Der feiste Kapaun

Eine Szene

Die Szene ist nach englischen, französischen, holländischen, italienischen Zeitungsnachrichten geschrieben.

Figuren:

Der Kriegsminister
Der Marineminister
General vom Generalstab
Erster Oberst vom Generalstab
Zweiter Oberst vom Generalstab
Mimi
Gabys
Ein Leutnant
Jean
Christophe
Alois Huber, Tambourmajor im kgl. bayer 2. Infanterieregiment
Der Korrespondent des „Daily Telegraf Erster Kourier
Zweiter Kourier
Zwei Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett.

Ort: Bordeaux – Zeit: Mitte September 1914.

(Links und rechts vom Zuschauer.
Der feiste Kapaun“ Elegantes Weinhaus in Rot und Gold. Säulen Stuck. Runde und ovale Tische Plüschsessel An den Seiten große Spiegel von der Decke bis zum Boden Hinten links Haupteingang mit Portieren verhängt. Hintergrund, Mitte und rechts Fenster auf die Straße. Links und rechts, durch Portieren vom Saal getrennt, Separatlogen. Wenn der Vorhang hoch geht, ertönt, von einem Grammophon gespielt, die Sambre et Meuse Gelächter. Gläserklirren. Die beiden Kellner Jean und Christophe stehen gelangweilt im Hintergrunde an zwei Säulen gelehnt. Plötzlich schiebt sich links eine Portiere zurück. Mimi, ganz in Weiß, flattert leicht wie ein Vogel mit zweimaligen Flügelschlägen zwitschernd über die Bühne und verschwinde! rechts in einem gegenüberliegenden Separee. Gelächter. Gläserklirren)
CHRISTOPHE: Wer ist das?
JEAN: Mimi.
CHRISTOPHE: Und weiter?
JEAN: Nichts weiter. Mimi. La belle Mimi.
CHRISTOPHE: La belle Mimi? Ich finde sie nicht hübsch …
JEAN: Dummkopf. Hübsch. Sie wiegt 89 Pfund Hat berauschende Toiletten. Läßt bei Soiree anbieten und kostet viel Geld! Deshalb ist sie schön. Deshalb heißt sie la belle Mimi.
CHRISTOPHE: (schweigt; dann nach links zeigend) Wer sitzt da drin?
JEAN: Der Herr Kriegsminister …
CHRISTOPHE: (Nach rechts zeigend) Und da?
JEAN: Der Herr Marine-Minister …
CHRISTOPHE: Und Mimi?
JEAN: Liebt beide. Sozusagen. Oder die beiden lieben sie. Seitdem der Krieg ausgebrochen ist, wird Mimi von der gesamten Regierung finanziert. Einer allein kann sie sich nicht mehr leisten. Die Ministergehälter sind um die Hälfte gekürzt. Aber das Herz – kann man dies Herz um seine Hälfte kürzen?
CHRISTOPHE: (seufzt)
JEAN: (mustert ihn) Du liebst Mimi?
CHRISTOPHE: (wendet sich ab)
JEAN: Aber mein Junge . weshalb quälst du dich? Du bist ein Bauer. Erzähle ihr, du seist ein Elsässer – und sie wird dir um den Hals fallen. Das erspart dir alle Komplimente. Seit dem Kriege sagt man nicht mehr: Mademoiselle, ich liebe Sie! sondern: Liebes Kind, ich bin ein Elsässer. Die weiteren Formalitäten kann man sich ersparen.
CHRISTOPHE: Vielleicht wäre es noch besser zu sagen: Ich bin ein Turko! (träumerisch) Aber ich habe einen zu hellen Teint .. (Aus der linken Loge Rufe: Jean, Jean ...)
JEAN: (bleibt vor der Portiere stehen) Euer Excellenz?
DIE STIMME: Sind neue Extrablätter angeschlagen?
JEAN: Jawohl, Euer Excellenz.
DIE STIMME: Nun?
JEAN: Die französische Mittelmeerflotte schickt sich an ..
DIE STIMME: Aber, lieber Jean, erzählen Sie das dem Marineminister. Er wird sich freuen, Neuigkeiten zu hören. So viel ich weiß hat der Marineminister seit Beginn des Krieges noch kein direktes Telegramm von der Mittelmeerflotte erhalten Langweilen Sie mich nicht mit Ihrer Mittelmeerflotte. (Ab)
JEAN: Sehr wohl, Euer Excellenz. (verbeugt sich)
(Aus der rechten Loge Rufe: Jean, Jean ...)
JEAN: (nach rechts) Euer Excellenz?
STIMME: Sind neue Extrablätter angeschlagen?
JEAN: Jawohl, Euer Excellenz …
STIMME: Nun?
JEAN: Die französische Mittelmeerflotte schickt sich an .
STIMME: Lieber Jean, erzählen Sie das mit der Mittelmeerflotte dem Herrn Kriegsminister den interessiert das. Hat der „Matin“ die einheitliche Regelung des Kaviarpreises durch den Herrn Minister des Innern schon bekannt gegeben?
JEAN: Ich weiß nicht, Euer Excellenz …
MIMI’s STIMME: Christophe …
CHRISTOPHE: (eilt herbei)
MlMl: Christophe, noch eine Flasche Champagner. –
STIMME: Der Herr Minister des Innern wird auch den Champagnerpreis einheitlich regeln müssen, wenn das so weiter geht, hören Sie, Jean …
JEAN: Sehr wohl, Euer Excellenz.
CHRISTOPHE: (hat eine neue Flasche Champagner geholt) Gnädiges Fräulein …
MIMI: Nur herein …
(Christophe tritt in die Loge)
STIMME: Schön, mein Sohn.
MlMl: Ein niedlicher Junge ..
STIMME: Ein Bauernlümmel … Warum bist Du nicht ausgehoben?
CHRISTOPHE: Ich bin lungenkrank, Euer Excellenz.
MlMl: Wenn ich einmal ein Kind bekäme, es müßte ein wenig aussehen wie der da groß, von Seewind gebleichte Haare, fast blond … und … und … lungenkrank …
STIMME: Na, sei so gut .. (Christophe zurück Bewegung hinter der Portiere des Haupteingangs. Säbelklirren. Es treten ein, von den Kellnern begrüßt: General, Erster Oberst, und Zweiter Oberst. Suchen nach einem Tisch)
GENERAL: Den da. Ja. Is recht. Ein verteufelt heißer Tag heute. Ich habe auf dem Büro wie ein Grubenarbeiter geschwitzt.
1. OBERST: Die Strategie ist die Mutter des Lebens und der Vater der schönen Künste.
2. OBERST: Indem sie lehrt, wie man Wunden durch . . Schminke verdeckt.
GENERAL: Die Strategie ist ein sehr aufreibendes Handwerk, insofern man sie leider mit dem Kopfe betreiben muß.
2. OBERST: Nun, der Soldat im Feld betreibt sie auch mit seinen Händen …
GENERAL: Mein Lieber, der Soldat im Feld ist ein Klumpen blutdürstiges Fleisch … ein Tiger … ein Tier, das sticht, schießt, läuft, brüllt … der Geist, der Geist . das sind wir vom Generalstab. Und je weiter wir von der Front weg sind, um so unvoreingenommener sind wir. Umso mehr bewahren wir uns die Freiheit der Handlung. Wir, wir gewinnen den Krieg … hier an diesem Tisch. Am sogenannten grünen Tisch. – Jean, zwei Chablis, aber brav gekühlt
1. OBERST: Ich habe heute den Durchmesser eines deutschen 42 cm Geschosses mit einem Zirkel nachgezogen. Es war eine mühselige Kleinarbeit. Aber der Erfolg lohnte die angewandte Mühe durchaus Ich trage die Zeichnung jetzt immer bei mir. Sie wirkt sehr belehrend. Sehen Sie … (er hat ein zusammengefaltetes Stück Papier der Brusttasche entnommen und entfaltet es)
GENERAL: Sehr nett, wirklich sehr nett … Wenn man sich das an die Wand nagelt und denkt, das ist ein Loch … Wirklich sehr nett.
2. OBERST: Die Nachrichten aus Paris lauten günstig
GENERAL: So!
2. OBERST: Die unmittelbare Gefahr für Paris ist beseitigt. Die Deutschen haben den rechten Flügel von Meaux zurückgenommen.
1. OBERST: Das heißt: sie haben eine Schlacht verloren.
2. OBERST: Das nicht. Aber sie brauchen Truppen in Rußland. Zur Entlastung Galiziens. Oder für … England.
GENERAL: Für … England?
2. OBERST: Ja, für England. Die erste deutsche Matrosendivision steht schon in Belgien. Hat bei einem Ausfall der Belgier aus Antwerpen mitgewirkt. Das erste bayerische Armeekorps soll neuerdings ebenfalls in Belgien stehen …
GENERAL: Aber die Deutschen haben genug Truppen in Belgien. Was soll das erste bayerische Korps es kämpfte doch in Elsaß und in Lothringen …
2. OBERST: Es ist für … England bestimmt
OBERST + GENERAL: für England?
1. OBERST: Sie phantasieren … auf Arrangement … für England?
GENERAL: Sie beweisen bei Ihren Kombinationen viel Geist … (lacht herzlich) aber soviel Geist, daß keine Realität mehr übrig bleibt … (Die Kellner bringen den Wein)
GENERAL: Also … mein lieber Oberst … trinken wir auf die Invasion der Deutschen in England … Wann soll sie denn vor sich gehen?
2. OBERST: Im November … von Calais aus … zur Zeit der Novemberstürme, wenn die englische Flotte durch das widrige Wetter in ihren Häfen zurückgehalten ist … sie wird gleichzeitig durch einen Angriff der deutschen Flotte beschäftigt werden …
GENERAL: Hoch, die deutsche Invasion in England!
ALLE DREI: Hoch, hoch, hoch!
GENERAL: Um so leichter werden wirs dann haben … (lachend)
1. OBERST: (kopfschüttelnd) Ich glaube, Sie müssen zur Front zurück, Soulier.
GENERAL: Ich glaube auch …
2. OBERST: Brennend gern … (enthusiasmiert)
(Gesprächspause)
(Die Portiere rechts am Chambre separee rechts wird zurückgeschlagen; und Mimi, ganz in Weiß, flattert leicht wie ein Vogel mit zweimaligem Flügelschlägen zwitschernd über die Bühne und verschwindet links. Die drei Offiziere sehen ihr teilnahmsvoll nach)
GENERAL: Süßes Mädel …
1. OBERST: Hübsches Weib …
2. OBERST: Sie sah wie Frankreich aus … zart … verführerisch verderbt, sehr teuer … ganz in Weiß … es fehlte nur die Trikolore
(links Lachen, Gläserklirren. Die Sambre et Meuse klingt wieder auf)
2. OBERST: Verdammt, das geht in die Beine marschieren . marschieren möchte man … übern Rhein … übern Rhein ..
1. OBERST: Seien Sie froh, daß Sie hier sitzen. Bei dem Regenwetter draußen, in den aufgeweichten Schützenlinien an der Marne liegen – ich bedanke mich. Eine ganze deutsche Batterie soll im Schlamm versunken sein. Man holt sich Rheumatismus.
2. OBERST: (springt auf) Jean, meine Garderobe! – Meine Herren, entschuldigen Sie, … entschuldigen Sie, General … Ich kann nicht mehr hier bleiben . . ich fühle mich nicht ganz wohl … (Jean mit Mantel, Säbel und Tschako) … mir war schon den ganzen Tag so … schwindlig. Ich hätte Ihre freundliche Einladung von vorneherein ausschlagen sollen … Da .. (Jean verbeugt sich) – Nochmals Pardon! Auf Wiedersehen meine Herren (Christophe schlägt die Portiere am Eingang zurück. 2. Oberst ab)
1. OBERST: Ein merkwürdiges Temperament.
GENERAL: Ein begabter Offizier.
1. OBERST: Zu begabt.
GENERAL: Zu gefühlsmäßig begabt. Ein feuriges Hirn
1 OBERST: Frankreich braucht Offiziere, besonders Generalstabsoffiziere, von nüch¬terner Gemütsart Von trockenem Sinn Wie Sie einer sind, General Darf ich mir erlauben, auf Ihr Wohl zu trinken
GENERAL: O danke sehr mein Lieber.
(Ein am Fuß verwundeter Leutnant tritt ein, lachend. Arm in Arm mit Gabys Stützt sich auf einen Stock. Steht stramm General winkl ab Leutnant sieht sich suchend nach einem Tisch um …)
GENERAL: Junger Freund .. setzen Sie sich nur hier heran .. wenn’s Ihnen nichts ausmacht … (blickt nach Gabys ..)
LEUTNANT: Excellenz sind sehr gütig .. gestatte mir ergebenst zu bemerken . ich bin … in Begleitung …
GENERAL: O Das macht nichts … im Krieg und vor der Liebe .. sind alle Menschen … Brüder. Nicht wahr, Mademoiselle?
GABYS: O . gewiß …
GENERAL: Setzen Sie sich nur mit Ihrem Mädel zu uns heran …
1. OBERST: Kellner … eine neue Flasche
(Jean ab. Christophe nimmt die Garderobe der Herrschaften ab)
GENERAL: Wie ich sehe, haben Sie schon Ihr Blut fürs Vaterland vergossen. Wo war das?
LEUTNANT: Bei St. Quentin, Euer Excellenz Ich bin von einem Engländer angeschossen worden, weil ich die englische Parole nicht wußte. Die Engländer sprechen eine Sprache, die noch fürchterlicher ist als ihre Rumpsteaks, die ich ge¬zwungen war, einige Tage zu .. essen Wenn essen das richtige Wort dafür ist.
GABYS: (lacht belustigt. General und Oberst lachen mit)
LEUTNANT: Die Engländer brauchten gar nicht zu schießen. Sie könnten den Feind schon mit ihrer Sprache ermorden. Ich werde nie vergessen, wie ich bei St. Quentin einem englischen Hauptmann die Feldflasche anbot und er sich bedankte: baukanly remerssei. (Alle lachen)
GENERAL: (lacht Tränen) Baukanly remerssei … Je vous remercie beaueoup … baukanly …
1. OBERST: Auf Ihr Wohl, Mademoiselle …
GABYS: Merci.
GENERAL: Sie haben so kleine Füße wie ein Kolibri.
1. OBERST: Ihre Handschuhe müssen gewiß immer besonders nach Maß angefertigt wer¬den?
GABYS: Vielen Dank für das Kompliment (gewiß Herr Oberst. Aber auch meine Liebhaber laß ich mir gern nach Maß anfertigen …)
GENERAL: Dienstlicher Befehl, Leutnant: Sie müssen nach Hause gehen. Wenn Sie mehr trinken, schädigen Sie Ihre kostbare Gesundheit Bei allzureichlichem Alkoholgenuß brechen frisch zugeheilte Wunden leicht wieder auf …
LEUTNANT: Ich trinke so wenig, Excellenz …
(erhebt sich, wechselt einen betrübten Blick mit Gabys)
GENERAL: Das macht nichts. Haben Sie schon das Tapferkeitskreuz?
LEUTNANT: Nein, Excellenz.
GENERAL: Man wird es Ihnen zustellen.
LEUTNANT: Excellenz …
GENERAL: Ihrer Freundin wegen brauchen Sie sich nicht zu beunruhigen. Ich werde die Dame schon nach Hause bringen. Auf Wiedersehen mein Freund.
LEUTNANT: (schlägt die Hacken zusammen, so gut es geht, humpelt ab)
GABYS: Was ist das für ein Wein?
1. OBERST: Chablis.
GABYS: Ach …
GENERAL: Kellner … Champagner …
(Ein Kurier stürzt herein)
KURIER: Seine Excellenz, der Herr Marineminister …
CHRISTOPHE: (weist ihn in die Loge rechts)
STIMME: (rechts) Herein …
KURIER: (tritt ein)
GABYS: Was ist?
OBERST: Ein Seesieg im Adriatischen Meer. Das Telegramm hängt seit 2 Stunden an allen Straßenecken.
MARINEMINISTER: (mit dem Kurier aufgeregt rechts aus der Loge) Das ist … das ist ja … großartig … bedeutend … erhaben … (Die Offiziere haben sich erhoben) Hören Sie, meine Herren, hören Sie:
„Die französische Flotte, die seit der wirkungsvollen Kanonade von Punta d’Ostro am 1. September außerhalb der Adria verblieben war, erschien am 19 September um 6 Uhr vormittags abermals vor Bocche di Cattaro und beschoß durch eine Stunde erneut die Forts und die Einfahrt aus schwersten Kalibern. Sie erzielte drei Treffer und verwundete einen Kanonier.
Hierauf steuerte sie, ungefähr 40 Einheiten stark, gegen Lissa und beschoß um 10 Uhr vormittags die Semaphorstation und den Leuchtturm. Sie verwundete zwei Mann und konnte Schaden anrichten. Bis ungefähr 5 Uhr nachmittags operierte das Gros der Flotte in den Gewässern vor Lissa, sie verließ dann mit südwestlichem Kurse steuernd den Schauplatz ihrer Tätigkeit.
Gelegentlich dieser Fahrt erschienen Teile der Flotte noch vor Pelagosa Auch hier wurde der Leuchtturm beschossen. Nach der Zerstörung der Flaggenstation und Verunreinigung des Trinkwassers durch gelandete Matrosen, Mitnahme des wenigen Proviants des Leuchtturmwärters sowie einiger Wäschestücke verließ auch dieses Geschwader die Adria.“
GENERAL: Meine ergebensten und aufrichtigsten Glückwünsche, Euer Excellenz …
1. OBERST: Gestatte mir untertänig, mich der Gratulation anzuschließen.
GABYS: (tritt auf den Marineminister zu, gibt ihm die Hand) Gratuliere, mein Lieber.
MARINEMINISTER: Danke sehr … danke sehr … ich muß schleunigst zum Herrn Präsidenten, um ihn persönlich von den erfolgreichen Operationen unserer Flotte zu ver¬ständigen. Auf Wiedersehen, meine Herren, auf Wiedersehen, mein Kind, (eilig, mit dem Kurier ab)
GABYS: Wenn er mit einem Vergnügungsdampfer auf der Seine fährt, wird er see¬krank. Er hat noch nie ein Torpedoboot gesehen und ist Marineminister .
GENERAL: DU bist sein Torpedojäger, meine Kleine prost, trink …
GABYS: Mein Lieber, ich glaube, ich bin mehr sein Unterseeboot … (Lachen)
(Zweiter Kurier stürzt herein)
2. KURIER: Seine Excellenz der Herr Kriegsminister …
CHRISTOPHE: (weist ihn nach links)
STIMME: Soll eintreten.
(Kurier tritt ein)
STIMME: Das … das … ja das ist ja ein großartiger Fang .
MIMI: Heringe?
STIMME: Mein Säbel … (Christophe in die Loge) mein Mantel … wo ist die Mütze …
MIMI: Soll ich nicht auch mit? Bin ich nicht dein Herz?
STIMME: Also …
(Der Kriegsminister tritt aus der Loge, hinter ihm Mimi, der Kurier, Christophe. Die Offiziere haben sich erhoben)
KRIEGSMINISTER: Meine Herren Meine Herren Meine Herren … das Allerneueste . Unsere braven Truppen haben in Lothringen im Kampf gegen eine bedeutende Übermacht einen bayerischen kommandierenden General gefangen. Der Herr ist schon unter besonderer Eskorte in Bordeaux eingetroffen und wir werden bald Gelegenheit haben. (Unter dem Fenster klingt die Sambrc et Mcusc von Militärmusik gespielt. Volksgeschrei. Vive la France)
GENERAL: Was ist … ?
OBERST: Militärmusik um diese Zeit?
MIMI: Nein, dieser Lärm.
GABYS: Und immer die Sambre et Meuse …
MIMI: Meine Ohren zerplatzen bald … (Alle treten an die Fenster)
2. KURIER: Es ist der bayerische General.Sie haben ihn vom Bahnhof abgeholt.
KRIEGSMINISTER: (Arm in Arm mit Mimi zum Kurier) Schnell, laufen Sie, dienstlicher Befehl vom Kriegsminister: Man soll den bayerischen General hierher bringen. Sofort, und wenn wir auch hier kein Münchner Bier verschenken: er soll sehen, daß auch wir zu leben wissen …
(Kurier ab. Alle zurück ins Zimmer Nur Mimi steht noch am Fenster und starrt in die Nacht)
GENERAL: Schade, daß Oberst Soulier nicht mehr da ist. Er könnte sich mit dem bayerischen General über die bayerische Invasion in England unterhalten …
GABYS: Ich bin sehr neugierig auf diesen bayerischen Löwen ..
MlMl: (noch am Fenster) Er ist sehr dick, ein feister Kapaun …
GABYS: Ob er eine Glatze hat wie bei uns alle Generäle? (Kurier zurück)
KURIER: Er kommt, Euer Excellenz.
KRIEGSMINISTER: Lassen Sie ihn eintreten … (in Position)
(Die Portieren teilen sich und Alois Huber, Tambourmajor im k. b. 2. Infanterie-Regiment tritt, von zwei Soldaten eskortiert, ein. Der Kriegsminister winkt. Die Eskorte tritt ab. Inzwischen hat sich der Korrespondent des „Daily Telegraf‘ herein geschlichen. Er nimmt, vorläufig kaum bemerkt, an der Szene teil. Der Kriegsminister und die Offiziere salutieren. Alois Huber salutiert ebenfalls Dann stützt er sich mit seiner Rechten auf den Tam¬bourstab und betrachtet verwundert und belustigt die Szene)
KRIEGSMINISTER: Excellenz, wir begrüßen in Ihnen den tapfern Führer des ersten bayerischen Korps …
HUBER : Was moanst?
KRIEGSMINISTER: Seien Sie gewiß, daß wir alles tun werden, um Ihnen den Aufenthalt in Frankreich so angenehm wie möglich zu gestalten.
HUBER: Is scho recht …
KRIEGSMINISTER: Den Feldherrnstab (deutet auf den Tambourstab) sowie den Degen belassen wir gern in Ihren tapferen Händen.
HUBER: Is scho recht. Durscht hab i …
OBERST: Wie bitte, Excellenz?
HUBER: (macht die Bewegung des Trinkens)
GENERAL: Ah! Ich begreife. Excellenz hat Durst. Von der langen Eisenbahnfahrt. Excellenz möchte etwas trinken.
(Mimi und Gabys haben inzwischen zwei Gläser mit Champagner gefüllt und reichen sie Huber)
HUBER: (betrachtet freundlich beide, trinkt erst das eine, dann das andere Glas mit einem Zuge aus) Dös haut . Ihr seids aber a paar saubere Madeln … Merci … (Der Korrespondent des „Daily Telegraf‘ steht plötzlich neben dem Kriegsminister)
KORRESPONDENT: Gestatten, Excellenz, daß ich den Herrn General interviewe? Ich spreche fließend bayrisch.
KRIEGSMINISTER: (verbindlich) Bitte sehr …
KORRESPONDENT: God by a no … bei Gott! (tritt zu Huber)
HUBER: Grüß di Good …
KORRESPONDENT: Ah … yes Grüß Gott …
HUBER: Servus … derfst di scho wieda drucka …
KORRESPONDENT: Yes … I werde drucken lassen … im Daily Telegraf . darf ich mir also erlauben … (zieht das Notizbuch und den Bleistift)
HUBER : I moan allweil, dös is a Kunstmaler … a Schlawiner … er moalt mi ab. –
KORRESPONDENT: (schreibt eifrig)
HUBER: Aber die zwoa Madeln … a paar saubere Madeln . und dös Weinerl war a net schlecht …
KORRESPONDENT: (schreibt eifrig)
HUBER : O mei … die Offizier Wie a Maschkera im Fasching ..
KORRESPONDENT: (tritt zurück) Viel Dank. Viel Dank.
(Zum Kriegsminister und den andern, die sich um ihn scharen) Hier meine Informationen: Die Verluste der Deutschen sind unerhört. Vom X. Armeekorps ist kein Pferd mehr übrig …
MIMI: Warum Pferd?
KORRESPONDENT: In einzelnen Kompagnien sind 250 Offiziere gefallen … Die preußische Garde hat überhaupt keinen Offizier mehr. Sie wird von Einjährigen befehligt.
1. OBERST + General + KRIEGSMINISTER: Der alte französische Gott lebt noch…
MlMl: Es gibt gar keinen französischen Gott … nur eine französische Göttin …
HUBER: Jetzt werd i denen Malefizschlangen mal zeig’n, daß a rechter Bayer a franzes’sch sprechen ko …
(er ergreift ein Sektglas, wirft es zu Boden, daß es klirrt) Wifflampröhr Gilljohm!
GABYS: Er hat Mut …
MlMl: Er ist kräftig wie ein Stier …
OFFIZIERE: Vive la France! Vive la France!
ALLE: Vive la France!

(Das Grammophon beginnt die Marseillaise zu spielen Der Vorhang fällt)