Üb immer Treu und Redlichkeit

Der alte Landmann an seinen Sohn  – Üb immer Treu und Redlichkeit

Üb´ immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.

Dann wirst du wie auf grünen Au´n,
Durch´s Pilgerleben geh´n
Dann kannst du sonder Furcht und Grau´n
Dem Tod ins Antlitz seh´n.

Dann wird die Sichel und der Pflug
In deiner Hand so leicht,
Dann singest du beim Wasserkrug,
Als wär´ dir Wein gereicht.

Dem Bösewicht wird alles schwer,
Er tue was er tu,
Ihm gönnt der Tag nicht Freude mehr,
Die Nacht ihm keine Ruh.

Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
Ihm lacht kein Ährenfeld,
Er ist auf Lug und Trug erpicht,
Und wünscht sich nichts als Geld.

Der Wind im Hain, das Laub im Baum
Saust ihm Entsetzen zu,
Er findet, nach des Lebens Raum
Im Grabe keine Ruh.

Drum übe Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab!

Dann suchen Enkel deine Gruft
Und weinen Tränen drauf,
Und Sonnenblumen, voll von Duft,
Blüh´n aus den Tränen auf.

Das Gedicht

Ludwig Höltys (1748- 1776) entstand 1776 und wurde von Johann Heinrich Voß im Musenalmanach 1779 veröffentlicht. Dem Text wurde eine Melodie aus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ unterlegt; er gewann als Lied weite Verbreitung. Das Glockenspiel der Potsdamer Garnisonskirche spielte diese Melodie von 1797 bis zu ihrer Zerstörung 1945 und seit 1991 wieder zu jeder halben Stunde.