Das trunkene Lied

Die schönsten Sauf- und Trinklieder der Weltliteratur
Ausgewählt von Klabund
Erschienen im Erich Reiss Verlag Berlin 1919/20

Mit Zeichnungen von Kurt Szafranski

Das trunkene Lied

O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
Ich schlief, ich schlief, —
aus tiefem Traum bin ich erwacht:
Die Welt ist tief.
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh,
Lust — tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit!
— will tiefe, tiefe Ewigkeit!

Friedrich Nietzsche

Seliger Rausch

Wann Bakchos erst mich heimsucht,
Dann schlummern meine Sorgen,
Reich bin ich dann, wie Krösos,
Und singe süße Weisen.

Bekränzt mit Efeu lieg ich,
Im Übermute tret ich
Verachtend altes nieder.
Schenk ein! Es gilt zu trinken!

Reich mir den Becher, Knabe!
Viel besser ist es, trunken
Als tot am Boden liegen.

Den Pokal, mein Sohn! Ein Trunk soll
Mir gedeihn, ein voller! doch nimm
Nur den Becher Wassers zehnfach,
Und vom Lautern schöpfe fünfmal.
Denn nicht überkühn und maßlos
Mit dem Gott zu schwärmen denk ich.
Nicht den wilden Lärm fortan! Nicht
Wie der Skythe sich des Weins freut —
Unter süßen Liedern, sinnvoll,
Nur so sachte schlürfen wir ihn.

Anakreon

Zwiefache Glut

Reichel, reicht mir Wein, o Mädchen,
Vollauf, atemlos zu trinken!
Ein verratner Mann! Wie kocht es
Mir im Busen — ich ersticke!
Kränze von Lyäos‘ Blumen
Gebt mir, um die Stirn zu winden!
Meine Schläfen glühn und toben.
— Aber Eros‘ wilde Gluten,
Herz, wie mag ich diese dämpfen?

Anakreon

Das Gelage

Kränze laßt uns, Rosenkränze,
Jetzt um unsre Schläfe winden,
Trinken unter milden Scherzen!
Einen Thyrsos in den Händen,
Welchen Efeulaub umrauschet,
Soll die Tänzerin den feinen
Fuß im Takt der Laute heben;
Und ein weichgelockter Knabe
Lasse seine würfgen Lippen
Zu dem Saitenklang der Pektis
Herrlich von Gesänge schwellen.
Eros selbst im goldnen Haarschmuck,
Mit dem schönen Gott Lydas,
Mit der holden Kythereia,
Kommt, des Schmauses Lust zu teilen,
Dessen sich die Greise freuen.

Anakreon

Verschiedene Raserei

Laßt, bei den Göttern, lasset
Mich trinken! Trinken will ich
Unabgesetzt und rasen.

Einst rasete Alkmäon,
Orest mit nackten Füßen,
Die Mörder ihrer Mütter.

Ich, keines Menschen Mörder,
Bezecht von rotem Weine,
Will ich, ja will ich rasen!

Einst rasete Herakles,
Den fürchterlichen Köcher
Und Iphitos Bogen schüttelnd.

Auch raste jener Ajas,
Als er samt seinem Schilde
Das Schwert des Hektor schwenkte.

Ich aber — mit dem Becher
Und mit bekränztem Haupthaar
Will ich, so will ich rasen!

Anakreon

Der alte Trinker

Alt bin ich zwar, doch trink ich
Trotz einem Jüngling wacker;
Und wenn es gilt zu tanzen,
Mach ich in meinem Chore
Den tanzenden Seilenos,
Nehme den Schlauch zum Siabe.

Geht mir mit euren Stecken!
Hat einer Lust zu kämpfen,
Der kämpfe meinetwegen.
Auf! Bringe mir, o Knabe,
Gemischt mit honigsüßem
Weine den Dollen Becher!

Alt bin ich zwar, doch trinke ich
Trotz einem Jüngling wacker.

Anakreon

Beim Weine

Gebt mir des Homeros Leier,
Aber ohne blutge Saiten!
Gebt den Becher, um gehörig
Nach dem Trinkgesetz zu mischen;
Daß ich trunken möge tanzen
Und, noch klug genug im Taumel,
Zu dem Barbiton ein Trinklied
Mit gewaltger Stimme singen.
Gebt mir des Homeros Leier,
Aber ohne blutge Saiten!

Basilios

Auf Brüder, laßt uns trinken!
Was warten auf die Nacht!
Schon ist der Tag im Sinken
Her, was uns fröhlich macht!
Her den Döllen, den schäumenden Becher,
Den Freudebringer, den Sorgenbrecher,
Her mit dem Wein,
Bruder, schenk ein,
Laßt uns trinken und fröhlich sein!

Bakchos hat ihn gegeben,
Daß er uns Tröster sei.
Von allem, was das Leben
Bedrückt, macht er uns frei*
Drum her den vollen, den schäumenden Becher,
Den Freudebringer, den Sorgenbrecher,
Her mit dem Wein,
Bruder, schenk ein,
Schenk mir ein Glas ums andere ein!

Alkalos

Netz die Lungen mit Wein! Heiß über uns wandelt die Sonne schon,
Alles schmachtet und lechzt unter der Wucht drückender Jahresglut;
Schmelzend süßes Gezirp tönt aus dem Laub, wo die Zikade rasch
Ihre Flügel bewegt, denen der helltönende Sang entquillt.
Jetzt, zur Zeit wo die Golddistel erblüht, rasen die Weiber all,
Und die Männer sind schwach. Mark und Gehirn trocknet des Sirius Gluthauch.

Alkalos

Seht, o seht, geliebte Brüder,
Lenz und Blumen kehren wieder,
Jauchzet ihrer Wiederkehr!
Gebt mir gleich aus diesem Fasse
Von dem honigsüßen Nasse.
Hurtigt einen Becher her!

Alkalos

Trinklieder

Schenke, bring den Quell der Jugend,
Zwei Pokale bring in Eile,
Voll von reinem Bebenblute,
Das den Schmerz der Liebe heile!

Bringe, was dem alten Zecher,
Was dem jungen schaffet Wonne!
Wein ist Sonne, Mond ist Becher,
Bring im halben Mond die Sonne!

Die Vernunft ist widerspenstig,
Ihrem Nacken bringe Schlingen!
Nasses Feuer sollst du schlagen,
Feuerwasser sollst du bringen!

Gib dem Trunknen Wein, und gänzlich
Werd ein Lump ich und ein Prasser!
Mag die Rose sich entfernen,
Reiner Wein ist Rosenwasser!

Wenn die Lieder auch verhallen,
Bringe mir ein Glas und klinge!
Klage nicht um Nachtigallen,
Barbiton und Geige bringe!

Gib den Schlaftrunk, denn im Schlafe
Wird mir ihr Genuß zuteile!
Sei es Tugend oder Laster,
Gib mir vollgemessen, eile!

Hafis

Schenke! laß uns munter zechen,
Laß im Rosenhain uns kosen,
Laß uns das Gelübde brechen,
Denn es ist die Zeit der Rosen!

Wenn wir nach dem Garten wallen,
Wollen lärmen wir und tosen,
Wollen, wie die Nachtigallen,
Sinken in das Nest der Rosen!

Leeret unter diesen Bäumen
Den Pokal, den sorgenlosen,
Freude darf nicht länger säumen,
Es befahlen es die Rosen,

Kommt der Lenz, so magst du denken
An des Jahrs Metamorphosen:
Heische Wein und einen Schenken
Unter einem Zelt von Rosen.

Hafis

Schenke, durch die Glut des Weines
Laß den Becher Feuer fangen,
Sänger, spiele mir ein Liedchen,
Denn es geht mir nach Verlangen!

Die ihr ohne Kunde bliebet
Von der Trinker süßem Glücke:
Wißt, der Becher strahlt die Wange,
Die geliebte, mir zurücke.

Keiner wird des Todes sterben,
Den lebendig macht sein Lieben,
Darum ist im Weltenbuche
Meine Dauer eingeschrieben.

Nur so lange sind die Reize
Gültig mir von diesen Schlanken,
Als ich meine Zeder sehe
Zierlich mir entgegenschwanken.

0, was bist du so beharrlich
Zu vergessen mich beflissen?
Kommt ja doch von selbst die Stunde,
Welche nichts von mir wird wissent

Weil der Rausch mir lieblich scheinet
In den Augen meiner Holden,
Laß ich gern die Zügel schießen
Jenen andern Trunkenbolden.

Hafis

Weißt du, warum ich trinke?
Von Hochmut strotz ich und Eitelkeit,
Und die will ich ersäufen
Im Meer der Betrunkenheit.

Wir kamen in die Schenke
Mit blauen, himmlischen Kutten;
Der alte Wirt, der nahm sie,
Verwandelte sie zu Asche
Und kleidet unsere Leiber
Ins schönste Rosenrot,
Einschärfete zugleich auch
Das ernstliche Gebot:
Sich des gewohnten Bösen
Rein zu enthalten künftig,
Nie mehr zu fasten, nie mehr
Zu trauern und zu büßen
Und nichts mehr anzubeten
Andächtig und devot,
Als Feuer, Welt und Tonne;
Verheißend uns, wofern wir
Treu hielten ohne Wanken
An dieser reinen Lehre,
Ein Leben voller Wonne
Und einen seligen Tod.

Hafis

Wenn einst der jüngste Tag anbricht,
Hält Hafis neben Gottes Thron Gericht,
Und seine weinbelegte Stimme spricht:

Ihr, die ihr trunken taumeltet durchs Leben,
Dem Lächeln und dem Frühling hingegeben,
An Mädchenlippen saugtet wie an Reben,

Ihr, die ihr Brüder wart von Stern und Stier,
Besessen von des Falters Sonnengier:
Ihr heilig Trunkenen, zur Rechten mir!

Doch ihr, die ihr mit eurem Herzen kargtet,
Die ihr das Leben in die Tode sargtet,
Die ihr des Herbstes braune Blätter harktet,

Ihr, denen nie die schönen Huris sangen,
Die ihr am Leben wie am Strick gehangen
Die ihr im Kerker eures Hirns gefangen:

Die ihr im Bund mit Schweinezüchtern.
Denn Ihr lästertet geheim, ihr Schüchternen,
Zur Linken mir, ihr teuflisch Nüchternen!

Hafis

Tritt nicht mit trüber Miene an das Grab
Und lachte, wie ich stets gelächelt hab.
Bring einen Becher mit und eine Dirne,
Den Veilchenkranz um die geschminkte Stirne.
Und heiß sie tanzen, heiß sie Lieder singen
Und dreimal über meine Grabstatt springen.
Und sprenge  Wein, wo man mein Haupt vermutet
Und wo mein Hirn verwest, mein Herz verblutet.

Hafis

In meinen Schläfen jagt das Blut,
Verdursten ließ mich schier die Bürgersippe.
Es gibt nur ein Gefäß, das mir Genüge tut:
Suleikas Lippe.

Hafis

Wenn meine Laute euch zu silbern singt,
Wenn euch mein Spott zu laut und lästrig lacht,
Zu hoch mein Rappe in die Lüfte springt,
Zu wild die Fahne meiner Weisheit winkt:
Denkt, daß ich meinen Vers im Rausch ge¬macht

Wenn einst mein Kind, das zart ich ihr entband,
Erblüht zur Rose feuerroter Pracht,
Wenn es die Güte gut, die Bosheit böse fand,
Wenn es die heilige Fackel reckt ins Land:
Denkt, daß den Knaben ich im Rausch ge¬macht . .

Hafis

Gott knetete aus Erdenstaub allein mich,
Darum der Priester wohl nicht fände rein mich.
Denn ich verdorre leicht—um mich zu nässen,
Muß ich den Weinkrug an die Lippen pressen.

Hafis

Ich heb mein Glas in dämmrigen Spelunken, Und Ihr?
Ich horche auf den Ruf der roten Unken,
Und Ihr?

Ich atme an Suleikas Lippe, Und Ihr?
Ich beug das Knie vor Schädel und Gerippe,
Und Ihr?

Ich weiß so wenig und ich leide vieles, Und Ihr?
Ich suche Seligkeit und Sinn des Spieles,
Und Ihr?

Ich küss, als ob ich nie mehr küssen müßte, Und Ihr?
Ich leb, als ob ich täglich sterben müßte,
Und Ihr?

Hafis

Vierzeiler

I.

Ich bin ein kleines Licht und brenne in den Schenken
Am rechten Ort, verwahrt vorm Windeswehn,
Ich bin nicht Ampel über heiligen Bänken,
Ich bin ein Nichts im Glänze der Moscheen.

Ich ehre den Koran.  Und mir gefällt sein Wesen;
Doch hat sein Studium wenig mir genützt.
Ich muß von Zeit zu Zeit die Verse lesen,
Die in den Rand der Krüge eingeritzt.

Warum hat Mohammed den süßen Wein verboten ?
Den sauren Yoghurt doch erlaubt?
Ich sandt durch alle Himmel einen Boten,
Mit Weinlaub schön behängt das junge Haupt.

Der Bote kam zurück. Sein Lächeln sah ich winken:
Mohammed meint, es habe keine Not.
Du darfst, o Omar, ewig darfst du trinken,
Da er den Toren nur den Wein verbot.

II.

Als gestern ich mit den Kumpanen zechte,
Da blies der Abendwind die Kerzen aus.
Das Dunkel hing ins Haus wie eine Flechte,
Und unsre Augen sahen Gram und Graus.

Da schlugest du in dem entrückten Dunkel
Den Krug mir aus der festgekrampften Faust.
Der Wein vergoß sich nieder mit Gefunkel,
Ich stand im Nichts, vom Tränenstrom umbraust.
Was nahmst du mir den Wein? Und löschtest die Laternen?
Spannst du auch mich an deinen Pflug?
Es sprach ein Geist aus einer hohen Ferne:
Omar, du selbst zerschlugst den Krug.

Du warst von Liebe und von Freundschaft trunken,
(Von Liebe doch und Freundschaft nicht allein…)
Da bist du in den Staub gesunken
Und fraßest Erde tief in dich hinein.

Ich will die Trunkenheit dir zugestehen;
Ich brenne ewig, da ich mal entbrannt.
Die Sterne, die in deinem Hause stehen,
Sind Fackeln, die ich einst dir zugesandt!

III.

Ich will die Stunden meines späten Tods
Mit der Geliebten und den Freunden bechern;
Dann tragt mich beim Gesang des Abendrots
Nach meines Hauses innersten Gemächern.

Dort steht ein Sarg aus härtestem Metall,
Legt mich hinein und wollt ihn gut verschließen,
Daß Frauenkuß und Früchtefall,
Des Seins Geräusche mich im Nichtsein nicht verdrießen.

Aus meinem Grabe aber steigt ein Duft
Von rosenfarbenen, von erlauchten Weinen,
Schimären wandeln seufzend durch die Luft
Und tanzen mit den schlanken Geisterbeinen.

Wenn dann ein Freund der fernen Ahnung lauscht,
Stürzt aus der Tiefe strömend süßer Odem —
Da sinkt er wohl, von Wein und Tod be¬rauscht,
Gleich einem heiligen Trunkenbold zu Boden.

Omar Chayyäm

An Bacchus

Ich sah einst Bacchus ferne im Felsbezirk
Gesänge lehrend, — glaube, o Nachwelt mir! —
Und Nymphen lauschend ihm, und Satyrn,
Spitzigen Ohres und ziegenfüßig.

Eahö! noch jetzt mir Furcht das Gemüt erregt,
Und, voll des Gottes, Wonne den Busen mir
Durchwogt. Euhö! o schone meiner,
Bacchus, du schrecklicher Thyrsusschwingert

Vergönnt ist mir, zu künden, wie wild ge¬schwärmt
Mänaden, Wein emporquoll, wie reich von Milch
Die Ströme flössen, und wie tröpfelnd
Honig entsandten geborstne Stämme;

Und wie zum Sternenreigen erhoben ward
Der Kranz der hingeschiedenen Bacchusbraut,
Wie Pentheus Haus in Trümmer stürzte,
Schrecklich der Thraker Lykurgos büßte.

Du bändigst Ströme, sänftigst das Indermeer,
Und liebst auf einsam ragenden Bergeshöhn,
Berauscht, ins Haar der Thraker-Weiber
Nattern zu flechten, die harmlos spielen.

Du hast mit Löwenklauen und grimmem Biß
Zurückgeschmettert Rhötus, als frevlen Muts
Zum hohen Göttersitz des Vaters
Wild die Giganten emporgedrungen.

Zwar wähnte mancher, teurer sei Reigen dir,
Sei Spiel und Mutwill, minder geschickt seist du
Zu kämpfen, doch die gleiche Stärke
Zeigest du immer in Krieg und Frieden.
Als du im Schmuck des goldenen Horns er¬schienst,
Tat dir kein Leid an Zerberus, leise nur
Beim Scheiden wedelnd, die drei Zungen
Legte er sanft dir an Fuß und Schenkel.

Horaz

An seinen Mundschenk

Aller Perserprunk mir verhaßt ist, Knabe,
Kränze, bandverziert, im Genuß mich stören,
Forsch auch nicht umher, ein verspätet Röslein
Finden zu wollen.
Schlichter Myrte andres hinzuzufügen
Müh dich nicht: dir selbst, der mir einschenkt, leiht sie
Schmucks genug, wie mir, wenn ich trinkend sitze,
Rebenumsponnen.

Horaz

An seinen Weinkrug

0 lieber Weinkrug, Manlius‘ Konsulsjahr
Gleich mir Entsproßner, was du auch bergen magst,
Ob Klagen, Scherze oder Händel,
Heißes Begehren, ob leichten Schlummer, —

Was immer wirken möge der Massiker,
Der dich erfüllt und würdig den Tag verschönt,
So komm herab, da nun Korvinus
Lieblicher mundende Weine fordert

Denn er, der stets von Sokrates‘ Lehren trieft,
Wird  dennoch  rauhen  Sinnes  dich nicht verschmähn,
Da selbst des alten Kato Tugend
Oft, wie verlautet, der Wein befeuert.

Mit sanftem Zwange rüttelst du auf den Geist,
Der oft verschlossen, willig eröffnen sich
Des Weisen schwere Mühn und tiefe,
Dunkle Gedanken dem heitern Bacchus.

Du gibst Verzagten wiederum Lebensmut,
Verleihst dem Armen Kräfte und, deiner voll,
Erbebt er nicht vor mächt’ger Herrscher
Fürstlichem Zorn noch der Söldner Waffen

Gesellt die heitre Venus sich, Bacchus, dir,
Und bleibt der Grazien sittige Schar nicht fern,
Der Lampen Schein wird dann uns hier noch
Leuchten, bis Phöbus aufs neu hervorstrahlt.

Horaz

An Bacchus

Wohin, Bacchus, entführst du mich,
Der ganz dein ist? Ein Schwung, neu mir,
welch Wäldern zu,
Und welch Grotten zu reißt er mich
Sturmgleich?  Welchem Geklüft nah ich, das
hören soll,
Wie zu Sternen und Jovis Thron
Casars ewigen Ruhm tragen wird mein Ge¬sang?
Ich will künden, was keinem Mund
Je entflossen, was neu, einzig. Wie staunend, wach,
Klar Mänaden den Hebrusstrom

Nachts im Walde erschaun, Thrakien schneebeglänzt,
Und ringsher auf dem Rhodope
Wüst anstürmendes Volk, also erstaunt seh ich
Strom und schweigenden Wald vor mir,
Der ich irrend geschweift  Hort der Najaden du,
Und Bacchantinnen, deren Arm,
Hoch mit Kräften begabt, ragende Eschen stürzt:
Nichts was klein, noch in leichtem Ton,
Ich will singen was groß, göttlich! O Bacchus, dir,
Der mit Rebengelock sich kränzt,
Folgschaft leisten ist Lust, Lust und Gefahr zugleich!

Horaz

An die Trinkgenossen

Mit Bechern, nur zu fröhlichem Tun bestimmt,
Wohl Thraker kämpfen: fort mit dem wüsten Brauch.
Und haltet alle blut‘gen Händel
Ferne von Bacchus, dem milden Gotte!
Wie taugen Perserschwerler doch gar so schlecht
Zu frohen Trinkgelagen beim Lampenschein:
So hemmt denn euer heillos Lärmen,
Freunde, und bleibet in Ruh gelagert!

Auch ich soll kosten schweren Falerner nun?
Jedoch Megillas Bruder erzähle erst:
Wer süße Wunden ihm geschlagen,
Wer mit dem Pfeil ihm ins Herz getroffen.

Du  zauderst,   willst   nicht?   anders nicht leere ich
Den Becher! Wie auch Venus dich fühlen läßt
Ihr Joch, sie weckt in dir nicht Liebe,
Deiner nicht würdig, da dich nur fesselt

Ein edles Mädchen: auf denn, und meinem Ohr
Vertrauen schenke! — Ach der Unselige!
Wie schwer ließ dich, o Knabe, würdig
Bessern Geschicks, die Charybdis leiden!

Doch welche Hexe, oder welch Wundermanns
Gebräu wohl hilft dir, welcher der Himmlischen?
Entreißt Bellerophon doch selbst dich
Schwerlich der grausen Chimära Banden!

Horaz

Das Lied vom Kummer

Der Wirt hat Wein.   Aber er soll nicht die Becher bringen.
Ich will erst noch das Lied vom Kummer singen.
Wenn der Kummer kommt, Lied und Lachen stirbt,
Niemand weiß, wie tote Grille zirpt.
0 — he … O     he ..“

Herr, du kelterst Wein in bauchige Fässer.
Ich besitze eine schlanke Laute und ein kurzes Messer.
Wein trinken und Laute schlagen vertragen sich gut,
Wenn Gold im Sack und Messer in Scheide ruht.
O — he!

Himmel ist ewig. Er mag der Erde halbe Ewigkeit gönnen.
Wie lange werden wir uns des Goldes und des Weines erfreuen können?
Hundert Jahre sind wenig.  Hundert Jahre sind viel.
Leben und Sterben ist einzig des Menschen Ziel.
0 — he… O — he …

Seht dort unten, wo der Mond sich gelb zu schaffen
Macht, seht zwischen Gräben einsam dort den Affen!
Wie er friert und hockt! Wie er heult und schreit!
Brüder, schenkt ein! Herunter den Becher in einem Zug!
Zum Trinken ward’s Zeit… O — he!

Li-tai-pe

Die drei Genossen

In der Laube von Jasmin sitz ich beim Weine.
Gute Genossen heischt die gute Stunde.
Da steigt der Mond übern First, verneigt sich mit goldenem Scheine.
Höflich verneige auch ich mich, und mein
Schatten Derneigt sich als Dritter im Bunde.

Mond will trinken. Muß es bleiben lassen.
Schatten hebt den Becher. Aber der Tropf bekommt keinen Tropfen …
Ich will beider Durst in mir zusammenfassen
Und für dreie trinken und lachen, solange die
dürren Äste noch nicht den Boden klopfen.

Seht den Mond: er lacht zu meinen Gesängen!
Seht den Schatten: er tanzt und springt und tut, als sei er allein!
Wenn sich die Nebel des Rausches um meine Stirne drängen,
Seid ihr berauscht mit mir, schlaft mit mir ein.

Morgen abend, ihr drei, auf Wiedersehn in der Blütenlaube beim Wein!

Li-tai-pe

Singende Gespenster

Herunter mit dem Yadekrug
In einem Zug!
Licht blüht an allen Wegen.
Ich habe nimmermehr genug.
Ich bin ein Pflug. Ein Wolkenflug;
Und Blumen springen mir entgegen.

Die Lippe lallt. Die Wimper wacht.
Es öffnet sacht
Sich über mir ein Fenster.
Ein Vogelschwarm schwebt durch die Nacht,
Durch unsrer Herzen dunkle Nacht,
Wie singende Gespenster. .

Li-tai-pe

Der Hummer

Trinke dreihundert Becher guten Wein,
Und du wirst der Gattin Sorge ledig wie ein Junggeselle sein.
Groß ist die Zahl der Schmerzen, und die Zahl der Becher klein:
Es bleibt nichts übrig, als ewig betrunken sein!
Weshalb sich seinen Ruhm wie Dao-schu und Kuan-ji erhungern?
Wir wollen faul auf der Terrasse lungern.
Man spalte einen rotgesottenen Hummer!
Man spalte das Leid, man spalte die Qual und den Kummer!
Wir saugen sie aus bis auf die harten Schalen
und häufen sie mit den Hummerscheren zu heiligen Hügeln —
Laßt trunken uns die Nacht mit ewigen Flügeln überflügeln!

Li-tai-pe

Auf der Wiese

Wir liegen im blühenden Schoße des Wiesenrains
Und trinken eins und eins und immer noch eins.
Wenn ich betrunken wie ein offnes Gatter im Winde schnarre:
Geh nach Hause, hol mir die Gitarre!
Und laß mich dann allein in meines Rausches Nachen:
Ich will mit einem jungen Lied im Arm erwachen.

Li-tai-pe

Der ewige Rausch

Herr, vom Himmel nieder in das Meer
Rast der große gelbe Strom in betäubendem Schwung.
Keine Welle weiß von einer Wiederkehr.
Herr, den Spiegel her: dein Schädel ist alt – nur deine Seufzer sind jung. . .
Noch am Morgen glänzten deine Haare wie schwarze Seide,
Abend hat schon Schnee auf sie getan.
Wer nicht will, daß er, lebendigen Leibes sterbend, leide.
Schwinge den Becher und fordre den Mond als Kumpan.

Schmeiß die Taler zum Fenster hinaus, es wird sie schon wer zusammenschippen.
Im Schlafe fällt kein Vogel aus dem Nest. Heute will ich auf einen Hieb dreihundert Becher kippen!
Schlachtet den Hammel und sauft und freßt!

Glockenton am Morgen, Trommel im Krieg,
Reis im Haus sind entbehrlich —
Ach, Brüder, laßt uns auf einen Rausch, der kein Ende nimmt, hoffen! Vergangenheit ist tot. Die Zukunft ungefährlich. Unsterblich nur ist Li-tai-pe — wenn er be¬soffen.

Li-tai-pe

Beim vollen Becher

Song-isen  hat sich  auf dem Kin-hoa in Flammen aufgelöst,
Ngan-ki ist mit seinem Erdenleib bis zum Pong-lai emporgestiegen;
Sie gewannen Unsterblichkeit in der Urväter Zeiten,
Sie stiegen himmelempor, nun wohl, aber wo sind sie geblieben?

Das Leben vergeht wie ein Blitzstrahl,
Dessen Glanz kaum so lange währt, daß man ihn sehen kann.
Wenn die Erde und der Himmel ewig unbeweglich stehen,
Wie rasch fliegt die wechselnde Zeit über das
Antlitz des Menschen.
O du, der du beim vollen Becher sitzest und nicht trinkst,
O sage mir, auf wen wartest du noch?

Li-tai-pe

Lob des Weines

(Der Dichter an seinen Freund Li-Ti, dem der Arzt wegen eines Augenleidens den Wein verboten hatte.)

Wer schlimme Augen hat, muß trinken.
Ein leichter  Schmerz wird vom Wein be¬ruhigt!
Wenn das Blut stockt und nicht mehr in die Adern kreisen will,
Nimm deine Zuflucht zu der Kraft des Weines,
sie wird es heilen.
Das ist der Grund, weshalb in den Verordnungen Lei-kungs
Der Wein bei der Arzneiberatung die größte Rolle spielt.

Der Wein kann die Adern wieder in Ordnung bringen,
Er kann  den Dämon der Krankheit verjagen;
Wein zu trinken, wenn man augenleidend ist,
Kann ein verständiger Arzt nicht verbieten,
Li-Tai-Pe trank für sein Leben gern
Und hat doch meines Wissens nie schlimme Augen gehabt.
Tsen-Hia und Kien-Ming waren beide blind,
Aber nicht, weil sie zu viel Wein getrunken hatten.

Wenn nun das Trinken sich als unschädlich erweist,
Was für einen Grund hast du dann noch,
den Wein zu verschmähn und die guten alten Sitten zu verleugnen?

Yang-Ki

Lieder

Der Morgen graut
Auf Kasamoris Schilfrohrhütten.
Bald bohrt der erste Strahl in meine Stirn sich wie ein Pfriem.
Mir graut
Vor ihm.

Nun muß ich gehn Und sehn:
Ob Tee noch im Gefäß,
Ob Sake noch im Faß,
Ob Leben noch in meinen Lenden
Ach!
Was schiert mich das

O-sen

Im Lack
Des Sakefasses
Glänzt schon der junge Tag — O laß es
Genug der Liebe sein!
Soll dich das Licht beschämen?
Im Dunkel nur darfst du mich nehmen ..
Wird nicht im Licht der Weinrest trübe sein?

O-sen

Ballade des guten Rates denen, die schlechten Lebenswandel führen

Seid, was ihr wollt, ob Ablaßkrämer,
ob Trinker, Spieler, Hurentreiber,
ob Falschmünzer, ob Zinseinnehmer,
ob Dieb, ob Raufbold oder Räuber,
ob falscher Zeuge, Messerheld —
fürwahr, man kann sich’s gar nicht denken:
wo laßt ihr, sagtt all euer Geld?
Bei Mädchen und in Schenken.

Verhöhne, reime, tanz und spott,
betrüge, tolle, mache lachen,
spiel Flöte, Fiedel und Fagott,
vollführ die allertollsten Sachen,
gewinn in Karten, spiele Kegel
und rauf in nächtlichen Gezänken
wo läßt dein Geld du in der Regel?
Bei Mädchen und in Schenken.

Vor solchem Tun nimm dich in acht,
bebaue Saat und Ackererde
und plag und müh dich Tag und Nacht
und halte Esel, Kühe, Pferde,

in Hof und Feld, in Stall und Haus
magst du die Glieder dir verrenken
doch gib nicht dein Erspartes aus
bei Mädchen und in Schenken,

Geleit:

Und Strümpfe, Schuhe und Gewand
Und Flitter, Bänder, Putz und Tand
O hüte dich, sie zu verschenken
an Mädchen und in Schenken

Francois Villon

Ballade vom angenehmen Leben

Im wohlig warmen Zimmer beim Kamin
ein dicker Pfaffe breit auf weichem Pfühl,
an seiner Seite Damen Sidonien,
anmutig, reizend, bleich und voll Gefühl
Sie trinken süßen Wein aus schönen Krügen,
ich sah sie kosen, spielen, unterhalten,
beinahe nackt zu größerem Vergnügen,
und schäkern, durch die Fensterladenspalten.
Da löste sich für mich das Glücksproblem:
nur wer in Wohlstand schwelgt, lebt ange¬nehm,
Und preist man‘?: als das höchste Leben auch.
Mich kann das simple Leben nicht ver¬locken,
denn Zwiebel, der verpestet nur den Hauch,
gebähtes Brot macht nur die Kehle trocken.
Und aller Topfen, aller Hafertrank
und aller Knoblauch hat mir nie geschmeckt,
und lieber als auf einer Rasenbank
hab ich in weichem Bette mich gestreckt
Was meint ihr? Findet ihr’s nicht auch bequem?
Nur wer in Wohlstand schwelgt, lebt ange¬nehm.

Von Grütze nur und Haferbrot, davon
kann leben, wer da Lust hat und wer mag,
kein Vögelchen von hier bis Babylon
vertrüge diese Kost nur einen Tag.
Und pures Wasser nur zum Tranke kriegen,
statt guten starken Weins, ist minder schön,
und unter einem Rosenstocke liegen,
mit kalter Gattin dann zu Bette gehn
ich habe keine Lust zu dem System,
nur wer in Wohlstand schwelgt, lebt ange¬nehm.

Geleit:

Ihr Herrn, urteilet selbst, was mehr mag frommen!
Ich finde nicht Geschmack an alledem,
als kleines Kind schon hab ich stets vernommen:
nur wer in Wohlstand schwelgt, lebt angenehm.

Francois Villon

Ballade und Gebet

O Vater Noah, der du Wein gebaut,
und Loth, auch du, der so getrunken
in einer Höhle, daß du liebetraut
mit deinen Töchtern hingesunken,
und Solomon, der auch erfahren
in aller Kunst der Liebe war,
o mögt ihr drei voll Huld bewahren
die Seele des verstorbnen Jean Cotart.

Vorzeit ward er entrissen euren Reihn!
Er war ein flotter, lustiger Kumpan,
trank nur den teuersten und besten Wein,
und was er nahm, das griff er tüchtig an,
den Krug, den er gefaßt, den nahm ihm keiner,
und zechelustig war er immerdar:
ihr edlen Herrn, erbarmt euch oben seiner,
des ach! so früh verstorbnen Jean Cotari.

Oft sah ich, wie er torkelnd vom Gelag
berauscht nach Hause schlafen ging,
und wie er, wenn er in der Gosse lag,
so manchen Fußtritt im Gesichte fing.
Kurz, ihm kam nie ein zweiter gleich,
ein rechtes Säuferexemplar,
drum hört mich an, ruft ihn zu euch,
den ach! so früh verstorbnen Jean Cotarl.

Geleit:

Sein Mund war eine weite tiefe Höhle,
stets rief er: „Weh, mir brennt die Kehle!“
Sein Durst war ewig unstillbar —
der gute, liebe, lustige Jean Cotarl!

Francois Villon

Ohne Heimat in der Fremde
Bin ich ganz auf mich gestellt,
Und mein Herze und mein Hemde
Sind mein alles auf der Welt.

Um ein Lächeln leichten Mundes
Geh ich schwärmend in den Tod.
Mit den Brüdern meines Bundes
Saaf ich bis zum Morgenrot.

Schwäre hat den Leib zerfressen,
Sonne selbst hab ich verspielt
Über allem unvergessen
Schwebt die Seele, welche fühlt.

Francois Villon

Herbst entbrennt im letzten Flore,
Und du hast mich heut verlassen.
Frierend erst im Kirchenchore
Strolch ich einsam durch die Gassen.

Durch die Hosen pfeifen Winde;
Meine hohlen Zähne klappern.
Mit scharmantem Hökerkinde
Hör ich Polizisten plappern.

Klamm sind meine roten Hände,
Sie vermögen kaum zu schreiben:
Daß der Sommer nun zu Ende. ..
Daß selbst Dirnen mir nicht bleiben …

In verräucherter Taverne
Sitz ich weinend nun beim Weine.
Fange Fliegen.   Träume Sterne.
Und ich bin so ganz alleine. ..

Francois Villon

An Vater Movitz den Schwindsüchtigen

Trink aus dein Glas! der Tod steht vor der Schwelle,
Schleift schon sein Schwert: bald ist‘s mit dir vorbei —
Mut! an die Tür nur pochte der Geselle,
Wartet wohl noch ein Jährchen oder zwei.
Movitz, du neigst dich zum ewigen Schlafe —
Prob die Oktave,
Stimm deine Saiten, sing vom Lebensmai!
Fahlgelb die Haut, mattpurpurn blühn die Wangen,
Tief liegt die Brust, die Schulter müd und laß —
Zeig deine Hand! Wie blau die Adern prangen,
Krampfig geschwellt und wie vom Bade naß!
Kalt perlt der Schweiß dir; du nahst schon dem Ziele
Greif nun, und spiele,
Leere die Flasche! sing und trink dein Glas!

Himmelt du stirbst! wie klingt dein Husten hässlich —
Wund hallt und hohl der Eingeweide Laut!
Weiß ist die Zung‘, dein Herz, es klopft so gräßlich,
Weich wie ein Schwamm sind Sehnen, Mark und Haut;
Atmest — pfui tausend! wie riecht deine Asche-
Leih mir die Flasche! Prost! lebe jeder, der auf Bacchus baut!

Aus dem Pokal kommt dir der Tod geflossen
Ganz nach und nach, mit Lachen, Scherz und Sang —
In dieses Glas sind traurig mitgeflossen
Würmer ooll Glut, die machen dir so bang:
Bist du nun fertig? Die Augen, sie rinnen —
Brennt dich’s tief innen?
Kannst du noch Prosit rufen ? — „Ja, noch lang!

Ein Prosit denn!  Gott Bacchus winkt dir Grüße,
Freya vom Thron zum letztenmal dich kost!
Gäbest du doch dein Herzblut für die Süße,
Das nun mit Macht in Todesnacht verlost.

Sing, bei, vergiß, erwäg und bewein es!
Trinkst du noch eines?
Bist du denn immer noch nicht tot?? —
„Nein — prost!“

Karl M. Bellmann

Venus und Bacchus

Venus und Bacchus weih ich mein Skal
Jugend und Alter soll feiern die beiden!
Ihr geb mein Herz ich, und ihm meine Bowl‘
Denn Bacchus kann Venus gut leiden!
Mädchen von fünfzehn und voller Pokal
Sind auf der Welt mein bestes Behagen —
Ach, daß ich wäre in all meinen Tagen
Bei Venus ein Fähnrich, bei Bacchus Korp’ral!

Karl M. Bellmann

Fredmans Abschied von Ulla Weinblatt

Ruh hier an dieser Quelle!
Ein kleines Frühstück ist zur Stelle:
Rotwein mit Pimpinelle
Und Schnepfenbraten pack? ich ein,
Ulla, wie klingt so helle Im vollen Korbe die Bouteille,
Rollt schon hinab zur Welle,
Und ihr Gedüfte, wie so fein!
Dein Mittagswein,
Im Glase glüht er schnelle –
Laß froh uns sein!
Ruh hier an dieser Quelle
Und lausch dem Horn, Kousinelein,
[Waldhorn] – dem Horn, Kousinelein!

Feldpracht will sich enthüllen!
Es grast der Hengst mit Stut und Füllen,
Dumpf tönt des Stieres Brüllen,
Ein Lämmlein blökt von ungefähr;
Haushahn am Dache hüpfet
Und flöhend seine Flügel lüpfet,
Schwälbchen ins Wasser schlüpfet,

Die Elster lacht am Zaune sehr.
Den Kessel her, Die Kohlen aufzufüllen,
Daß Kaffee göhr‘ –
Feldpracht will sich enthüllen!
O, nichts erfreut das Auge mehr,
[Waldhorn] -das trunkne Auge mehrt

Himmel! wie ist die Runde
So dicht umhegt vom Wipfelbunde,
Daß uns zum Waldesgrunde
Behaglich mancher Laubgang bring!
Lieblich die Blätter rauschen,
Verworren Licht und Dunkel tauschen
Siehst du den Baum sich bauschen,
Wenn eine Wolke drüber ging?
Schwing, Ulla, schwing
In dieser Mahlzeitsstunde
Dein Glas, und kling —
Himmel! wie ist die Runde
Ein tausendfacher Blütenring,
[Waldhorn] ein großer Blütenring!

Seht ihr die Nymphe springen
Sich emsig auf und nieder schwingen,
Ei und Olive bringen
Auf buntem Teller, Last um Last?

Schaut, wie sie ungezogen
Den Rahm verspritzt in weitem Bogen!
Wie ihr die Brüste wogen,
Nun sie die Torte teilt mit Hast!
Und sie erfaßt
Ein Hühnchen bei den Schwingen,
Lädt mich zu Gast —
Seht ihr die Nymphe springen
Mit heißen Wangen ohne Rast?
[Waldhorn] – sie findet keine Rast!

Blast, blast, ihr Musikanten,
Im Wind vom Berghang uns Vaganten!
Singt trotz der giftigen Tanten
Ein lustig Lied, vor Liebe toll!
Kinder, ’nen Schluck vor Tische,
Und pro secundo dann zum Fische,
Ob uns auch heut erwische
Der Wirt, wenn seine Tafel voll!
Skal, Ulla, Skäl!
All deinen Adoranten
Dies gelten soll!
Blast, blast, ihr Musikanten,
Und jeder trink in Dur und Moll!
(Waldhorn) – und trinkt in Dur und Moll!

Hier in dem schönen Freien
Muß ich das Abschiedswort dir weihen:
Ulla, leb wohl im Maien
Bei Klang und Sang im grünen Tal!
Fredman hat ausgelitten:
Hat ihm doch Klotho, taub den Bitten,
Schon einen Knopf geschnitten
Vom Rock, wie Charon ihr befahl!
Komm, Lust und Qual»
Daß Freyas Kind im Reihen
Des Bacchus strahl‘
Hier in dem schönen Freien
War Ulla Braut zum letztenmal!
[Waldhorn] – zum allerletzten Mal!

Karl M. Bellmann

Das Notabene

Holt mir Wein in vollen Krügen
(Notabene: Wein vom Sundgau ..
Und ein Weib soll bei mir liegen
(Notabene: eine Jungfrau .. .)
Ewig bebt sie mir am Munde
(Notabene: eine Stunde . . .)

Ach, das Leben lebt sich lyrisch
(Notabene: wenn man jung ist. . .)
Und es duftet so verführisch
(Notabene: wenns kein Dung ist.. .)
Ach wie leicht wird hier erreicht doch
(Notabene: ein Vielleicht noch …)

Mag die Erde heiß sich drehen
(Notabene: bis sie kalt ist. •.)
Deine Liebste sollst du sehen
(Notabene: wenn sie alt ist…)
Saufe, hure, lache, trabe (Notabene: bis zum Grabe …)

Karl M. Bellmann

Jessy

Chor
Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Du bist süß wie Lächeln der Liebe
Und sanft wie ihr Trennungsleid, —
Jessy!

Und kannst du die Meine nie sein,
Erfleh ich vom Glück nur die Huld,
Mich sterben zu lassen aus Pein
Der Sehnsucht, an der du schuld —
Jessy!

Den Tag mag ich nicht, der nur Harm
Und trostlos Erwachen mir bringt;
Ich liebe die Nacht, wenn dein Arm
Im Traum meinen Hals umschlingt,
Jessy!

Dein Lächeln, das liebliche, zeigt
Die Glut, die im Auge dir brennt,
Mir doch, was die Lippe verschweigt,
Da ewig das Los uns trennt, —
Jessy!

Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Du bist süß wie Lächeln der Liebe
Und sanft wie ihr Trennungsleid,
Jessy!

Robert Burns

Wiklafs Becher

Wiklaf, ein König der Sachsen,
Gab, eh der Tod ihn rief,
Den lustigen Mönchen von Crogland
Einen Becher weit und tief;

Damit, so oft sie ihn leerten
Beim frohen festlichen Mahl,
Sie stets des Gebers gedächten
Und für ihn beteten all

So saßen sie einst zur Weihnacht
Und ließen kreisen das Glas,
Und der rote Wein in den Bärten
Tat funkeln wie Tau im Gras.

Sie tranken der Seele Wiklafs,
Sie tranken Christo, dem Hort,
Und jedem der zwölf Apostel,
Die verkündet sein heiliges Wort.

Sie tranken den Märt‘rern und Heil‘gen
Aus der Zeit des Wehs und der Nacht;
Und so oft sie den Becher geleeret,
Ward eines andern gedacht.

Und die Stimme des Lektors wie Summen
Von vielen Bienen erschien,
Als er las die Legende von Guthlar
Und Sankt Basils Homilien;

Bis die großen Glocken des Klosters
Vom Kerker im Turmesrund,
Guthlar und Bartholomäus,
Dumpf tönten zur Milternachlsslund‘.

Und es krachet der Klotz im Kamine,
Und des Abtes Haupt sinkt tief,
Und es flattern und flackern die Flammen,
Doch der Abt auf ewig schlief.

Und noch mit den bleichen Händen
Er fest den Becher umschloß,
Indem, wie die Perle zerfließet,
Die fliehende Seele zerfloß.

Doch nicht vom Mahle ließen
Die lustigen Mönche umher;
Denn sie riefen: „Füllt hoch den Becher
Und trinkt einem Heiligen mehr!“

Longfellow

Trinklied

Füllt wieder den Becher! noch nie hat wie heut
Dies flüssige Feuer das Herz mir erfreut.
Auf, trinket! — wer trinkt nicht? — es tut nur der Mund
Weinduftender Becher die Wahrheit uns kund.

Das Leben genoß ich mit hastiger Gier;
Mild ruhten die sonnigsten Augen auf mir;
Ich liebte! — wer liebt nicht? — doch Wonne kaum fühlt
Das Herz, drin die lodernde Leidenschaft wühlt.

Ich hatt in der Jugend die Seele voll Mai;
Im Wahn, daß das Band ein unsterbliches sei,
Auch Freunde — wer hat nicht? — doch du bist allein
Ein Freund, der mir treu blieb, du rosiger Wein!

Ein andrer das Herz der Geliebten besticht;
Die Freundschaft geht unter, du änderst dich nicht;
Alt wirst du — wer wird’s nicht? — doch wer nimmt, wie du,
Mit Jahren an Wert nur und Tugenden zu?

Wir werden, was uns die Geliebte auch beul,
Sobald ihres Reizes ein andrer sich freut,
Voll Mißgunst—wer wird*s nicht?—beglücken¬der find
Ich dich nur, je mehr der Genießenden sind.

Und welkt einst der Lenz und das Jugendgefühl
Uns bleibt beim Pokal doch ein letztes Asyl;
Wir finden — wer fand’s nicht? — das köstliche Gut
Der Weisheit in seiner beseelenden Flut.

Als einst aus der Büchse Pandoras ein Flug
Von Übeln entstieg und den Frohsinn er¬schlug,
Blieb Hoffnung — wer hofft nicht? — doch
braucht solchen Trost
Der Glückliche nicht, der den Becher liebkost.

Lang lebe der Wein! — da der Sommer nicht währt,
Vom Alter des Nektars sei unsers verklärt.
Wir sterben — wer stirbt nicht? — Gott gnad‘ uns gesamt,
Und willig im Himmel üb  Hebe ihr Amt!

Lord Byron

Der Becher

Die Bowle fort und schäume
Sie noch so glänzend heut!
Sie bringt uns nichts als Träume
Von längst geschiedner Zeit!
Sie macht meine Augen trübe,
Sie macht meine Augen naß,
Sie zeigt mir tote Liebe
Wie eines Zauberers Glas!

Es läßt mich jeder Tropfen
Vor toten Freunden knien;
Begrabne Herzen klopfen
Und blasse Lippen glühn.
0, wenn mir so die Jahre,
Die waren, schmerzlich nahn,
Da schaut mich ernst der klare
Kelch wie voll Tränen an.

Thomas Moore

Lob des Maßhaltens

Ich trinke gerne, wo man mir mit Maße schenket,
Und des Übermaßes nimmermehr gedenket,
Da es den Mann an Leib, an Gut und an der Ehre kränket.
Es schadet auch der Seele, hab ich sagen hören:
Das möge keinem Gast von seinem Wirt je geschehn.
Trinkt er vollauf und bleibt beim rechten Maße stehn,
Fällt ihm Glück dadurch zu und Seligkeit und Ehren.
Es ward das Maß den Leuten darum auferlegt,
Daß man es grade mess und trage, das erwägt!
Nun sei dem Heil, der’s grade mißt und der es grade trägt.

Walter von der Vogelweide

Den liebsten bulen den ich han

Den liebsten bulen den ich han
der leit beim wirt im kelter,
er hat ein hölzens röcklein an
und heist der Muscateller;
er hat mich rechten trunken gmacht
und fröhlich heut den ganzen tag,
gott geb ihm heint eine gute nacht!

Von diesen bulen den ich mein
wil ich dir bald eins bringen,
es ist der allerbeste wein,
macht mich lustig zu singen,
frischt mir das blut, gibt freien Mut,
als durch sein kraft und eigenschaft,
ein grüß dich gott, mein rebensaft!

Johannes Fischart

Lob der Weine

Man sagt wohl: in dem Maien,
Da sind die Brünnlein gesund —
Ich glaab’s nit, bei mein Treuen,
Es schwenkt ei‘m nur den Mund
Und tut im Magen schweben,
Drum will mir’s auch nicht ein:
Ich lob die edlen Reben,
Die bringen uns guten Wein.

Nun sei mir gottwillkommen,
Du edler Rebensaft!
Ich hab gar wohl vernommen,
Du bringst, mir süße Kraft,
Läßt mir mein G’müt nicht sinken
Und stärkst das Herze mein
Drum wollen wir dich trinken
Und alle fröhlich sein!

Johannes Fischart

Nach Anakreon

Die Erde trinkt für sich, die Bäume trinken Erden,
Vom Meere pflegt die Luft getrunken auch zu werden,
Die Sonne trinkt das Meer, der Mond, er trinkt die Sonnen —
Wollt denn, ihr Freunde, mir das Trinken nicht vergönnen?

Martin Opitz

Trinklied der Nonnen am Niederrhein

Laßt uns singen und fröhlich sein
In den Rosen
mit Jesus und den Freunden sein,
Wer weiß, wie lange wir hie sollen sein
in den Rosen.

Jesu Mein ist aufgetan in den Rosen.
Dort wollen wir alle zur Minne gahn
so mögen wir Herzensfreud empfahn
in den Rosen.

Er soll uns schenken den Zyperwein
in den Rosen.
Wir müssen alle trunken sein,
all von der süßen Minne sein in den Rosen.

Setzt das Gläschen an den Mund
in den Rosen.
Und trinkt es aus bis auf den Grund,
ihr findet den heiligen Geist zur Stund
in den Rosen.

Laßt herum die Gläschen gehn
in den Rosen!
So mögen wir fröhlich heimwärts gehn
und allezeit in Freude stehn
in den Rosen,

Anna von Köln

Daß man die frohen Stunden noch mitnehmen soll

Das Haupt bekränzt, das Glas gefüllt!
So leb ich, weil es Lebens gilt,
und pflege mich bei Ros‘ und Myrten.
Fort, Amor, wirf den Bogen hin
und komm, mich eiligst zu bewirten!
Wer weiß, wie lang ich hier noch bin?

Komm, bring ein niedliches Koffee,
komm, geuß der Sorgen Panacee
den güldnen Nektar, in Kristallen!
Seht, wie die kleinen Perlen stehn!
Mir kann kein bessrer Schmuck gefallen,
als die aus dieser Muschel gehn.

Mein Alter ist der Zeiten Raub,
in kurzem bin ich Asch und Staub:
Was wird mich wohl hernach ergötzen?
Es ist, als flöhen wir davon.
Ein Weiser muß das Leben schätzen,
drum folg ich dir, Anakreon.

Werft Blumen, bringt Cachou und Wein,
und schenkt das Glas gestrichen ein,
und führt mich halb berauscht ins Bette.
Wer weiß, wer morgen lebt und trinkt?
Was fehlt mir mehr? Wo bleibt Brünette?
Geht, holt sie, weil der Tag schon sinkt.

Johann Christ. Günther

Gaudeamus igitur!

Brüder, laßt uns lustig sein,
weil der Frühling währet,
und der Jugend Sonnenschein
unser Laub verkläret;
Grab und Bahre warten nicht;
wer die Rosen jetzo bricht,
dem ist der Kranz bescheret.

Unsers Lebens schnelle Flucht
leidet keinen Zügel,
und des Schicksals Eifersucht
macht ihr stetig Flügel;
Zeit und Jahre fliehn davon,
und vielleichte schnitzt man schon
an unsers Grabes Riegel.

Wo sind diese? Sagt es mir!
die vor wenig Jahren
eben also, gleich wie wir,
jung und fröhlich waren?
Ihre Leiber deckt der Sand,
sie sind in ein ander Land
aus dieser Welt gefahren.

Wer nach unsern Vätern forscht,
mag den Kirchhof fragen;
ihr Gebein, so längst vermorscht,
wird ihm Antwort sagen.
Kann uns doch der Himmel bald,
eh die Morgenglocke schallt,
in unsre Gräber tragen.

Johann Christ. Günther

Der Tag der Freude

Ergebet euch mit freiem Herzen
der jugendlichen Fröhlichkeit:
Verschiebet nicht das süße Scherzen,
ihr Freunde, bis ihr älter seid.
Euch lockt die Regung holder Triebe;
dies soll ein Tag der Wollust sein:
Auf! ladet hier den Gott der Liebe,
auf! ladet hier die Freuden ein.

Umkränzt mit Rosen eure Scheitel
(noch stehen euch die Rosen gut)
und nennet kein Vergnügen eitel,
dem Wein und Liebe Vorschub tut.
Was kann das Totenreich gestatten?
Nein! lebend muß man fröhlich sein.
Dort herzen wir nur kalte Schatten:
dort trinkt man Wasser und nicht Wein.

Seht! Phyllis kämmt: O neues Glücke,
auf! Liebe, zeige deine Kunst,
bereichre hier die schönsten Blicke
mit Sehnsucht und mit Gegengunst.
O Phyllis! glaube meiner Lehre:
Kein Herz muß unempfindlich sein.
Die Sprödigkeit bringt etwas Ehre;
doch kann die Liebe mehr erfreun.

Die Macht gereizter Zärtlichkeiten,
der Liebe schmeichelnde Gewalt,
die werden doch dein Herz erbeuten;
und du ergibst dich nicht zu bald.
Wir wollen heute dir vor allen
die Lieder und die Wünsche weihn.
O könnten Küsse dir gefallen
und deiner Lippen würdig sein!

Der Wein, den ich dir überreiche,
ist nicht vom herben Aller schwer.
Doch, daß ich dich mit ihm vergleiche,
sei jung und feurig, so wie er.
So kann man dich vollkommen nennen:
so darf die Jugend uns erfreun,
und ich der Liebe selbst bekennen:
Auf Phyllis. Küsse schmeckt der Wein.

Friedrich v. Hagedorn

Trinklied

beim Rheinwein,

Ein Leben, wie im Paradies,
Gewährt uns Vater Rhein,
Ich geb es zu, ein Kuß ist süß;
Doch süßer ist der Wein,
Ich bin so fröhlich, wie ein Reh,
Das um die Quelle tanzt,
Wenn ich den lieben Schenktisch seh,
Und Gläser drauf gepflanzt.

Was kümmert mich die ganze Wett,
Wenn’s liebe Gläslein winkt,
Und Traubensaft, der mir gefällt,
An meiner Lippe blinkt?
Dann trink ich, wie ein Götterkind,
Die volle Flasche leer,
Daß Glut mir durch die Adern rinnt,
Und tauml‘ und fod‘re mehr.

Die Erde war ein Jammertal,
Voll Grillensang und Gicht,
Wuchs uns zur Linderung unsrer Qual,
Der edle Rheinwein nicht.

Der hebt den Bettler auf den Thron,
Schafft Erd und Himmel um,
Und zaubert jeden Erdensohn
Stracks ins Elysium.

Es ist die wahre Panacee,
Verjüngt des Allen Blut,
Verscheuchet Hirn- und Magenweh,
Und was er weiter tut.
Drum lebe das gelobte Land,
Das uns den Wein erzog!
Der Winzer, der ihn pflanzt‘ und band,
Der Winzer lebe hoch!

Und jeder schönen Winzerin,
Die uns die Trauben las,
Weih ich als meiner Königin
Ein volles iDeckelglas!
Es lebe jeder deutsche Mann,
Der seinen Rheinwein trinkt,
So lang er’s Kelchglas halten kann
Und dann zu Boden sinkt.

Karl Heinz Hölty

Lebenspflichten

Rosen auf den Weg gestreut,
und des Harms vergessen!
Eine kleine Spanne Zeit
ward uns zugemessen.

Heute hüpft im Frühlingstanz
noch der frohe Knabe;
morgen weht der Totenkranz
schon auf seinem Grabe.

Wonne führt die junge Braut
heute zum Altare;
eh die Abendwolke
taut ruht sie auf der Bahre.

Ungewisser, kurzer Daur
ist dies Erdeleben;
und zur Freude, nicht zur Traur
uns von Gott gegeben.

Gebet Harm und Grillenfang,
gebet ihn den Winden;
ruht bei frohem Becherklang,
unter grünen Linden.

Lasset keine Nachtigall
unbehorcht verstummen,
keine Bien‘ im Frühlingstal
unbelauschet summen.

Pflückt, solang es Gott erlaubt
Kuß und süße Trauben,
bis der Tod, der alles raubt, kommt,
sie euch zu rauben.

Unser schlummerndes Gebein,
in die Gruft gesäet,
fühlet nicht den Rosenhain,
der das Grab umwehet;

fühlet nicht den Wonneklang
angestoßner Becher,
nicht den frohen Rundgesang
weingelehrter Zecher.

Karl Heinz Hölty

Trinklied im Winter

Das Glas gefüllt!
Der Nordwind brüllt;
Die Sonn‘ ist niedergesunken!
Der kalte Bär
Blinkt Frost daher!
Getrunken, Brüder, getrunken!

Die Tannen glühn
Hell im Kamin,
Und knatternd fliegen die Funken!
Der edle Rhein
Gab uns den Wein!
Getrunken, Brüder, getrunken!

Der edle Most
Verscheucht den Frost,
Und zaubert Frühling hernieder:
Der Trinker sieht
Den Hain entblüht,
Und Büsche wirbeln ihm Lieder!

Er hört Gesang Und Harfenklang,
Und schwebt durch blühende Lauben!
Ein Mädchenchor
Rauscht schnell hervor,
Und bringt ihm goldene Trauben!

Saus‘ immerfort,
O Winternord,
Im schneebelasteten Haine!
Nur streu dein Eis,
Du lieber Greis,
In keine Flaschen mit Weine!

Karl Heinz Hölty

Faunenlied

Wenn schläfrig die Lippen
Beim Göttermahl nippen,
Umtanzen wir Faunen
Im Walde den Schlauch
Nach altem Gebrauch,
Mit Blonden und Braunen.

Wir tauchen die Sorgen
Von gestern und morgen
In schäumende Becher,
Bacchantisch das Haupt
Mit Eppich umlaubl,
Dem Lorbeer der Zecher.

Wir schlummern in Grotten
Umkräuselt von Zotten
Sizilischer Vließe;
Hochweislich und schön
Sagt Vater Silen:
Entbehr und genieße!

Wir wissen in Chören,
Dir, Bacchus! zu Ehren,
Arkadisch zu pfeifen.
Das dringt bis ins Mark!
Nur Pan ist so stark
In Trillern und Läufen.

Die Fäunlinge sonnen
Bei ledigen Tonnen
Sich krauend auf Rasen
Und üben sich schon,
Mit schnarrendem Ton
Ein Stückchen zu blasen.

Eur Wünschen entfliege
Nie jenseits der Krüge,
Nach menschlicher Weise!
O Schlauch, unsre Welt,
Bist du nur geschwellt,
Ist alles im Gleise!

Die Ohren recken,
Wo Nymphen im Becken
Der Quelle sich waschen,
Und rüstig bergauf,
Berg nieder im Lauf
Die Spröden zu haschen:

Das ziemel in Wäldern,
In Grotten und Feldern,
Dem wähligen Volke,
Bocksöhrig und leicht
Gelegenheit fleucht,
Wie Wasser und Wölket

Friedr. V. Matthisson

Trinklied

Der Gram soll heute.
Bei goldnem Wein,
Des Windes Beute,
Wie gestern sein!

Dahinten lasse,
Wer hoch sich freut,
Die leichenblasse
Vergangenheit!

Friedr. V. Matthisson

Skolie

Mädchen entsiegelten,
Brüder! die Flaschen;
Auf! die geflügelten
Freuden zu haschen,

Locken und Becher von Rosen umglüht,
Auf! eh die moosigen
Hügel uns winken,
Wonne von rosigen
Lippen zu trinken;
Huldigung allem, was jugendlich blüht.

Friedr. V. Matthisson

Zechlied

Ich will einst, bei Ja und Nein!
vor dem Zapfen sterben.
Alles, meinen Wein nur nicht,
lass ich frohen Erben.
Mit mir soll der letzte Rest
in der Gruft verderben;
dann zertrümmre mein Pokal
in zehntausend Scherben.

Jedermann hat von Natur
seine sondre Weise.
Mir gelinget jedes Werk
nur nach Trank und Speise;
Speis und Trank erhalten mich
in dem rechten Gleise.
Nimmer fehle Speis und Trank
auf der Lebensreise.

Ich bin gar ein armer Wicht,
bin die feigste Memme,
halten Durst und Hungerqual
mich in Angst und Klemme;
schon ein Knäbchen schüttelt mich,
was ich auch mich stemme.
Einem Riesen halt ich stand,
wann ich zech und schlemme.

Echter Wein ist echtes Öl
zur Verslandeslampe,
gibt der Seele Kraft und Schwung
bis zum Sternenkampe;
Witz und Weisheit dunsten auf
aus gefüllter Wampe;
baß glückt Harfenspiel und Sang,
wann ich brav schlampampe.

Nüchtern bin ich immerdar
nur ein Harfenstümper;
mir erlahmen Hand und Griff,
welken Haupt und Wimper.
Wann der Wein in Himmelsklang
wandelt mein Geklimper,
sind Homer und Ossian
gegen mich nur Stümper.

Nimmer hat durch meinen Mund
hoher Geist gesungen,
bis ich meinen lieben Bauch
weidlich vollgeschlungen.
Wann mein Capitolium
Bacchus‘ Kraft erschwungen,
sing und red ich wundersam
gar in fremden Zungen.

Drum will ich, bei Ja und Nein!
vor dem Zapfen sterben.
Mit mir soll des Fasses Rest
in der Gruft verderben.
Engelchöre weihen dann
mich zum Nektarerben:
„Diesen Trinker gnade Gott!
laß ihn nicht verderben!“

Gottfried Aug. Bürger

Rheinweinlied

Bekränzt mit Laub den lieben, vollen Becher,
und trinkt ihn fröhlich leer.
In ganz Europia, ihr Herren Zecher!
ist solch ein Wein nicht mehr.

Er kommt nicht her aus Hungarn noch aus Polen,
noch wo man franzmann’sch spricht;
da mag Sankt Veit, der Ritter, Wein sich holen,
wir holen ihn da nicht.

Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle;
wie war er sonst so gut!
Wie wäre er sonst so edel, wäre stille
und doch voll Kraft und Mut.

Er wächst nicht überall im deutschen Reiche;
und viele Berge, hört,
sind wie die weiland Kreter faule Bäuche
und nicht der Stelle wert.

Thüringens Berge zum Exempel bringen
Gewächs, sieht aus wie Wein,
ist*s aber nicht. Man kann dabei nicht singen,
dabei nicht fröhlich sein.

Im Erzgebirge dürft ihr auch nicht suchen,
wenn ihr Wein finden wollt.
Das bringt nur Silbererz und Kobollkuchen.
Und etwas Lausegold.

Der Blocksberg ist der lange Herr Philister,
er macht nur Wind wie der;
drum tanzen auch der Kuckuck und sein Küster
auf ihm die Kreuz und Quer.

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben;
gesegnet sei der Rhein!
Da wachsen sie am Ufer hin und geben
uns diesen Labewein.

So trinkt ihn denn und laßt uns allewege
uns frean und fröhlich sein!
Und wüßten wir, wo jemand traurig läge,
wir gäben ihm den Wein.

Matthias Claudius

Abendlied – wenn man aus dem Wirtshaus geht

Jetzt schwingen wir den Hut.
Der Wein, der war so gut.
Der Kaiser trinkt Burgunder Wein,
Der schönste Junker schenkt ihm ein,
Und schmeckt ihm doch nicht besser,
Nicht besser.

Der Wirt, der ist bezahlt,
Und keine Kreide malt
Den Namen an die Kammertür
Und hinten dran die Schuldgebühr.
Der Gast darf wiederkommen,
Ja kommen.

Und wer sein Gläslein trinkt,
Ein lustig Liedlein singt
Im Frieden und mit Sittsamkeit,
Und geht nach Haus zu rechter Zeit,
Der Gast darf wiederkehren,
Mit Ehren.

Des Wirts sein Töchterlein
Ist züchtig, schlank und fein;
Die Mutter hält‘s in treuer Hut,
Und hat sie keins, das ist nicht gut,
Mußt eins in Straßburg kaufen,
Ja kaufen.

Jetzt Brüder, gute Nacht!
Der Mond am Himmel wacht;
Und wacht er nicht, so schläft er noch.
Wir finden Weg und Haustür doch,
Und schlafen aus im Frieden,
Ja Frieden.

Johann Peter Hebel

Punschlied

Vier Elemente,
Innig gesellt,
Bilden das Leben,
Bauen die Welt

Preßt der Zitrone
Saftigen Stern!
Herb ist des Lebens
Innerster Kern.

Jetzt mit des Zuckers
Linderndem Saft
Zähmet die herbe
Brennende Kraft!

Gießet des Wassers
Sprudelnden Schwall!
Wasser umfanget
Ruhig das All.

Tropfen des Geistes
Gießet hinein!
Leben dem Leben
Gibt er allein.

Eh es verduftet,
Schöpfet es schnell!
Nur wenn er glühet,
Labet der Quell.

Friedrich Schiller

Tranken müssen wir alle sein!
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein!
Trinkt sich das Alter wieder zu Jugend,
So ist es wundervolle Tugend,
Für Sorgen sorgt das liebe Leben,
Und Sorgenbrecher sind die Reben.

Johann Wolfgang Goethe

Tischlied

Mich ergreift, ich weiß nicht wie,
Himmlisches Behagen.
Will michfs etwa gar hinauf
Zu den Sternen tragen?
Doch ich bleibe lieber hier,
Kann ich redlich sagen,
Beim Gesang und Glase Wein
Auf den Tisch zu schlagen.

Wundert euch, ihr Freunde, nicht.
Wie ich mich gebärde;
Wirklich ist es allerliebst
Auf der lieben Erde.
Darum schwör ich feierlich
Und ohn‘ alle Fährde,
Daß ich mich nicht freventlich
Wegbegeben werde.

Da wir aber allzumal
So beisammen weilen,
Dächt ich, klänge der Pokal
Zu des Dichters Zeilen.
Gute Freunde ziehen fort,
Wohl einhundert Meilen,
Darum soll man hier am Ort
Anzustoßen eilen.

Lebe hoch, wer Leben schafft!
Das ist meine Lehre.
Unser König denn voran,
Ihm gebührt die Ehre.
Gegen inn- und äußern Feind
Setzt er sich zur Wehre;
Ans Erhalten denkt er zwar,
Mehr noch, wie er mehre.

Nun begrüß ich sie sogleich,
Sie, die einzig Eine.
Jeder denke ritterlich
Sich dabei die Seine.
Merket auch ein schönes Kind,
Wen ich eben meine,
Nun, so nicke sie mir zu:
Leb auch so der Meine!

Freunden gilt das dritte Glas,
Zweien oder dreien,
Die mit uns am guten Tag
Sich im stillen freuen.
Und der Nebel trübe Nacht
Leis und leicht zerstreuen;
Diesen sei ein Hoch gebracht,
Alten oder neuen.

Breiter wallet nun der Strom
Mit vermehrten Wellen.
Leben fetzt im hohen Ton
Redliche Gesellen!
Die sich mit gedrängter Kraft
Brav zusammenstellen,
In des Glückes Sonnenschein
Und in schlimmen Fällen.

Wie wir nun zusammen sind,
Sind zusammen viele.
Wohl gelingen denn, wie uns,
Andern ihre Spielet
Von der Quelle bis ans Meer
Mahlet manche Mühle,
Und das Wohl der ganzen Welt
Ist’s, worauf ich ziele.

Johann Wolfgang Goethe

Vanitas! vanitatum vanitas!

Ich  hab mein Sach  auf nichts gestellt,
Juchhe!
Drum ist’s so wohl mir in der Welt;
Juchhe!
Und wer will mein Kamerade sein,
Der stoße mit an, der stimme mit ein
Bei dieser Neige Wein.

Ich stellt‘ mein Sach auf Geld und Gut,
Juchhe!
Darüber verlor ich Freud und Mut;
O weh!
Die Münze rollte hier und dort,
Und hascht ich sie an einem Ort,
Am andern war sie fort.

Auf Weiber stellt* ich nun mein Sach,
Juchhe!
Daher mir kam viel Ungemach;
O weh!
Die Falsche sucht sich ein ander Teil,
Die Treue macht mir Langeweil,
Die Beste war nicht feil.
Ich stellt mein Sach auf Reis‘ und Fahrt,
Juchhe!
Und ließ meine Vaterlandesart;
O weh!
Und mir behagt es nirgends recht,
Die Kost war fremd, das Bett war schlecht,
Niemand verstand mich recht.
Ich stellt mein Sach auf Ruhm und Ehr‘,
Juchhe!
Und sieht gleich hatt ein anderer mehr;
O weh!
Wie ich mich hatt hervorgetan,
Da sahen die Leute scheel mich an,
Hatte keinem recht getan.
Ich setzt mein Sach auf Kampf und Krieg,
Juchhe!
Und uns gelang so mancher Sieg;
Juchhe!

Wir zogen in Feindesland hinein,
Dem Freunde sollts nicht viel besser sein,
Und ich verlor ein Bein.

Nun hab* ich mein Sach auf nichts gestellt,
Juchhe!
Und mein gehört die ganze Welt;
Juchhe!
Zu Ende geht nun Sang und Schmaus.
Nur trinkt mir alle Neigen aus;
Die letzte muß heraus!

Johann Wolfgang Goethe

Ergo bibamusl

Hier sind wir versammelt zu löblichem Tun,
Drum, Brüderchen! Ergo bibamus.
Die Gläser, sie klingen, Gespräche, sie rahn,
Beherziget Ergo bibamus.
Das heißt noch ein altes, ein tüchtiges Wort,
Es passet zum Ersten und passet so fort,
Und schallet ein Echo vom festlichen Ort,
Ein herrliches Ergo bibamus.

Ich hatte mein freundliches Liebchen gesehn,
Da dacht ich mir: Ergo bibamus.
Und nahte mich traulich, da ließ sie mich stehn;
Ich half mir und dachte: Bibamus.
Und wenn sie versöhnet euch herzet und küßt,
Und wenn ihr das Herzen und Küssen ver¬mißt,
So bleibet nur, bis ihr was Besseres wißt,
Beim tröstlichen Ergo bibamus.

Mich ruft mein Geschick von den Freunden hinweg;
Ihr Redlichen! Ergo bibamus.
Ich scheide von hinnen mit leichtem Gepäck:
Drum doppeltes Ergo bibamus.
Und was auch der Filz von dem Leibe sich schmorgt,
So bleibt für den Heitern doch immer gesorgt,
Weil immer dem Frohen der Fröhliche borgt;
Drum, Brüderchen! Ergo bibamus.

Was sollen wir sagen zum heutigen Tag!
Ich dächte nur: Ergo bibamus.
Er ist nun einmal von besonderem Schlag,
Drum immer aufs neue: Bibamus.

Er führet die Freude durchs offene Tor,
Es glänzen die Wolken, es teilt sich der Flor,
Da leuchtet ein Bildchen, ein göttliches, vor;
Wir klingen und singen: Bibamus.

Johann Wolfgang Goethe

Zwiegespräch

Schenke:
Welch ein Zustand! Herr, so späte
Schleichst du heut aus deiner Kammer;
Perser nennen’s Bildamag baden
Deutsche sagen Katzenjammer.

Dichter:
Laß mich jetzt, geliebter Knabe:
Mir will nicht die Welt gefallen,
Nicht der Schein, der Duft der Rose,
Nicht der Sang der Nachtigallen.

Schenke:
Eben das will ich behandeln
Und ich denk, es soll mir klecken.
Hier, genieß die frischen Mandeln
Und der Wein wird wieder schmecken.

Dann will ich auf der Terrasse
Dich mit frischen Lüften tränken;
Wie ich dich ins Auge fasse,
Gibst du einen Kuß dem Schenken,

Schau, die Welt ist eine Höhle,
Immer reich an Brut und Nestern;
Rosenduft und Rosenöle;
Bulbul auch, sie singt wie gestern.

Johann Wolfgang Goethe

So lang man nüchtern ist

So lang man nüchtern ist,
Gefällt das Schlechte;
Wie man getrunken hat,
Weiß man das Rechte;
Nur ist das Übermaß
Auch gleich zu handen:
Hafis, o lehre mich,
Wie du’s verstanden!

Denn meine Meinung ist
Nicht übertrieben:
Wenn man nicht trinken kann,
Soll man nicht lieben;

Doch sollt ihr Trinker euch
Nicht besser dünken:
Wenn man nicht lieben kann,
Soll man nicht trinken.

Johann Wolfgang Goethe

Klingsohrs Weinlied

Auf grünen Bergen wird geboren
Der Gott, der uns den Himmel bringt;
Die Sonne hat ihn sich erkoren,
Daß sie mit Flammen ihn durchdringt

Er wird im Lenz mit Last empfangen,
Der zarte Schoß quillt still empor,
Und wenn des Herbstes Früchte prangen
Springt auch das goldne Kind hervor.

Sie legen ihn in enge Wiegen
Ins unterirdische Geschoß;
Er träumt von Festen und von Siegen
Und baut sich manches luftge Schloß.

Es nahe keiner seiner Kammer,
Wenn er sich ungeduldig drängt
Und Jedes Band und jede Klammer
Mit jugendlichen Kräften sprengt.

Denn unsichtbare Wächter stellen,
So lang er träumt, sich um ihn her;
Und wer betritt die heil’gen Schwellen,
Den trifft ihr luftumwundner Speer.

Sowie die Schwingen sich entfalten,
Läßt er die lichten Augen sehn,
Läßt ruhig seine Priester schalten
Und kommt heraus, wenn sie ihm /lehn,

Aus seiner Wiege dunklem Schöße
Erscheint er im Kristallgewand;
Verschwiegner Eintracht volle Rose
Trägt er bedeutend in der Hand.

Und überall um ihn versammeln
Sich seine Jünger hocherfreut,
Und tausend frohe Zungen stammeln
Ihm ihre Lieb‘ und Dankbarkeit

Er spritzt in ungezählten Strahlen
Sein innres Leben in die Wett,
Die Liebe nippt aus seinen Schalen
Und bleibt ihm ewig zugesellt.

Er nahm als Geist der goldnen Zeiten
Von jeher sich des Dichters an,
Der immer seine Lieblichkeiten
In trunknen Liedern aufgetan.

Er gab ihm seine Treu zu ehren,
Ein Recht auf jeden hübschen Mund,
Und daß es keine darf ihm wehren,
Macht Gott durch ihn es allen kund.

Novalis

Meine Muse

Meine Mus‘ ist gegangen
In des Schenken sein Haus,
Hat die Schürz umgebunden
Und will nicht heraus;
Will Kellnerin werden,
Will schenken den Wein:
Da steht sie am Tore
Und winkt mir herein.

„Herein, lieber Zecher!
Ich schenke dir Wein,
Ich schenke dir Lieder
Noch obendrein.

Nur mußt du hübsch bleiben
Im Wirtshaus bei mir:
Ich gebe freie Zeche
Und freies Quartier.

Auch laß uns nicht schweifen
Umher in der Welt,
Einen Helden zu suchen,
Der allen gefällt.
Gar lang sind die Wege,
Gar kurz ist die Zeit,
Und auf den Karpathen
Sind die Straßen verschneit/‘

So ließ sie sich hören
Wer hielte das aus?
Flugs bin ich gesprungen
Ihr nach in das Haus.
Nun schenke mir Liebe
Und schenke mir Wein
Und rufe mir frohe Gesellen herein!

Wilhelm Müller

Trinken und Singen

Viel Essen macht viel breiter
Und hilft zum Himmel nicht,
Es kracht die Himmelsleiter,
Kommt so ein schwerer Wicht.
Das Trinken ist gescheiter,
Das schmeckt schon nach Idee,
Da braucht man keine Leiter,
Das geht gleich in die Höh.

Chor:
Da braucht man keine Leiter,
Das geht gleich in die Höh.

Viel Reden ist manierlich:
„Wohlauf?“ — Ein wenig flau.
„Das Wetter ist spazierlich. —
Was macht die liebe Frau?“
„Ich danke“ — und so weiter,
Und breiter als ein See —
Das Singen ist gescheiter,
Das geht gleich in die Höh.

Chor:
Das Singen ist gescheiter,
Das geht gleich in die Höh.

Die Fisch‘ und Musikanten
Die trinken beide frisch,
Die Wein, die andern Wasser
Drum hat der dumme Fisch
Statt Flügel Flederwische
Und liegt elend im See
Doch wir sind keine Fische,
Das geht gleich in die Höh.

Chor:
Doch wir sind keine Fische,
Das geht gleich in die Höh.

Ja, Trinken frisch und Singen,
Das bricht durch alles Weh,
Das sind zwei gute Schwingen,
Gemeine Welt, ade! Du Erd‘ mit deinem Plunder,
Ihr Fische samt dem See,
’s geht alles, alles unter, Wir aber in die Höh!

Chor:
’s geht alles, altes unter,
Wir aber in die Höh!

Josef von Eichendorff

Die Herbstfeier

Auf! im traubenschwersten Tale
stellt ein Fest des Bacchus an!
Becher her und Opferschale!
Und des Gottes Bild voran!
Flöte mit Gesang verkünde
gleich des Tages letzten Rest,
mit dem Abendstern entzünde
sich auch unser Freudenfest!

Braune Männer, schöne Frauen
soll man hier versammelt sehn;
Greise auch, die ehrengrauen,
dürfen nicht von ferne stehn;
Knaben, so die Krüge füllen,
und, daß er vollkommen sei,
treten zögernd auch die
stillen Mädchen‘ unserm Kranze bei.

Noch ist vor der wahren Feier
süß beklommen manche Brust,
aber weiter bald und freier
übergibt sie sich der Lust.
Taut euch nicht wie Frühlingsregen
lieblicher Gedankenschwarm?
Erdenleben, laß dich hegen;
uns ist wohl in deinem Arm!

Wahrlich und schon mit Entzücken
ist der Gott im vollen Lauf,
schließt vor den erwärmten Blicken
seine goldnen Himmel auf.
Amor hat auch nichts dawider,
wenn sich Wang an Wange neigt,
und der Mund im Takt der Lieder,
sich dem Mund entgegenbeugt.

Mädchen! schlingt die wildsten Tänze!
Reißt nur euren Kranz entzwei,
ohne Furcht! denn solche Kränze
flicht man immer wieder neu;
doch den andern, den ich meine,
nehmt, ihr Zärtlichen, in acht!
und zumal im Mondenscheine,
und zumal in solcher Nacht.

Laßt mir doch den Alten machen,
der sich dort zum Korbe bückt
und den Krug mit hellem Lachen
kindisch an die Wange drückt!
Wie sein kleiner Hohn geschäftig
Sorge um den Zecher trägt
und ihm mit der Fackel kräftig
den gekrümmten Rücken schlägt.

Aber schaut nach dem Gebüsche,
wo gedrungner Efeu webt,
wie sich dort das träumerische
Marmorbild des Gottes hebt!
Lasset uns ihm nähertreten,
schließt mit Fackeln einen Kreis!
Flehet zu ihm in Gebeten,
doch geheimnisvoll und leis.

Wie er lächelnd abwärts blicket!
Er besinnet sich nur kaum.
Herrlicher! Dein Auge nickel,
doch dies altes ist kein Traum;
Luna sucht mit frommer Leuchte
Dich, o schöner Jüngling, hier,
schöpfet zärtlich ihre feuchte
Klarheit auf die Stirne dir.

Wie der Menschen, so der Götter
liebster Liebling heißest du:
Selber Zeus rief seinem Retter
herzliches Willkommen zu;
dumpf ist des Olympus
Dröhnen, aber wie melodisch Gold
muß sein starres Erz ertönen,
wenn dein Thyrsus auf ihm rollt.

Und eh Mars im Kriegerschwarme
sich zur Ebne niederläßt,
schließet er in seine Arme
dich, wie die Geliebte, fest,
fühlet nun an Göttermarke
sich gedoppelt einen Gott,
und es brüllt der Himmlisch-Arge
Todeslust und Siegerspott.

Wie dir alle dienen müssen,
schmiegt auch Eros hohe Macht
leise tot sich dir zu Füßen,
oder schauert auf und wacht.
Und Apollo mit der Leier
rufet Welt und Sternenbahn
gern aus dem verklärten Feuer
deines holden Wahnes an.

Vater! soll, zur Wut erhoben,
jetzo mit zerschlagner Brust
die Mänade um dich toben?
Fluchst du unsrer keuschen Lust?
Gib, o Fürst, gib uns ein Zeichen,
daß wir deine Kinder sei‘n!
Wundertäter ohnegleichen,
laß ein Wunder uns erfreun!

Tritt in unsre bunte Mitte,
oder winke mit der Hand,
wandte drei gemessne Schritte
längs der hohen Rebenwand!
Ach, er läßt sich nicht bewegen
Aber, horcht, es bebt das Tal!
Ja, das ist von Donnerschlägen:
Horch, und schon zum drittenmal!

Selber Zeus hat nun geschworen,
daß sein Sohn uns günstig sei.
So ist kein Gebet verloren,
so ist der Olymp getreu.
— Doch nach solcher Götlerfülle
ungestümem Überschwang,
werden alle Herzen stille,
alle Gäste zauberbang.

Stimmet an die letzten Lieder!
Und so, Paar an Paar gereiht,
steiget nun zum Fluß hernieder,
wo ein festlich Schiff bereit.
Auf dem vordern Rand erhebe
sich der Gott und führ uns an,
und der Kiel, mit Flüstern, schwebe
durch die mondbeglänzte Bahn!

Eduard Mörike

Der Becher

Von einem Wunderbecher
hab ich mit Angst geträumt,
woraus dem durstgen Zecher
die höchste Fülle schäumt.
Draus sollt ich alles trinken,
was Erd und Himmel bot,
doch mußt ich dann versinken
in einen eufgen Tod.

Mit Wonne und mit Grausen
hielt ich ihn in der Hand,
ein wundersames Brausen
in seinem Kelch entstand;
es flog an mir vorüber
die Welt in Nacht und Glanz,
wie regellos im Fieber
verworrner Bilder Tanz.

Und als ich länger blickte,
bis auf den Grund hinein,
wie Blitzesflamme zückte
mir’s da durch Mark und Bein,
und, gänzlich drin versunken,
ward mir zuletzt zu Sinn,
als hätt ich schon getrunken
und schwände nun dahin.

Friedrich Hebbel

An die Jünglinge

Trinkt des Weines dunkle Kraft,
die euch durch die Seele fließt
und zu heil‘ger Rechenschaft
sich im Innersten erschließt!
Blickt hinab nun in den Grund,
dem das Leben still entsteigt,
forscht mit Ernst, ob es gesund
jedem Höchsten sich verzweigt.

Geht an einen schaurigen Ort,
denkt an aller Ehren Strauß,
sprecht dann laut das Schöpfungswort,
sprecht das Wort: es werde! aus.
Ja, es werde! spricht auch Gott,
und sein Segen senkt sich still,
denn den macht er nicht zum Spott,
der sich selbst vollenden will.

Betet dann, doch betet nur
zu euch selbst, und ihr beschwört
aus der eigenen Natur
einen Geist, der euch erhört.
Leben heißt, tief einsam sein;
in die spröde Knospe drängt
sich kein Tropfen Taus hinein,
eh sie innre Glut zersprengt.

Gott, dem Herrn, ist’s ein Triumph,
wenn ihr nicht vor ihm vergeht,
wenn ihr, statt im Staube dumpf
hinzuknien, herrlich steht,
wenn ihr stolz, dem Baume gleich,
euch nicht unter Blüten bückt,
wenn die Last des Segens euch
erst hinab zur Erde drückt.

Fort den Wein! Wer noch nicht flammt,
ist nicht seines Kusses wert,
und wer selbst vom Feuer stammt,
steht schon lange glutverklärt.
Euch geziemt nur eine Lust,
nur ein Gang durch Sturm und Nacht,
der aus eurer dunklen Brust
einen Sternenhimmel macht.

Friedrich Hebbel

Vor dem Wein

Dunkler, heiliger Wein!
Sieh, ich dürfte dich trinken,
doch in dein mystisches Blinken
schau ich mit Andacht hinein.

O, wie schauerts mich an,
all dies Quellen und Weben,
das zum glühendsten Leben
wecken und steigern mich kann.

Das bist du, o Natur,
deiner gewaltigsten Kräfte,
deiner verborgensten Säfte
überfließende Spur,

Wein, ich trinke dich! Bald
wirbeln nun Stürme und Fluten,
Blitze und mildere Gluten
mir durch die Brust mit Gewalt.

Friedrich Hebbel

Trinklieder

1.

Eine Neige Wein,
Eine Neige Liebe;
Daß vom Abendschein
Nun so viel mir bliebe,
Meinen Doppelrest
Langsam auszutrinken
Und zum Schlafe fest
In die Nacht zu sinken.

2.

Nimm weg der Flasche Schäumen!
Es schäumt heut keine Lust,
Es macht die Seele träumen
Von schmerzlichem Verlust.
Ich sah im klaren Grunde
Gleich einem Zauberglas
Sich spiegeln jede Wunde,
Von der ich nie genas.

Mit jedem Zug gegangen
Kommt mir ein Freund, ein Lieb,
Zu früh verblühte Wangen,
Zu schnell erloschner Trieb.
Und wie mich so verwandelt
Der bleiche Schattenchor,
Kommt mir der Wein verwandelt
In blutige Tränen vor.

3.

Schlingt Hand in Hand, und mit der andern hebet
Den Becher hoch, und trinkt die Reihe nieder!
Geheiligt ist das Band, das ihr gewebet,
Und nie, wenn ihr euch trennt, zerreiß es wieder.
Empfindet euch, was jeder einzeln lebet,
Als still im Herzverkehr gebliebne Glieder!
Wo irgendein Gefühl hat angeschlagen,
Wird Mitgefühl es durch die Kette tragen.

Friedrich Rückert

Östlich

Als der Schenke den Becher hielt,
Leise den Wein zu nippen,
Hat die Woge emporgespielt
Küssend an seinen Lippen.

Als der Schenke die Flöte hielt,
Daß der Becher uns munde,
Hat die Flöte vor Lust gespielt,
Eh sie ihm war am Munde.

Friedrich Rückert

Ritornelle

Gebt mir zu trinken!
Was in den Sternen steht, kann man nicht ändern,
Doch man vergißt es bei der Gläser Blinken.

Blume der Schenkel
Du wirfst was in den Wein, daß ich erkranke,
Und trunken bin, so oft ich dein gedenke.

Friedrich Rückert

Trinklied

So laß uns noch einmal vereint
Die vollen Gläser schwingen;
Der Abschied werde nicht geweint,
Den Abschied sollt ihr singen.

Wohlan, wohlauf denn, frisch gehofft!
Kein Wechsel schlag euch nieder!
Wir finden uns vielleicht noch oft,
Vielleicht nicht einmal wieder!

Ist’s künftig nicht, je nun, erbaut
Euch nur am heut gen Glücke,
Und wer nicht gerne fürder schaut,
Der schaut doch gern zurücke.

Damit sich noch beim letzten Wort
Die Kraft der Liebe zeige,
So gieß ich aus dem Freunde dort,
Dem schönen Freund die Neige.

A. Von Platen

Historie von Noah

Als Noah aus dem Kasten war,
Da trat zu ihm der Herre dar,
Der roch des Noäh Opfer fein
Und sprach: „Ich will dir gnädig sein,
Und, weil du ein so frommes Haus,
So bitt dir selbst die Gnaden aus!

Fromm Noah sprach: „Ach lieber Herr,
Das Wasser schmeckt mir gar nicht sehr,
Dieweil darin ersäufet sind
All sündhaft Vieh und Menschenkind,
Drum möcht ich armer alter Mann
Ein anderweit Getränke han“

Da griff der Herr ins Paradies
Und gab ihm einen Weinstock süß:
Und sprach: „Den sollst du pflegen sehr!“
Und gab ihm guten Rat und Lehr
Und wies ihm alles so und so,
Der Noah ward ohn‘ Maßen froh.

Und rief zusammen Weib und Kind,
Dazu sein ganzes Hausgesind*,
Pflanzt Weinberg* rings um sich herum:
Der Noah war fürwahr nicht dumm!
Baut Keller dann und preßt den Wein,
Und füllt ihn gar in Fässer ein.

Der Noah war ein frommer Mann,
Stach ein Faß nach dem andern an
Und trank es aus zu Gottes Ehr:
Das macht ihm eben kein Beschwer.
Er trank, nachdem die Sündflut war
Dreihundert noch und fünfzig Jahr.

Nützliche Lehre:
Ein kluger Mann hieraus ersieht,
Daß Weins Genuß ihm schadet nicht;
Und item, daß ein guter Christ
In Wein niemalen Wasser gießt;
Dieweil darin ersäufet sind
All sündhaft Vieh und Menschenkind.

August Kopisch

Der einsame Trinker

„Ach, wer möchte einsam trinken,
Ohne Rede, Rundgesang,
Ohne an die Brust zu sinken
Einem Freund im Wonnedrang?“‘

Ich; — die Freunde sind so selten;
Ohne Denken trinkt das Tier,
Und ich lad* aus andern Wetten
Lieber meine Gäste mir.

Wenn im Wein Gedanken quellen,
Wühlt ihr mir den Schlamm empor,
Wie des Ganges heilge Welten
Trübt ein Elefantenchor.

Dionys in Vaterarme
Mild den einzeln Mann empfing,
Der, gekränket von dem Schwarme,
Nach Eleusis opfern ging.

Ich trinke hier allein,
Von Freund und Feinden ferne,
In stiller Nacht den Wein,
Und meide selbst die Sterne:

Da fährt man gerne mit
In Blicken und Gedanken,
Und könnt* auf solchem Ritt
Das volle Glas verschwanken.

Der Kerzen heller Brand
Kommt besser mir zustatten,
Da kann ich an der Wand
Doch schauen meinen Schatten.

Mein Schatten! komm, stoß an,
Du wesenloser Zecher! Auf,
schwinge, mein Kumpan,
Den vollen Schattenbecher!

Seh‘ ich den dürren Schein
In deinem Glase schweben,
Schmeckt besser mir der Wein
Und mein lebendig Leben;

So schlürfte der Hellen
Die Luft des Erdenpfades,
Sah er vorübergehn
Als Schatten sich im Hades.

Redlich, Schatten, kannst du heben
Den Pokal, mich lassen leben;
Wenn sie meinen Leib bestalten,
Bist du mitvergangen, Schatten.

Manches Auge möchte weinen;
Schatten, doch ich wüßte keinen
Auf dem weiten Erdenringe,
Der wie du mit mir verginge.

Weil dem Sünder ohne Reue
Soll gebrochen sein die Treue,
Lassen tiefempfundne Mären
Den Verbrecher dich entbehren.

Treuer Freund, sei mir gepriesen!
Hast mir Liebes oft erwiesen;
Will zu stolz das Herz mir glänzen,
Zeigst du still mir meine Grenzen.

Nikolaus Lenau

Perkeo

Das war der Zwerg Perkio im Heidelberger Schloß,
An  Wachse klein und winzig, an Durste riesengroß.

Man schalt ihn einen Narren, er dachte: Liebe Leut,
Wärt ihr wie ich doch alle feuchtfröhlich und gescheut!

Und als das Faß, das große, mit Wein be¬stellet war,
Da  ward  sein  künftiger Standpunkt dem
Zwergen völlig klar.

„Fahr wohl,“ sprach er, „o Welt, du Katzenjammertal,
Was sie auf dir hantieren ist Wurst mir und egal!

Um lederne Ideen rauft man manch heißen Kampf,
Es ist im Grund doch alles nur Nebel, Rauch
und Dampf.

Die Wahrheit liegt im Weine.   Beim Wein¬schlurf sonder End
Erklär* ich alter Narre fortan mich permanent.“

Perkto stieg zum Keller; er kam nicht mehr herfür
Und sog bei fünfzehn Jahre am rheinischen Malvasier.

War’s drunten auch stichdunkel, ihm strahlte inneres Licht,
Und wankten auch die Beine, er trank und murrte nicht.

Als er zum Faß gestiegen, stand’s wohlgefüllt und schwer,
Doch als er kam zu sterben, klang’s ausgesaugt und leer.

Da sprach er fromm: „Nun preiset, ihr Leute, des Herren Macht,
Die in mir schwachem Knirpse so Starkes hat vollbracht:

Wie es dem kleinen David gegen Goliath einst gelang,
AIso ich arm‘ Gezwerge den Riesen Durst bezwang:

Nun singt ein De Profundis, daß das Gewölb‘ erdröhnt,
Das Faß steht auf der Neige, ich falle sieggekrönt

Perkio ward begraben. — Um seine Kellergruft
Beim leeren Riesenfasse weht heut noch feuchte Luft,

Und wer als frommer Pilger frühmorgens ihr genaht:
Weh‘ ihm! Als Weinvertilger durchtobt er nachts die Stadt.

Jos. Viktor von Scheffel

Das Hildebrandlied

Hiltibrant enti Hadhubrant. ..

Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand
Ritten selbander in Wut entbrannt, Wut entbrannt
Gegen die Seestadt Venedig.
Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand,
Keiner die Seestadt Venedig fand, Venedig fand,
Da schimpften die beiden unflätig.
Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand,
Ritten bis da, wo ein Wirtshaus stand, Wirtshaus stand,
Wirtshaus mit kühlen Bieren.
Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand,
Trunken sich beid‘ einen Riesenbrand, Riesenbrand,
Krochen heim auf allen vieren.

Jos. Viktor von Scheffel

Altassyrisch

Im schwarzen Walfisch zu Askalon
Da trank ein Mann drei Tag,
Bis daß er steif wie ein Besenstiel
Am Marmortische lag.

Im schwarzen Walfisch zu Askalon
Da sprach der Wirt: „Halt an!
Der trinkt von meinem Dattelsaft
Mehr, als er zahlen kann.*

Im schwarzen Walfisch zu Askalon
Da bracht‘ der Kellner Schar
In Keilschrift auf sechs Ziegelstein
Dem Gast die Rechnung dar.

Im schwarzen Walfisch zu Askalon
Da sprach der Gast: „O weh!
Mein bares Geld ging alles drauf
Im Lamm zu Niniveh!“

Im schwarzen Walfisch zu Askalon
Da schlug die Uhr halb vier,
Da warf der Hausknecht aus Nubierland
Den Fremden vor die Tür.

Im schwarzen Walfisch zu Askalon
Wird kein Prophet geehrt,
Und wer vergnügt dort leben will,
Zahlt bar, was er verzehrt.

Jos. Viktor von Scheffel

Die Veltlinertraube

Brütend liegt ein heißes Schweigen
Über Tal und Bergesjoch,
Evoe und Winzerreigen
Schlummern in der Traube noch.

Purpurne Veltlinertraube,
Kochend in der Sonne Schein,
Heute möcht ich unterm Laube
Deine vollste Beere sein!

Mein unbändiges Geblüte,
Strotzend von der Scholle Kraft,
Trunken von des Himmels Güte,
Sprengte schier der Hülse Haft!

Aus der Traube niederhangend,
Glutdurchwogt und üppig rund,
Schwebt* ich dunkelpurpurprangend
über einen roten Mund!

Conrad Ferdinand Meyer

Das Ende des Festes

Da mit Sokrates die Freunde tranken,
Und die Häupter auf die Polster sanken,
Kam ein Jüngling, kann ich mich entsinnen,
Mit zwei schlanken Flötenbläserinnen.

Aus den Kelchen schütten wir die Neigen,
Die gesprächesmüden Lippen schweigen,
Um die welken Kränze zieht ein Singen
Still! Des Todes Schlummerflöten klingen!

Conrad Ferdinand Meyer

Die Schule des Silen

In der schattendunkeln Laube gab Silen, der weise, Stunde,
Der ihm weich ans Knie geschmiegte Bacchus hing an seinem Munde,
Lieblich lauschend.

Unter seinem krausen Barte lachte schelmisch der Ergraute,
Da er in das milde Feuer junger Götteraugen schaute.
Dann begann er:

,Kind, betrachte dieses Antlitz, die gedanken¬schweren Lider
Kind, in jedem greisen Zecher ehre du die Züge wieder
Deines Lehrers.

Oft, wo die Veliten wankten, jene prahlerischen Knaben,
Sind es die Triarier, Liebling, die das Feld behauptet haben
Unerschüttert!

Wenn auf Chios mit dem Mädchen teilt den Becher der Ephebe,
Laß sie nippen, – laß sie kosen mit der vollsten Schale schwebe Du vorüber.

Lenke deine götterleichten Schritte zu Homer, dem alten,
Netze seine heil‘gen Lippen, glätte seiner Stirne Falten,
Wundertäter!

Lös ihm jeder Erdenschwere Fesseln mit der Hand, der milden,
Fülle du des Blinden Auge mit unsterblichen Gebilden,
Ewig schönen!“

Conrad Ferdinand Meyer

Der trunkene Gott

Weiße Marmorstufen steigen
Durch der Gärten laub’ge Nacht,
Schlanke Palmenfächer neigen
In des Himmels blaue Pracht.
Über Tempeln, Hainen, Grüften
Zecht in abendweichen Lüften
Alexanders Lieblingsschar;
Kniend bietet ihm ein Knabe,
Daß der Erde Herr sich labe,
Wein in edler Schale dar.

Herrlich ist‘s, den Wein zu schlürfen,
Lagernd in der Götter Rat,
Zwischen schwelgenden Entwürfen
Und der wundergleichen Tat!

Goldne Becher überquellen,
Ruhmesgeister mit den hellen
Helmen tauchen aus der Flut
Goldne Schalen überschäumen,
Geister, die gebunden träumen,
Steigen auf in Zornesglut.

Kleitos neben Philipps Sohne
Furcht die Stirne kummervoll,
Der benarbte Makedone
Schlürft im Weine Gram und Groll:
Er gedenkt der Heergenossen,
Die die erste Phalanx schlössen
In den Bergen kühl und fern.
Seinen dunkeln Mut zu kränken,
Lüstet es den schönen Schenken,
Lagernd an dem Knie des Herrn.

Die erhabne Stirn und Braue
Träumt den Zug ins Inderland,
Lauschend liest den Traum das schlaue
Kind, den Blick emporgewandt:
„Bacchus bist du, der belaubte,
Mit dem schwärmerischen Haupte,

Der ins Land der Sonne zieht!
Ohne Heer kannst du bezwingen,
Nur den Thyrsus darfst du schwingen,
Winke nur, und Indien kniet!“

Finster grollt der alte Streiter:
„Durch der Wüste heißen Sand?
Immer ferner, immer weiter?
Nach des Indus Fabelstrand?
Kann ein Wink dir Sieg erwerben,
warum bluten, warum sterben
Wir für dich?   Zu deinem Spott?
Lebende kannst du belohnen,
Deine toten Makedonen,
Weeke sie, bist du ein Gott!“ —

— „Welchen dampfenden Altares
Freust du auf der Erde dich?
Bist du die Gewalt des Ares,
Helmumflattert, fürchterlich?
Herr, bevor den niedern Taten
Du dich nahtest ohne Strahlen,
Welches war dein himmlisch Amt?
Bist du Zeus? Bist du ein andrer?
Bist du Helios, der Wand’rer,
Dessen Stirne sonnig flammt?“

Grimmig neigt der graue Fechter
Sich zum Ohr des Gottes hin,
Mit unseligem Gelächter
Rührt er an der Schulter ihn:
„Gast des Himmels, warum sinken
Haupt und Schulter dir zur Linken?
Lastet dir der Erde Raub?
Mit den Göttern willst du zechen?
Spotten hör ich dein Gebrechen:
Alexander, du bist Staub!’*

Eine zürnende Gebärde!
Blitz und Sturz! Ein Gott in Wut!
Ein Erdolchter an der Erde
Windet sich in seinem Blut…
In den Abendlüften Schauer,
Ein verhülltes Haupt in Trauer,
Ausgerast und ausgegrollt!
Marmorgleich versteinte Zecher,
Und ein herrenloser Becher,
Der hinab die Stufen rollt.

Conrad Ferdinand Meyer

Die gefesselten Musen

Es herrscht‘ ein König irgendwo
In Dacien oder Thracien,
Den suchten einst die Musen heim,
Die Musen mit den Grazien.

Statt milden Nektars, Rebenblut
Geruhten sie zu nippen,
Die Seele der Barbaren hing
An ihren selgen Lippen.

Erst sang ein jedes Himmelskind
Im Tone, der ihm eigen,
Dann schritt der ganze Chor im Takt
Und trat den blüh’nden Reigen.

Der König klatschte: „Morgen will
Ich wieder euch bestaunen!“
Die Musen schüttelten das Haupt:
„Das hangt an unsern Launen.“

„An euren Launen? ..Der Despot
Begann zu schmähn und lästern.
„Ihr Knechte,“ schrie er, „Fesseln her!!
Und fesselte die Schwestern.

Der König wacht*, um Mitternacht
Vernahm er leises Schreiten,
Geflüster: „Seid ihr alle da?“
Und Schüttern zarter Saiten,

Er fuhr empor: „Den hellen Chor
Ergreift, getreue Wächter!“
Die Schergen griffen in die Luft,
Und silbern klang Gelächten

Am Morgen war der Kerker leer,
Der Reigen über die Grenze
Drin hingen statt der Ketten schwer
Zerrissnt Blumenkränze,

Conrad Ferdinand Meyer

Beim Rheinwein

Aller Sonnenschein, Der einen Sommer lang
Längs dem schönen Rhein
Sich um die Berge schlang,
Breitet heute aus dem Wein zumal,
Seine Glorie durch den weiten Saal,

In dem Scheine steigt
Es auf wie Rebenhöhn;
Ob dem Zauber schweigt
Der Gläser hell Getön;
Und der selbstvergeßne Zecher lauscht,
Wie der Strom in seinen Ohren rauscht.

Und im Morgenschein
Durch die Gestade hin
Sieht den hellen Rhein
Er sich vorüberziehn,
Und ein Binsenkörbchen trägt die Flut,
Drin das Moseskind der Deutschen ruht.

Scharf am Felsenriff
Bricht sich der Morgenwind,
O gebrechlich Schiff,
O du verlaßnes Kind!
Keine Königstochter badet heut,
Die dir schützend ihre Hände beut!

Nur die Liebe wacht
Und folgt am Uferhang,
Und ihr Auge lacht
Auf dich die Fahrt entlang,
Liebe, die das Heldenkind gebar,
Die der Freiheit reine Mutter war.
Bis die Zeit entfloh,
Wo du einst wiederkehrst
Und den Pharao
Vor Gott anbeten lehrst,
Wirst ein starker, kluger Moses sein —
O wie lang noch fließt der grüne Rhein?

Gottfried Keller

Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
vergolden, ja vergolden!

Und geht es draußen noch so toll,
unchristlich oder christlich,
ist doch die Welt, die schöne Welt,
so gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz
stoß an und laß es klingen!
Wir wissen doch, ein rechtes Herz
ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
und ehe sie verfließen,
wir wollen sie, mein wackrer Freund,
genießen, ja genießen!

Theodor Storm

Evoe!

Dieser Geist des neuen Weines
Löst die Zunge wunderbar;
Nüchtern ist die Zeit, doch eines,
Evoe … ist allen klar:
Das die Blume dieses Weines
Zeugte, war ein gutes Jahr,
Evoe … ein gutes Jahr!

Evoe dem Gott, der Reben
Uns zur Freude ließ gedeihn!
Strahlend in das trunkne Theben
Zog der Thyrsusschwinger ein.

Laßt die allen Götter leben,
Evoe . .. beim jungen Wein,
Evoe . . . beim jungen Wein!

Evoe… ein Schwärm Mänaden,
Um das Haupt den Efeukranz,
Folgte jauchzend seinen Pfaden
Unter Beckenschall und Tanz.
Naht auch diesen Stromgestaden,
Heitre Götter Griechenlands,
Evoe! mit Spiel und Tanz.

Freu‘ sich jeder der Geladnen,
Den ein schöner Arm umflicht!
Als der Gott der grambeladnen
Welt erheitert‘ das Gesicht,
Lehnt auch er an Ariadnen
Sein ambrosisch Gleichgewicht,
Evoe! und wankte nicht.

Evoe!       Von allen Losen
Wählt das schönste auf der Welt,
Wer im Arm ein Weib zum Kosen,
In der Faust den Becher hält;
Daß er, wandelnd über Rosen —
Wenn er sinkt — auf Rosen fällt,
Evoe .. . auf Rosen fällt.

Komm, Lyäus, Sorgenbrecher
über Höhen, über die See,
Eh das Alter noch dem Zecher
Auf den Scheitel streut den Schnee!
Kränzt das Haupt und füllt die Becher!
Evoe! Evoe! Evoe!
Evoe!

Heinrich Leuthold

Aufforderung

Dem Pulte, den Bücherschränken
Enteil geschwind!
Laß alles Grübeln und Denken,
Als das, wo unter den Schenken
Die besten sind!

Die Frühlingswinde, sie kosen
und wehn gelind . ..
Lerne vom Falter, dem losen,
Wozu Mädchenherzen und Rosen
Erschlossen sind!
Und triffst du in Blütenlauben
Ein reizend Kind,
Und läßt es sich Küsse rauben,
Beweis ihm, daß die da glauben,
Noch selig sind!

Doch hörst du den Bogen klingen
Des Gottes, der blind,
Entfalte zum Fluge die Schwingen,
Die Dichtern und Schmetterlingen
Verliehen sind!

Heinrich Leuthold

Trinklied

Greift zum Becher und laßt das Schellen!
Die Welt ist blind . ..
Sie fragt, was die Menschen gelten,
Nicht, was sie sind.

Uns aber laßt zechen . .. und krönen
Mit Laubgewind Die Stirnen-, die noch dem Schönen
Ergeben sind.

Und bei den Posaunenstößen,
Die eitel Wind,
Laßt uns lachen über Größen,
Die keine sind!

Heinrich Leuthold

Triolette

Jetzt, da der Lenz ins Land gekommen,
Besingt die Liebe und den Wein!
Die Glut der Rosen ist entglommen,
Jetzt, da der Lenz ins Land gekommen;
Und finden wir — genau genommen —
Die beiden auch nur selten rein . ..
Jetzt, da der Lenz ins Land gekommen,
Besingt die Liebe und den Wein!

Ihr Freunde, trinkt und schenket ein!
Sei, holde Täuschung, uns willkommen!
Ein Rätsel ist des Menschen Sein;
Drum, Freunde, trinkt und schenket ein!
Das Glück ist Wahn, die Tugend Schein,
Und nur die Freude ist vollkommen .. .
Drum, Freunde, trinkt und schenket ein!
Sei, hohle Täuschung, sei willkommen!

Den vollen Becher in den Händen
Und in den Armen schöne Fraun,
Vom Ernst der Zeit sich abzuwenden,
Den vollen Becher in den Händen,
Schönheitberauscht an Weingeländen
Liebkosen, zechen, Hütten baun . ..

Den vollen Becher in den Händen
Und in den Armen schöne Fraun:
Das ist, wofern ich’s recht bedenke,
Was einem Weisen wohl behagt.
Ein unverdorbenes Getränke,
Das ist, wofern ich’s recht bedenke,
Das Höchste … Tempel sei die Schenke;
Drin zecht und küsset unverzagt! …
Das ist, sofern ich’s recht bedenke,
Was einem Weisen wohl behagt.

Heinrich Leuthold

Trinklied eines fahrenden Landsknechts

Das Land in hellen Haufen
Durchziehn wir wohlgemut
Mit Balgen und mit Raufen;
Nach beidem schmeckt das Saufen,
Saufen, Saufen,

Uns noch einmal so gut.
Den Gang zur Kirche lenke
Der Heuchler und der Tor:
Es zieht den Weg zur Schenke
Ein frommer Landsknecht vor.. .
Schließt auf, Herr Wirt, die Küche
Und auch das Kellertor!

Viel lieber sind dem Zecher
Als Kelch und als Monstranz
Das Huhn am Spieß, der Becher. .
Drei Würfel sind dem Zecher,
Zecher, Zecher
Der wahre Rosenkranz.
Kein Pfaffe macht indessen
Uns mit der Hölle schwer;
Wir lesen selber Messen
Und halten Christenlehr*…
Herr Wirt, noch eine Kanne
Noch eine Kanne her!

Sprach Christus nicht zum Reichen:
„Verkaufe, was du hast,
Das sei des Heils ein Zeichent“
Ich selber denk desgleichen, gleichen, gleichen:
„Versaufe, was du hast!“
Es kommt des Reichen Seele
Ins Himmelreich so schwer,
Als wie ein Trupp Kamele
Durch einer Nadel Öhr.
Herr Wirt, noch eine Kanne,
Noch eine Kanne her!

Im Glaubensstreit befehden
Sich fetzt um Alt und Neu
Der Kaiser und die Schweden,
Indes ich selbst mich jeden, jeden, jeden,
Mich jeden Jahrgangs freu,
Wenn andre, treu dem Alten,
In grimmem Lutherhaß
Zur Mutterkirche halten,
Halt ich am Mutterfaß…
Herr Wirt, noch eine Kanne
Von diesem edlen Naß!

Beneidenswerten Loses
Im wohnlichen Gebiet
Des kühlen Wellenschlosses
Blieb Pharao, als Moses, Moses, Moses,
Aufs Trockene geriet.
War dies Geschick doch meines
Und war das Rote Meer
Ein Meer voll roten Weines!
Ich soff es tapfer leer
Herr Wirt, noch eine Kanne,
Noch eine Kanne her!

Den Glauben muß man schätzen,
Mit dem ein jedes Kind
Selbst Berge kann versetzen …
Das Wunder muß man schätzen,
schätzen, schätzen,

Wenn es Weinberge sind. —
O frommer Wunderglaube,
Laß wachsen mir zur Stund‘
Die Kananitertraube
Wohl in den durstgen Mund! …
Wein her! Herr Wirt, die Kanne
Ist leer bis auf den Grund!

Heinrich Leuthold

Der Halkyonier

So sprach ein Weib voll Schüchternheit
Zu mir im Morgenschein:
Bist du schon selig vor Nüchternheit,
Wie selig wirst du trunken sein!

Friedrich Nietzsche

Lieder

Ich saß vergnüglich bei dem Wein
Und schenkte eben wieder ein.
Auf einmal fuhr mir in die Zeh
Ein sonderbar pikantes Weh.
Ich schob mein Glas sogleich beiseil
Und hinkte in die Einsamkeit
Und wußte, was ich nicht gewußt:
Der Schmerz ist Herr und Sklavin ist die Lust.

Wilhelm Busch

Seid mir nur nicht gar zu traurig,
Daß die schöne Zeit entflieht,
Daß die Welle kühl und schaurig
Uns in ihre Wirbel zieht;

Daß des Herzens süße Regung,
Daß der Liebe Hochgenuß,
Jene himmlische Bewegung,
Sich zur Ruh begeben muß.

Laßt uns lieben, singen, trinken,
Und wir pfeifen auf die Zeit;
Selbst ein leises Augenwinken
Zuckt durch alle Ewigkeit.

Wilhelm Busch

Er bokulirt im Hirschen

Ode Trochaica.
Lustig-seyn und nicht studiren,
durch die Gassen kreutz und krumm
nach den Mägdgens scharmutziren,
lustig-segn und nicht studiren,
dihses ist mein Bropprium!

Bluhder-Hosen, Bontue-Flaschen,
Wörffelgens und ein Rappihr,
darzu Göldt in alten Daschen,
Bluhder-Hosen, Bontac-Flaschen,
Bruder-Herz, daß lohb ich mir!

Wihder blühen itzi die Pfirschen,
alles ist wie Rohsen-roht,
drümb, so sizz ich hihr im Hirschen,
wihder blühen tizi die Pfirschen,
Dabbak ist mein Himmels-Brodtt

Hühnergens in Galantine
stellt man mir auff meinen Disch,
Blühmckens zihren die Turrine,
Hühnergens in Galantine,
auch die Sprottgens sind schön frisch!

Kugel-Dorten, Eyer-Baben
seh ich fröhlichen Gesichts,
darfor bün ich stähts zu haben,
Kugel-Dorten, Eyer-Baben,
Hola, Jung,.verschütt mir nichts!

Jeder Dropffen, den ich drincke,
schärfft mir mehr das Capitol;
komme wihder, wenn ich plincke,
jeder Dropffen, den ich drincke —
Himmel, Herrgott, ist mir wohl!

Flöten, Lauten und Pandoren,
Gott sey Dank, itzt sind sie dal
Singt und springt mir in die Ohren,
Flöten, Lauten und Pandoren,
drey mal hoch die Musical

Nachts mit gantz verschrobner Krause
steh ich dann für meiner Thür.
Bün ich würcklich schon zu Hause?
Nachts mit gantz verschrobner Krause,
ha, wie kom ich mir bloß für?

Soll ich itzt Skarteken schmihren?
Oder dreh ich wihder um?
Nein, ich gehe cortesieren!
Soll ich tizi Skarteken schmihren?
Dihses were mir zu thumm!
Meine Feuer-reichen Jahre
blühn mir itzo, oder nie.
Pallas hat zu kortze Hahre,
meine Feuer-reichen Jahre
sind mir uihi zu werth for sie!

Arno Holz

Bruder Liederlich

Die Feder am Sturmhut in Spiel und Gefahren,
Halli.
Nie lernt ich im Leben fasten noch sparen,
Hallo.
Der Dirne laß ich die Wege nicht frei,
Wo Männer sich raufen, da bin ich dabei,
Und wo sie saufen, da sauf ich für drei.
Halli und Hallo.
Verdammt, es blieb mir ein Mädchen hängen,
Halli.
Ich kann sie mir nicht aus dem Herzen zwängen,
Hallo.

Ich glaube, sie war erst sechzehn Jahr,
Trug rote Bänder im schwarzen Haar
Und plauderte wie der lustigste Star.
Halli und Hallo.

Was halte das Mädel zwei frische Backen,
Halli.
Krach,  konnten  die Zähne  die Haselnuß knacken,
Hallo.
Sie hat mir das Zimmer mit Blumen geschmückt,
Die wir auf heimlichen Wegen gepflückt,
Wie hab ich dafür ans Herz sie gedrückt.
Halli und Hallo.

Ich schenkt ihr ein Kleidchen von gelber Seiden,
Halli.
Sie sagte, sie möcht mich unsäglich gern leiden,
Hallo.
Ud als ich die Taschen ihr vollgesteckt
Mit Pralinees, Feigen und feinem Konfekt,
Da hat sie von morgens bis abends geschleckt.
Halli und Hallo.

Wir haben süperb uns die Zeit vertrieben,
Halti.
Ich wollte, wir wären zusammengeblieben,
Hallo.
Doch wurde die Sache mir stark ennuyant,
Ich sagt ihr, daß mich die Regierung ernannt,
Kamele zu kaufen in Samarkand.
Halli und Hallo.

Und als ich zum Abschied die Hand gab der Kleinen,
Halli.
Da fing sie bitterlich an zu weinen,
Hallo.
Was denk ich just heut‘ ohn Unterlaß,
Daß ich ihr so rauh gab den Reisepaß…
Wein her, zum Henker, und da liegt Trumpf-.As.
Halli und Hallo.

Detlev von Liliencron

Mein Trinklied

Noch eine Stunde, dann ist Nacht;
Trinkt, bis die Seele überläuft,
Wein her, trinkt!
Seht doch, wie rot die Sonne lacht,
Die dort in ihrem Blut ersäuft;
Glas hoch, singt!
Singt mir das Lied vom Tode und vom Leben,
Dagloni gleia glühlala!
Kling klang, seht: schon welken die Reben.
Aber sie haben uns Trauben gegeben! Hei! —

Noch eine Stunde, dann ist Nacht;
Im blassen Strome ruckt und blinzt Ein Geglüh:
Der rote Mond ist aufgewacht,
Da guckt er übern Berg und grinst:
Sonne, hüh!
Singt mir das Lied vom  Tode und vom Leben;
Mund auf, lacht! Das klingt zwar sündlich,
Klingklang, sündlich! Aber eben:
Trinken und lachen kann man bloß mündlich!
Hüh!

Noch eine Stunde, dann ist Nacht;
Wächst übern Strom ein Brückenjoch,
Hoch, o hoch.
Ein Reiter kommt, die Brücke kracht;
Saht ihr den schwarzen Reiter noch?
Dreimal hoch!!!
Singt mir das Lied vom Tode und vom Leben,
Dagloni, Scherben, klirrlala!
Klingklang: neues Glast Trinkt! wir schweben
über dem Leben, an dem wir kleben!
Hoch!

Richard Dehmel

Betrunkene Rede

Ich war doch einsam! Seh ich nun recht?
Bist du der Tod, der mit mir zecht?
Mir graut, stoß an!

Nun ist es Nacht, der Erdball hat sich um¬gedreht
Und liegt auf unsrem Buckel.
Wir tragen Ozeane,
Während wir zechen.
Wer weiß, wo im Taifun
Unsre Schiffe zerbrechen!

Gebetmühlen tragen wir,
Die millionenmal dasselbe sclinurren,
Heere von Katzen,
Die nach Blut in Dschungeln knurren
Marionetten,
Die in Guckekasten hampeln,
Elefanten,
Die aus Palmenwäldern trampeln.
Stoß an!
Wer du auch seist, du bist mir recht,
Mir graut. — Gezecht!

Der Erdball hat sich umgedreht
Und liegt auf unserem Buckel.
Ja, manches verliert da den Stand,
Kommt um den Äquator gekrochen,
Es poltern. herunter
Ellenbogenknochen,
Und aller gelber Könige
Bunte Mumien kommen
Durchs Meer und durch die Ströme
Uns zur Gesellschaft geschwommen.
Skorpion, Medusenschwärme,
Unzählige kleine Gespenster,
Würmer- und Käferscharen
Flattern um die Fenster,

Und in den türmenden Städten,
Die um den Ball herum hocken
Auf unserem Rücken,
Läuten die christlichen Glocken,
Und in dem rasenden Schwirren,
Flatternden Kippen und Treiben
Klopfen Alkibiades
Und Plato an die Scheiben.
Siehst du?
Hörst du?
Die Fenster auf! —
Stoßt mit uns an!
— Ach, alles leer —!
Mir graut, mir graut,
Stoß du denn an!
Wo bist du?

Oskar Loerke

Elsässisches Trinklied

Hopp, Kameraden, Herz auf, trinkt!
Schon wankt die Sonne und versinkt
in unsern üppig roten Herbsten.
Die Ebene überschwemmt ein Schein,
drauf schwimmt der Tännchel in den Rhein,
und auch der Himmel ist zum Bersten,
zum Bersten voll von gelbem Wein.

Erlöste Hunnen zechen droben,
vom Abend in den Glanz gehoben
sind auf der Erde wir allein.
Wir stehn, die Menschenangst verließ,
die Augen voll von Paradies.

Könnt Ihr noch Euer Sprüchlein sagen
von all den Helden, die verschlagen
von Mitternacht zum Hähnekrähn
an blutgetränkten Wegen stehn?
Auch sah man sie in Waffen klirrend
mit offnem Wams und Herzen irrend
und hingelagert auf dem Rain.
Wir kennen den Pandurenlärm,
die Schweden soffen unsern Wein,
die Welschen füllten ihr Gedärm
und leerten** glorreich in den Rhein.

Wir stiegen aus dem Strudelloch
der abendländischen Gezeiten,
Legionen der unsterblichen Armeen
sahn wir die Völkerstraße gehn,
an der sich unsere Fluren breiten.
Wir sahen dies und sehens noch
und wollen’s fest in uns verschließen.

Da! Hundert glutbehaarte Hunnen
erheben flammend sich und gießen
die Goldpokale übers Land,
Wein stürzt aus allen Himmelsbrunnen,
Wein füllt die Welt bis an den Rand.
Nun sind die Teufel selbst am Trinken!

Faßt an, damit ich aufrecht wie ein Mann
noch einen, einen Schluck noch trinken kann,
bevor wir in die Nacht versinken.

Rene Schickele

Geistliches Trinklied

Es leben die heiligen Frauen,
die unsre himmlischen Geliebten sind!
Ihre Liebe ist groß und bedingungslos
Sie lassen wie in trauriger Blumen Schoß
ihren Blick auf unsre Herzen tauen,
ihr Lächeln ist Sterne säender Wind.

Sie öffnen den Himmel und gehn um
die Erde mit sanftem Schritt,
Sie beugen sich und trösten den
Armen, der Ängste litt
an Abenden ohne Vertrauen.

0 Erfüllung, die von ihren lauen Hüften zur Erde sinkt:
0 Mondhals! O weiße Brüste, an denen Sehnsucht trinkt:
0 Freudenhäuser im Blauen.

Es leben die heiligen Frauen!

Rene Schickele

Trinklied

Wir sind wie Trinker,
Gelassen über unseren Mord gebeugt.
In delphischer Aus flacht
Wanken wir dämmernd.
Welch ein Geheimnis da?
Was klopft von unten da?
Nichts, kein Geheimnis da,
Nichts da klopft an.
Laß du uns leben!
Daß wir uns stärken an letzter Eitle,
Die gut tranken macht und dumpf!
Laß uns die gute Lüge,
die Heimat, wohlernährende!
Woher wir leben
Wir wissen nicht. ..

Doch reden wir hinüber herüber
Zufälliges und anderes Herz.
Wir wollen nicht die Arme sehn,
Die nachts aus schwarzem Flusse stehn,
Ist tiefer Wald um uns,
Glockenturm über Wipfeln?
Hinweg, hinweg.
Wir leben hin und her.
Reich du voll schwarzen Schlafes uns den Krug!

Laß du uns leben nur,
Und trinken laß uns, trinken!

Franz Werfel

Trinklied

Ich sitze mit steifer Geste
Wie ein Assessor beim Feste.
Mein Herz schlägt hinter der Weste
Was weiß ich.
Hielte der Kragen nicht meinen Schädel,
Er rollte in deinen Schoß, Mädel,
Und tränke Tokayer dort edel
Was weiß ich.

In mir wogt Näh und Ferne.
Prost, goldne Brüder, ihr Sterne!
Die Schenkin aus der Taverne
Was weiß ich,
Bringt einen vollen Hampen.
Nun sauft, ihr gottvollen Lampen,
Und qualmt mit euren Stampen
Was weiß ich.

Ich streichle mit weinfeuchier Tatze
Dein zartes Fellchen, Katze,
Schon springt ein Knopf am Lalze
Was weiß ich.

Wir wollen das Fest verlassen
Und im Mondschein der alten Gassen
Uns pressen und Liebe prassen
Was weiß ich.

Es sind so viele gegangen,
Die einst an mir gehangen,
Sie soffen mit mir und sangen
Was weiß ich.
Und komm ich einst zu sterben,
Soll eins mir nicht verderben,
Du sollst das eine mir erben,
Das weiß ich.

Klabund

Trinklied

Wirt, schlag aus dem Fass den Banzen,
Wir wollen saufen und tanzen:
Mimi und ich.
Lahmer, du spielst Harmonika,
Und die zahme Elster schreit: krakra,
Die Amseln flöten.

War das ein Tag! Wird das eine Nacht!
Auf den Neckarhügeln sind Sonnwendfeuer entfacht:
Unsre Herzen.
Mädchen, du lachst verschwenderisch!
Du bist atemlos! Komm ins Gebüsch!
Ich will dich umarmen!

Der feiste Wirt zapft an seinem Faß.
Der Lahme singt mit rostigem Baß.
Die Elster schreit.
Mädchen, ich spüre deinen Schoß
Als läge die Sonne vor mir bloß.
Die Nacht leuchtet.

Ich streiche dir das Haar zurecht.
Der Wirt offeriert gebratenen Hecht
Und goldenen Mosel,
Öffne das Auge! Jetzt bist du sanft
Wie der Mond überm Wiesenranft,
Holde Dryade!

Klabund

Der letzte Trunk

Tod, alter Fährmann! Es ist Zeit! Anker ge¬lichtet!
Weiße Winde flattern wie Möwen. Segel ge¬hißt!
Ob Meer und Himmel sich wie schwarze Tinte dichtet,
Du weißt es, daß mein Herz voll goldner Strahlen ist.

Gieß ein den letzten Trunk des roten Blutes!
Wie Feuer brennts im Schlund.   Mich trägt die Welle
Bis  auf des Unbekannten  tiefsten Grund. Was tut es,
Ob Himmel mich das Neue lehrt, ob Hölle?

Klabund

Über den Zeichner schreibt Wikipedia:

„… Kurt Szafranski, in Amerika nannte er sich Safranski, (1890 in Berlin – 1. März 1964 in Kingston, New York) war ein deutsch-amerikanischer Zeichner und Redakteur sowie Mitbegründer der Bildagentur Black Star.

Als gleichaltriger Freund von Kurt Tucholsky illustrierte Szafranski 1912 dessen Erstlingsroman „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte“, der im Verlag von Axel Juncker in Berlin erschien. Weitere Illustrationen, unter anderem für Klabund folgten. In den 1920 er Jahren war er ein Geschäftsführer der „Berliner Illustrierten Zeitung“ (BIZ). Als künstlerischer Leiter setzte er dort Maßstäbe im Bereich der illustrierten Zeitschrift. Das Blatt vom Ullstein Verlag war bis 1933 die größte Zeitschrift der Welt mit einer Auflage von knapp 2 Mio. Exemplaren.

Da er jüdischer Abstammung war, emigrierte Szafranski 1934 mit seiner Familie im Bewusstsein der kommenden Gefahr durch das NS-Regime in die USA. !935 begründete er in New York zusammen mit Kurt Kornfeld und Ernest Mayer die bekannte Bildagentur Black Star, die zum Anlaufpunkt für US-Fotografen und für emigrierte Fotografen aus Europa, vor allem aus Deutschland wurde. Wichtige Abnehmer waren die damals führenden Magazine „Life“ und „Time.“ (…)

Kurt Szafranski starb am 1. März 1964 in Kingston.“

Mit freundlicher Erlaubnis der Verleger und Autoren wurden entnommen:

Die Gedichte von Basilios und Alkaios der „Grie¬chischen Lyrik“ von K. Preisendanz – Inselverlag.

Die Hafis-Nachdichtungen. von Klabund: „Der Feueranbeter“, Verse nach Hafis von Klabund, Rolandverlag.

Die Vierzeiler von Omar Chaiyam dem „Sinn¬gedicht des persischen Zeltmachers“ von Klabund, Rolandverlag.

Die Gedichte von Horaz der Horazausgabe von Paul Lewinsohn, Georg Müller Verlag.

Die Verse von Li-Tai-Pe der deutschen Ausgabe von Klabund, Inselverlag.

Ein Gedicht von Li-Tai-pe und Yang-ki der „Chinesischen Lyrik“ von H. Heilmann, R. Piper.

Die Lieder von O-sen: „Die Geisha O-sen“, nach japanischen Motiven von Klabund, Rolandverlag.

Die Balladen von Francois Villon: „Die Werke des Meister“, deutsch im Verlag Zeitler.

Zwei Gedichte nach Villon: „Der himmlische Vagant“, ein lyrisches Portrait des Francois Villon von Klabund, Rolandverlag.

Drei Gedichte von Bellmann dem „Bellmann“ Brevier“ von H. v. Gumppenberg, A. Langen*

Die Gedichte von C, F, Meyer seinen „Gedichten“ Verlag H, Haessel,

Die Sprüche von Nietzsche seinen „Gedichten und Sprüchen“, Kröner,

Die Lieder von Busch: ,Zuguterletzt“, Bassermann,

Arno Holz‘ Gedicht seinem „Dafnis“, Verlag Reissner,

Liliencrons  Gedicht seinen „Ausgewühlten Gedichten“, Schuster & Loeffler.

Dehmels Trinklied seinen „Gedichten“, S, Fischer,

Loerkes  Betrunkene Rede seinen „Gedichten“, S. Fischer,

Schickele, Elsässisches Trinklied: „Mein Herz, mein Land“, Verlag der weißen Bücher, sein geistliches Trinklied: „Weiß und Rot“, Gedichte, Paul Cassirer.