Das „Crossener Heimatblatt“ und Klabund

Einst schrieb der große Kabarettist Werner Finck die folgenden Zeilen auf:

In Crossen hat der Herr Klabund
den heimatlichen Hintergrund:
Du fragst: Klabund?
und scheu beiseite
sagt man dir seine Kragenweite.
Den Crossern drum bewegt Klabund
nicht so das Herz als so den Mund.
Man rühmt ihn mit; doch durch die Blume
bekreuzt man sich vor diesem Ruhme.
Und kurz:
Es gilt Klabund in Crossen
indem er dieser Stadt entsprossen – und kurz und gut
man sagt: Klabund –
und jeder hat so seinen Grund.
Tatsache bleibt:
Es hat sich Crossen
im Fall: Klabund
noch nicht entschlossen.

Und als diese Zeilen entstanden, stimmten sie sogar. Aber das hat sich geändert. Im Crossener Heimatverein und im „Crossener Heimatblatt“ erschienen in den letzten Jahrzehnten seit 1949 eine ganze Menge Artikel, die sich mit Klabund und seiner Familie beschäftigen, oder von ihm und seinem Vater erzählen. Einige habe ich bereits veröffentlicht, einige sollen in dieser „Sammlung“ den Lesern/innen dieser Seite zeigen, im ehemaligen Crossen ist man stolz auf den Sohn der Stadt.

Beginnen möchte ich mit den Büchern und da hat es vor allem Guido von Kaulla den Crossenern angetan, er erhielt eine besondere Aufmerksamkeit.

„Und verbrenn in seinem Herzen“ – Carola Neher aus der Sicht Klabunds

Guido von Kaullas Herder Taschenbuch erinnert oft an Crossen

In der Herderbücherei (Band 1037 für 7.90 DM) ist vor kurzem das in den „Heimatgrüßen“ mehrfach angekündig­te Buch über die Schauspielerin Carola Neher und Klabund erschienen. Es trägt den Titel „Und verbrenn‘ in sei­nem Herzen“, eine Zeile aus einem Klabund-Gedicht. Guido von Kaulla, jetzt 75jähriger Schauspieler und Schriftsteller, Biograph des Dichters und einst von Carola Neher mit der Ordnung des literarischen Nachlasses ihres Mannes beauftragt, hat es ge­schrieben. Wer am deutschen Theater­leben der 20er Jahre, am Schicksal der Künstlerin und an den Werken Alfred Henschkes interessiert ist, legt das zur Hand genommene Bändchen erst wieder weg, wenn er die letzte Seite gelesen hat.

Der Autor zeichnet das Leben der 1900 in München geborenen, hier und in Stuttgart als Tochter eines Lehrers und Musikers aufgewachsenen Schauspielerin bis 1928 aus der Sicht ihres Mannes. Er belegt ihre Lebensstationen der 20er Jahre mit Gedichten, Brief­auszügen und Prosadichtungen Klabunds so intensiv, dass man geneigt ist, den Untertitel des Buches in „Der Dichter Alfred Henschke und Carola Neher“ umzukehren. Die letzten rund 20 Seiten behandeln die Zeit nach Klabunds Tod. Sie sind ein gut recher­chierter journalistischer Bericht über das tragische Schicksal Carola Nehers in der Sowjetunion, das mit ihrem Tode am 28. Juni 1942 endete, und über ihren Sohn aus der zweiten Ehe mit Anatol Bekker, der seit 1975 in der Bundesrepublik lebt.

Carola Neher war nach dem, was im Herderbuch festgehalten ist, nur einmal, zum Begräbnis ihres Mannes, in Crossen. Es wäre interessant zu er­fahren, ob sie nicht doch einmal, vielleicht auf einer Reise zwischen Berlin und Breslau, wo sie 1924 ein Engagement hatte, ihre Schwiegerel­tern besuchte. Obwohl der Leser also recht wenig über Beziehungen der Künstlerin zur Familie Henschke er­fährt, kommt Crossen in dem Buch nicht zu kurz. Klabund war ja gedank­lich an der Bobermündung fest veran­kert, was in seinen Schriften an vielen, vielen Stellen zu registrieren ist und durchaus ein Thema für eine „Doktor­arbeit“ wäre. Das weiß natürlich auch Guido von Kaulla. Deshalb wohl hat er allerlei Crossen-Bezüge in das Carola Neher/Klabund-Buch eingefügt. So schildert er die „Kreidekreis“-Aufführung in der Oderstadt und die an­schließende Runde im‘ Hotel „Drei Kronen“. Die distanzierte Einstellung der Kleinstadtbürger zu ihrem Dichter charakterisiert er mit dem Nachdruck der Verse Werner Fincks, die da enden: „Es hat sich Crossen im Fall Klabund noch nicht entschlossen“. Auch über die Teilnahme Alfred Henschkes an der 400-Jahr-Feier seines Gymnasiums berichtet der Autor. Ja, er nimmt diesen Vorgang sogar zum Anlass, um die „Ode an Crossen“ vollständig sei­nem Text einzufügen.

So ist denn das Herderbuch vieler­lei: Biographie, Bild der Theaterszene der 20er Jahre, Würdigung eines jung verschiedenen Dichters und ein wenig auch ein Beitrag zur jüngeren Kultur­geschichte unserer Stadt Crossen an der Oder. Für die letztgenannte Kompo­nente zollen wir Heimattreuen Herrn von Kaulla besonders Dank und Aner­kennung.

Es stimmt schon, man liest es an einem Stück. Aber leider ist es nur noch im Antiquariat erhältlich.

Alt-Crossener Geschichten aus der DDR

Neuauflage eines Bandes der „Gesammelten Werke“ Klabunds

Beim Treffen 1982 in Berlin bekam der Redakteur der „Heimatgrüße“ von der einstigen treuen Gehilfin des Crossener Buchhändlers „Onkel“ Ernst Nigmann, die in der DDR lebt, ein Geschenkpäckchen in die Hand gedrückt. Als er es auspackte, freute er sich über ein Buch von Alfred Henschke-Klabund. Das gut 300 Seiten starke Bändchen ist 1981 mit dem Titel „Erzählungen und Grotesken“ im Buchverlag Der Morgen in Ostberlin herausgekommen.

Beim Inhalt handelt es sich, wenn man von dem wenig überzeugenden Schluss-Essay „Anti-Meier“ von Jürgen Rennert absieht, um einen vollständigen Nachdruck des 4. der sechs Bände von Klabunds „Gesammelten Werken in Einzelausgaben“, die 1930 im Phaidon Verlag in Wien erschienen.

Besonders erfreulich für die Crossener Klabund-Freunde ist, dass darin auch alle Alt-Crossener Geschichten enthalten sind, die einst zuerst der Verlag R. Zeidler unter dem Titel „Celestina“ den Mitbürgern des jungen Dichters bekannt machte.

Der Interessierte kann sich jetzt also Kla­bunds Erzählungen vom Grünberger Feldzug, von der Erscheinung der Heiligen Hedwig, von Celestina, der Nottaufe, dem Gleichnis, der Tänzerin, dem Himmelsbaum und der ersten „Schwalbe“ in den Bücherschrank oder die .Bücherwand stellen. Denn einigermaßen aktive westliche Buchhändler dürften gewiss bei Bestellung das kleine Buch herbeischaffen.

Die „Erzählungen und Grotesken“ ‚ umfassen rieben den Alt-Crossener Geschichten in sechs weiteren „Kreisen“, betitelt Eros, Krieg, Gestalten, Legenden, Östliche Gleichnisse und Grotesken, eine Menge mehr oder weniger Be­kanntes aus der Feder des eigenwilli­gen literarisch bedeutendsten Sohnes unserer Oderstadt.

Der Mensch Fredi Henschke und seine Umwelt

Zwei Bücher über Klabund erschienen im Herbst 1971

Guido von Kaulla: „Brennende« Herz Klabund“, Werner Classen Verlag Zürich 1971, 23.S0 DM.

Als ein „Menschenbuch“, nicht als ein Buch der Literatur und der Politik hat Guido von Kaulla im Klappentext und in seiner Vorschau in der Oktober-Nummer 1971 seine zur jüngsten Frankfurter Buchmesse herausgekom­mene Klabund-Biographie bezeichnet. Der Konstanzer Schauspieler und Schriftsteller, der sich seit seiner Gym­nasialzeit mit Klabund beschäftigt und ein bedeutendes Klabund-Archiv be­sitzt, hat nicht übertrieben. Er stellte uns auf gut 200 Seiten den Menschen Alfred Henschke von allen Seiten be­leuchtet vor. Und wenn sich vielleicht auch der Systematiker hier und da et­was mehr Ordnung der Gedanken und Gesichtspunkte wünscht, so wird man doch gepackt von der Darstellung, liest manches mit Interesse mehrmals und registriert mit Bewunderung, was Guido von Kaulla altes zusammengetra­gen, gelesen, ausgewertet und wie viel Gespräche er geführt hat, um seinen „Helden“ mit Liebe ins Wort zu setzen.

Dabei gelang es dem Autor, dem Leser den ganzen Menschen zu zeich­nen, jenen „Fredi Henschke“, der von Jugend an unermüdlich war im Tanzen, Trinken, Wandern, Lieben und Arbei­ten. Zerlegt man ihn – was eigentlich unmenschlich ist und Guido von Kaulla nirgendwo getan hat – so findet sich zuerst und zuoberst ein liebenswerter, anständiger Kerl, den der Biograph gegen alle Anwürfe der schnöden Um­welt mit schwerem Säbel verteidigt. Vom Dichter Klabund rückt der Ver­fasser mit Recht den Lyriker in den Vordergrund, daneben stellt er den Brettl-Sänger und Literatur-Kritiker, wogegen er – wohl wiederum mit Recht – den Romancier und Dramati­ker etwas zurücktreten lässt. Dann ist da der sich im Spannungsbogen von Kriegsbegeisterung und Pazifismus wandelnde Staatsbürger, den der Autor uns beschreibt und erklärt, der Schwindsüchtige, dessen Krankenge­schichte wir erfahren, der Mensch sei­ner Zeit, der mit vielen großen Namen wie Becher, Zarek, Johst, Mühsam, Brecht, Benatzki und Elisabeth Berg­ner mehr oder minder freundschaft­lich verkehrt, und schließlich der „Ket­tenraucher der Liebe“. Hier erzählt uns Guido von Kaulla vieles, wenn auch hoffentlich nicht alles, von der ersten Crossener Jugendliebe über Brunhild Heberle, seine Irene, bis hin zu Carola Neher und deren tragischem Schicksal. Wenn unsere verehrten Crossenerinnen das lesen, dürften sie sich noch nach­träglich in den Dichter verlieben und bedauern, dass er so viel in die Ferne schweifte statt daheim zu bleiben.

Und der Crossener Klabund? Nun, Crossen und die Crossener treten na­türlich auf vielen Seiten auf. Sei es nun die Familiengeschichte der Henschkes, das Verhältnis zwischen den Eltern und dem Sohn, seien es die ersten Veröffentlichungen des jungen Dichters oder seine Aufenthalte in der Oderstadt, sei es die Geschichte der Modrowbüste, die in der Aula der Hindenburgschule hing, sei es das Ehrengrab auf dem Bergfriedhof und die Grabrede Gottfried Benns oder auch nur die schlichte Feststellung, dass 1942 und vermutlich bis zum bitteren Ende Kla­bunds Werke in der Zeidler’schen Buchhandlung verkauft wurden. Von Kaulla stellt fest, dass die Crossener ihren Poeten zwar zeitweilig zwiespäl­tig beurteilten, im Grunde aber zu ihm standen. Da dürfen wir dem Biographen wohl nicht darüber gram sein, dass er im gleichfalls interessanten Bildteil sei­nes Werkes einen Blick von der „Wilhelmshöhe“ auf die Stadt mit „vom Aus Bergfriedhof gesehen“ unterschrieb.

„Brennendes Herz Klabund“ sollten sich somit alle auch nur ein wenig literarisch interessierten Landsleute leisten. Vielleicht regt das Büchlein diesen und jenen sogar an, in Klabunds Werk, im „Bracke“ und anderswo, das Crossener Kind Fredi Henschke zu entdecken.

Sander L. Gilman: „Form und Funktion – Eine strukturelle Untersuchung der Romane Klabunds“, Athenäum Verlag Frankfurt/Main 1971, 4.00 DM.

Die Anregung für diese literaturwissenschaftliche Studie, die als Dissertation 1968 von der Tukne University angenommen wurde, erhielt Sander L. Gilman durch ein Oberseminar und ein Doktoranden-Colloquhim über die „Romantheorie seit Schlegel“ durch Prof. Lämmert an der Freien Universität      Berlin. Er ging dabei von dem Gedanken aus, dass der Dichter seinen Stoff durch          die Form ins Idealtypische und Mystische umsetzt und dadurch überhaupt erst das literarische Kunstwerk schafft. Er wählte Klabunds Romane für seine Strukturanalyse, weil er der Ansicht ist, dass der Dichter mit diesen eine gültige             Alternative zur Romantheorie des 19. Jahrhunderts zu bieten versuchte. Er setzte voraus, daß Klabund der Romanform und ihrer Entwicklung reifliche Überlegung widmete. Das begründete er damit, dass es im Leben Alfred Henschkes zwar eine vorwiegend ly­rische (bis nach 1920) und eine vorwie­gend dramatische Periode (ab 1924) gegeben, dass er sich mit der Prosadichtung aber Zeit seines Lebens beschäftigt habe.

Der Verfasser analysierte die Ro­mane „Der Rubin (Roman eines jun­gen Mannes)“, „Moreau“, „Franziskus“, „Mohammed“, „Bracke“, „Spuk“, „Pjotr“ und „Borgia“ in Bezug auf die Funktionen ihrer hervorstechenden Formelemente. Vor allem untersuchte er die Erzählform, die Symbolik der Sprache, Einsprengsel wie Zitate und Gedichte sowie die für die einzelnen Werke wichtigen stilistischen Faktoren. Er kam dabei zu dem Ergebnis, daß Klabund mit seiner Form keinen be­deutsamen Schritt für die Entwicklung des modernen Romanes tat, sondern in einer Sackgasse endete. Ais Begründung dafür gab er an, dass der Dichter mit seiner strengen Form immer wieder ein Exempel für das Problem der Rettung des Menschen setzte und nachfolgenden Leser-Generationen keinen Interpretations-Spielraum ließ.

Der vorstehende Versuch einer In­haltsangabe zeigt, dass Sander L. Gil­man einen Teil des Werkes unseres Crossener Poeten zum Objekt kühler Wissenschaft machte. Wie kühl diese ist, merkt man besonders stark, wenn man, wie der Berichterstatter, diese Studie unmittelbar nach Guido von Kaullas von Wärme und Liebe erfüllter Bio­graphie liest. Doch das intensive, unge­heuer fleißige Eindringen Güman’s nicht nur in die Romane Klabunds, sondern auch in die Sekundärliteratur über den Dichter und sein Werk ver­dient Beachtung und Anerkennung. Das Buch sei deshalb allen denen als interessant empfohlen, die die wesent­lichen Romane Klabunds kennen und steh für Literaturwissenschaft interes­sieren.

Lesenswertes Buch: „Klabund in Davos“

Szene der Kuren, ihr mitmenschlicher und literarischer Ertrag

Dr. Paul Raabe: „Klabund in Davos‘, Arche-Editionen des Expressionismus. Ca. 230 Seiten mit zahlreichen Bildern. Karton­einband Arche Vertag Zürich 19“. ISBN 3-7100-2114-8. 32.00 DM.

Die „Heimatgrüße“ brachten in der Nr. 5 des letzten Jahrganges ein ausführ­liches Porträt von Alfred Henschke, ge­nannt Klabund, zu dessen 100. Geburts­tag am 4. November 1990, Im Gedenk­jahr erinnerte auch ein neues Buch an den jung verstorbenen Dichter, dessen Heimatstadt Crossen war und der drei Jahre im benachbarten Frankfurt (Oder) das Friedrichsgymnasium be­suchte. Die Publikation trägt den Titel „Klabund in Davos“.

Herausgeber ist der 1927 geborene Dr. Paul Raabe. seit 1968 Direktor der Herzog August Bi­bliothek in Wolfenbüttel, Der habilitier­te Germanist und Historiker leitete 1958-1968 die Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs in Marbach (Neckar). Er wartete mit zahlreichen Veröffent­lichungen zur Literatur- und Buchge­schichte auf und zeichnet seit 1986 für die „Arche-Editionen des Expressionis­mus“ verantwortlich.

Dr. Raabe stieß bei einem Aufenthalt 1987 in Davos auf die Spuren Klabunds. der dort mehrere Male längere Zeit zur Kur weilte und starb. Der Wissenschaft­ler sah sich durch die Lektüre der in der örtlichen Dokumentationsbibliothek aufbewahrten Nummern der „Davoser Blätter“ und der „Davoser Revue“ zu zusätzlichen Forschungen angeregt. Er fand im Graubündener Staatsarchiv in Chur weitere Quellen, vor allem den Korrespondenz-Nachlass Voll Dr. Erwin Poeschel, der zeitweilig mit seiner Gat­tin die Pension „Stolzenfels“ führte, in der Alfred Henschke überwiegend wäh­rend seiner Davoser Aufenthalte wohn­te.

Aufgrund seiner Forschungsergebnis­se beschrieb Dr. Raabe im Rahmen ei­nes kurzen allgemeinen Lebensbildes den Ablauf der Aufenthalte des Dich­ters in Davos. Dabei schilderte er mit Schwerpunkt die geistig-gesellschaftli­che lokale Szene. Damit ergänzte er we­sentlich die 1971 erschienene Biographie Guido von Kaullas, der mehr die Da­menbekanntschaften und deren Einfluss auch das dichterische Schaffen in den Vordergrund rückte. Zwischen die Be­richte über die Kurperioden fügte Dr. Raabe die in den einzelnen Zeitab­schnitten wahrscheinlich in Davos ent­standenen oder den Kurort behandeln­den Klabund-Werke ein, so die Erzäh­lung „Die Krankheit“. „Die kleinen Verse für Irene“ (des Dichten erste Gat­tin Brunhilde Heberle) sowie Gedichte und Prosatexte, die die Graubündener Ortschalt nennen und das Leben dort behandeln.

Der Herausgeber stellte ferner Persönlichkeiten, vor allem Künstler, vor, mit denen Klabund in Davos Kontakt pflegte. Dabei ist für die früheren Cros­sener der Abschnitt über den Bildhauer Philipp Modrow besonders informativ, der die Dichter-Büste für die Aula des Gymnasiums der Oderstadt schuf. Durch den Abdruck von Briefen Alfred Henschkes und seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Carola Neher. An die Eheleute Poeschel ließ der Wissen­schaftler anklingen, dass die beiden Künstler Menschen mit ganz normalen Sorgen und Wünschen waren.

Ein Bericht über den Tod Klabunds, Davoser Nachrufe und die Totenrede, die der Dichterfreund Gottfried Benn bei der Urnenbeisetzung auf dem Cros­sener Bergfriedhof hielt, beschließen das reichlich und interessant bebilderte lesenswerte Buch.

Auch Klabundens berühmter „Kreidekreis“ hat die Leserschaft des „Heimatblattes“ immer wieder angeregt und auch dadurch kam so manche Information zustande, z.B.:

Bezaubernder „Kreidekreis“‚ im Gießener Theater

Frau Irene Cech aus Crossen (Roß­straße 34), jetzt in Wetzlar, übermit­telt dem Herausgeber einen Ausschnitt aus der „Wetzlarer „Neuen Zeitung*. Er enthält unter obiger Überschrift eine Besprechung und die Wiedergabe eines Szenenbildes zu einer Neuaufführung des Spiels aus dem Chinesischen „Der Kreidekreis“ von Klabund im Stadt­theater in Gießen. Darin heißt es u. a.: „Die konsequente Poetisierung des Stoffes gibt dem Fünfakter Klabunds eine fernöstliche Transparenz und Schwerelosigkeit, den Perlmuttglanz und den zarten Duft von Blüten. Die Gießener Aufführung war wohldurch­dacht, stilistisch klar und sauber erarbeitet. … Bühnenbildner und Bühnen­musik waren genau abgestimmt. . . auf leichtes lyrisches Spiel mit dramatischen Steigerungen . . . Herzlicher Bei­fall.“ – In Erinnerung an die wohl gelungene Crossener „Kreidekreis“ -Aufführung in Anwesenheit Klabunds im Jahre 1926 wird dies manchen Crosse­ner interessieren.

Ein weiterer Artikel zum Kreidekreis ist der folgende, diesmal allerdings geht es um die Oper:

Klabunds Kreidekreis als Oper

Die Staatsoper Hamburg setzte im März 1983 eine Tradition fort, die sie bereits im Vorjahr begründete: die Wiedergutmachung an dem Komponi­sten und Dirigenten Alexander Zemlinsky. Diesmal stand die Oper „Der Kreidekreis“ nach dem Text von Al­fred Henschke-Klabund auf dem Spiel­plan. Der in Kennerkreisen um 1930 geschätzte Künstler stieß im Alter von 62 Jahren auf Klabunds eindrucksvolle dramatische Dichtung. Mit der Umsetzung der fünf Schauspiel- in drei Opernakte hoffte er 1932 auf Erfolg in der Breite. An vier deutschen Bühnen (Berlin, Frankfurt, Köln und Nürn­berg) sollte sein Werk am gleichen Tag im April 1933 uraufgeführt werden. Aber die deutschen Theaterleiter setz­ten nach Hitlers Machtergreifung die Oper ab, da Zemlinsky im Jargon der damaligen Zeit „Halbjude“ war. So fand die Uraufführung lediglich in der Schweiz – am 14. Oktober 1933 in Zürich – statt. Die jetzige Wiederer­weckung der Zemlinsky-Klabund-Oper durch die Hamburger Bühne fand bei den namhaften Kritikern und auch beim Publikum der Hansestadt Beifall.

Und dank des „Heimatlblattes“ erfahre ich mit großer Verspätung, dass sogar fast in meiner Nachbarschaft, nämlich in Esslingen am Neckar eine erfolgreiche Veranstaltung statt fand:

Das Klabund Gedenken begann in Esslingen

Die „Künstlergilde“ machte den Anfang – Bemühungen A. Birnscheins – Fernsehsendung am 13.8.

Unser Landsmann Alfred Birnschein, anerkannter Kunstmaler sowie Studiendirektor i. R , hatte es im Vorjahr als seine Pflicht betrachtet, Kulturinstitutionen darauf hinzuweisen, dass sich am 14. August 1978 der Todestag unseres Crossener Musensohnes Alfred Hensch­ke, genannt Klabund, zum 50. Male jährt. Die Künstlergilde Esslingen, der überregionale Zusammenschluss der aus den Vertreibungsgebieten stammen­den Kunstschaffenden, und die Leitung des Düsseldorfer Hauses des Deutschen Ostens sagten zu, in besonderen Veran­staltungen des mit 38 Jahren durch schwere Krankheit aus dem Leben ge­rissenen Dichters zu gedenken.

Besonders begeistert nahm den Ge­danken Dr. Wolfgang Schwarz (Lan­dau) auf, der unserer Heimatstadt Cros­sen und Alfred Bimschein seit Jugend­zeiten durch viele Ferienaufenthalte verbunden und mit dem Werke Klabunds vertraut ist. Im Rahmen der 30. Esslinger Begegnung der Künstlergilde, zu der wieder viele bildende Künstler, Schriftsteller und Komponisten gekom­men waren, überraschte er am 28. April mit einem – so kann man es nennen – literarischen Kabarett. Seine Inszenie­rung stand unter dem Motto „Klakunderbunt“, Luderlieder und Legen­den und anderes von Klabund“. Er selbst war Interpret und Schauspieler zugleich und ließ, unterstützt von Git­ta Jahnen (Düsseldorf) und Erica Risch (Landau), die für eine in der sparsamen Ausstattung pointiert dem Brettl-Stil angepasste Bühne gesorgt hatte, im Scheinwerferlicht eine Sze­nenfolge abrollen, deren literarische Spannweite vom Bänkelgesang über Prosalesungen bis zur ernsten Lyrik reichte.

Der ständige Wechsel von heiteren, oft frivolen, musikalisch dargebotenen Chansons zu Szenen mit unter die Haut gehender sozialer Anklage, zu ironi­scher Zeitkritik und bis zum Liebes­lied hielt die große Zuschauer – Zuhörer­schar, die den Saal des altehrwürdigen Esslinger Rathauses füllte, immer in Spannung.

Dazwischen erhellte dann Wolfgang Schwarz in kurzen Schlaglichtern den Lebenslauf des schon von Jugend auf von schwerer Krankheit heimgesuch­ten Dichters, dessen vielschichtiges Schaffen – oft wie im Fieberrausch zu Papier gebracht – mal in Großstädten wie in Berlin, München oder Zürich, mal in Sanatorien aus ihm heraus dräng­te.

.Klabund – das heißt Wandlung, wie er selbst kommentierte – war, so sag­te es vor 25 Jahren eine Großstadtzei­tung, heimisch in allen Stilen und in jedem Zeitalter. Er ist Autor schnod­deriger, ja grotesker Lieder, aber auch empfindsamer, Trauer verströmender Verse, überragender Nachdichter fern­östlicher Lyrik, Gestalter von von Lei­denschaft durchpulsten Romanen, aber auch des hintergründigen Eulenspiegel­romans „Bracke“, aus dem mehrere Kurzlesungen geboten wurden, die fast den Mittelpunkt des Abends bildeten,

Anhaltender Beifall, der auch der sehr gut untermalenden Musik (auf Tonband) des jungen Düsseldorfers Rainer Ibe galt, zeigte den Interpreten, dass sie mit der Art, wie sie die schein­bar widersprüchliche Dichterpersön­lichkeit Alfred Henschke-Klabund ins Licht setzten, ins Schwarze trafen.

Alfred Birnschein hatte zum Klabund-Gedenken der Künstlergilde seine zu „Bracke“ 1952 entstandenen Illu­strationen beigesteuert, die zusammen mit einem Klabund-Porträt des glei­chen aus Crossen stammenden Künst­lers während der 30, Begegnung in der Esslinger Stadtbücherei ausgestellt wa­ren.

Das Zweite Deutsche Fernsehen hat die Absicht, am 13. August 1978 mit einer Sonntags-Matinee unter dem Mot­to „Wo andere gehen, da muss ich flie­gen…“ des 50. Todestages von Klabund zu gedenken. Der Autor dieser Sendung ist Gerhard Schmidt, Er will Chansons, Gedichte und Geschichten von Klabund bieten. Das Düsseldorfer Haus des Deutschen Ostens wird Ende August mit einer Veranstaltung nachfolgen. Ob auch die große Presse etwas tut, um Alfred Henschke der Vergessenheit zu entreißen? Hoffen wir schließlich, dass der Konstanzer Guido von Kaulla, der mit seinem Buch „Brennendes Herz Klabund“ eine Biographie und Würdigung des Dichters herausbrachte, für seine weiteren dem Crossener Lite­raten gewidmeten Buchpläne Verleger findet.

Ein nicht weniger wichtiges Thema war und ist die Benennung von Straßen nach Klabund und siehe da, auch hier ist das „Heimatblatt“ aktuell:

Alfred Henschke, Gestalt der Frankfurter Geistesgeschichte

Wie in allen Gemeinden der neuen Bundesländer lief auch in Frankfurt (Oder) eine Welle der Straßenumbenennungen an. Allgemein werden kommu­nistisch beeinflusste Bezeichnungen durch unbelastete Namen ersetzt. Dabei besinnt man sich überall auf die lokal aufgetretenen Geschichts- und Geistesgrößen. In diesem Sinne ehrten die Ratsmitglieder zu Frankfurt (Oder) u. a. die ehemaligen Friedrichsgymnasiasten und Dichterfreunde Alfred Henschke und Dr. Gottfried Benn. So heißt die Palmiro-Togliatti-Straße fortan Klabundstraße und die benachbarte Ho-Chi-Minh-Straße jetzt Gottfried-Benn-Straße. Die beiden nicht besonders langen Straßen liegen in der Nachkriegs-Satellitenstadt Neuberesinchen nahe der Bahnstrecke Richtung Müllrose-Cottbus. Ob wohl die beiden Gymnasiasten aus Crossen und der Neumark in der zu ihrer Frank­furter Zeit unbebauten Flur jemals spa­zieren gegangen oder wenigstens dort mit der Eisenbahn vorbeigefahren sind? Ihre Schule und ihre Schülerpension la­gen jedenfalls ganz woanders, in der Gu­bener Vorstadt am Südrand des Zen­trums.

Besondere Meriten für Klabund-Straßen hat sich der Landsmann Herbert Boretius erworben, indem er sich vor Jahren bemühte, endlich auch in Berlin eine Straße nach Klabund zu benennen. Erfolg hat er keinen gehabt, ich allerdings auch nicht, wie in einem Artikel u lesen ist, der den Titel „Berlin soll Straße umbenennen“ und „Berliner Straßenkampf“ zeigt. Übrigens auch mir wurde vom persönlichen Referenten des zuständigen Senators Tobias Rieder zugesagt, dass er mein Anliegen unterstützt und auch ich warte auf ein Ergebnis noch heute.

„Berlin soll Straße umbenennen“

Dort wohnte der Dichter ab 1919 — Stellvertretung für Crossen

Am 14. August 1978 jährt sich der Todestag des Dichters Alfred Henschke, genannt Klabund, zum 50. Male. Im Hinblick auf diesen Gedenktag hat der Landsmann Herbert Boretius beim Senat der Stadt Berlin beantragt, die im Be­zirk Kreuzberg liegende Hallesche Straße in Klabundstraße umzubenennen.

Der Oberamtsrat a. D . der seit Jahren beratend in der Heimatkreiskommission mitwirkt und ein aktiver Mitarbeiter der „Heimatgruße“ ist, handelte damit im Namen aller einstigen Kreis-Crossener. Er fügte seinem Antrag eine längere Begründung bei. Darin wies er darauf hin, dass Klabund 17 Gedichtbände, zehn Romane, acht Dramen, zahlreiche Erzählungen und eine Literaturgeschichte verfasste und würdig neben seinen schriftstellerischen Zeitgenossen Hermann Hesse, Richard Dehme!, Max Halbe, Frank Wedekind, Gottfried Benn, Berthold Brecht u. a. steht. Ferner merkte der Antragsteller an, dass Alfred Henschke von 1919 ab ständig in Berlin im Hause Hallesche Str. 21 bei Frau Hertz wohnte und diese Anwesenheit in der deutschen Hauptstadt lediglich durch Sanatoriumsaufenthalte unterbrochen wurde. An die Stadt Halle, so führte Herbert Boretius aus, erinnern in Berlin bereits das Hallesche Ufer und das Hallesche Tor. Der Berliner Senat wurde gebeten, stellvertretend für Klabunds Vaterstadt Crossen zu handeln, die ihrem berühmtesten Sohn sicherlich die Ehre einer Straßenbenennung erwiesen hätte, wenn sie nicht 1945 polnisch geworden wäre. Die Antragsbegründung enthalt schließlich eine Kurzbiographie Klabunds und als Anlage den Text der Totenrede, die der Dichter und Arzt Gottfried Benn bei der Beisetzung der Urne mit der Asche Alfred Henschke am 9, September 1928 auf dem Crossener Bergfriedhof hielt.

Alle einstigen Kreis-Crossener, von denen gut 10 Prozent jetzt in Berlin wohnen, dürften wünschen, dass der Senat dem Vorschlag von Herbert Bore­tius folgt. Die „Heimatgruße“‚ werden über den Fortgang der Sache berichten.

Mit dem gleichen Thema beschäftigt sich auch dieser Artikel, nämlich gibt es „Klabund- Straßen“ und wenn ja, wie viele. Darin angeklungen, den „Crossenern“ liegt sehr viel an der Erinnerung an ihren Klabund.

Alfred Henschke schrieb viel von seiner Heimat

Am 4. November hätte er 85, Geburtstag – Wieviel Klabund-Straßen gibt es?

Der berühmteste Sohn Crossen, der Dichter Alfred Henschke-Klabund, hät­te, lebte er noch, am 4. November dieses Jahres 85. Geburtstag. Das mag Anlass sein, einmal daran zu erinnern, dass der Apothekersohn von der Oder in seinen Dichtungen oft und gern seine Heimat erwähnte. Es wäre deshalb wohl einmal eine kleine, wenn auch zeitraubende Studie wert, das Werk Klabunds auf Zahl und Art der Kreis-Crossener Bezüge hin zu analysieren. Landsmann Herbert Boretius schrieb dazu an die Redaktion: „Ich habe in den letzten Jahren viel von Klabund gelesen und mich jedes Mal gefreut, wenn er unsere Heimatstadt, die Dörfer der Umgebung, die Landschaft und ihre Menschen direkt oder indirekt erwähnte.

Als Beleg schickte Landsmann Bo­retius einen Ausschnitt aus der Er­zählung „Der Korporal“, die in dem vom März 1914 bis zum September 1915 verfassten Kriegsbuch „Marketen­derwagen“ erschien, aber auch in der vom Verlag Kiepenheuer & Witsch 1968 herausgebrachten Auswahl „Kla­bund – Der himmlische Vagant“ ent­halten ist. Dieses Prosastück schildert die Gefangennahme des französischen Korporals Bobin und in seinem Haupt­teil dessen Bericht über ein gespen­stisches Gefecht zwischen zwei fran­zösischen Infanteriezügen, die sich ge­genseitig für Feind hielten. In dem Ab­schnitt, in dem der Korporal, von Be­ruf Sprachlehrer, vorgestellt wird, weht Crossener „Luft“ und heißt es: „In Deutschland, wo er an dem Realprogymnasium einer kleinen brandenburgischen Stadt zuletzt tätig ge­wesen sei, habe er immer Kohlrouladen und Königsberger Klopse essen müssen. Nun: wie dem auch sei. Er habe sich daran gewöhnt. Er finde besonders das erstgenannte Gericht, abends zum Souper noch einmal aufgewärmt, recht appetitlich und schmackhaft. Auch der Landschaft, in der die kleine Stadt lag, könne er eine gewisse Anmut nicht absprechen. Ein wenig nüchtern. Ein wenig preußisch. Aber freundlich be­lebt von den Dampfern und Kähnen der schiffbaren Oder und sanft ge­mildert von den zärtlichsten Sonnen­untergängen. Und Weinberge stiegen am östlichen Ufer (hier macht Klabund bewusst oder unbewusst einen geografischen Fehler. Die Redaktion) empor: mit rotem und gelbem Wein bepflanzt. Und wenn man den roten ein wenig mit Italiener verschnitte, so bekäme l man den schönsten Bordeaux. Nun: er übertreibe. Gewiss. Aber ein guter Cros­sener ist besser als ein schlechter Bor­deaux. Pardon: man wolle das alles von ihm nicht wissen.“

Doch auch noch eine zweite Zeit­schrift erhielten die „Heimatgrüße“ an­lässlich des 85. Geburtstages des Dich­ters: Der Klabund-Forscher und Verfasser des Buches „Brennendes Herz – Kla­bund“, Guido von Kaulla, entdeckte in München die Klabundstraße. Im Einwohnerbuch der bayerischen Metropole stehe dazu, so teilte er mit: „Klabund (eigentlich Alfred Henschke), geb. 4.11.1890 in Crossen, gest. 14.8.1928 in Davos, Lyriker, Erzähler, Dramati­ker“. Die Klabundstraße liege im Süd­osten Münchens im Stadtteil Perlach und sei eine „Sackgasse“, die vom Karl-Marx-Ring abzweige. Daran lägen die Wilhelm-Röntgen-Realschule, ein Kindergarten und bungalowartige Wohnhäuser.

Die Zuschrift Guido von Kaullas ver­anlasst zu der Frage, ob alle Städte, in denen Klabund längere Zeit lebte* eine nach dem Dichter benannte Straße haben, also auch Frankfurt/Oder, Ber­lin und Davos. Oder gibt es etwa noch mehr Orte die Alfred Henschke durch eine Straßenbenennung ehrten? Viel­leicht achten die Leser einmal darauf!

Klabund und Gottfried Benn sind in Frankfurt/Oder in die gleiche Schule gegangen, in meiner Klabund-Biographie habe ich die Schule und auch die „Schülerpension der beiden erwähnt und das tut dieser Artikel auch.

Klabund-Erinnerungsstätten in Ostbrandenburg

Guido von Kaulla erzählte in seiner Biographie „Brennendes Herz Kla­bund“ unter anderem allerlei über die Obersekundaner- und Primanerjahre des Dichters in Frankfurt an der Oder. Wo in dieser Stadt die Schülerpension lag, in der zeitlich nach Gottfried Benn auch der in Crossen aufgewachsene Al­fred Henschke wohnte, verriet er jedoch nicht. Das erfuhren die an Gestalten der märkischen Geistesgeschichte Interes­sierten aber jetzt durch das dritte Frank­furter „Buntbuch“ Es trägt den Titel „Gottfried Benn und Klabund am Frankfurter Friedrichs-Gymnasium“, Die Publikation gehört zu einer Reihe, mit der sich die Kleist-Gedenk- und For­schungsstätte ab Anfang 1991 auf litera­rische Spurensuche machte. Herausge­ber Wolfgang Barthel will mit jährlich vier 16 Seiten starken Heften Örtlichkei­ten, Landschaften und Regionen in Ostmitteleuropa, vor allem in der Mark Brandenburg, behandeln, die für das Leben von Schriftstellern, für ihr Werk oder für ihre Wirkungsgeschichte Bedeutung hatten.

Das „Graubuch“ über die Frankfurter Gymnasiasten Benn und Klabund ver­fasste Hans-Jürgen Rehfeid. Das ist ein 1948 in Bernburg geborener Bibliothe­kar, der in Frankfurt in Büchereien, Buchhandlungen und im Stadtarchiv ar­beitete und seit 1990 das „Haus der Kün­ste“ im ehemaligen Hospital St, Spiritus leitet. Er trat mit Publikationen zur Kulturgeschichte der Mark Brandenburg so­wie zur Frankfurter Stadt- und Universitätsgeschichte hervor.

Bei den Ausführungen über Klabund folgte Rehfeld weitgehend – wie könnte es anders sein – den Recherche-Ergeb­nissen des Konstanzers Guido von Kaul­la. Aber es gelang ihm auch, durch das Stöbern in Archiven und Adressbüchern der Odermetropole einige interessante Fakten hinzuzufügen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Feststel­lung, dass mit dem einstigen Friedrichs-Gymnasium (jetzt Maxim-Gorki-Oberschule) und nicht weit davon entfernt mit dem Hause Gubener Str. 31 a Gebäude erhalten sind, in denen der romantische Expressionist mit Heimat in Crossen ihn prägende Jahre verbrachte. Das Friedrichs-Gymnasium, das sei kurz erwähnt, besuchte Alfred Henschke. weil die Schule in seiner Vaterstadt mit der Un­tersekunda endete. Die Großeltern, die die Frankfurter Adler-Apotheke an der Bischofstraße betrieben hatten, waren damals schon verstorben. Der spätere „Klabund“ wohnte deshalb von 1906 bis zum Abitur 1909 in der Schülerpension von Agnes Leonhard. Gubener Str 31 a. Die lokalen Erkenntnisse Rehfelds un­terstreichen Guido von Kaullas These, dass der Junge aus Crossen den Namen Klabund in Frankfurt gehört und gele­sen und später als sein wichtigstes Dich­ter-Pseudonym übernommen hat. Ent­hält doch das Buntbuch einen Adress­buch-Auszug, aus dem hervorgeht, dass kurz nach der Jahrhundertwende einem Dr. Phil. Klabund die Wilhelm-Apothe­ke, Fürstenwalder Str. 3, gehörte.

Mit dem Gymnasium und dem Haus, in dem einst die Schülerpension eingerichtet war, ist die Reihe der existenten Klabund-Erinnerungsstätten in Ostbrandenburg nicht erschöpft. Die Cros­sener wissen ja, dass neben der Piastenschloss – Ruine auch die Schule steht, in der Alfred Henschke vom 6. bis zum 16. Lebensjahr für das Leben lernte. Dar­über hinaus ist durch die Straßenpflaste­rung immer noch auf den Meter genaue jene Ecke zu bestimmen, an der die Crossener Adler-Apotheke stand, das Haus, in dem die Eltern für Besuche des Dichtersohnes bis zu dessen Tod stets ein Zimmer reserviert hatten. In Frankfurt (Oder) gibt es gegenwärtig Bestre­bungen, Gedenktafeln an jenen Häu­sern anzubringen, in denen einst bedeu­tende Persönlichkeiten lebten. Sollten einmal Crossener Klabund-Freunde‘. zum Beispiel die Ehemaligen des Gym­nasiums, den Wunsch haben, ihrem be­deutenden Mitschüler ein ähnliches klei­nes Denkmal zu setzen, so wäre ein Ort dafür im polnischen Krosno also leicht zu finden. Daran ändern auch nichts die traurigen Tatsachen, dass der Platz des Geburtshauses des Dichters an der Dammstraße und das Stück Erde auf dem Bergfriedhof (jetzt Stadtpark), in dem seine Asche ruht, nicht mehr genau zu bestimmen sind.

In Frankfurt gab es ein Schulmuseum, das wurde „dicht gemacht“, die Gründe nicht so richtig überzeugend. Im Übrigen hätte man in der Stadt ja rechtzeitig nach einer Alternative suchen können. Das „Crossener Heimatblatt“ machte auch darauf aufmerksam.

Schulmuseum geschlossen

Das Schulmuseum in Frankfurt (Oder), über das die ..Heimatgrüße“ mehrfach berichteten. gibt es gegenwär­tig nicht mehr. Es mußte die ehemalige Jugendherberge am Realgymnasium räumen, weil diese nach Sanierung für die Sprachausbildung an der Erweiter­ten Oberschule benötigt wird. Alle Be­mühungen, neue Räume für das Schulmuseum zu finden, scheiterten bislang. Die rund 8000 Ausstellungstücke lagerte man vorerst in einem Speicher des Museums Viadrina. Der Freundeskreis des Schulmuseums „arbeitet an einem Kon­zept für eine Wiedereröffnung an ande­rer Stelle.

Und mit einem Artikel von Hanns-Ulrich Wein, den man getrost als Versuch werten kann, Crossen und Krosno einander näher zu bringen, endet die Berichterstattung des „Crossener Heimatblattes“ über Klabund.

Klabund-Werke in polnische Sprache übertragen

Darunter die Ode an Crossen Denis Wiatr bot Lyzeum der Oderstadt Lesungen für Schüler an

Der polnische Lehrer im Ruhestand Denis Wiatr, der in Reppen wohnt, be­müht sich, die Werke von deutschen Dichtern, die hart ostwärts von mittlerer Oder und unterer Neiße wirkten, seinen Landsleuten zugänglich zu machen. So versuchte er, wie jüngst in der Nr. 6/1994 der „NOZ. Heimatgrüße'“ berichtet, durch Zeitungsartikel und durch Vorträ­ge in Schulen den Aufklärer der Barock­zeit und friderizianischen Offizier Ewald Christian von Kleist, der 1759 ei­ner in der Schlacht bei Kunersdorf erlit­tenen Verwundung erlag, in Siubice (Frankfurt-Dammvostadt und Reppen bekanntzumachen. Er übersetzte dazu Gedichte des „Preußen ‚ ins Polni­sche Mit seinem „Kleist-Latein“ ist er offensichtlich noch lange nicht am Ende. Jedenfalls wusste die „Märkische Oder-Zeitung“ in letzter Zeit allerlei über von ihm angeregte polnisch-deutsche Ju­gend-Begegnungen zu berichten.

Doch auf einem Kleist-Bein allein will der aktive Pädagoge nicht stehen blei­ben. Er interessiert sich auch für die anderen Dichter, die einst seine Heimat bevölkerten. So für die Gebrüder von Zabeltitz aus Spiegelberg. für Ludwig Heck, den König der Romantik, der während der napoleonischen Zeit in Ziebingen Zuflucht und Unterkunft fand, und natürlich auch für den romanti­schen Im- und Expressionisten“ Alfred Henschke, genannt Klabund. der in Crossen aufwuchs und in Frankfurt (Oder) am Friedrichsgymnasium das Abitur „machte“.

Was lag da näher als eine Korrespondenz Wiatrs mit dem Herausgeber der „NOZ/Heimatgrüße“. die noch der En­de 1994 verstorbene Reppener Heinz Schwenk vermittelte. Rezepiner führte sich gleich mit der Übersetzung eines kurzen Klabund-Gedichtes ein. das „An die Natur“ betitelt ist und das Alfred Henschke einst fürs Kabarett verfasste. Der Redakteur wies den polni­schen Briefpartner auf die vielen Hinweise auf Landschaft und Geschichte des mittleren Odergebietes im Werke Klabunds hin. Er sandte ihm den Text der „Ode an Crossen“, die da mit den Worten „Wo der Bober in die Oder, wo die Zeit mündet in die Ewigkeit…“ be­ginnt, und wies auf die „Jugendsünde“ Alfred Henschkes. auf die unter dem Titel „Celestina“ zusammengefassten Alt-Crossener Geschichten, hin. Es geschah dies in der Annahme, dass örtliche Bezü­ge im Werk am besten geeignet sind, um polnische Literaturfreunde für einen deutschen Autor zu interessieren.

Natürlich erhielt der polnische Päd­agoge auch Informationen über die Entstehungsgeschichte der „Ode an Cros­sen“. Klabund schrieb sie ja wohl verhältnismäßig spät in seinem kurzen Le­ben als persönlichen Beitrag zur Feier des 400jährigen Bestehens des Crosse­ner Gymnasiums. Sie wurde beim Fest­akt im „Karlshof“ von einem Primaner in Anwesenheit des Dichters vorgetra­gen. Sie fand wie kein anderes von Henschkes Werken den Beifall der örtli­chen Öffentlichkeit, zumal sie als liebe­volles Bekenntnis zur märkischen Hei­mat zu werten ist und der von der Tuber­kulose gezeichnete Autor seinen frühen Tod in den Text einbezog.

Denis Wiatr zeigte sich von der Ode begeistert. Er setzte sich sogleich hin und übersetzte sie ins Polnische. Ferner fuhr er nach Krosiio (Crossen) und bot den Direktor des dortigen Lyzeums (Gymnasiums) Vorträge vor Schülern über Klabund und sein Werk an. Auch nach den ..Celestina“-Geschichten forschte er und fand das bei Zeidler an der Bobermündung gedruckte Bänd­chen tatsächlich in einer oderfrankfurter Bibliothek. Als das Grünberger Theater mit einem Gastspiel in Heppen aufwar­tete, zog er sogleich die Schauspieler der Wojewodschaftshauptstadt in ein Ge­spräch über den Sohn Krosnos, dessen Schauspiel „Der Kreidekreis“ so viele Male in Berlin aufgeführt wurde.

Denis Wiatrs Begeisterung steckte den Redakteur der „Heimatgrüße“ an. Dieser schrieb ihm, es wäre doch schön. wenn es mit Hilfe der Stadt Krosno und des örtlichen Geschichtsvereins gelän­ge, einen Gedenkstein oder eine Ge­denktafel für den Dichter im Stadtpark, dem früheren Bergfriedhof, oder an sei­ner ehemaligen Schule zu schaffen Schließlich ruhe die Asche Alfred Henschkes an einer noch ziemlich genau bestimmbare» Stelle im heutigen Stadtpark. Aul dem Stein oder der Tafel könnte dann in polnischer und deutscher Sprache stehen: „Wo der Bober in die Oder, wo die Zeit mündet in die Ewig­keit…“

Der „Heimatgrüße“-Macher erklär­te, dass er irgendwie einige Tausend DM für eine solche Gedenkstätte locker ma­chen würde. Er dachte dabei daran. da& er sich mit einer eigenen Spende von der öffentlichen Arbeit für die Odergau-Heimat verabschieden könnte, Soweit seine Mittel nicht reichen, würde er sei­ne Leser mit Heimat im Odergau um Spenden bitten. Der Redakteur fühlte sich zu einer solchen kleinen Initiative und Zusage berechtigt, da der Heimatkreis den Gedenkstein-Gedanken nach dem Tode von Heinz Schulz nicht mehr verfolgte. Denis Wiatr sagte inzwischen grundsätzliche Hilfestellung zu. Warten wir also ab, wie sieh die Dinge entwickeln.

Im Briefgespräch befanden es der Rzepiner und der Crossener-Soltauer für angemessen, den Versuch zur Aus­stattung der Krosnoer Stadt- und Gemeindebibliothek mit den wichtigsten Werken Klabunds durch Bücher Spenden zu unternehmen. Leider sind die beiden dafür in erster Linie in Frage kommenden Bücher, die 1968 bei Kie­penheuer & Witsch verlegte Werksammlung „der himmlische Vagant“ und die von Guido von Kaulla verfasste Biographie „Brennendes Herz Kla­bund“, nicht mehr im Handel erhältlich. Auch bei einer Umfrage auf dem Antiquariatsmarkt ergab sich im Wesentlichen eine Fehlanzeige. Wenn also ein Leser dieser Zeitschrift eins der beiden genannten Bücher ausfindig machen oder aus eigenem Besitz antiquarisch abgeben könnte, wäre das im Interesse der guten Sache, der Förderung der Völkerfreundschaft durch Literatur, sehr schon.

Unterdessen liest Klabund wieder in Krosno auf einer Bank sitzend und alle Besucher können es wie Hanns-Ulrich Wein oder der Bürgermeister machen und sich ein Weilchen zu ihn setzen.