Der Feueranbeter – Nachdichtung des Hafis

Kleine Roland-Bücher – Band 12

Roland Verlag Dr. Albert Mundt München 1919

Es wurde eine vom Autor signierte und nummerierte Liebhaberausgabe von Klabund: Der Feueranbeter im Auftrage des Roland Verlages in München-Passing im Herbst 1919 in der Druckerei Knorr & Hirth in München hergestellt, von der 100 Exemplare in den Handel kamen. Diese tragen die Titelzeichnung von F. H. Ernst Schneider als handkolorierten Linoleumschnitt, vom Künstler mit der Hand abgezogen.

Alle Rechte als Übersetzer und Verleger vorbehalten. Amerikanisches Copyrigth bei Roland-Verlag Dr. Albert Mundt Passing 1919.

*

In welcher Sprache ich auch schreibe,
Persisch, und türkisch gilt mir gleich.
Ein Himmel wölbt sich über jedes Reich,
Und Liebe reimt sich überall auf Liebe.

*

Soll ich deinen Worten trauen,
Geb ich ganz mich meiner Lieb‘ hin!
Aus dem hohen Himmelblauen,
Kleine Diebin, kleine Diebin,
Hast Du Sonn und Mond gestohlen,
Und das Meer floß durch dein Sieb hin –
Willst Du meinen Kopf nun holen,
Kleine Diebin, kleine Diebin?

*

Dies dünkte Hafis Inbegriff des Schönen:
Wenn Mädchen tanzen und die Becher tönen.
Wenn der Gesang ihm von der Lippe loht,
Und wenn er lächelnd schreitet in den Tod.

*

Ich pflanze das Panier der heiligen Worte
In diese Welt.
Wenn längst der palmenbaum verdorrte,
Der Fels zerfällt.
Wenn längst die strahlenden Monarchen
Wie faules Laub im Staub verwehn:
Tragen durch jede Sündflut tausend Archen
Mein Wort: Es wird bestehn.

*

Wär ich die See, in dem du dich bespiegelst,
Wär ich der Quell, der dich, du Blume, netzt.
Wär ich der Brief, den du mit Gold versiegelst,
Wär ich der Hund, den deine Spielwut hetzt.

*

Wär ich der Baum, der deinen Schlaf beschattet,
Wär ich der Traum, den deine Sehnsucht schürft.
Wär ich dein Gatte, der dich nachts begattet,
Wär ich das Licht, das dich erhellen dürfte.

*

Wenn einst der jüngste Tag anbricht,
Hält Hafis neben Gottes Thron Gericht,
Und seine weinbelegte Stimme spricht:

Ihr, die ihr trunken taumeltet durchs Leben.
Dem Lächeln und dem Frühling hingegeben,
An Mädchenlippen sauget wie an Reben

Ihr die ihr Brüder wart von Stern und Stier,
Besessen von des Falters Sonnengier:
Ihr heilig Trunkenen, zu Rechten mir!

Doch ihr, die ihr mit eurem Herzen karget,
Die ihr das Leben in die Tode sargtet,
Die ihr der Herbstes braune Blätter harktet,

Ihr, denen nie die schönen Huris sangen,
Die ihr am Leben wie am Strick gehangen,
Die ihr im Kerker eures Hirns gefangen:

Die ihr im Bund mit Schweinezüchtern. Denn
Ihr lästert geheim, ihr Schüchternen,
Zur Linken mir, ihr teuflisch Nüchternen!

*

Die Welt ist dunkel, und die Sünde brennt.
So schreib ich denn in meinem Testament:
Ich war ein Sünder, und ich sündete,
Jedoch mit reinen Lippen kündete
Des Menschen Leid ich, das ihm täglich tagt.
Ich war ein Mensch. Und das ist viel gesagt.

*

Armer Vogel, der ich war,
Saß ich auf dem Seelenbaume
Und im grünen Blättertraume
Ward mir Welt und Wesen klar.

Sidra rauschte. Er verstummte
Plötzlich. In sein Schattengrau
Trat das weiße und vermummte
Standbild einer schönen Frau

Und sie hob den Blick nach oben,
Ach, dem Vogel schlug sein Herz,
Und vom Sonnensturm umstoben
Sank vom Baum er erdenwärts.

*

In meinen Schläfen jagt das Blut,
Verdunsten ließ mich schier die Bürgersippe.
Es gibt nur ein Gefäß, das mir Genüge tut:
Suleikas Lippe.

*

Mein Auge ist nur dazu da,
Dass es dich spiegelt.
Mein Mund, damit er deinen Mund
Versiegelt.
Die Hand, damit sie deine Hand
Behalte.
Mein Sinn, damit er deinen Sinn
Entfalte.

*

Wenn meine Laute euch zu silbern singt,
Wenn euch mein Spott zu laut und lästrig lacht,
Zu hoch mein Rappe in die Lüfte springt,
Zu wild die Fahne meiner Weisheit winkt:
Denkt, dass ich meinen Vers im Rausch gemacht.

Wenn einst mein Kind, das zart ich dir entband,
Erblüht zur Rose rosenroter Pracht,
Wenn es die Güte gut, die Bosheit böse fand,
Wenn es die heilige Fackel reckt ins Land:
Denkt, dass den Knaben ich im Rausch gemacht.

*

Als die Mutter dich geboren,
Lag sie staunend, denn sie hörte
Ihre Sinne, ihre Ohren.

Waren es die seligen Ohren,
Die mit ihren schönsten, süß‘ten
Sängen die Gefährtin grüßten,
Als die Erde dich geboren?

*

Ich las in einem Buch nur mit Vergnügen,
Doch kann ich mich an ihm nicht lesen satt,
Die Liebe lese ich in deinen Zügen
Und blättre küssend Blatt um Blatt.

*

Allah lächelt mir so lieblich,
Und es blüht der Tubabaum.
Jubelnd ach begreif ich’s kaum:
Allah lächelt mir so lieblich.
Sieh Suleika, wie er lächelt,
Wie sein Hauch dein Herz umfächelt,
Allah lächelt uns si lieblich.

*

Das Leben ist eine Schlange nur:
Es will gebändigt sein.
Das Leben ist ein Anfang nur:
Es will geendigt sein.

Der Tod ist eine Türe nur,
Ein Quell entspringt der Qual.
Schließ auf, o Gott, und führe nur
Uns in den ewigen Saal:

*

Ich würde sterben, hätt ich nicht das Wort,
Das meine flüchtigen Gedanken hält,
Das sie bewahrt für dich und jene Welt;
Es schützt mich, dass mein Lebensbaum verdorrt.
Es reißt den Schreitenden zum Schweben fort.
Ich würde sterben, hätte ich nicht das Wort.

*

Der Nachtigall im Strauche lauschst du nicht,
In den Novemberstürmen rauschst du nicht.
Mit deinem edlen Pferde jagst du nicht,
Den Pfeil und Bogen wagst du nicht,
Der Kuss auf schöner Lippe blüht dir nicht,
Das Herz im Feuertaumel glüht dir nicht.

Was bist du Mensch und was denn willst du sein
Es bleibt dir nichts: ertränke dich … im Wein …

*

Sie sagen, Hafis, dass du vieles weißt:
Du hättest, so du bettest dich in Geist,
Es tappt des Nachts bei dir auf leisen Sohlen,
Man sagt, du schließest liebend bei Idolen.
Sprich, ist es wahr, dass dich die holden Schatten
Der Tugenden im bunten Traum begatten?

Ihr Herren schweigt. Mein armer menschenleib
Ist nur der Geister Spiel und Zeitvertreib.
Ich bin nicht ich. Sie sind es, die mich meißeln.
Die mich zum Guten – und zum Bösen geißeln.

Mein Wille ist so schwach. Mein Wissen so gering.
Ich trüber Tor, ich weiß ein einzig Dingt:
Dies, dass ich lebe, dass wir sterben werden –
Und dass Suleika mein im Himmel und auf Erden..

*

Gott knetete aus erdenstaub allein mich,
Darum der Priester wohl nicht fände rein mich,
Denn ich verdorre leicht – um mich zu nässen,
Muss ich den Weinkrug an die Lippen pressen.

*

Der abgeschossne Pfeil kehrt nie zurück.
Nie mehr der toten Liebe Liebesglück.
Nie mehr wird ihre Hand in meiner ruhn,
Nie mehr ihr Lächeln lieb und zärtlich tun.
In meinem Herzen liegt bestattet, was
Durchsichtig blinkte wie kristallnes Glas.
Mein Becher, meine Schale, mein Pokal:
Ich trinke nur noch Schmerz aus dir und Qual!
Vor meinem Aug der Tränenschleier wallt.
Hafis ward müde, Hafis wurde alt.

*

Schönste Huri, geh und grüße
Und wie adlig du auch seist:
Wasche ihre holden Füße
Jener schönen, die du weißt.

Frommer Pilger, geh und eile,
wenn du in Gebeten brennst:
Bring ihr eine heilige Zeile
Jener Tugend, die du kennst.

Zarte Wolke, flieg und fliege,
Schatte ihre Stirn zumeist
Und in zarten Zauber wiege
Jene Zarte, die du weißt.

Darf ich eine Bitte wagen,
Gott, der du dich Sonne nennst:
Bring aus Hafis‘ Tränentagen
Einen Blick ihr, die du kennst.

*

Begreife, was für dich das Gottidol getan;
Vergeistige die Tat! So ist es wohlgetan,
Wenn Blech auf Tonne klopft, so ist es hohl getan.
Hammer auf Ambos: also ist es wohl getan.

Der Tanz wird oft auf schwerer Sohl getan:
Tanze mit nacktem Fuß, so ist es wohl getan.

*

Ihr schleift die Schwerter, die zum Kriege verwandten.
Ich schleife meiner Verse Diamanten.

*

Dass uns der Fürst wie Schachfiguren schiebe,
Sei widerraten ihm: Es herrschte Liebe!
Ob uns der Sturm rauh in Atome stiebe,
uns schweißt zusammen Liebe, Liebe, Liebe,
Gieß deine Tugenden durch tausend Siebe.
Was übrig bleibt ist: Liebe, Liebe, Liebe,

Was tut der Tod dem, der ihn bald vertriebe
Zum Tode mit dem Feuerschwert der Liebe!

*

Mein Herz spannt seine Segel. Und das Schiff
Es gleitet glücklich zwischen Fels und Riff.
Am Bug die Möwen ziehn in weißen Schwaden,
Mein Schiff hat Menschenherzen hoch geladen.

*

Ich bin dir dienend zugestellt,
Als Opfergabe, Herrin nimm mein jüngstes Schaf hin.
Die ganze Welt ist eine schwarze Sklavin,
Die dir den Spiegel hält.

*

Mich liebte Persiens schönste Frau.
Der Himmel färbte meine Augen blau.

Ich liebte Persiens schönstes Kind,
Da ritt auf Wolke ich und Wind.

Ich liebte Persiens schönstes Weib:
Leib wurde Geist, Geist wurde Leib.

*

In tausend Stücke ist mein Herz zersprungen,
Als es von dir berührt.
Ich redete in tausend Zungen,
Als mich dein Wort berührt.

Nun liegen dir zu Füßen tausend Herzen,
Und du umarmst mit tausend Sünden dich.
Ich leide tausendfache Schmerzen
Und küss mit tausend Mündern dich.

*

Mönch, vertrinke deine Kutte,
Weil ich gerne wüßt,
Ob du ohne Priesterkutte –
Auch ein Priester bist.

*

Ich sah am Wege eine Schenke liegen,
drin saßen schweigend Männer, welche tranken,
In dämmrigen und düsteren Gedanken.
Ich sah am Wege eine Schenke liegen,

Ich sah am Wege einen Tempel leuchten,
Drin zelebrierten Priester heilige Gesten.
Es riefen Knaben dumpf zu Totenfesten
Ich sah am Wege einen Tempel leuchten.

Ich sah am Weg ein weißes Grabmal ragen,
An seinem Sockel sprossen die Narzissen.
Im Winde wehten Seufzer wie von Küssen,
Ich sah am Weg ein weißes Grabmal ragen.

*

Ich heb mein Glas in dämmrigen Spelunken,
Und ihr!

Ich horche auf den Ruf der roten Unken,
Und ihr!

Ich atme an Suleikas Lippe,
Und ihr!

Ich beug das Knie vor Schädel und Gerippe,
Und ihr!

Ich weiß so wenig und ich leide vieles,
Und ihr!

Ich suche Seligkeit und Sinn des Spieles,
Und ihr!

Ich küss als ob ich nie mehr küssen müßte,
Und ihr!

Ich leb, als ob ich täglich sterben müßte,
Und ihr!

*

Nachts zuweilen überfällt im Traum
Mich ein blauer Zauber-Wahn.
Kupplig wölbt sich überm Sternenraum
Dschinnistan, Dschinnistan.

Flötet nicht der Papagei?
Schluchzt im Walde nicht der Pavian?
Und mein Herz zerreißt im Schrei:
Dschinnistan, Dschinnistan.

Streichelt mich das Rieseln einer Quelle?
Trinkt mein Herzblut nicht der Pelikan?
Eine weiße Frau entsteigt dem Fels
Dschinnistan, Dschinnistan …

Träne tropft auf Träne mir herab.
Ach schon kräht im Hof der erste Hahn.
Und ich sinke kniend an dein Grab …
Dschinnistan … Dschinnistan …

*

Solange wir im Licht sind,
Wir werfen Schatten weit.
Erst wenn wir einmal nicht sind,
Sind wir vom Leib befreit.

Solange wir auf der Welt sind.
es wechseln Nacht und Schein.
Erst, wenn wir ganz erhellt sind,
Wird ewig Sonne sein.

*

Bülbül singt im Rosengarten,
Sonne schon erscheint.
Liebes Kind, lass mich nicht länger warten, bis der Regen weint.
Bülbül singt. Lass mich nicht länger warten.
Wird es nicht schon Nacht?
Siehe, überm Rosengarten
Ist ein Stern entfacht.

*

Erst dacht ich, dass in deinen Augen ich am Ziele
Der ganzen Welt.
Nun sehe ich wieviele Ziele
Mir noch gestellt.

Ich sinne täglich und stündlich,
Was hinter deiner Stirne brennt …
Ich weiß: Da glänzt so unergründlich
Das ganze Firmament.

*

Gott ist ohne Maß und Schranken,
Gott ist ohne Ziel und >Grenzen.
Seine himmlichen Gedanken
Gleichen immergrünen Kränzen;

Sind wie deine blassen Hände,
Die du faltest auf der Bahre.
Gott ist ohn Beginn und Jahre.

*

Alles was geschieht
Ist nur Leid und Lied.
Gott spielt auf der Harfe Trost sich zu.
Welle fällt und steigt.
Ach wie bald schon neigt
Sich dein Haupt im Tod. Dann lächelst du.

*

Umschwebe in den Räumen, die du schufest,
Den Liebenden mit deinem Liebeshauch.
Und wenn du ihn in deine Arme rufest,
So ruf ihn bald, und er zergeht im Rauch.

Gemeinsam schweben wir im goldnen Äther
Die letzte Wolke schon am Sternensteg.
Und auf der Erde heben fromme Beter
Die ferne Hand und segnen unsren Weg.

*

Der wind wirft Staub in unsre Wimpern,
Und selbst das Mondlicht stäubt –
Lass uns ein Lied auf unsrer Laute klimpern,
Das uns betäubt.

Armselige wir!; Wir dichter! Arm und selig!
Wie Licht auf Licht
Vom Himmel tropft: So glänzt der Vers allmächtig
Und wird Gedicht.

Streift Staub und Tränen aus den Wimpern.
Lacht doch!
Und lächelnd sei der letzte Trunk kredenzt …
Vielleicht, dass die Erinnerung dieser Nacht noch
In tausend Jahren glänzt …

*

Einst wird mein Atem Gräber sprengen
Und Turm und Tempel niederwehn.
Die Toten mit den Gabgesängen
In Händen werden strahlend stehn.
Es wird gleich Blumen zwischen Rippen
Das Fleisch der Auferstehung blühn.
Und von der Berge schroffe Klippen
Die neue Sonne Seele glühn.

Sie finden sich zum reinen Reigen,
Die Finger flammen kerzengleich.
Und im Verlieben und Verneigen
Ergänzt sich das gewollte Reich.

Es wird nicht Traum noch Trübsal geben,
Es wird nicht pest und Armut sein.
Das Elemente heiliges Leben
Entsprießt dem rosenroten Schein.

Die Tode sterben und verwesen,
Gleich Fliegenpilzen platzt die Brut.
Wie wir in Heiligen Büchern lesen,
Rollt ewiger Ströme Feuerblut.
Wir wurden stark vor lauter Schwäche,
Wir wurden gut vor lauter Leid.
Es schließt die spiegelhafte Fläche
Sich strahlend zur Vollkommenheit.

*

Dieser Gürtel unterm Kleide
Ist das Zeichen meiner Kaste,
Wie ich liebe, wie ich leide,
Wie ich praßte, wie ich hasste.

Dieser Gürtel, er verkündet
Dass der einzige Gott das Feuer.
Flehe, wenn du bleich gesündigt.
Dass er flammend dich erneuer!

Küss den Gürtel! Denn er weist dich:
Hülle ist nur alles Streben!
Das Gewand wird fallen. Geistig
Wird sich Hafis dir ergeben.

*

Acht Himmelsstufen hat der Kirchengläubige Nötig.
Doch mach ich zu beweisen mich erbötig:
Die wahren Büßer wird der Gott entlohnen:
Sie werden gleich im neunten Himmel wohnen.

*

Ich fand allein im Wettlauf meine Ruh,
Ich liebte nie der Trägheit warme Nester.
Das Leben war mir gut wie eine Schwester,
So komm den Tod, und sei mein Bruder du!

*

Zur Asche ward ich längst im Totenschrein,
Wenn deine Jugend noch im Lichte geht.
Die Erde, die um deinen Kleidsaum weht,
Ist Staub von mir, und Bein von meinem Bein.

*

Tritt nicht mit trüber Miene an das Grab
Und lächle wie ich stets gelächelt hab.
Bring einen Becher mit und eine Dirne,
Den Veilchenkranz um die geschminkte Stirne.
Und heiß sie Tanzen, heiß sie Lieder singen
Und dreimal über meine Grabstatt springen.
Und sprenge Wein, wo man mein Haupt vermutet
Und wo mein Hirn verwest, mein Herz verblutet.

*

Nun bin ich ohne Beschwerde,
Nun bin ich ohne Leid.
Tief unter mir die Erde
Liegt wie ein Stern so weit.

Und was ich je gelitten
Um dich und deinen Tod,
Ist von mir abgeglitten
Wie Rauch im Abendrot.

Gesühnt sei meine Fehle.
Gott will mir Gutes tun.
Ich darf bei meiner Seele
Noch heut im Brautbett ruhn.

Diwan von Hafiz, Miniaturmalerei, Persien, 1585

Nachwort

Mohammed Schemseddin, welcher in Persien im 14. Jahrhundert lebte, war ein Priester dessen, dem er seinen Namen und Beinamen verdankte. Sein Beinamen heißt: Hafis: Bewahrer (des Koran). Aber er hat uns noch besseres bewahrt als das Andenken seiner ziemlich weinseligen Priesterschaft: Er hat uns in unsterblich leicht und schweren Liedern den Gesang des Vogels Bülbül, der aus seiner Seele sang, aufgefangen. Er dachte: Tief. Aber er flog in schwebenden Versen hoch: So hoch, dass er den Flug neben Sappo, Catull, Goethe, Litaipe wohl wagen darf. Ich habe ihn, wie alle meine Nach- und Neudichtungen aus meinem Herzen nachgedichtet. Sein Schmerz ist mein Schmerz, sein Gelächter das meine. Und als er um Suleikas Tod weinte, da weinte auch ich um den Tod der meinen.

Ich nenne als benutzte Quellen die Hafis Übersetzungen von Hammer, Nesselmann, Daumer, Rosenzweig, Bodenstedt; die Daumersche erwies sich als die bei weitem beste. Der von Bethge fehlt der Hauptreiz: Der Reim, den Hafis besonders kunstvoll handhabte. Seine Reimtechnik hat auf unzählige westliche dichter: Goethe, Platen, Rückert, entscheidend gewirkt. Goethe setzt ihm im „Westöstlichen Diwan“ ein Denkmal. Größer ist das, das er sich selber in seinen Liedern gesetzt.

Monti della Trinita. Dezember 1918

Klabund

Der Persische Dichter Hafis

Hafis oder (persisch ausgesprochen) Hāfez, (…) auch Mohammed Schemseddin genannt, wurde um 1315 in Schiras im Iran geboren und starb um 1390 ebenfalls in Schiras.

Er ist einer der bekanntesten Dichter und Mystiker.

Wikipedia schreibt:

„… Sein voller Name umfasst auch den Namen seines Herkunftsortes Schiras. Da Hafis schon im Kindesalter den gesamten Koran auswendig gelernt hatte, erhielt er den Ehrennamen Hafis („jener, der den Koran auswendig kann“). Auch er selbst verwendete in seinen Gedichten fast ausschließlich den Namen Hafis.

Über sein Leben gibt es nur wenige gesicherte Daten. Das meiste sind legendenhafte Überlieferungen:

Der Vater Baha-ud-Din war Kohlenhändler und starb, als Hafis noch ein Kind war. Er hinterließ ihm und seiner Mutter hohe Schulden. Des Vaters Rezitationen des Korans haben den Sohn so sehr beeindruckt, dass er das Buch mit 8 Jahren auswendig konnte (daher erhielt er später den Ehrentitel Hafis). Früh wurde er auch mit den Werken von Molana (Dschalal ad-Din ar-Rumi Sufi-Mystiker, Gelehrter und einer der bedeutendsten persischsprachigen Dichter des Mittelalters) und Saadi (geboren um 1210; gestorben um 1292, mit vollem Namen Abu Moḥammad Mošarref ad-Din Moṣleḥ bin ʿAbd-Allāh bin Mošarref Širāzi,[2] war ein herausragender persischer Dichter und Mystiker. Er ist insbesondere für seine beiden Werke „Bustān“ und „Golestān“ bekannt. Saadi stammte aus Schiraz, wo er auch viele Jahre seines Lebens verbrachte), sowie von Attar (geboren um 1136 in Nischapur (Persien); gestorben um 1220 oder 3. November 1221) war ein persischer Dichter und islamischer Mystiker) und Nezāmi (oder Nezami von Gandscha, geboren um 1141 in Gandscha, heute in Aserbaidschan); gestorben am 12. März 1209, war ein persischer Dichter und der bedeutendste Vertreter des „romantischen Epos in der persischen Literatur) vertraut gemacht. Vermutlich erhielt er eine umfassende Ausbildung an einer Madrese (Ort des Studiums ist seit dem 10. Jahrhundert die Bezeichnung für eine Schule, in der islamische Wissenschaften unterrichtet werden) die Gedichtwidmungen und Panegyriken (Lobreden) weisen auf eine zeitige Verbindung mit dem Hof der Muzaffariden (Die Muzaffariden waren eine persische Dynastie, die von 1314 bis 1393 im Südiran und Kurdistan herrschte) hin.

Hafis lernte zunächst das Bäckerhandwerk und übte es einige Zeit aus, bis er im Alter von 21 Jahren Attars Schüler in Schiras wurde. Bei der Auslieferung von Brot und Backwaren in reichen Stadtvierteln lernte er seine „Muse“ Schach-e Nabaat kennen, deren Schönheit er viele Gedichte widmete. Er gewann bald an Bekanntheit und wurde Hofdichter (…) sowie ein vielbeachteter Koranlehrer; er gehörte einem Sufi-Orden Tariqa (Weg, Pfad, Methode,ist ein Begriff aus der Sufik, der zunächst einmal den spirituellen Weg bezeichnet, (…) den der Sufi beschreitet, um von der Scharia zur göttlichen Wahrheit zu gelangen, dann aber auch eine Gemeinschaft von Menschen, die einem solchen Weg folgt) an.

Etwa 1333 eroberte Mubariz Muzaffar die Stadt und entließ ihn – für Hafis der Anlass, von der „Romantik“ zu Protestliedern überzugehen.

Als Mubariz von seinem Sohn Schah Schudscha‘ gestürzt und ins Gefängnis geworfen wurde, erhielt Hafis seine Stelle wieder.

Hafis starb als hoch geachteter Dichter seiner Zeit. (…) Hafis gilt, was seine durch Ideen von geistiger Freiheit und Persönlichkeitsrechten geprägten Formulierungen weltlicher Weisheit anbelangt, gemäß Manuel Sommer als Nachfolger Chayyams. (geboren am 18. Mai 1048 in Nischapur, Chorasan, Iran, gestorben am 4. Dezember 1131 ebenda, war ein persischer Mathematiker, Astronom, Astrologe, Philosoph und vor allem durch seine Vierzeiler berühmter Dichter).

Hafis vor der Schenke, Anselm Feuerbach, 1852 – Quelle; Wikipedia

„Der Diwan“ ist Hafis’ bekanntestes Werk.

Dazu Wikipedia:

„…Der Begriff Diwan Sammlung, Versammlung‘, in der Bedeutung Gedichtsammlung seit Goethe, 1819, geläufig) steht für eine Sammlung von Poesie und Prosa in der Literatur der islamischen Welt. Im Wortsinn wird der Begriff auch für ein Büro, eine Behörde oder eine Ratsversammlung verwendet.

Der Diwan wurde erst nach Hafis Tode zusammengestellt und ist in etwa 1000 Handschriften in Europa und dem Orient erhalten.“

Nochmal Wikipedia:

„… Zu den wiederkehrenden Themen gehören die typischen Motive des persischen Ghasels: unerwiderte Liebe, Trennung und Sehnsucht, aber auch das Schwärmen für die Schönheit und Reize der angebeteten Person. Es gibt weiterhin Meditationen über die Vergänglichkeit des Lebens und die Unvermeidbarkeit des Schicksals wie auch die Aufforderung zum Lebensgenuss, Kritik der religiösen Scheinheiligkeit und Verse mit Inhalten aus dem Bereich der Mystik.“

Im deutschsprachigen Raum wurde Hafis’ Werk vor allem durch die Übersetzungen von Joseph von Hammer-Purgstall (geboren am 9. Juini 1774 in Graz, gestorben am 23. November 1856 in Wien) und Vinzens Rosenzweig von Schwanau bekannt. Joseph von Hammer-Purgstall war ein österreichischer Diplomat und Orientalist. Er wurde bekannt als Übersetzer orientalischer Literatur und gilt als der Begründer der wissenschaftlichen Osmanistik und als österreichischer Pionier der Orientalistik. 

Vinzenz Rosenzweig von Schwannau (geboren 1791 in Znaim, Mähren; gestorben am 8. Dezember 1865 in Wien; war ein österreichischer Diplomat und Orientalist. Er wurde bekannt als Übersetzer orientalischer Literatur.

Wikipedia schreibt über ihn:

„… Nach seiner von 1799 bis 1808 dauernden Ausbildung an der k.k. Akademie für Orientalische Sprachen wurde er als „Sprachknabe“ an die k. k. Internuntiatur in Konstantinopel (Istanbul) entsandt. Ab 1813 wirkte er an der k. k. Agentie in der Walachei. Von 1817 bis 1847 war er als Professor für orientalische Sprachen an der Orientalischen Akademie in Wien tätig. 1831 wurde Rosenzweig von Schwannau zum Hofsekretär ernannt.

Die Themen der wissenschaftlichen Arbeiten von Vinzenz Rosenzweig von Schwannau galten den Literaturen des Orients, vor allem der persischen Dichtung. (…) Für die heutige orientalistische Forschung ist seine deutsche Übersetzung des Diwans des persischen Lyrikers Hafis immer noch von Bedeutung.“

Und weiter:

„… Als Hafis’ „Diwan“ in der Übersetzung von Hammer-Purgstall zum ersten Mal in die deutsche Sprache Eingang fand, gehörte Johann Wolfgang von Goethe zu seinen hingebungsvollsten Lesern. (…) Inspiriert und im Dialog mit dieser reich kommentierten Ausgabe schrieb Goethe ab 1814 seinen Gedichtzyklus „West-östlicher Divan“ (1819).“

Und über diesen „Divan“ ist bei Wikipedia zu lesen:

„… erschienen 1819, erweitert 1827 ist die umfangreichste Gedichtsammlung von Johann Wolfgang von Goethe. Sie wurde durch die Werke des persischen Dichters Hafis inspiriert. Durch die Aufnahme des Goethe-Schiller-Archivs der Klassik-Sammlung Weimar im Jahr 2001 ist Goethes Reinschrift des Werkes Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes.“

Goethe über Hafis:

Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Wie du zu lieben und zu trinken,
Das soll mein Stolz, mein Leben sein.
Du bist der Freuden echte Dichterquelle
Und ungezählt entfließt dir Well’ auf Welle.
Zum Küssen stets bereiter Mund,
Ein Brustgesang, der lieblich fließet,
Zum Trinken stets gereizter Schlund,
Ein gutes Herz, das sich ergießet.

Grab des Hafis in Schiras Iran Quelle: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=13335

Unter dem Titel „Das Liederbuch des Hafis“ vertonte der Komponist Viktor Ullmann 1940 in Prag fünf Gedichte aus den 1910 erschienenen Nachdichtungen von Hans Bethge. Wenig später wurde Ullmann in das KZ Theresienstadt deportiert.

Viktor Ullmann – geboren am 1. Januar 1898 in Teschen/Österreich, war ein österreichischer Komponist, Dirigent und Pianist. Er wurde am 18. Oktober 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet, da er aus einer jüdischen Familie stammte.

Gibt es zum „Feueranbeter“ – den Nachdichtungen des Hafis noch etwas zu schreiben? Sicher – Fredi hatte einen guten Geschmack und einen sicheren Instinkt und so ist seine Version des großen persischen Dichters Hafis entstanden.