In den Chroniken geblättert. Von Karl Wein Heimatblätter Nr. 6 Juni 1957
Der Crossener Weinbau blickt auf das ehrwürdige Aller von über 800 Jahren zurück. Während der Regierungszeit des Piastenherzogs Boleslaws IV. erfolgten durch deutsche Einwanderer vom Rhein im Jahre 1154 die ersten Anpflanzungen von Rebstöcken. Ihr Gedeihen an den Abhängen der Berglehne, das durch deren günstige Lage bewirkt wurde, hatte — nach G, A. Matthias — zur Folge, dass bald weitere Anlagen entstanden, „wodurch dem Orte eine bedeutende Erwerbsquelle geöffnet und sein Aufblühen wesentlich gefördert wurde,*
Aus der Tatsache, dass von den Chronisten in der Folge mit aller Sorgfalt die guten und die schlechten Weinjahre registriert werden, geht ohne weiteres hervor, dass der Weinbau sehr bald eine erhebliche Verbreitung gefunden haben muss. Es wird z. B. berichtet, dass 1278 alle Weinstöcke um Crossen erfroren seien, dass es 1279 wenig, aber umso besseren Wein gab, dass 1295 die Ernte reichlich und die Qualität sehr gut war, dass 1303, 1318 und 1333 weitere ausgezeichnete Weinjahre waren und dass 1326 der Wein schon im April blühte und die Lese bereits Anfang September erfolgte. Um diese Zeit war Wein, wie es bei Matthias heißt, das „Getränk der Vornehmen*, während die mittleren und niederen Volksklassen Bier tranken, das damals in Crossen sehr gut gebraut wurde.
In einer Bestätigung der Privilegien der Stadt Crossen durch Herzog Wenzel im Jahre 1430 werden als Eigentum des Rates u. a. „drei Morgen Weinwachs, gelegen zwischen der Arnoldin und Nickel Körsnern und der Morgen Ebenhöhe, über diesen zweien gelegen* genannt.
Um 1478 waren die Höhen nördlich der Oder nicht nur an ihren Lehnen mit Wein bepflanzt, sondern auch der ganze Kamm der Berge nach Hundsbelle hin war mit Weingärten bedeckt, die .als auf der Ebenhöhe gelegen* bezeichnet wurden.
Als Herzog Johann von Sagan in diesem Jahre nach siebentägigem vergeblichem Sturm auf Crossen wieder abzog, ließ er zugleich mit der Verwüstung allen Landes in der Umgegend auch die Weinstöcke niederhauen. Besonders übel wurde den Weingärten auf der Ebenhöhe mitgespielt.
Nach Prokopius sind darauf zahlreiche Weingärten für den Anbau von Getreide und Küchengewächse eingerichtet worden. Der Wein stand übrigens 1478 so gut und versprach eine so reichliche Ernte, dass Herzog Johann den Crossenern durch die Zerstörungen sehr empfindlichen Schaden zufügte. Ausgezeichneten Wein in allerdings geringer Menge brachte das Jahr 1479; reichliche und gute Erträge erbrachten 1482 und 1484.
Auf dem 1530 in Augsburg abgehaltenen Reichstag wurde der Crossener Bürgermeister Franz Neumann, der sich im Gefolge des Markgrafen Johann von Küstrin befand, von Kaiser Karl V, geadelt. Das ihm verliehene Wappen enthielt drei Weinhacken, ein Beweis dafür, dass damals der Crossener Weinbau von nicht geringem Ruf war.
Um 1500 wird erwähnt, dass die beiden hiesigen Klöster der Franziskaner und Dominikaner viel Land und schöne Weinberge“, besonders in Hundsbeile, besaßen. Nachdem sich die Reformation in Crossen durchgesetzt hatte, übersandte im Jahre 1545 der Rat der Stadt ein parodistisches Kirchenlied „Nun treiben wir den Papst aus“ zusammen mit einem Viertel Wein an Dr. Martin Luther.
Im Jahre 1537 geriet der Crossener Wein so gut, dass sogar der Herzog von Mecklenburg viel davon aufkaufen ließ. Als weitere gute Weinjahre werden 1540 und 1552 genannt, während von 1554 bis 1574 die Ernten meist nach Menge und Güte gering waren. Aus einer Bemerkung des Chronisten aus dem Jahre 1538 geht hervor, dass damals auch bereits roter Wein in Crossen gekeltert wurde. Sein Preis stieg m dem angegebenen Jahre auf eine noch nicht dagewesene Höhe.
Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts war der Crossener Wein offenbar ein ganz besonders beliebtes Volksgetränk geworden. Es wird nämlich berichtet, dass die alljährlichen Musterungen der waffenfähigen Bürger, die Kurfürst Johann Georg angeordnet hatte, „ohne Wein nicht denkbar“ waren. 1580 gab der Rat der Stadt zur Musterung ein Viertel Wein, 1583 wurde sogar ein ganzes Fuder ausgetrunken.
Als schlechtes Weinjahr wird 1593 bezeichnet; es wurden in Crossen nur 33 Fuder und ein Viertel geerntet. Im Jahre 1594 geriet der Wein besser und war von ausgezeichneter Qualität. Die Stadt gewann 100 Fuder, darunter 35 Fuder roten. Die Weinberge in Tschausdorf lieferten dem Rat allein 18 Fuder. 1597 wurden 126 Fuder geerntet. 1598 ernteten die Weinbergbesitzer der Stadt sogar 320 Fuder, die Kurfürstin von ihren Besitzungen 40, der Rat 10, die Kirche 4 und das Hospital 1 % Fuder. Das Viertel des sehr gut geratenen Weines wurde zunächst mit acht bis neun Taler bezahlt, stieg später aber noch erheblich im Preise. Den Rekord brachte das Jahr 1604, in dem das 25-fache einer Durchschnittsernte gewonnen wurde; die Qualität ließ allerdings sehr zu wünschen übrig. Ein sehr schlechtes Weinjahr war 1612. Die Kirche erntete von all ihren Besitzungen nur zwei Butten, weswegen die Gewerke die Geistlichen mit Wein beschenkten.
Die wilden Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges beschäftigen dann die Chronisten so stark, dass erst etwa von seinem Ende an die guten und schlechten Weinjahre vermerkt werden. Als gut werden 1645, 1647, 1652 bis 1655 und 1660 bezeichnet, Im Jahre 1663 erfror dagegen aller Wein, so dass gar keine Ernte stattfand. Ein wahrer Lobgesang wird hingegen auf den Wein von 1666 angestimmt. Er war so ausgezeichnet, dass man das Viertel bald mit 16 bis 20 Taler bezahlte. G.A .Matthias entnimmt einer älteren Chronik über den 1666er wörtlich folgendes „Die Hausväter hüben denselben zur Ausstattung ihrer Töchter auf und war großer Zulauf von Hochzeitsgästen, wenn die Hochzeitbitter meldeten, dass man Sechsundsechziger trinken würde. Der letzte davon ward Anno 1689 in der Apotheke auf Herrn Christian Rauens Hochzeit getrunken, und war so gut, dass er dem Oberländer nichts nachgab. So sehnten sich auch viele Kranke nach diesem Labsal und so lang er zu haben war, ward er in der Kirche bei der Kommunion gebraucht. Dazumal rettete der Wein des Coleri Ehre, der in sein Hausbuch geschrieben: Crößner Weine sind auch nicht böse, hingegen wurden die beschämt, die den croßnischen Wein Karpfenbläher und die Weinberge das Land nennen, darinnen Essig wächst. Folgende Jahre aber bis 1676 ist gar wenig, auch nicht so guter Wein gewachsen, also dass von manchem Morgen kaum ein halb Viertel gelesen worden, dagegen war der Wein 1676 wieder vortrefflich, sowie auch in den Jahren 1678,1680, 1683, 84 und 88″.
Hohe Ehre widerfuhr dem Crossener Wein bei der Introduktion des Vizeverwesers Otto von Gablenz auf Göhren in Crossen am 14. Mai 1682. Der Rat der Stadt gab aus diesem Anlass einen festlichen Schmaus. J. J. Möller teilt darüber in seiner handschriftlichen Chronik mit: „Es hatte sich dazu der Herr Verweser einen guten Rheinwein in Peter Krausens Keller ausgekostet. Als nun der begehrte Wein gefordert wurde, zapfte ihn Herrn Krausen Diener aus dem vorher bezeichneten Fasse, der war aber nicht recht. Er schickte Wein aus einem anderen Fasse, der taugte auch nichts. Endlich zapfte er ein halb Viertel alten Crossener Wein an, der war gut und ward als alter Rheinwein getrunken und bezahlt. Herr Krause hieß darob seinen Diener schweigen und das überflüssig gezahlte Geld in das Spittel tragen.“
Von 1689 an geriet die Weinernte eine ganze Reihe von Jahren hindurch nur mäßig. Erst 1699 und 1700 lieferten wieder guten Wein. Danach werden die Mitteilungen über den Weinbau In Crossen und den hiesigen Wein spärlicher.
Gute Weinjahre waren, wie nur kurz registriert ist, 1718 bis 1720, 1724, S728, 1731 und 1737. Als noch besser erwiesen sich 1727, 1738 und 1739. Im Winter 1739 40 herrschte so strenge Kälte, dass die Weinstöcke zum großen Teil vernichtet wurden. In einer Statistik aus dem Jahre 1749 wird der Ertrag sämtlicher Ackergrundstücke auf 4250 Taler geschätzt, wovon ein recht beträchtlicher Anteil, nämlich 1390 Taler, auf den Weinbau gerechnet wurde. Neben einer Reihe guter Weinjahre, die weiterhin aufzuführen sich erübrigt, werden 1760 und 1783 als diejenigen mit .den besten Erträgen des Jahrhunderts besonders hervorgehoben.
In einer Schlußdarstellung der Verhältnisse, wie sie etwa um 1845 in Crossen bestanden, äußert sich G. A, Matthias über den Weinbau in Crossen wie folgt:
„Auch der Weinbau ist für Crossen und seine nächste Umgebung von Wichtigkeit. Seit den letzten Dezennien ist für die Veredlung des Gewächses und des Anbaues, so auch für die zweckmäßigere Behandlung des Gewinnes viel getan worden, so dass derselbe dem besten anderen Landweine nicht mehr nachsteht. Der Ertrag ist natürlich in Quantität und Qualität nach den Jahren und der Witterung sehr verschieden. Im Jahre 1814, welches in beider Hinsicht ein außerordentlich gesegnetes Weinjahr war, wurden etwa3000 Eimer a 60 Quart gewonnen *
Diese Auslassung des Chronisten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotzdem eine rückläufige Entwicklung sich schon angebahnt hatte. Die Konkurrenz der Weine aus West- und Süddeutschland wurde infolge der gebesserten Verkehrsverhältnisse und des Rückganges der Frachtsätze immer drückender. Es kam hinzu, dass die Crossener Winzer vielleicht auch in Dingen der Technik der Weinbereitung etwas hinten an blieben, so dass sich das Vorurteil gegen den .sauren* Crossener immer stärker festsetzte. Jedenfalls wurden immer mehr Weinberge gerodet und in Obst- und Gemüsegärten umgewandelt, und die Zahl der Crossener Winzer ging fortgesetzt zurück.