Die Marine-Brigade Ehrhardt

Sie wurde auch Brigade Ehrhardt genannt und war ein Freikorps in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.

Hermann Ehrhardt Quelle: Internet Gemeinfrei

Hervorgegangen am 17. Februar 1919 als 2. Marine-Brigade in Wilhelmshaven aus Angehörigen der ehemaligen Kaiserlichen Marine – überwiegend Offizieren – unter der Führung von Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt aufgestellt wurde.

Aus Wikipedia:

„… Die Marinebrigade wurde vor allem bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik sowie beim „Grenzschutz Ost“ in Oberschlesien eingesetzt. Im März 1920 gehörte die Marinebrigade zu den wesentlichen Stützen des Kapp-Putsches und besetzte Berlin. Nach der im April 1920 erfolgten Auflösung der Brigade bildeten Angehörige der Brigade unter der Führung Hermann Ehrhardts die Geheimorganisation Organisation Consul, die zahlreiche Attentate und Morde verübte, um die Weimarer Republik zu stürzen, etwa die Attentate auf Walther Rathenau und Matthias Erzberger.

Entstehung und Gliederung der Formation

In Wilhelmshaven hatte sich während der Novemberrevolution am 11. November 1918 ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet, der die vollziehende Gewalt übernahm. Am 7. November wurde als Exekutivgremium ein 21-er Rat gegründet, als dessen Vorsitzender Bernhard Kuhnt fungierte.

Bernhard Kuhnt Quelle: Von unbekannt – Büro des Reichstags (Hg.): Reichstags-Handbuch 1924, II. Wahlperiode, Berlin 1924, PD-§-134, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=5284521

Er war am 11. November an der Ausrufung des Freistaates Oldenburg beteiligt und wurde sogar der erste Präsident dieses Landes, das nach Wahlen am 19. Januar von der Mehrheitssozialdemokratischen Partei Deutschlands und bürgerlichen Parteien regiert wurde. Trotzdem trat Kuhnt der USPD bei und hatte zusammen mit dem von der USPD beherrschten 21-er Rat in Wilhelmshaven offensichtlich Sympathien für einen drohenden kommunistischen Umsturz. Diesen führten am 27. Januar Bremer Kommunisten mit Wilhelmshavener Genossen aus. Die Putschisten eroberten wichtige Gebäude der Stadt Wilhelmshaven und raubten aus der Reichsbankfiliale 40.000 Reichsmark. Sie erklärten Wilhelmshaven zur sozialistischen Räterepublik. Als die Putschisten vereinzelt auf Widerstand stießen, verschanzten sie sich in der 1000-Mann Kaserne. Mittlerweile hatten sich viele Bürger vor dem Tagungsort des 21-er Rates versammelt und die Beendigung des Putsches gefordert. Der 21-er Rat versprach zwar, Maßnahmen gegen die Verschanzten zu ergreifen, verhielt sich allerdings zurückhaltend, um eine unblutige Kapitulation zu erreichen. Inzwischen hatten sich etwa 300 Offiziere und Berufssoldaten der früheren Kaiserlichen Marine unter Beteiligung von Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt zusammengefunden, die sich gewaltsam bewaffneten und zum Sturm auf die Kaserne ansetzten. Sie beschossen die Kaserne mit Geschützen und Maschinengewehren. Morgens am 28. Januar ergaben sich die 400 Putschisten. Bei der Erstürmung gab es acht Tote und viele Verletzte. Der 21-er Rat war durch seine Tatenlosigkeit und die Duldung des Putsches kompromittiert. Sein Vorsitzender Kuhnt flüchtete und wurde noch am gleichen Tag verhaftet. Der „Sturm auf die 1000-Mann Kaserne“ galt der Brigade später als ihre Geburtsstunde.

Division Gerstenberg Quelle: https://karleduardskanal.wordpress.com/2011/02/05/linksautonomes-bremen-gesaubert/

Die Reichsregierung, beunruhigt durch gleichzeitige Putsche in Bremen und anderen Städten, schickte am 20. Februar einen Teil der Division Gerstenberg nach Wilhelmshaven, die Anfang Februar schon die Bremer Räterepublik beseitigt hatte. Das Landesschützenkorps Röder übernahm zusammen mit dem sozialdemokratischen Reichskommissar Paul Hug die Macht und löste den Arbeiter- und Soldatenrat auf und entwaffnete das Arbeiterbataillon. Schon vorher hatte die Reichsregierung beschlossen, zur Bekämpfung von Räterepubliken freiwillige Truppen in Wilhelmshaven aufzustellen. Der Grund dafür war, dass Wilhelmshaven als Reichskriegshafen voller Soldaten war und dass viele Soldaten dort gegen linksradikale Bestrebungen eingestellt waren.

Reichskommissar Paul Hug Quelle: Von unbekannt – Büro des Reichstags (Hg.): Handbuch der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung, Weimar 1919, Carl Heymans Verlag, Berlin, PD-§-134, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=5159414

Am 13. Februar 1919 erschien in der mehrheitssozialistisch eingestellten Tageszeitung Wilhelmshaven „Die Republik“ eine Anzeige mit dem auszugsweisen Text:

„Aufruf zur Bildung einer Regierungstruppe in Wilhelmshaven. Die Reichsregierung hat mir den Befehl erteilt, in Wilhelmshaven eine Regierungstruppe zu bilden, die der Regierung direkt unterstehend, dieser für den Grenzschutz Ost zur Verfügung steht. (…) unterzeichnet vom Leiter der Marinestation Nordsee Michelsen.“

Diese Anzeige erschien häufiger. In späteren Anzeigen wurde als Aufgabe auch die Verhütung innerer Unruhen genannt. Für diese Truppe fanden sich vor allem ehemalige Marineangehörige. Am 17. Februar 1919 erhielt Ehrhardt den Auftrag, diese Truppe unter der Bezeichnung 2. Marinebrigade Wilhelmshaven zusammenzustellen. Damit konnte er bestimmen, welche politische Ausrichtung die Mitglieder seiner Brigade hatten. Die Brigade sollte eine mobile Einheit sein und reichsweit bei Aufständen eingesetzt werden. Ab dem 24. März unterstand die Marinebrigade Wilhelmshaven dem Garde-Kavallerie-Schützen-Korps unter Generalleutnant von Hofmann und bildete so einen Teil der Division von Lettow. (…) Die Stärke der Brigade betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 1500 Mann.

Uniformierung, Abzeichen und Feldzeichen

Die Angehörigen der Marine-Brigade trugen die feldgraue Uniform der Alten Armee, wobei die Sturm-Kompanie einheitlich Mannschaftsuniform ohne Dienstgradabzeichen hatte. Am Kragen der Feldbluse war der Gardestern mit Anker angebracht. (…) Ab etwa Oktober 1919 schmückten sich die Mitglieder der Brigade mit antisemitischen Kennzeichen. So führten sie bei der Rückkehr von den Einsätzen gegen die Aufständischen in Oberschlesien das Hakenkreuz an ihrem Helm.

Einsätze

Generalmajor Georg Ludwig Rudolf Maercker um 1920 Quelle Wikipedia

Der erste Einsatz führte die Brigade am 17. April 1919 nach Braunschweig, wo sie zusammen mit anderen Einheiten des Freikorps Maercker den Versuch der Errichtung einer Räterepublik vereitelte. Von dort wurde die Brigade nach Ohrdruf in Thüringen verlegt, wo sie für den Kampf gegen die Münchner Räterepublik bereitgehalten wurde. Der eigenmächtige und voreilige Vorstoß der Brigade nach München führte zu erbitterten Straßenkämpfen, in denen der Arbeiteraufstand schließlich niedergeschlagen wurde. In diesen Kämpfen ließen mehr als 1.000 Kämpfer ihr Leben; außerdem wurden rund 800 Männer und Frauen arrestiert und hingerichtet. Das brutale Vorgehen des Freikorps in den Straßenkämpfen, einschließlich der Misshandlung und Erschießung von Verhafteten sowie von Plünderungen, verdeutlicht die zunehmende Verselbständigung der Freikorps-Bewegung im Kampf gegen die Revolutionäre. Seit Sommer 1919 dachte man daher in der Marineführung über die Auflösung der Brigade nach.

Truppenübungsplatz in Döberitz, Postkarte von 1900

Im August 1919 wurde die Brigade in Oberschlesien stationiert, bevor sie im November 1919 in das Lager Döberitz in der Nähe Berlins verlegt wurde. Im März 1920 erging der Befehl, die Brigade Ehrhardt aufzulösen. Ihre Führer – entschlossen, sich der Auflösung zu widersetzen – appellierten an Reichswehr-General Walther von Lüttwitz in Berlin. Lüttwitz, einer der Organisatoren der Freikorps in den Jahren 1918 und 1919 und ein glühender Monarchist, wandte sich an Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske, um die Auflösung zu stoppen. Als Ebert dies ablehnte, befahl Lüttwitz der Brigade, nach Berlin zu marschieren. In der Nacht vom 12. März auf den 13. März 1920 marschierte die Brigade nach Berlin und besetzte während des Kapp-Putsches 1920 das Regierungsviertel.

Vizekanzler Eugen Schiffer Quelle: Von unbekannt – Büro des Reichstags (Hg.): Handbuch der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung, Weimar 1919, Carl Heymans Verlag, Berlin, PD-§-134, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=5009767

Nach dem Zusammenbruch des Putsches baute Vizekanzler Eugen Schiffer Lüttwitz, Ehrhardt und Kapp „Goldene Brücken“, um diese zu einer friedlichen Aufgabe zu bewegen. Der neue Reichswehrchef Seeckt sprach in einem Tagesbefehl vom 18. März lobend über die Disziplin der Brigade und sicherte Ehrhardt am nächsten Tag schriftlich Schutz vor Verhaftung zu. Erst daraufhin marschierte die Brigade aus Berlin ab, mit Gesang und fliegenden Fahnen, wie sie einmarschiert war. Als am Brandenburger Tor aus einer unfreundlichen Menschenansammlung Buhrufe laut wurden, feuerten sie kurzentschlossen mit Maschinengewehren in die Menge hinein. Zwölf Tote und dreißig Schwerverletzte blieben zurück auf dem Pflaster des Pariser Platzes.

Hans von Seeckt (links) und Reichswehrminister Otto Geßler, 1926 Quelle: Von Bundesarchiv, Bild 102-10883 / CC-BY-SA, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6046868

Am 20. April 1920 wurde die Brigade Ehrhardt auf dem Truppenübungsplatz Munster offiziell aufgelöst. Ein Großteil wurde als „zuverlässige Kader“ in die Reichsmarine übernommen, der Rest ging in den Untergrund und lebte unter verschiedenen Deckmänteln weiter, darunter dem „Bund ehemaliger Ehrhardt-Offiziere“, der „Organisation Consul“, dem Bund Wiking und dem „Sportverein Olympia“, bis sie endgültig von der Bildfläche verschwanden.

Das Ehrhardt-Lied 

Als die Truppe 1920 wegen der Beteiligung bei dem Kapp-Putsch in Munsterlager demobilisiert wurde, dichtete ein Brigadeangehöriger ein Lied, das als Ehrhardt-Lied bekannt wurde. Es wurde überall dort gesungen, wo man eine republikfeindliche Haltung vom nationalen Standpunkt demonstrieren wollte.

Kampflied der Brigade Erhardt 

Nachhaltig in die Geschichte eingegangen ist das sog. Kampflied der Brigade Erhardt, besonders die dritte und letzte Strophe, das spätestens bei der Zerschlagung der Münchner Räterepublik bereits vollständig ausgebildet gewesen sein soll. Das Kampflied soll während der tatsächlichen Kampfhandlungen wie auch beim Einmarsch in die eroberte Stadt München gesungen worden sein, später auch während des Kapp-Lüttwitz-Putsches.

Kamerad, reich mir die Hände,
Fest wollen zusammen wir stehn.
Man mag uns auch bekämpfen,
Der Geist soll niemals verwehn

Hakenkreuz am Stahlhelm,
Schwarz-weiß-rotes Band,
Die Brigade Ehrhardt
Werden wir genannt.
Arbeiter, Arbeiter,
Wie mag es dir ergehn,
Wenn die Brigade Ehrhardt
Wird einst in Waffen stehn.

Hakenkreuz am Stahlhelm,
Schwarz-weiß-rotes Band,
Die Brigade Ehrhardt
Werden wir genannt.
Die Brigade Ehrhardt
Schlägt alles kurz und klein,
Wehe Dir, wehe Dir,
Du Arbeiterschwein.

Text: unbekannter Verfasser Die Melodie des Kampfliedes stammte von einem US-amerikanischen Vorkriegsschlager von 1904 namens „Blue bell“ des Komponisten Theodore F. Morse.

Nach der offiziellen Auflösung der Brigade Erhardt übernahm die SA der noch jungen NSDAP das Kampflied, nun mit den Zeilen Hakenkreuz am Stahlhelm/Blutig-rot das Band/Sturmabteilung Hitler werden wir genannt, bis es schließlich durch das Horst-Wessel-Lied ersetzt wurde

Bekannte Mitglieder und diese Auflistung liest sich bis auf wenige Ausnahmen wie das „who is who“ des Dritten Reiches. Hier nur ein Ausschnitt:

Ernst von Salomon Quelle: https://www.literaturport.de/literaturlandschaft/autoren-berlinbrandenburg/autor/ernst-von-salomon/

Franz Breithaupt, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS
Werner von Fichte, SA-Obergruppenführer
Hermann Fischer, Rathenaumörder
Thomas Girgensohn, SA-Gruppenführer
Curt von Gottberg, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und Polizei
Dietrich von Jagow, SA-Obergruppenführer
Helmuth Johnsen, Bischof, völkischer Aktivist, Mitglied der NSDAP und der Deutschen Christen.
Erwin Kern, Rathenaumörder
Manfred von Killinger, SA-Obergruppenführer
Friedrich-Wilhelm Krüger, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS
Ernst von Salomon, Schriftsteller
Bruno Sattler, SS-Sturmbannführer, Referatsleiter im RSHA und Gestapo-Chef von Belgrad
Heinrich Schulz, Attentäter auf Erzberger
Karl Schulz, Reichstagsabgeordneter, Oberstleutnant, SS-Obersturmbannführer, Einsatzleiter Ghetto Litzmannstadt
Hermann Souchon, Leutnant zur See, Mörder Rosa Luxemburgs
Ernst Werner Techow, Rathenaumörder
Heinrich Tillessen, Erzbergermörder
Karl Tillessen, Stellvertreter von Hermann Ehrhardt in der Organisation Consul
Wolf von Trotha, Vizeadmiral z.V.