Weimarer Jahre

Am 11. November – sieben Tage nach Fredis Geburtstag – endete der I. Weltkrieg. Er erlebt ihn in Monti. Erlebte?

Von „Knallfred“ und seinen sprühenden Einfällen ist nichts geblieben, Trauer um „Irene“ und die Sorge um „das Kindlein“ beherrschen seinen Tagesablauf. Hildegard Jung bittet er, in Monti bleiben zu dürfen.

Guido von Kaulla:

„… Am 18. 11. 18 schreibt Klabund an Hilde Jung, dass er vor­läufig in Monti bleibe. Wo solle er hin? Seit Irenens Herz nicht mehr schlage, habe er keine Heimat mehr. Irene sei ihm mehr als eine oder seine Frau – sie sei sein Friede gewesen. […] Oft sage er die Worte Hölderlins: „April und Mai und Junius sind ferne. Ich bin nichts mehr. Ich lebe nicht mehr gerne.“

Er verfasst die „Totenklage“, erschienen als Trilogie im Band „Dreiklang“ und „Der Totengräber – dem Andenken meines Engels gewidmet“. Klabund nennt diesen Einakter „ein provisorisches Erinnerungsblatt für Irene“.

Auch hier finde ich in seinen Briefen keine Hinweise, wie und ob die Familie in Crossen reagiert.

Klabund ist am Boden zerstört. Dreißig Tage lang vertraut er täglich ein Sonett einer Kassette auf dem Grabe an:

Ich, schwanke ohne Heimat, ohne Herd
Von neuem in das Wanderschaftsgetriebe …
Ich war dein Tod,
Ich habe dich gemordet.

Geholfen haben ihm in den ersten Wochen nach dem Tod der Tochter am 17. Februar die Anti-Wilhelm-Deutschen“ oben auf dem Berg, denn trotz aller Trauer hat Klabund zusammen mit dem Schweizer Zoologen, Naturforscher und Zeichner Karl Soffel im August 1919 ein wunderbares Buch veröffentlicht. Sein Titel: „Der Tierkreis“ Das Tier in der Dichtung aller Völker und Zeiten, eine Anthologie. Er erschien im Erich Reiß Verlag in Berlin 1919 und die beiden schrieben: „Wir widmen dieses Buch Rin, unserem Hunde und Emmy, unseren lieben Frau vom Monti.“ Gemeint war die Schriftstellerin und Kabarettistin Emmy Ball-Hennings.

Und noch ein anderes Ereignis unterbricht seine selbstgewählte „Einsamkeit“ in Monti, es erreicht ihn ein Telegramm mit der Mittei­lung, sein Freund aus der Münchener Studentenzeit Erich Mühsam ist verhaftet worden. Die Umstände dieser Verhaftung sind im Kapitel „Der Spion aus Crossen“ beschrieben und in seinem Tagebuch. Aber Klabund kümmert sich – bzw. will sich kümmern – und „klettert vom Berg“.

Und seiner Schwiegermutter Irene Heberle schreibt er im Februar 1919 in einem Brief aus Locarno-Monti, was ihn ablenkt und dass er eben die Arbeit doch nicht liegen lassen kann:

„… ich bin mit Arbeit überhäuft wie ein Tagelöhner (nur dass der äußere Lohn der aufgewandten Mühe kaum entspricht). Der Katalog. Ständige Mitarbeit an den kritischen Zeitschriften wie „Die neue Bücherschau“, „Bücherwurmetc. Repliken und Attacken da und dort. Dichtungen in „Schweizerland“, „Wieland“, „Neue Rundschau“, „Weisse Blätter“, „Rarität“, „Junges Deutschland“, usw. Meine Übersetzungen aus dem Chinesisch Französischen. „Das Flugblatt“. Plan eines Jahrbuches der reinen Philosophie, der reinen Dichtung (antipolemisch, antipolitisch, was die apriorische Seele betrifft). Dazu Korrekturen aller Art. Der Villon ist im Druck, erscheint demnächst. Der „Totengräber“ wird gesetzt. Den „Cherubim“ hab ich Reiß für Weihnachten vorgeschlagen: als lyrisches Werk größten Umfangs, enthaltend: die Sonette, die Oden, die Distichen, kl. Lieder, die Balladen und die chinesischen Liebesgedichte. Irene soll sich über den ihr errichteten Tempel nicht beklagen dürfen. Alles, alles, alles ist ihr gewidmet. – Die gewünschten Bücher und noch einige mehr werdet Ihr erhalten.“

Langsam kehren also die Lebensgeister zurück – bestimmt auch durch das Buch beeinflusst – und der Anfang des dritten Teiles meiner Biographie, den „Weimarer Jahren“, soll sich mit „Klamauk“ und Klakunderbund“ beschäftigen.

Klamauk, das ist die Episode des Spötters und Kabarettisten, dem Bänkelsänger. Aber ich meine, es ist auch die Zeit des „Salonkommunisten“, der sich mit der Misere nach dem verlorenen Krieg beschäftigt, z.B. im Gedichtband der „Harfenjule“. Logisch: „Klabund der Politiker“ wird dann auch ein Kapitel heißen.

„Klamauk“ auf höchstem Niveau

Der Schauspieler Peter Welk trägt beim 5. Hildener Literaturkonzert im Wihelm-Fabry-Museum am 29. März 2012 Klabund Gedichte vor und die folgende Einführung:

http://www.welk.de/mp3/Heimkehr.mp3

Quelle: www.welk.de

Und diese „Heimkehr“ passt in dieses Kapitel – Spott über sich selbst und die Familie.

Kurt Wafner beschreibt diese Episode so:

„ …In den Sog der Boheme gerät der junge Henschke noch bevor er sich Klabund nannte. Er trifft Menschen, die sich wie er als Außenseiter fühlen – Schriftsteller, Maler, Schauspieler. Mit Franz Werfel und dem jungen Bertolt Brecht sitzt er zusammen am Stammtisch der Torggelstuben, Leonhard Frank und Erwin Piscator sind seine Trink- und Gesprächsgefährten im Simpl, und von Erich Mühsam wird er mitgeschleppt ins Junge Krokodil.“

Und weiter:

„ … Die meisten Arbeiten Klabunds gehören zweifellos der „ernsten“ Lyrik an. Sie machten ihn berühmt. Ihnen ist es hauptsächlich zu danken, dass sein Werk in dem heiligen Hain der Weltliteratur aufgenom­men wurde. Und dennoch: Sein Leben, Werk und Wirken sind ohne seine beinahe lebenslange leidenschaftliche Partnerschaft mit dem Kabarett nicht denkbar. Ebenso wenig kann eine sachkundige Ge­schichte des deutschsprachigen Kabaretts auf seinen Namen verzich­ten. Dieser fantasievollen und schwer zu machenden Kunst für kleine Bühnen galt eine seiner vielen Maskierungen, seiner Ver-Wandlungen. Dort machten sich Klabautermann und Vagabund gleichermaßen laut­stark bemerkbar. Fürs Brettl war er Textdichter und Interpret oft in einer Person.“

Was aber treibt einen jungen Dichter, (Wafner): „Der malerisch und wort­gewaltig Schönheiten der Natur und menschliche Seelen vor seinen Lesern ausgebreitet hatte, sich mit dieser ziemlich ruppigen zehnten Muse einzulassen? Der Hauptgrund: Klabund fühlte sich zu ihr hinge­zogen, weil er in ihr eine Wahlverwandtschaft sah. Kaspers kunterbun­tes Kostüm schien ihm auf den Leib geschneidert zu sein. In seinen Chansons, Bänkelliedern und Balladen spiegelt sich seine Persönlich­keit wohl am deutlichsten wider.“

Und der Publizist Franz Blei sah ihn so:

„… Der Klabund ist ein überaus buntfarbiger Kugelkäfer, dem seine na­türliche Buntheit noch nicht genügt. Wo immer er etwas Farbiges fin­det, rollt er sich darin herum, so lange, bis er auf seinen kleinen Sta­cheln einiges davon aufgespießt hat, was ihn noch bunter erscheinen lässt, als er ist. Solches macht dem Klabunde Spaß.“

Klabund passte spätestens seit Monti längst nicht mehr in „diese Spießbürgerei in deutschen Landen, bigotte Betschwestern und lauwarme Moralprediger – kurz: gefährliche Dummheit, Herrschsucht und Heuchelei in allen Schattie­rungen“. (Wafner). Und dann ist es nicht verwunderlich, dass Kabarett das geeignete Podium war für Spott und Satire. Zudem diese Form auch noch Spaß machte. Als er Ende der 20er Jahre mit der „Harfenjule“ seinen Höhepunkt in diesem Metier erreichte, bescheinigte ihm Kurt Tucholsky: „die meisten seiner Verse seien „Notentexte; sie pfeifen, brüllen, schreien und orgeln nach Musik.“ Er selber sagte einmal: „Ich will alle Seiten meines Wesens ausge­drückt sehen, und es genügt mir durchaus nicht, nur gute Bücher zu schreiben.“

In Kauf hat er dabei genommen, dass diese „unseriösen Seitensprünge“ immer wieder Krach mit seinen Eltern und auch mit so manchem Nachbarn verursacht haben.

Der große Kabarettist Werner Finck – der mich so etwa 1964 in Stuttgart vom „Stuhle riss“ – schrieb in der Zeitschrift „Das Stachelschwein“ im Januar 1925 die folgenden Verse, die er strophenweise auf je einer Postkarte an verschiedenen Tagen an die Redaktion für die Rubrik „Post“ schickte:

In Crossen hat der Herr Klabund
den heimatlichen Hintergrund:
Du fragst: Klabund?
und scheu beiseite
sagt man dir seine Kragenweite.
Den Crossern drum bewegt Klabund
nicht so das Herz als so den Mund.
Man rühmt ihn mit; doch durch die Blume
bekreuzt man sich vor diesem Ruhme.
Und kurz:
Es gilt Klabund in Crossen
indem er dieser Stadt entsprossen – und kurz und gut
man sagt: Klabund –
und jeder hat so seinen Grund.
Tatsache bleibt:
Es hat sich Crossen
im Fall: Klabund
noch nicht entschlossen.

Dieses Gedicht trägt die Über¬schrift: „Crossen an der / oder / Klabund daheim“.

Kurt Wafner schreibt, dass Klabund Vorbilder gehabt habe und nennt Wedekind und Villon. Fredi ist anderer Meinung. Sie seien wie auch Heinrich Heine, Johann Christian Günther und Michael Bellman allerhöchstens „Verwandte“ gewesen. Und genau wie diese war er mit diesen „Strolchenliedern“ erfolgreich. Die Kritiker der linksbürgerlichen und sozialistischen Presse mochten ihn und das Publikum sorgte für den finanziellen Erfolg.

Bereits vor dem 1. Weltkrieg war die erste Kabarettstation Klabunds die Münchener Künstlerkneipe „Simplicissimus“. Als Weinlokal wurde der „Simpl“ von Kathi Kobus betrieben, die ebenfalls in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Erich Mühsam hat in seinen „unpolitischen Erinnerungen“ diesen geschildert:

„… Vorn befand sich ein Wirtsraum, nicht viel unterschieden von anderen Wirtsräumen, hinten das Hauptlokal mit Theke, Klavier und Podium; dazwischen der beide Räume verbindende Kanal, ein langer, sehr schmaler Gang, dennoch mit Tischen und Stühlen so eng bestückt, dass das Passieren in den Abendstunden, wenn der Betrieb in Gang war, nur unter vielen Schlängelbewegungen möglich war und man die mit Flaschen und Tabletts jonglierenden Kellnerinnen für gelernte Akrobatinnen halten konnte. Das Gedränge war von zehn Uhr abends an beängstigend … Es war doch so, dass wir uns allesamt in dem Lokal wohlfühlten, das bei Tage eher einer Kunsthandlung glich als einer Künstlerkneipe. Ah allen Wänden hingen Ölbilder, Zeichnungen, Ra­dierungen … Kathi Kobus war eine kluge Frau. Selbst keine Künstle­rin, wusste sie doch, dass aus manchem jungen unbekannten Talent manchmal später ein bewundertes Genie wird … Von der Begabung ihrer dichtenden Kundschaft machte sie Gebrauch, indem sie ihr Gele­genheit gab, vom Podium herab Verse zu deklamieren, was meistens der Eitelkeit zuliebe, oft um barer Honorierung willen und vielfach auch der Schuldentilgung wegen gern geschah. Häufig genügte eine freigebig spendierte Flasche Sekt, um Dichter, Sänger, Musiker beider Geschlechter zu Vorträgen anzuregen. In der ersten Zeit konnte man von einem eigentlichen Kabarett bei Kathi Kobus kaum sprechen. Einer nahm die Klampfe zur Hand und sang …“

Neben Walter Mehring und Joachim Ringelnatz zählte auch Klabund zu den „jungen unbekannten Talenten“, der Journalist Georg Zivier erinnert sich:

„… Da stand er, ein hoch geschossener morbider Knabe und leierte seine Herausforderun­gen wie ein Orchestrion herunter. Und die matte, gymnasiastenhafte Deklamation des Sprechers war indessen von starker Wirkung, weil in der Monotonie seiner Wortformung eine Art Eloquenz der Verhalten­heit frei wurde. Im Grunde war er kein Kabarettist, er war es weit weniger als etwa Frank Wedekind und Joachim Ringelnatz“

Klabunds Auftritte im „Simpl“ waren für ihn bereits damals wichtig, denn – schreibt Kurt Wafner:

„… Dort also, wo Kunst Bestandteil der Geselligkeit war, brachte der junge Dichter seine Erstlinge vors Publikum. So erreichten wohl viele seiner Arbeiten dessen Ohr früher als dessen Auge. An der Stimmung m der Kneipenstube konnte der Debütant ermessen, ob und wieweit seine Verse ankamen. Die Gesellschaft im Simpl war häufig sein erster Kritiker.

Nun hatte ja diese Art Vortrag für ein bisschen Bier, Weißwurst und Applaus mit Kabarett wenig zu tun – diesen verpflichtenden Namen legte sich der Simpl ja auch erst später zu – dennoch war das kleine Podium umgeben von „dem nicht übertrieben abwechslungsrei­chen Lärm, Gedränge, Gestank“ Klabunds Sprungbrett zum Kabarett-Erfolg: Er fand Freude am Echo seiner Zuhörer. Er lernte an deren Reaktionen, wie ein Chanson gebaut werden musste, damit es verstan­den wurde. Und er verlor die Scheu vor der Menge. Vermutlich wurde dort schon seine eigenartige Wesensart geprägt: die sonderbare Mi­schung von Schüchternheit und Schnoddrigkeit, von Distanz und Lie­benswürdigkeit.“

Programme an diesen Abenden hat es nicht gegeben, Zeitzeugen haben nie darüber berichtet, was mit entsprechenden Getränken versehen zur Aufführung kam. Aber Fredi hat sicher aus seinem reichhaltigen Fundus „Klamauk“ ausgesucht, den er ab etwa 1912 verschiedenen Zeitschrif­ten angeboten hatte und über den Alfred Kerr urteilte: “Vagantenverse. Lieder eines Desperados, künstlerisch wertvoll.“ Und sicher finden sich eine ganze Beiträge in seinem ersten Lyrikband „Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern!‘ wieder.

Noch 1919 Ortswechsel: Klabund geht nach Zürich, in die Spiegelgasse. Im „Cabaret Voltaire“ trifft er auf den Kreis der Kriegsgegner, zu denen auch Hugo Ball, einer der führenden Köpfe der Züricher Pazifisten gehört. Ball, ebenfalls einer der ersten Kriegsfreiwilligen ist ein alter Freund. Aber sicher die wichtigste Rolle spielte der Freund Rene Schickele und so schreibt Fredi seht bald für dessen „Weiße Blätter“ und bekommt endlich die ersehnte Möglichkeit, sich öffentlich zu einer antikriegerischen und weltoffenen Position zu bekennen.

Kurt Wafner schreibt über die „Weißen Blätter und Schickele:

„… Schickeies Verdienst bestand vor allem darin, den internationalen Charakter der Kriegsgegnerschaft zu betonen. So erschienen zum Bei­spiel nicht nur deutschsprachige Autoren, sondern auch Beiträge be­deutender pazifistischer Schriftsteller aus anderen Ländern, so Barbus­se, Rolland. Die 1916 erstmalig erschienenen „Weißen Blätter“ wand­ten sich in ungewöhnlicher Schärfe gegen die Kriegshetzer unter den Literaten. Der Herausgeber trat für eine offene Meinungsbildung ein. Er wollte „keine Litfaßsäule erscheinen lassen wo jeden Monat ein und dieselbe Meinung … aufgezogen wird“, sondern er meinte, die Politik müsste „vergeistigt“ werden, so dass Menschen mit hoher geis­tiger Kultur die politische Führung übernehmen könnten.“

Im „Cabaret Voltaire“ entstand mit Hugo Ball als einer der Wortführer „aus der Einsicht, dass der Krieg Ausdruck einer bis ins Mark morbiden Gesellschaft sei“ (Wafner) der Da­daismus Wie dort etwa ein Abend verlief, schildert der dadaistische Künstler Hans Richter:

„Das Baiische Kabarett wurde über Nacht zur Züricher Sensation. Vorlesungen moderner französischer Dichter wechselten mit deutschen, russischen, schweizerischen Vortragenden. Soireen wurden gegeben, moderne und alte Musik wurde gespielt, alles durcheinander. Cendras und van Hoddis, Hardekopf und Aristide Bruant, ein Balalai­ka-Orchester und Werfel, Delauney wurde gezeigt und Erich Mühsam vorgetragen, Rubinstein spielte Saint-Saens, Kadinsky und Lasker-Schüler … So wurde das Cabaret Voltaire zunächst eine literarische Demonstration. Die schöpferische Aktivität dieser Gruppe bestand in Herstellung, Vortrag und Veröffentlichung von Gedichten, Geschich­ten und Gesängen … Klingeln, Trommeln, Kuhglocken, Schläge auf den Tisch oder Kisten belebten die wilde Förderung der neuen Spra­che, in der neuen Form und erregten, rein physisch, ein Publikum, das anfänglich völlig benommen hinter seinen Biergläsern saß …“

Und ein Bei­spiel für diese „neue abstrakte Sprache“ liefert der Dichter und Mediziner Richard Huelsenbeck:

„sokobauno, sokobauno, sokobauno Schikander, Schikander, Schikander dick werden die Ascheneimer sokobauno sokobauno die Toten steigen daraus Kränze von Fackeln um den Kopf sehet die Pferde wie sie gebückt sind über die Regentonnen sehet die Parafinflüsse fallen aus den Hörnern des Monds sehet den See Orizunde wie er die Zeitung liest und Beefsteak ver­speist sehet den Knochenfraß sokobauno sokobauno sehet den Mutterkuchen wie er schreiet in den Schmetterlingsnetzen der Gymnasiasten sokobauno sokobauno“

Kurt Wafner weiter:

„… Die Dadaisten – eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft von Dichtern und Malern, jeder auf seine Art ein „Bürgerschreck“. Als ein­zige Frau im „Cabaret Voltaire“: Emmy Hennings, die Frau von Hugo Ball. Ihre Vorträge, urteilt Hans Richter, „stellten in ihrer ungewohnten Grelle einen Affront dar, der das Publikum nicht weniger beunruhigte als die Provokationen ihrer männlichen Kollegen. So waren sie also sechsstimmig in diesem Voltaire-Orchester. Jeder spielte sein eigenes „,Instrument“, das heißt sich selbst, leidenschaftlich und aus voller See­le …

Dadaismus wird eine Philosophie: „er sei eine „schöpferische Kunst, eine Kraft des Schöpferinstinkts, eine heroische Kunst, die das Ernste wie die Zufälle der Lebensgesetze einschließt … und eine schöpferische Basis, ein neues und universelles Bewusstsein der Kunst zu schaffen“

Wieland Herzfelde, marxistischer Verleger, bezeichnete seine Begeisterung für diesen als „Jugendsünde“ und schreibt:

„… Der Dadaismus war der mit Grölen und höhnischem Gelächter voll­zogene Durchbruch aus einem engen, überheblichen und überschätzten Milieu, das, zwischen den Klassen in der Luft schwebend, keinerlei Mitverantwortlichkeit dem Leben, der Allgemeinheit gegenüber kann­te. Wir sahen damals die irrsinnigen Endprodukte der herrschenden Gesellschaftsordnung und brachen in Gelächter aus … Zum Lachen war kein Anlass mehr, es gab wichtigere Probleme als die der Kunst. Wir sahen die neue große Aufgabe: Tendenzkunst im Dienste der revolutionären Sache …“

Und Klabund? Er wird kein Dadaist, Ihm gefällt zeitweise die vor allem „ungezwungene antibürgerliche Art, aber ihre Bilderstürmerei, ihre Sprachabstraktionen waren ihm fremd, was oft zu Disputen mit den Dadaisten führte. Er wollte auf die kleinen und großen Schmutzflecken im gesellschaftlichen Leben auf eine ver­ständlichere Weise aufmerksam machen“ (Wafner).

Der Publizist Georg Zivier bemerkte:

„… Die Songs und Schlager, mit denen er die Kleinkunstbühne speiste, waren nur Nebenprodukte seines musischen Schaffens, aber seine frivolen Nebensächlichkeiten, seine Balladen von Liebe, Mord und Alkohol machten ihn schnell populär und hielten ihn in ständigem Trab von Podium zu Podium … Dem Sänger von hundert Leichtfertigkeiten, dem Bürgerschreck nach Montmartre-Art fehlte im Grunde jede Spur von Zynismus und Ironie. Das sentimentale Element, das in all seinen Versbändchen unter den dutzendweise gebündelten Lasterhaf­tigkeiten aufzuspüren ist, darf als Grundstoff seiner Persönlichkeit gelten. Klabunds „innerer Poetik’“ fehlt jeder moderne Zug, sie ist alt­modisch im Sinne der deutschen Romantiker und nicht weniger ver­schwärmt und edel geformt als die Gefühlslyrik dieser vergangenen Epoche. Der Bohemien war Maske, der Troubadour war echt…“

Klabund war Klabund und er blieb es auch – Dada hin oder her. Ein paar spöttische Pfeile lässt er los, das war es dann.

Ich bin in Tempelhof geboren
Der Flieder wächst mir aus den Ohren
In meinem Munde grast die Kuh
O Eduard, steck den Degen ein.
Was denkst du dir denn dadabei’n
Des Morgens um halb fünfe?
Er sagte nichts mehr dadadrauf.
Er stützt sich auf den Degenknauf
Und macht sich auf die Strümpfe.

Harfenjulius im „Schall und Rauch“ überschreibt Kurt Wafner in seinem Buch den Wechsel Klabunds von München nach Berlin – vom „Simpl“ zu „Schall und Rauch“.

Im April 1919 aus dem Gefängnis entlassen, stürzt er sich „hemmungslos“ in seine Arbeit. Und das heißt: Neben Romanen, Grotesken, Glossen und Erzählungen schafft er zarte und schnoddrige Verse und Nachdichtungen und szenische Arbeiten fürs Theater. „Schnoddrige Verse“ sind dann eben „düstere, stehlende, schießende und schiebende“, wie es Rin­gelnatz bezeichnete. Oder „er vertauscht die heilenden Liegekuren mit der Dunstatmosphäre der brodelnden, lüsternen Großstadt der Nachkriegszeit,“ nennt das Kurt Wafner.

Anfang der 20er Jahre gibt es in Berlin achtunddreißig Kabaretts, das bedeutendste ist die kleine Bühne des „Schall und Rauch“ in den Kellerräumen des Großen Schauspielhauses, nahe der Weidendammer Brücke. „Die Zeit schreit nach Satire!“ Schreibt Kurt Tucholsky und im Januar 1919 fragt er im „Berliner Tageblatt‘: „Warum sind die Witz­blätter der Deutschen, ihre Lustspiele, ihre Komödien und Filme in der Regel so langweilig und so mager?“ Und er forderte: Die Satire müsse wieder „beißen, lachen, pfeifen und die große, bunte Landsknechts­trommel trommeln lernen, gegen alles, was stockt und träge ist“.

Am 8. Dezember 1919 wurde das „Schall und Rauch“ unter der Direktion des Schriftstellers und Dramaturgen Rudolf Kurtz eröffnet. Seit wann Klabund dort sein „Unwesen“ trieb, lässt sich nicht mehr feststellen, aber er hatte ziemlich schnell dort einen Stammplatz.

Matthias Wegner schreibt zur Eröffnung:

„… Eröffnungsvorstellung im Dezember 1919 trägt Henschke „eigene groteske Dichtungen“ vor, Hu­bert von Meyerinck gibt Klabund-Balladen zum besten. Ein anderer Mitwirkender der Eröffnung ist der Regisseur und Schauspieler Gustav von Wangenheim. Als er seine Pierrot-Lieder zur Musik von Werner Richard Heymann vorträgt, kann Alfred Henschke nicht ahnen, wie sehr dieser Mann noch einmal die Missliebigkeit des Namens Henschke — und die Ermordung einer Trägerin dieses Namens — befördern sollte.“

Der Kommentar von Fredi zum Publikum:

Am Kurfürstendamm da hocken zusamm‘
die Leute von heute mit großem Tamtam.
Brillanten mit Tanten, ein Frack mit was drin,
ein Nerzpelz, ein Steinherz, ein Doppelkinn.

Matthias Wegner drückt es ganz ähnlich aus:

„… Die Berliner Atmosphäre der Schieber und Luden, der Spekulanten und Gauner, der Erfolgreichen und Benachtei­ligten leuchtet aus Henschkes atemlos hervorsprudelnden Versen so grell wie aus den Bildern von George Grosz oder Otto Dix. Sein Einfallsreichtum, seine variantenreiche Be­herrschung von Rhythmus und Pointe, Witz und Zeitkritik machen ihn zu einem der beliebtesten Wortführer der neuen Freiheit, des neuen Übermuts und der Berliner Scharfsichtig­keit. Seine hinreißenden „Bänkellieder“ werden Allgemein­gut“.

Und Kurt Wafner schreibt:

„… Und er spürte bald, dass er dort an der richtigen Adresse war. Was diese Bühne am Schiffbauer Damm mitzuteilen hatte, entsprach ganz den Vorstellungen des Mannes, in dem sich literarisch-künstlerisches mit politisch-kritischem Engagement paarte. Entlarven, Bestehendes in Frage stellen, verändern helfen, Tabus brechen: das hatte Klabund von jeher als einen Teil seiner Lebensaufgabe empfunden.“

„Es wurde zum Podium einer neuen, politisch akzentuierten Lyrik“, bekundet der Kabarettwissenschaftler Walter Rösler in „Das Chanson im deutschen Kabarett 1901-1933“, und in der „Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart‘, Bd. 10 (1917-1945) heißt es:

„Indem sich das lyrische Ich nach außen wandte, ignorierte, überwand oder zersetzte es im Kabarett- und Zeitungsgedicht die Esoterik und Verinnerlichung der seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bestim­menden Stilrichtung bürgerlicher Lyrik, den Expressionismus eingeschlossen.“

Rösler nennt als Repräsentanten dieser Kabarettbewegung neben Mehring, Tucholsky und Weinert auch Klabund. Die Pro­grammzeitschrift „Schall und Rauch“. Programmanzeigen und Kritiken geben Auskunft, was Fredi für „Schall und Rauch“ geschrieben hat. Sein Debüt gab er mit der Harfenjule – dem Lied einer Berliner Bettler-Musikantin – vorgetragen hat es die später weltberühmte Blandine Ebinger. Den Titel „Die Harfenjule“ wählte er dann auch als Titel für seine 1927 erschienene Gedichtesammlung. Als Rezensent prägte Kurt Tucholsky daraufhin für ihn scherzhaft den Namen „Harfenjulius“.

Kurz hielt auch der Dadaismus Einzug im Schall und Rauch“, aber es war eine kurze Episode – bedeutungslos. Klabund aber agierte mit pazifistischen „Einlagen“, z.B. aus der „Ballade des Vergessens“:

Millionen krepierten in diesem Krieg,
Den nur ein paar Dutzend gewannen.
Sie schlichen nach ihrem teuflischen Sieg
Mit vollen Säcken von dannen.
Im Hauptquartier bei Wein und Sekt
Tat mancher sein Liebchen pressen.
An der Front lag der Kerl, verlaust und verdreckt
Und vergessen, vergessen, vergessen.

Kurt Wafner schreibt über die Klabundschen Auftritte sehr ausführlich:

„… Zum ersten Schall-und-Rauch-Programm zählten auch Lieder und Chansons, in denen Klabund die Weimarer Gesellschaft heftig angreift, so in dem Lied „Berliner Weihnacht 1918“, das er auch selbst vortrug. Darin geht es um den Amüsierbetrieb jener Jahre, um die Schieber und Kriegsgewinnler. Und die zornigen, aufrüttelnden Schlussverse spie­geln wider, was sich auf Berliner Straßen abgespielt hat:

Die Fahnen vom neunten November, bedreckt.
Er ist der letzte, der sie noch reckt…
Zivilisten … Soldaten … tach tach tach …
Salvenfeuer … ein Fall vom Dach …
Die deutsche Revolution ist tot…
Der weiße Schnee färbt sich blutigrot…
Die Gaslatemen flackern und stieren …
Wir wolln uns wieder mal amüsieren …

Und weiter:

„… In „Rag 1920“, im März-Programm vorgetragen von Mady Christians, greift Klabund dieses Thema noch einmal auf. Wieder zieht er gegen den Amüsierbetrieb der Neureichen zu Felde. „Die ganze schöne Erde ist ein einz’ges Tanzlokal“. Aber am Ende verliert sich der Weg in die Hoffnungslosigkeit. Denn auch in dem jungen Sowjet-Staat sieht der Dichter keine Alternative zu einem freien Leben. Er hat erkannt, dass aus dem neuen Russland keine „reinen und klaren“ Töne zu er­warten sind.“

Rag 1920

Die ganze schöne Erde ist ein einz’ges Tanzlokal.
Es tanzen Dissident und Christ, Beelzebub und Baal!
Es tanzt der würdige Dozent den Kantstep am Katheder;
Es tanzt die Flamme, wenn sie brennt, es tanzt ein jeder!
Komm! Und tanz mit mir den Rag doch,
Wenn du noch Atem hast.
Es tanzt das Herz im Leib dir,
Ruht an der Brust ein Weib dir,
Das deine Hände und am Ende deine Seele faßt!
Es tanzt der Schlanke und der Wanst, der Regisseur beim Proben,
Und selbst der brave Schieber tanzt, wenn er ein Ding geschoben!
Am Himmel selbst die Wolken weh’n im Tango und im Boston,
Die Sterne in der Ferne dreh’n, was kann die Erde kosten?
Komm! Erde! Tanz mit mir den Rag doch,
Wenn du noch Atem hast.
Das Herz tanzt in der Brust dir,
Bewusst dir, voller Lust dir,
Wenn eine Sonne voller Wonne deine Seele faßt!

Die Politik kam auf den Hund, man tanzt nach schlechten Noten
Den Twostep oder Tango und das Schieben ist nicht verboten,
Man tanzt uns auf der Nase rum, der Friede ist geschlossen,
Und reicht uns nur so hinten rum der Freundschaft Vorderflossen:
Komm Michel! Tanz mit mir den Rag doch
Wenn du noch Atem hast!
Zwar hast du bald mehr keinen,
Doch brauchst du drum nicht greinen,
Ein Totentanz, juchhei! Ist der beste Tanz, der zu dir paßt!

In Russland spielt ein Geiger auf in einem roten Mantel;
Der zwingt zum Tanz die Beine auf, als stach uns ’ne Tarantel!
Er spielt schon anderthalb Jahr: Tragödien und Possen,
Und spielt er auch nicht rein und klar, er spielt doch unverdrossen:
Kommt! Tanzt mit mir den Rag doch, den Petersburger Rag doch,
Wenn ihr noch Atem habt!
Europa ist am Ende,
Drum reicht euch nur die Hände
Zum roten Tanz, zum Totentanz! Grabt euer Grab euch! Grabt!

Aber eines seiner bekanntesten Lieder im „Schall und Rauch“ wird „Ich baumle mit de Beene“, wiederum von Blandine Ebinger vorgetragen. Kurt Wafner meint, sie habe mit „diesem düsteren Monolog einer Hinterhof-Göre den Weg zum Erfolg beschritt.

Ich baumle mit de Beene

Meine Mutter liegt im Bette,
Denn sie kriegt das dritte Kind;
Meine Schwester geht zur Mette,
Weil wir so katholisch sind.
Manchmal tropft mir eine Träne
Und im Herzen puppert’s schwer;
Und ich baumle mit de Beene,
Mit de Beene vor mich her.

Neulich kommt ein Herr gegangen
Mit ’nem violetten Schal,
Und er hat sich eingehangen,
Und es ging nach Jeschkenthal!
Sonntag war’s. Er grinste: „Kleene,
Wa, dein Port’monee is leer?“
Und ich baumle mit de Beene,
Mit de Beene vor mich her.

Vater sitzt zu ‚zigsten Male,
Wegen „Hm“ in Plötzensee,
Und sein Schatz, der schimpft sich Male,
Und der Mutter tut’s so weh!
Ja, so gut wie der hat’s keener,
Fressen kriegt er und noch mehr,
Und er baumelt mit de Beene,
Mit de Beene vor sich her.

Manchmal in den Vollmondnächten
Is mir gar so wunderlich:
Ob sie meinen Emil brächten,
Weil er auf dem Striche strich!
Früh um dreie krähten Hähne,
Und ein Galgen ragt, und er …
Und er baumelt mit de Beene,
Mit de Beene vor sich her.

Im Dezemberheft 1927 des „Schall und Rauch“ verabschiedet sich Klabund mit dem Gedicht, „Elegie“ von der Programmzeitschrift und auch von diesem Kabarett. Die Hunde bellen – die Karawane zieht weiter. Der Untergang des „Schall und Rauch“ ist im Kapitel zu diesem „Etablissement“ zu lesen.

Nachfolger für die meisten Künstler wurde das „Cabaret Grö­ßenwahn“ – gegründet von Rosa Valetti, Ecke Joachimsthaler Straße/Kurfürstendamm. Und am 11. September 1921 eröffnete Tru­de Hesterberg die „Wilde Bühne“ im Keller des „Theaters des Westens“ in der Kantstraße.

Klabund arbeitete für beide Bühnen als Hausautor. Brillieren konnte erneut Blandine Ebinger mit Fredis Jungmädchenlied „,Mit ’n Zopp“.

Mit ’n Zopp

Als ick noch in de Schule jing,
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp,
So manchet Männerauge hing
Mir am Zopp, mir am Zopp, mir am Zopp.
Und manchmal, da trat ooch een Herr heran:
„Na, Frollein, was hab’n Se denn da hinten dran?“
Da schlug ick ihn eins links und eins rechts an ’n Kopp
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp.

In China haben’s die Leute scheen,
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp.
Da können selbst die Männer jehn
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp.
Der Mandarin und ooch der Mob.
Die alte Jroßmama – und ob! –
Die tragen alle eenen Zopp.
Eenen Zopp, eenen Zopp, eenen Zopp.

Wir laufen in Deutschland noch immer herum
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp.
Unser republikanisches Brimborium
Hat ’n Zopp, hat ’n Zopp, hat ’n Zopp.
Er hängt uns hinten, er hängt uns vorn,
Wir sind schon beinah Chinesen jeword’n.
Wir wackeln bald nach rechts und bald nach links mit ’n Kopp!
Wozu der Zopp?!

Herrjott, war ick einst männertoll
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp.
Jetzt hab‘ ick aber die Neese voll
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp.
Sieben ledige Kinder und een räudiger Hund
Und noch keen Mann, det is mir zu bunt.
Ick häng mir uff am Fenster – hopp! –
Mit ’n Zopp, mit ’n Zopp, mit ’n Zopp.

Über die Bühne der Rosa Valetti schrieb der ,Berliner Börsen-Courier‘:

„… Die Einbrecher wandeln über die Bühne und das Publikum vom Kurfürstendamm hat seine Versicherungen gegen Einbruch aufgegeben. Die Prostituiertenfrage ist, bis zur Polizeistunde wenigstens, gelöst; die Dirnen besingen sich und können davon leben.“

Mit „Skandälchen“ geht auch diese Episode zu Ende. Einen löst Bert Brecht im Januar 1922 aus, als er sein Antikriegschanson vorträgt – die „Legende vom toten Soldaten“.

Trude Hesterberg berichtet in ihrer Autobiographie „Was ich noch sagen wollte“:

„..,. Es wurde ein solider, handfester Skandal mit allem Drum und Dran… Ich musste notgedrungen den Vorhang fallen lassen, um dem Radau ein Ende zu machen, und Walter Mehring ging vor den Vorhang und sagte jene bedeutsamen Worte: „Meine Damen, meine Herren, das war eine große Blamage, aber nicht für den Dichter, sondern für Sie! Und Sie werden sich noch eines Tages rühmen, dass Sie dabei gewesen sind!“

Kurt Wafner hat das Schlusswort dieses Kapitels:

„… Auch für Klabund erlosch der Stern am Kabaretthimmel. Nun, er war immer zweigleisig gefahren, mit der schnoddrigen Gebrauchslyrik für den schnellen Verzehr am Kabarett, als auch mit Werken, die ihn mit Recht in den künstlerischen Olymp führten. So endet seine Karriere als Autor und Inter­pret fürs Kabarett 1922. In einer Skizze schreibt er: „Vulkan, der Gott Berlins, schmiedete ihn zum Dichter. Es sei gewarnt, falsche Folge­rungen zu ziehen: der Dichter steht mit beiden Beinen fest auf seiner märkischen Erde. Die deutsche Tradition, in der er sich eingeweiht fühlt, ist die der Mystik und die der Romantik.“