Bauernballade

Der Jochen war ein armer Bursch,
Katharin‘ eine reiche Dirn.
Es schlug ein Band um beide sich,
War fester und zarter als Zwirn.

Sie trug einen Apfel über Nacht,
Über Nacht auf ihrem Schoss.
Gab ihm den Apfel. Er aß davon
Und konnte von ihr nicht los.

Sie gab ihn drei Tropfen von ihrem Blut,
Er gab ihr drei Tropfen von sich.
Wer der Geliebten Blut trank, der ist
Verfallen ihm ewiglich.

Und ob der Bauer ihr Prügel droht,
Sie Schwur ihm den Myrthenkranz,
Den Hochzeitstanz, die Hochzeitsgans,
Er schwor ihr den Rautenkranz.

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Und Jochen einst in die Heide ging,
Da saß am Weg ein Mann,
Ein rotes Männchen saß auf dem Stein
Und kämmte die Läuse sich aus.

Er kämmte die Läuse in einen Sack,
Und sprach: Trag mir den Sack,
Trag eine Weile ihn Huckepack,
So sollst du Katharina frein.

Der Jochen spuckt lachend sich in die Hand
Und hebt den Sack – und hebt
Ihn keinen Zoll vom Boden auf.
Der Sack war schwer wie Blei.

Da kichert der rote Zwerg:
Wer eine Stunde sich laust,
Dem schenke ich den ganzen Sack,
Den Sack voll Läusen da.

Und Jochen hockt sich auf einen Stumpf
Und laust den roten Mann
Und liest ihm die roten Läuse ab
Eine Stunde oder mehr.

Und als keine Laus mehr im Schapfe saß,
Da sprach das Männchen: Hab Dank!
Und sprang als Eichhorn den Baum hinauf
Und ward nicht mehr gesehen.

Der Jochen öffnet den Läusesack –
Da war er voll purem Gold.
Eine jede Laus war ein Louis d’or,
Ein Louisdor preußischen Courant.

Da jubelt Jochen: Katharina ist mein:
Nun halt ich beim Bauern an –
Vergräbt den Schatz unter einem Strunk
Und kehrt als reicher Mann.

Nun Hab ich wie Ungeziefer so viel
Gold und Gold und Gold –
Und singt sich eins und springt sich eins
Und pfeift und tobt und trollt.

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Als durch den Wald er nach Hause ging,
Da war es späte Nacht.
Da stieg der Mond am Himmel auf,
Da fiel ein Stern herab.

Und wenn eine Jungfrau stirbt, dann föllt
Ein Stern vom Himmel herab.
Dann kommt ein weißer Vogel zur Nacht,
Zur Mittnacht ans Fenster geflogen.

Mit goldenem Schnabel der Vogel klopft
Ans Fenster: Mach auf: Mach auf:
Er fliegt durch Glas, als wäre es Luft,
Pickt Totenaugen wie Korn.-

Dem Jochen schauderts, als über die Brück,
Die falsche Brücke er geht.
Er sieht im Wasser ein bleiches Gesicht,
Kathrina. Kathrina, den Mond –

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Die Tote liegt auf der blanken Bank,
Einen Kiesel zwischen den Lippen,
Die Lippen sind blau, der Bauch ist dick,
Wie der Bauch einer schwangeren Frau.

Katharina. Katharina, Jungfrau süß
Du wirst einen Tod gebären,
einen kleinkleinen Tod, die Knöchelchen
Klingen wie Kälberknochen.

Was trägt Katharina denn für ein Kleid?
Die schwarze Schärpe der Braut,
Die schwarze Schürze, den schwarzen Rock
Und das Brusttuch aus weißem Tüll.

Und Jochen kniet noch einmal am Sarg,
Der auf nassem Spreesand steht
Es war an einem Tag wie heut,
Der Herr Jesus gemartert ward.

Einst kamen drei Jungfrauen vom Himmel herab,
Die erste brachte das Gras,
Die zweite brachte die Blumen dazu,
Die dritte das Laub auf den Bäumen.

Und die Dritte, die das Laub gebracht,
Hiese dreimal wehe Kathrin.
Katharina hat das Laub gebracht,
Nun ist das Laub verwelkt.

Auf den Hügeln Gottes drei Rosen Stehn,
Die erste blüht rot wie Blut
Die zweite Rose blüht weiß wie Schnee,
Die dritte blüht schwarz wie die Nacht.

Und wehe, wehe die Dritte heißt
Katharina, die schwarze Rosen
Nun ist der schlanke Stiel geknickt,
Der Wind hat die Blüte entblättert.

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Die Leichenträger stehen schon am Tor,
Das Florband weht am Hut,
Sie tragen Sträuße in der Hand
Aus Wachs und Papier.

Und aus Wachs ist Katharinas Angesicht,
Und zeigt dem Tod, dass ihr lebt.
Käs, Kuchen, Biersuppe und Branntwein
Soll verfressen, versoffen sein.

Sing jetzt das Lied, das letzte Lied,
Die Glocken läuten schon.
Da fliegt ihre Seele zum Himmel auf,
Der zarte weiße Vogel.

Sie fliegt in die sonn, wie die Mücke in’s Licht
Und Jochen steht am Zaun.
Er reißt die Augen zur Sonne auf,
Die Tränen niedertauen.

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Katharina fand im Himmel nicht,
Und Jochen auf Erden nicht Ruh.
Es saß am Wehr, am Wasserwehr,
Und sah den Uklein zu.

Er warf ein Netz und zog und zog
Und freute sich seines Glücks.
Er zog eine schwere Beute aufs Land –
Das war ein grüner Nix.

Von Wasserlilien und –rosen war
Um die Nixe ein weißes Geschling.
Sie lachte, und lächelte und sah
Ihn an, dass er verging:

Ich bin die Tochter des Wassermanns,
Komm mit mir auf grünen Grund:
Ich habe eine Kuh aus Silber
Und einen goldenen Hund.

Der Hund frisst tote Fische,
Die Kuh frisst Alge und Tang.
Die Kuh sch… silberne Taler,
Und Goldstücke k… der Hund.

Auf seinem Binsenthrone
Da sitzt der Wassermann.
Um seinen Hals an einem Strick
Hängen neun tote Kinderlein.

Er herrscht über Fische und Frösche,
Über Fluss, und Traun und Teich
Komm mit mir, Du solltest der Kronprinz sein
In des Wassermanns Reich.

Da fiel ihm vom Himmel ein Sonnenstrahl
Ins Aug. Eine Träne rann.
Er sah Katharina mit einemmal
Die sie in der Spinnstube spann.

Er hob sein Ruder und schlug es
Der Nixe um Haupt und Gebein.
Er schlug, bis sie in Stücke sprang.
Er schlug einen moosigen Stein.

Als unser Herrgott auf werden ging,
Da lebte auch Holz und Stein.
Du grindige Hexe, Du Liliengeschling,
Du solltest verwunschen sein.

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Katharina im siebenten Himmel saß
Und trat das Spinnrad ohne Rast.
Sie spann für die Engel Linnen,
Sie schlief beim Wocken schier ein.

Und als der Herrgott vorüber ritt,
Er hielt den Schimmel an:
Was spinnst du da, wen sinnst du da?
-Ich denke an meinem Mann,

An meinen Mann, der mein Mann noch nicht war,
Ich denke immer an ihn.
Wenn ein Spinnrad geht, wenn der Westwind weht,
Wenn die weißen Wolken ziehn.

Der alte Mann strich seinen Bart,
Seinen langen, weißen Bart:
Und spinnst du Flachs wie mein Barthaar so weiß,
So sollst deinen Jochen du han.

Katharina spann sieben Tag und Nacht
Und spann den Flachs ihm zu Dienst,
Wie sein Barthaar weiß – und trat vor den Greis,
Und brachte ihm ihr Gespinst.

Da strich der Herr seinen weißen Bart,
Seinen langen weißen Bart:
Und spinnst du Flachs wie Sternstrahl so licht,
So sollst deinen Jochen du han.

Katharina spann sieben Tag und Nacht
Und spann den Flachs so licht,
Wie Sternstrahl, Mondstrahl, Sonnenstrahl licht
Und brachte dem Herrn ihr Gespinst.

Da strich der Herr seinen weißen Bart:
Spinnst du Flachs so zart wie das Band
Das dich mit Jochen bindet und band,
So sollst deinen Jochen du han.

Katharina spann sieben Tag und Nacht
Und spann den Flachs so zart
Wie das Band, dass sie mit Jochen verband,
Und brachte dem Herrn das Gespinst.

Da strich ihr der Alte über das Haar:
Du sollst gesegnet sein!
Zur Kirmes, wenn Tanzmusik im Krug
Darfst du zur Erde herab. –

Der Alte bestieg sein weißes Pferd
Und ritt über Wilken davon.
S’war hoher Sommer und Mittagszeit,
Und Schweigen weit und breit.

Die Lufterzitterte blinkend, Es war
Kein Mensch mehr auf dem Feld.
Er ritt und prüfte die Ähren, wie
Es mit der Ernte bestellt.

Und forschte auch nach den Fischen im Teich.
Da saß der Jochen am Wehr.
Er sah auf den Schimmel des Alten, und
Die Lider wurden ihm schwer.

Er fiel in Schlaf und erblickte Kathrin,
Wie sie im Himmel spann.
Die Karpfen tauchten aus grünem Grund
Und sahen den schlafenden Mann.

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Was steht den Burschen zur Kirmes zu?
Eine große Kanne Wein.
Was gehört den alten Weibern?
Ein Pelz mit Läusen drein.

Was gehört den aalten Jungfern?
Ein filziger Flederwisch.
Was gehört den jungjungen Mädchen?
Ein junger Bursch bei Nacht.

Und unsere dicke Bäuerin
Hat gestern … geklatscht,
Hat sich den feisten A… gewischt
Mit stinkenden Schweinestreu.

Wir Burschen tragen Kränze und Korn,
Aus Hafer und Gerste den Kranz.
Im Krug wird heute aufgespielt
Hoiho zum polschen Tanz.
———
Die Olle, die Olle wird eingebracht,
Der letzte Wagen Korn.
Die Harken sind mit Blumen geschmückt
Die Mädchen mit buntem Band.

Sie finden beim Mädchen ein totes Kind,
Ein totes Kind im Korn.
Die Ähren standen wie ein Wald,
Es hatte im Wald sich verspielt.

Doch niemand kannte das Kind im Dorf,
Das Kind war schwarz wie Russ,
Wie die Mädchen und Burschen am schwarzen Tag,
So schwarz war das tote Kind.

Da höhnte ein Bursche: Das ist das Kind,
Das Kind von der Kathrin,
Der Jochen wird schon wissen, woher
Kathrin das schwarze Kind hat.

Was war an deiner Kathrine schon dran,
Die war eine läufige Petze.
Eine alte Mulde, ein Schluderding.
Eine schmutzige Klunterliese.

Da schrie der Jochen: Du Eierkerl!
Du Klotz! Du rothaariger Beier!
Du Quappennase, du Plindrian,
Du Laps! Dass dich der Geier!

Und hob die bekränzte Harke und schlug
Dem Lästerer sie ins Maul.
Der brach zusammen und spie sein Blut,
Wie der Ochs, den das Messer traf.

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Auf dem Erntewagen die Puppe stand,
Eine puppe aus leerem Stroh.
Das sit die Ulla. Und sie empfängt,
Wer die letzte Garbe band.

Der Jochen die letzte Garbe band.
Er trug die Puppe nach Haus.
Sie lachten wie Geblicks hinter ihm drein:
Glückauf zum neuen Schatz!

Er stellte die Puppe an den Herd.
Und wandte sich und sah
Zum Fenster hinaus in die Dämmerung,
Und suchte den ersten Stern.

Da hört er ein Rascheln hinter sich,
Wie wenn man Mäuse im Stroh-
Es raschelt und huschelt und knistert und knackt,
Wie wenn Rehe durchs Unterholz brechen.

Und im Fenster erscheint ein silberner Schein,
Ein roter – er wendet sich
Und sieht am Herd die Puppe schon
In lohen Flammen stehn.

Doch aus dem Feuer trat eine Gestalt
Ein nackter weißer Leib.
Sie sah ihn an. Er sah sie an.
Es war Kathrin, sein Weib.

Sein Weib, dass noch sein web nicht war,
Sie sanken sich an die Brust.
Und aus den Flammen wunderbar
Entbrannte Lust um Lust.

Er fühlte nicht, wie er Feuer fing,
Und wie sein Haar versengt.
Er fühlte nur, wie sie an ihm hing
Und wie ihre Brust ihn bedrängte.

Die Lippen waren wie Sonne und Erd
Ineinanderverbrannt.
Sie bot ihm ihren jungfräulichen Leib
Zur feurigen Hochzeit dar.

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Die Feuerglocke bellte vom Turm.
Sie kamen mit Tonne und Schlauch,
Es bleib eine schwarze Mauer nur,
Von Jochens Kate stehn.

Sie fanden von Jochen keine Spur,
Er war zu Asche verbrannt.
Dar Pastor schlug ein Kreuz übern Ort.
Ein Uhu schrie im Wald.

Am hohen Mittag ritt ein Mann
Auf einem Schimmel vorbei.
Es regnete. Am Himmel hing
Ein leuchtender Regenbogen.

Und der Reiter sprengt über ihn dahin
Als wäre die Polsche Brücke.
Und reitet auf seinem weißen Pferd
Stracks in den Himmel hinein.

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Am Haidweg aber saß ein Mann,
Ein rotes Männchen, das sah
Dem weißen Reiter verdrossen nach
Und reckte die sumpfige Hand.

Dann kicherte es in sich hinein
Und greift nach den Läusen im Bart
Und meckerte: Das Läppchen kommt auf das Loch,
Das Loch kommt auf das Läppchen.

Es schlich die Mittagsfrau des Wegs:
Ist uns das Gold nur gewiss
Die Seelen von Jochen und Kathrin?
Das gakste das Männchen höhnisch.

Die Mittagsfrau die Sense hob
Und schlug ihm das Haupt vom Hals.
Sein roter Saft versickerte
Wo der Schatz vergraben lag.

Und die Mittagsfrau nach dem Schatze grub
Sie hob den Sack und schwenkte ihn,
Er lüpft sich leicht wie ein Lappen.

Da waren keine Dublonen drin,
Nur tausende roter Läuse,
Die fielen über die Mittagsfrau her
Und fraßen sie bis aufs Gerippe.
Doch
Doch wer am Kreuzweg vorüberkommt,
Um Mitternacht so schaurig
Erscheint das Skelett ihm der Mittagsfrau.
Die Knochen klappern so traurig.