Werbung für Hitler im Kreis erst ab 1928

Zum 50. Jahrestag der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933

Rascher gewinn bäuerlicher Wähler Widerstand in Schifferdörfern, Deichow, Braschen und Brankow

Heimatgrüße 1983/1

Die Entwicklung der Wahlergebnis­se im Kreis Crossen vom Ende des I. Weltkriegs bis zum Jahre 1933 ist gewiss ein wichtiges Faktum der Heimatgeschichte. Leider gelang es trotz allen Bemühens dem Redakteur der „Heimatgrüße“ bisher nicht, dafür zuverlässige Quellen zu erschließen. Wenn hiermit anlässlich des 5O. Jahres­tages von Hitlers Machtergreifung ver­sucht werden soll, dem rechtsextremen Wellenschlag an Oder, Bober und Lubst nachzuspüren, so ist der Berichterstat­ter auf die natürlich einseitigen und damit fragwürdigen Aussagen der Nati­onalsozialisten selbst angewiesen. Denn diese haben im erhaltenen Kreiskalender von 1934 in drei grundsätzlichen Artikeln geschildert, wie sie in ver­hältnismäßig kurzer Zeit die Mehrheit der Bevölkerung des Crossener Raumes hinter sich brachten. Die zur örtlichen „alten Garde Hitlers“ gehörenden Ver­fasser hießen Pfarrer Süß (Griesel). Erich Sagner (Crossen) und Max Dammaschke (Neuendorf). Halbwegs aus­sagekräftig sind allerdings nur die Be­richte von Pfarrer Süß und Erich Sag­ner. Max Dammaschke beließ es 1934 bei Wortgeklingel ohne konkrete Anga­ben.

Eindeutig zu entnehmen ist den Ar­tikeln, dass Hitler erst relativ spät An­hänger im Kreis Crossen gewann. Zum ersten Mal wurden bei der Reichstags­wahl 1928 Stimmen für die „National­sozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP), und zwar 277 an der Zahl, im Kreis abgegeben. Im gleichen Jahr traten auch die ersten Bürger des hei­matlichen Raumes „der Partei“ bei. Es gab aber noch keine örtliche Orga­nisation. Von Sorau, Guben und Züilichau aus wurde die frühe Kreis-Cros­sener Hitler-Gefolgschaft betreut und angeleitet. Bei der Provinziallandtags-und Kreistagswahl 1929 erhielten die Nazis dann 847 Stimmen. Sie ent­sandten ihren ersten Abgeordneten in den Kreistag, dem im übrigen 16 Ver­treter der konservativen Parteien, acht Sozialdemokraten und ein Kommunist angehörten.

Ab 1930 wurden die nationalsozia­listischen Aktivitäten intensiver. Jetzt gewannen die „Hakenkreuzler“ erheblich an Wählerstimmen. Sogar in der Industriestadt Sommerfeld betrug der NS-Stimmenanteil 1930 bereits 25 Pro­zent.

Zwei Jahre später, bei den verschie­denen Reichstagswahlen von 1932, bekannten sich dann 16 000 bis 18 000 Wähler des Kreises zu Hitlers Ideen.

Beim zweiten Durchgang der Reichspräsidenten Wahl des Jahres 1932, so schrieb Pfarrer Süß voller Stolz, er­hielt „der Führer“ im Kreis die absolu­te Mehrheit. Weitere rund 4000 Wähler fielen nach der Machtergreifung um. Bei der letzten einigermaßen ordnungs­gemäßen Wahl von 1933 machten über 22 500 Kreis-Crossener ihr Kreuz bei der NSDAP. Der Kreistag von 1933 bestand aus 16 Nationalsozialisten, einem Deutschnationalen und drei ande­ren, die bald in die Hitler-Partei eintra­ten. Sechs „Marxisten“ (also vermut­lich Sozialdemokraten), die noch Man­date gewonnen hatten, wurden ausge­schlossen, heißt es lapidar im Bericht von 1934. Der Landrat von Abel, dem man in Crossen Zugehörigkeit zur So­zialdemokratie nachsagte, wurde beur­laubt. Am 3. November 1933 übernahm Erich Krüger aus Ziltendorf, Kreis Gu­ben, der ab April 1931 von Ferne als Crossener Kreisleiter gewirkt hatte, das Amt des Landrats. Auch an der Bober-mündung war nun die Demokratie ab­geschafft.

ihre Stimmengewinne hatten die Nationalsozialisten in den wenigen Jahren auf Kosten der anderen Rechts­parteien, vor allem der Deutschnatio­nalen und der Landvolkpartei, erzielt. Hatten diese bis 1930 weit über 10 000 Wähler hinter sich gebracht, so waren es 1932 nur noch gut 3000. Der Stim­menfang der Nationalsozialisten ge­lang zuerst in größerem Umfang in ländlich-bäuerlichen Gemeinden, Pfar­rer Süß erteilte in seinem Artikel ein­zelnen Ortschaften gewissermaßen Zen­suren. Er lobte die Dubrower, die bereits im November ‚ 1931, zu 80 Pro­zent für die Hitler-Liste stimmten, und die Bobersberger, in deren Stadt die NSDAP sogar schon ab 1930 die stärk­ste Partei war. Er ließ keinen Zweifel, dass „Fortschritte“ in Sommerfejd nur durch den aktiven Einsatz von Baudachern, Göhrenern und Dubrowern erzielt worden waren. Mit Stolz zurück blickten die „alten Kämpfer“ auf den Hitler-Besuch in Sommerfeld am 20. Oktober 1932, wofür sie am „Wald Schlösschen“ ein 65 mal 150 m großes Zelt mit 8000 Sitz- und 2000 Steh­plätzen aufgebaut hatten.

Auf heftigen Widerstand trafen die Nationalsozialisten in ihrer „Kampfzeit“ ganz offensichtlich in den Schiffer Dörfern mit ihrer weltoffenen Be­völkerung und in Arbeiterdörfern wie Deichow und Braschen. Fast in „Acht und Bann“ tat Pfarrer Süß noch 1934 die Brankower. Er nannte die stille Ortschaft am Kempfenberg ein „marx­istisches Dorf*. Abgesehen von einer Familie, hätten hier die Bauern der „Partei“ stets ablehnend gegenüber gestanden. Kein Mann sei bis 1933 in die SA (Sturm-Abteilung), keine Frau in die NS-Frauenschaft, kein Mädchen in den BDM (Bund Deutscher Mäd­chen) eingetreten.

Weiter wetterte der stellvertretende Kreisleiter und örtliche Führer der „Glaubensbewegung Deutsche Chri­sten“ gegen bestimmte Lehrer und Gemeindevorsteher, denen er nach­sagte, das Eindringen der NS-Ideologie in ihre Dörfer lange Zeit verhindert zu haben. Die demokratisch gesonnenen Pädagogen hatten deshalb 1933/34 unter einer Strafversetzungswelle zu leiden. Man entfernte sie kurzerhand aus ihrem Bekanntenkreis.

Auffallend ist, dass es der Hitler-Partei offensichtlich bis 1933 im Kreis Crossen an angesehenen und herausragenden Persönlichkeiten fehl­te. Darauf war es wohl zurückzuführen, dass die NSDAP in den Stadtparlamen­ten von Crossen und Sommerfeld vor der Machtergreifung in Berlin kaum Fuß fasste. Auch später hatten die Na­zis für herausragende Posten so gut wie keine Persönlichkeiten örtlich an­zubieten. Der Crossener Ortsgruppenleiter der Kampfzeit begnügte sich, als er „an der Macht“ war, mit dem Amt des Hausmeisters des städtischen Realreformgymnasiums. Der national­sozialistische Landrat kam, wie berich­tet, aus dem Kreis Guben. Schließlich holte sich die NSDAP auch einen neu­en Kreisleiter (den späteren Crossener Bürgermeister) und den hauptamtlichen SA-Standartenführer von auswärts.

Eine andere Frage ist freilich, inwie­weit die überwiegend konservative gei­stige Welt des Kreises Crossen dem Nationalsozialismus die örtliche Machtausübung ermöglichte, indem sie sich aus Überzeugung oder Selbsterhal­tungstrieb seiner Ideen annahm. Dies Problem wäre eine besondere Unter­suchung wert. Überhaupt gibt es noch viel zu forschen, damit das Geschichtskapitel „Kreis Crossen von 1933 bis 1945″ geschrieben werden kann und damit wir unseren Kindern, die mit Recht bohrend „Wie konnte das geschehen?“ fragen, Rede und Antwort stehen können.

  1. U. Wein