Der Spieler

Eine Szene erschienen 1922

(Der Spieler taumelt in grünem Frack, grünem Zylinder, orangenem Umhang auf die Bühne)

Ich habe verspielt . Ich habe alles verspielt … Ich bin zu Ende … ehe ich noch am Anfang war … Vier Damen hatte ich in der Hand … Vier Damen mit einemmal … Ha, dachte ich, endlich lächelt dir Fortuna in vierfacher Ge­stalt … Ich setzte 10 000 … mein Gegenspieler war ein nach der letzten Mode gekleidetes Gerippe … ein ungeheurer Kürbisschädel … ohne Haare, ohne Fleisch … ohne Augen. Unbeweglich hielten seine Skelettfinger die fünf Po­kerkarten. Zwanzigtausend, quietschte das Skelett wie eine schlecht geölte Draisine. Der Mensch, dachte ich, falls er überhaupt ein Mensch ist, ist irrsinnig, komplett idiotisch … Ich habe vier Damen in der Hand … und er will mich übertrumpfen. 40000 schrie ich, und es sang, es zwitscherte in mir:

Wem je die Muse sich vervierfacht bot,
Der wandelt trunken über diese Auen,
Was dünken ihn die Haus- und Straßenfrauen.
Und was Narzissenwind im Abendrot …

80 000 gackerte das Skelett .. Die Karte heißt es ausnutzen bis zum letzten … Du bist das Leben, und er ist der Tod … Die ganze Welt mußt du gegen ihn gewinnen … Ah, unermeßliches Glück, wenn du die ewige Seligkeit ge­winnst … die Unsterblichkeit . 160000 brüllte ich … 320000 echote das klapprige Gestell … Ich rechnete fieberhaft … 160 und 80 und 40 und 20 und 10 .. Summi 310 000 … Mein ganzes Vermögen stand im Spiel und auf dem Spiel … Was konnte ich gegen seine 320000 setzen? Hinter meinem Platz stand Eveline . . blond und zart und süß wie immer … Sie war erblaßt … Ich wandte mich … Ich hob sie mit meinen Armen auf den Spieltisch … Sie schloß die Augen und stand still wie eine Statuette … Da riß ich ihr die seidenen Kleider vom Leibe … und das Hemd … Nackt stand sie auf dem Tisch. Und ich schrie: ich setze gegen Ihre 320000 meine Frau und mein Mädchen, meine Geliebte und meine Göttin … Einverstanden? Das Ske­lett begrinste und betastete mit seinen leeren Augen das blühende Fleisch des jungen Frauenkörpers .. Einverstanden, bestätigte es meckernd. Eveline stand reglos … Wir warfen die Karten auf den Tisch … Er hatte vier Aß … Ich sah, wie er seine schwarze Pelerine um Eveline warf … und sie vom Tisch hob … Ich hörte ihn mit blecherner Stimme beim Klubdiener ein Auto bestellen … Ich stürzte in die schwarze Nacht hinaus . Mein Schicksal ist besiegelt … Bald werden die Apfelbäume wieder blühen … Ich werde englisch lernen in der Berlitzschool ,.. Ich habe ein Talent für Sprachen und werde für amerikanische Zeitungen und Magazines schreiben … Die sollen fabelhaft … also wirklich fabelhaft zahlen .. 1 000 Dollar für einen Artikel mit Illustrationen … Nun .., man muß sich eben einen Kodak anschaffen und einfach alles photo-graphieren . einfach alles 1 000 Dollar, das sind, warten Sie mal, in heuti­ger Valuta 20 000 Mark … 20 Artikel, und ich habe Eveline zurückgewonnen Ach, es ist ja alles nicht so schlimm, wie es aussieht . Spielen, das ist ja doch die einzige Art, um mit dem Leben und mit dem Schicksal fertig zu wer­den      Schon als Embryo hatte ich die Angewohnheit Bakkarat zu spielen. Als ich in neun Monaten zur Welt kam, 9 ist die Zahl des Bakkarat, müssen Sie wissen, gewann ich auf diese Weise mit einem Coup 1 000 Mark, die ich zu­rücklegte, um damit später mein Einjährigfreiwilligenjahr zu bestreiten … denn meine Eltern waren einfache Leute, mein Vater Delikatessenhändler, meine Mutter eine Kandidatin der Philologie … Gleiche Interessen hatten sie zusam­mengeführt, eine heilige Sympathie der Herzen Es war eine Liebesheirat, wie sie im Buche steht . Meine Mutter nährte mich an den Brüsten der Wis­senschaft, was sie bedeutend weniger anstrengte, als wenn sie es an ihren eige­nen getan hätte …

Die Erziehungsmethode meines Vaters beschränkte sich darauf, mir Bücklinge, Johannisbrot, amerikanisches Büchsenfleisch entweder zu gewähren oder zu entziehen … So hielten sich praktische Lebenskunde und Ideologie in meiner Erziehung die Wage der Gerechtigkeit .. Mit fünf Jahren fiel mir ein Komet auf den Kopf, wodurch meine Kopfform etwas Eingedrücktes und Abgeplatte­tes bekam Zugleich bemerkte man aus diesem Zeichen des Himmels, daß dieser Großes mit mir vorhatte .. In meinem neunten Jahre, 9 .. ist die Zahl des Bakkarat, bemerken Sie wohl, verlor Eduard der Siebente von England In­dien im Bakkarat an mich … Ich wurde Vizekönig von Indien, welchen Beruf ich bis zu meinem dreizehnten Jahre voll ausfüllte … Darnach legte ich die Krone in die Hände Seiner englischen Majestät zurück . Sie war übrigens nur schwach vergoldet … Seitdem konnte ich das Jeu nicht lassen Aber ich verlor in einem fort, sogar meinen Verstand, den ich für 100 Mark in Zahlung geben mußte … Denn, um Glück zu haben . . muß man Geld haben … und um Geld zu haben .. muß man Glück haben . Glück will und soll der Mensch haben … Glück ist das, was recht viel Geld kostet … Ein Nachmit­tag zum Jazzthee in der Paradiesbar Preis: 100 Mark … Ein Abendessen mit Fern Andra … nur, um mit ihr gesehen zu werden … bei Hiller oder sonstwo … Preis: 1 000 Mark … Ein Besuch bei Madame H. in der Z.-Stra­ße, wo man einige Backfische trifft … Preis: 2000 Mark .. Und zum Schluß zwei Stunden im Spielkub, genannt: Vereinigung jüngerer Terrarienfreunde Preis: … zig Mark . Pumpen Sie mir 50 Mark . Ich setze alles auf meine Karte … Wenn ich gewinne, kaufe ich mir ein Zebra oder eine Frühlingswolke … Das schöne Geld . . Man findet für das Geld Beiwörter wie sonst nur noch für die Frau … Wer wird meinen Lackschuhen und meinen Bügelfalten glau­ben, daß ich kein Geld habe? … Ein eleganter Bettler, das ist das schlimmste … Ich werde in ein erstklassiges Hotel gehen und einige Wochen auf Kredit leben … In einem Hotel zweiten Ranges bekäme ich keinen … Es ist ein elendes Leben … Soll ich im Korsotheater als Exzentriktänzer auftreten? Ach, das schöne Geld und die schönen Karten und die schönen, schönen Frauen Karodame … und Piquedame … und Treffdame .. und Coeurdame.