte oder esoterische Rituale wurden nicht praktiziert. Insofern gilt es in der Geschichtswissenschaft als „Trugschluss“, anzunehmen, „der Nationalsozialismus hätte sich hauptsächlich in einem Dunstkreis des Okkultismus entwickelt“.

„Thule“ im Rechtsextremismus 

Einige jüngere rechtsextreme Gruppierungen nahmen Bezug auf die Thule-Gesellschaft und übernahmen den „Thule“-Namen, so das Thule-Netz in den 1990er Jahren. Auf die Thule-Gesellschaft rekurriert auch das rechtsextreme Thule-Seminar, das 1980 gegründet wurde.

Auch die Thule-Gesellschaft ist ein Beweis dafür, dass die Beschäftigung mit der deutschen Vergangenheit nur dann einen Sinn hat, wenn wesentlich früher begonnen wird, nämlich bereits im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Und es muss auch aufgeräumt werden mit dem Nimbus einer ganzen Reihe der Verantwortlichen in dieser Zeit, denn eigentlich sind all diese „Verbrecher“ lange genug tot.