Davoser Zeitung – zum Tode von Klabund

48. Jahrgang Freitag, 17. August 1928
Druck und Verlag: Buchdruckerei Davos AG Verantwortliche Redaktion: Dr. iur. R. Laeln
Organ der freisinnig-demokratischen Partei
Die Donnerstagnummer erscheint als Amtsblatt der Landschaft Davos. erscheint täglich werktags
Wöchentlich illustrierte Unterhaltungsbeilage alle 2 Wochen Bilderbeilage

Davos: Klabund. (Korr.) Morgenrot, Klabund, die Tage dämmern“ heißt der Gedichtband, mit dem der Apothekersohn Alfred Henschke als Lyriker einem größeren Publikum bekannt wurde, und in dem sich schon das kleine, selbst­kritische Gedicht findet: Geboren ward Klabund. Da war er achtzehn Jahre Und hatte blonde Haare Und war gesund. Doch als er starb, ein Spott, Da war er zwei Jahre älter, ein morscher Luftbehälter So stieg er aufs Schafott.

Aber Klabund hatte zu früh behauptet, dass seine Schaffenskraft erloschen sei. In dem kurzen Leben, das ihm noch beschieden war, hat er eine gewaltige Zahl von Gedichten, Romanen und Dramen verfasst und es wird den Literaturprofessoren viel Kopfzerbrechen bereiten, ob sie ihn zu den Lyrikern, den Epikern oder den Dramatikern der jüng­sten deutschen Literatur rechnen sollen; seine stärkste Seite klingt aber in den Übersetzungen an, in denen er uralte Weisheiten des Fer­nen Ostens dem Europäer nahe gebracht hat. Sein „Kreidekreis“ war ein Welterfolg, der ihn reichsten Erfolg als deutschen Dichter – oder Übersetzer – gebracht hat.

Es ist außerordentlich schwer, das Wesen dieses jungen Literaten knapp zu umreißen, der sich sein Pseudonym Klabund aus den Wor­ten „Klabautermann“ und „Vagabund“ zusammengesetzt hat. In ihm, der die letzten, Schaffensfreudigsten Jahre seines Lebens stän­dig mit dem Tode rang, zuckte zuviel spitzbübisches Leben unbürger­liche Freude am Landstreichertum, zuviel Gegensätzliches, um all diese Kontraste in einem kennzeichnenden Schlagwort einfangen zu können. Dabei bietet sein Lebenslauf nicht viel Außergewöhnliches. Er  wurde am 4. November 1891 in Crossen als Sohn eines Apothekers geboren, studierte Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie und Naturwissenschaften an den Universitäten von Berlin, München und Lausanne, reiste viel in der Welt umher, hielt sich während eines Teils des Krieges in der Schweiz auf und ver­heiratete sich im Jahr 1917 zum ersten Mal. Seine junge Frau, blond und zart, erlag ein Jahr darauf den Folgen ihrer Niederkunft, und auch sein Töchterchen starb nach kurzer Zeit. Damals begann sein Name bekannter zu werden. Alfred Herr hatte ihn wenige Jahre vor dem Kriege entdeckt; während des Krieges, im Oktober 1916, veranstaltete man für den jungen Dichter einen Autorenabend in der Berliner Singakademie, auf dem Paul Wegener Klabunds Gedichte vortrug. Die junge Literatengeneration machte ihn, halb gegen seinen Willen, zu einem Wortführer des Expressionismus, und wenn dies auch seiner Entwicklung kaum zugute kam, so lernte es doch die allgemeine Aufmerksamkeit auf das aufstrebende Talent. In München lernte er dann auf recht eigenartige Weise seine Frau, die Schauspielerin Carola Neher, kennen, die das Ereignis selbst folgendermassen schil­derte: “ Auf die fahrende Strassenbahn sprang beim Cafe Stephanie ein junger Mann auf, der mich sofort unverschämt zu fixieren begann. „Wenn Sie mich ganz ungeniert betrachten wollen, müssen Sie uns Theater gehen“, zischte ich ihn an, da sein Blick mich irritierte. „Ich spiele heute in den Kammerspielen die Hugenberg in der Büchse der Pandora“. Der junge Mann lächelte. „Gewiss ich werde gehen und Sie weiter sehen“. Und er hielt Wort, kam tatsächlich ins Theater und entdeckte dort offenbar zweierlei: Eine Schauspielerin und seine Frau. Der unverschämte junge Mann war näm­lich  Klabund.“ Aber der Dichter war damals schon ein schwerkranker Mann, der den größten Teil der ihm noch vergönnten Tage her in Davos verbringen musste, wo er jetzt 37 Jahre alt, gestorben ist.