Simplicissimus – eine satirische Wochenzeitschrift

Auf Deutsch: „der Einfältigste“ war eine satirische Wochenzeitschrift. Sie erschien erstmalig am 4. April 1896 und die Redaktion befand sich in München.

„Das Wort Satire entstammt dem lateinischen satira, das wiederum aus satura lanx hervorgeht und „mit Früchten gefüllte Schale“ bedeutet. Im übertragenen Sinn lässt es sich mit ‚bunt gemischtes Allerlei‘ übersetzen“, schreibt Wikipedia.

„Mit Früchten gefüllte Schalen“ gab es zur Zeit der Gründung reichlich und den Mitarbeitern des Simplicissimus ging die Arbeit nie aus. Genannt sei die kaiserliche Politik, die spießige bürgerliche Moral, die verlogene Kirchenmoral und vor allem das Militär, ein Staat im Staate.

Satire sei eine Kunstform, mit der verspottet und angeprangert werden sollte. Spätestens beim Spott bleibt einem dieser im Halse stecken, wenn man sich der damaligen Zustände erinnert.

Die Zeitschrift erschien wöchentlich, aber es wäre sicher genug Stoff vorhanden gewesen, um sie täglich erscheinen zu lassen.

Hans Zimmermann schreibt über das Blatt:

„… Der Simplicissimus ist die bis heute prominenteste deutsche politisch-satirische Wochenschrift. Ihr Name steht für die antiklerikale, antifeudale und fundamentaldemokratische Auseinandersetzung mit der Innen- und Außenpolitik des Kaiserreichs und der Weimarer Republik ebenso wie für pointierte Mentalitätskritik am deutschen Normalbürger, den er als „Michel“ mit Zipfelmütze porträtiert. Für literarische, historische und soziologische Fragestellungen im Kontext der beiden Weltkriege bietet die Zeitschrift ein unersetzliches Quellenmaterial. International hat sie als zeitgeschichtliches Zeugnis Gewicht wie kaum ein anderes deutsches Periodikum.“

Der deutsche Michel in der Gewalt der Zensur, Karikatur von Johann Richard Seel (1842) Quelle: Wikipedia

Gegründet wurde der „Simplicissimus“ von Alber Langen – ursprünglich nicht als Satireblatt, sondern als illustrierte Literaturrevue. Über die Namensgebung schreibt Wikipedia:

„… die Figur eines französischen Schelmenromans war für Langen wohl auch die Anregung für seinen Namensgeber: die Figur des 1668 erschienenen Schelmenromans „Der abenteuerliche Simplicissimus von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.“

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (geboren um 1622 in Gelnhausen, gestorben am 17. August in Renchen, einer Kleinstadt im Ortenaukreis in Baden-Württemberg), war ein deutscher Schriftsteller.

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (Bild von 1641, Authentizität nicht geklärt) Quelle: Wikipedia

Und mit Grimmelshausen’s Leitspruch: „Es hat mir so wollen behagen, / Mit Lachen die Wahrheit zu sagen.“ wurde das erste Heft eröffnet.

Albert Langen wurde am 8. Juli in Antwerpen geboren. Die Familie übersiedelte nach Köln und dort verbrachte er seine Kindheit und Jugend mit drei Geschwistern. 1890 zog Langen nach Paris um sich als Maler ausbilden zu lassen. Etwa 1894 gründete er den Verlag „Buch & Kunst“. Nach einem Umweg über Leipzig zog es ihn nach München – zeitgenössische französische und deutsche Literatur im Programm. Der erste Titel eines deutschen Autors war „Der Erdgeist“ (1895) von Frank Wedekind.

In den folgenden Jahren konnte Langen u. a. Werke von Heinrich Mann, Henrik Ibsen und Marcel Prévost in seinem Haus veröffentlichen und ab dem 4. April 1896 eben der „Simplicissimus“. „Schon bald wurde die Wochenschrift, ihrer kritischen Stellungnahmen wegen, mehrmals beschlagnahmt und erhielt in Deutschland – aber auch in Österreich – vorübergehende Verkaufsverbote. (Wikipedia)

Link Die Palästina-Nummer

Die erste Gemeinsamkeit mit Klabund, auch Langen erhielt eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung, weil zwei seiner Autoren, nämlich Thomas Theodor Heine (er hatte das Titelblatt gezeichnet) und Frank Wedekind das Gedicht „Im heiligen Land“ veröffentlicht hatten in der so genannten Palästina-Nummer. Langen als verantwortlicher Redakteur floh 1898 erst in die Schweiz und 1899 nach Paris. König Georg von Sachsen begnadigte ihn 1903 gegen Zahlung einer „Bezeigungssumme“ von 20.000 Mark – Langen konnte nach München zurückkehren um sofort gegen das bayrische „Zentrum“ zu agieren, was den Unmut des Landtages nach sich zog.

Am 1. April 1906 wurde der Simplicissimus in eine GmbH umgewandelt als „eine Konsequenz der Palastrevolution seiner Mitarbeiter, die am Gewinn, den der „Simplicissimus“ einfuhr, beteiligt werden wollten. Langen hatte zwar den „Simplicissimus“ damit verloren, gewann aber Zeit für andere Projekte“ (Wikipedia).

Am 30. April 1909 stirbt Albert Langen in München und wird auf dem Kölner Melaten-Friedhof in der Familiengruft seiner Eltern beigesetzt.

Albert Langen Quelle:Von unbekannt – Hermann Hesse: Eine Chronik in Bildern, Frankfurt am Main 1960, S. 53, Abb. 97 (Ouellennachweis: Stadtarchiv München auf Seite 214), PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=6481611

Unter den Mitarbeitern des Simplicissimus finden sich bald die besten Zeichner und Karikaturisten Münchens. Darunter z.B. Thomas Theodor Heine (ihm verdankt sich auch die wohl erste Bertolt-Brecht-Karikatur der Epoche) und als „Freie“ Ernst Barlach, Lovis Corinth, Käthe Kollwitz, Alfred Kubin, und Heinrich Zille.

Lovis Corinth, der Künstler in seinem Atelier (1918) Quelle: Wikipedia

In der Reihe der Hauptschriftleiter sticht Ludwig Thoma hervor und alle wichtigen Literaten der Epoche sind im Simplicissimus vertreten, zum Teil mit Erstveröffentlichungen: Frank Wedekind, die Gebrüder Mann, Rainer Maria Rilke, Robert Walser, Otto Julius Bierbaum, Jakob Wassermann, Richard Dehmel, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Gustav Meyrink, Erich Kästner, Fanny Gräfin zu Reventlow, Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz und natürlich auch Klabund.

Thomas & Heinrich Mann Quelle: http://www.taz.de/picture/819482/948/14830354.jpg

Über den Ausbruch des I. Weltkrieges und den Zwiespalt in der Redaktion schreibt Wikipedia:

„… Obwohl der „Simplicissimus“ noch 1914 die zunehmende Militarisierung der Außenpolitik und die Fahrlässigkeiten der Diplomatie scharf kritisiert hatte, gab die Redaktion mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges im Rahmen der allgemeinen Kriegsbegeisterung ihre kritische Haltung auf.“

Hermann Sinsheimer, Chefredakteur von 1924-1929, schreibt in seinen Memoiren:

„… Ludwig Thoma, der Chefredakteur und mehr als das, kam ziemlich gebrochen zu dieser Sitzung und machte den unzweideutigen Vorschlag das Blatt eingehen zu lassen. Er war, wie die übergroße Mehrheit der Deutschen, davon überzeugt, Deutschland sei überfallen worden und es sei ein Defensivkrieg und ein Krieg um seine Existenz, den es zu führen habe und dem sich kein Deutscher entziehen dürfe. Somit gebe es keinen Raum und keine Aufgabe mehr für ein satirisches Blatt der Opposition gegen die herrschenden Gewalten in Deutschland.

Die anderen hörten ihm stumm und schweren Herzens zu, denn sie, die bisher durch große Einkommen Verwöhnten, die mit der Zeit einseitige Spezialisten der oppositionellen Satire geworden waren, sahen ihre Existenz vernichtet. Ein bleiernes Schweigen folgte Thomas Worten.

Da begann Thomas Theodor Heine zu sprechen. Er sagte etwa, es sei ganz falsch, zu glauben, die Zeit sei nun vorüber, vielmehr sei jetzt erst wieder und erst recht eine große Zeit für sie alle gekommen, wenn sie sich auf den Boden der Tatsachen, nämlich des Krieges, stellten und die Kriegspolitik unterstützten. Gerade jetzt brauche Deutschland ein international so angesehenes Blatt wie den Simpl, um im In- und Ausland die Kriegsführung zu unterstützten. Er fügte noch hinzu, die Leser seien schon lange der ewigen Leutnants- und Junkerwitze müde geworden, was die abgleitende Tendenz der Auflage beweise: zweifellos werde diese alsbald wieder steigen und der „Simplicissimus“ sei einer neuen großen Popularität gewiss, wenn er sich zum bedingungslosen Patriotismus bekenne.

Den anderen fiel ein Stein vom Herzen. Sie fühlten sich alle als gute Patrioten und vor allem fühlten sie sich wieder in ihrer Existenz gesichert und stimmten ohne Ausnahme ihrem sonst nicht gerade geliebten Sprecher Heine bei. Auch Thoma fügte sich, und der Simpl war gerettet. In der Tat gewann er im Krieg eine neue große Popularität.“

Ergänzend aus Wikipedia:

„… Bezeichnend ist der Entwurf Heines für die „Kriegsbände“ des „Simplicissimus“, die ab dem 20. Jahrgang, 1915, auf dem Deckel die rote Bulldogge als eifrigen Begleiter eines voranpreschenden schweren Reiters mit gezücktem Säbel zeigte.

Auch wenn bereits im Frühjahr 1915 gelegentlich vorsichtige Hoffnung auf Frieden gezeigt wurde, waren die kriegsverherrlichenden und später zum Durchhalten aufrufenden Bilder und Beiträge ein erster Sündenfall des „Simplicissimus“.

„Aus Opposition wurde Opportunismus, ohne dass allerdings die graphische Qualität der meisten Zeichnungen Schaden erlitt. War man bis dahin die Stimme der Opposition gewesen, so wurde nunmehr jegliches Opponieren verunglimpft. In Abwandlung des Bonmots, das meist Rudyard Kipling zugeschrieben wird – „Im Krieg stirbt als erstes die Wahrheit.“ –, könnte man sagen: Im Krieg stirbt als erstes die Satire. Damit – und in den neuen Themen der Zeitschrift – bietet die Ära 1914/18 im Simplicissimus ein erschreckendes Vorbild für den zweiten Sündenfall der Zeitschrift, die Zeit nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933.

Man kann den Zeichnern lediglich zugutehalten, dass sie sich weitgehend der Hetze und der gegenseitigen Unterstellung von Kriegsgräueln enthielten, wenn man von rassistischen Darstellungen der außereuropäischen und russischen Truppen absieht.“

Hans Zimmermann:

(in) „…der Weimarer Republik aber gelingt es der Zeitschrift bald, zu ihrer alten Qualität und Aufgabe zurückzufinden, vor allem im Kampf gegen den aufkommenden dumpfen Geist des Nationalsozialismus und des immer virulenter werdenden Antisemitismus.

Die Redaktion lässt sich auch von SA-Roll­kom­mandos und der Straßenpolitik nicht schrecken und führt den Kampf mutig und  erbittert fort, bis der Ungeist schließ­lich doch obsiegt: im April 1933 wird die Zeitschrift von den National­sozialisten „gleich­geschaltet“. Thomas Theodor Heine, geboren als der Jude David Theodor Heine, wird in rüdester Weise aus dem Mitarbeiterstab verdrängt, isoliert und ins Exil gezwungen, und mit ihm der linksliberale Chef­red­ak­teur Franz Schoenberner.“

Thomas Theodor Heine 1915 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid. Quelle: Wikipedia

Und über die Zeit der Nazi-Diktatur:

„… Es beginnt ein langes Kapitel der Geschichte dieser Zeitschrift, das zu überschlagen sich durch die Tatsache verbietet, dass Titel, Auf­machung und Mitarbeiterliste ohne große Verände­rungen bleiben. Zeitzeuge bleibt der Simplicissimus gewiss, doch nur in jenem banalen Sinne, der kaum einer Forderung des Ungeistes noch Widerstand entgegensetzt, der schließlich sogar dessen Propaganda betreibt. Unbe­quem zu sein hat die Zeitschrift endgültig aufgegeben; Unwillfährig­keit mag man ihr vielleicht in Einzelfragen noch attestieren, wenn man die Weigerung, hemmungslos in die Hetze gegen nationalsozialistische Feindbilder mit einzustimmen, schon so verstehen darf.

Vorherrschend in der Karikatur des Simplicissimus nach 1933 aber ist ein paranoid verzerrtes Auslandsbild, die Innenpolitik hingegen scheint voll­kom­men ausgesetzt. Wahrheit und Verhältnismäßigkeit sind keine Maßstäbe der Darstellung mehr. Denunziationen, Pogrome, Massen­morde, Konzentrationslager, Welt­krieg finden im Simplicissimus keinen Widerhall, stattdessen sucht das Blatt Zuflucht im politisch Unver­fänglichen, dem menschlichen Mikro­kos­mos – und er etabliert neben der unverwüstlichen Erotik die Pin-Up-Darstellung als „Aufreißer“.

All dies rettet den Simplicissimus nicht: im September 1944 geht er an banalem Papiermangel zugrunde, er hat keine Gegner mehr, denen dieser Tod zum Triumph hätte gereichen können.“

Noch anzumerken, 1934/35 erschien in Prag eine Emigrationsausgabe, zunächst unter dem Titel „Simplicus“, später unter dem Titel „Simpl“.

Einen „Neustart“ wird es 1946 geben, mit alten Mitarbeitern, der aber wird bereits 1950 wegen mangelnder Resonanz wieder aufgegeben.

Nochmal Hans Zimmermann:

„…Von 1954 bis 1967 (12 Jahrgänge) lebt der Simplicissimus unter Olaf Iversen wieder auf – in Gestaltung und Inhalt dem Vorbild nachempfunden, doch zeigt sich gerade durch die gewollte formale Nähe zum Vorbild, wie anders und ungleich komplizierter nun die gesellschaftlichen Machtverhältnisse geworden sind. Alle weiteren, nach dem Jahr 1970 gestarteten Unternehmungen, den alten Zeitschriftenmantel mit modernen Inhalten zu beleben, können wohl als bedeutungslos gelten.“

Olaf Iversen Quelle: Spiegel-Titelblatt

Über die Auflagenhöhe der Simplicissimus ist heftig spekuliert worden, Wikipedia schreibt:

„… Der „Simplicissimus“ soll am 4. April 1896 mit einer sehr hohen Auflage gestartet sein. Die Rede ist von 300.000 Exemplaren. Der spätere Redakteur Korfiz Holm spricht sogar von 400.000 Exemplaren, die jedoch weitgehend unverkauft blieben. Die hohe Startauflage war sicherlich eine PR-Strategie von Albert Langen, der von Beginn an am Mythos seiner Zeitschrift arbeitete. Die ersten Jahrgänge betrug die Auflage wohl wenige 1.000 Exemplaren. Zwar stiegen die Beliebtheit und damit der erzielte Umsatz der Zeitschrift rapide an, es dauerte aber lange, bis der „Simplicissimus“ für den Verlag profitabel wurde.“

Der Zensur fielen – nicht verwunderlich – viele Beiträge zum Opfer die heute nicht mehr vorstellbar sind. Als Beispiel sei Heft 4 des ersten Jahrgangs genannt. Man veröffentlichte Gedichte des zwanzig Jahre früher verstorbenen Schriftstellers Georg Herwegh.

Georg Herwegh Quelle: WIkipedia

Dazu Wikipedia:

„…Dieser (Herwegh) zählte zu den Wortführern einer Demokratisierung Deutschlands in der Revolution von 1848 und später zu den Begründern des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“, dem Vorgänger der SPD; er war also dezidiert gegen die Monarchie eingestellt. In Österreich, wo der „Simplicissimus“ von Beginn an auch vertrieben wurde, war er anscheinend so sehr „persona non grata“, dass die Ausgabe verboten und angeblich von der Polizei sogar beschlagnahmt wurde. Über diese Vorgänge sind wir vor allem durch die Berichterstattung des „Simplicissimus“ selbst informiert, denn Redaktion und Herausgeber erkannten sofort, dass sich mit dieser Gegenreaktion der Obrigkeit die beste Werbung machen ließ.“

Das berühmte Wappentier der Zeitschrift gab es gleich doppelt. Über die rote Bulldogge schreibt Wikipedia:

„… Anfangs warb für den „Simplicissimus“ eine von Heine entworfene junge Dame im geblümten Kleid, die eng umschlungen von einem schwarzen Teufel mit dessen Schwanzspitze als Pinsel den Titel malte.

Doch bereits im achten Heft des ersten Jahrgangs trat in einer Karikatur von Heine die rote Bulldogge auf. Zunächst eine Randfigur, wurde sie zähnefletschend und von der Kette gerissen zum Wappentier der Zeitschrift. Ab dem vierten Jahrgang zierte sie als farbiger Prägedruck die Einbanddeckel, mit denen sich die Abonnenten ihre Jahrgänge binden lassen konnten. Sie wurde auch als Plakat, blutrot auf schwarzem Grund gedruckt. Der Lithostein hierfür befindet sich heute in der Staatlichen Graphischen Sammlung München.“

Die gleiche rote Bulldogge zierte später aber auch die Gaststätte „Simplicissimus“ der Kathi Kobus in München.

„… Mit Beginn der 1930 er Jahre wurde die Kritik an den links- wie rechtsradikalen Kräften immer schärfer. Der „Simplicissimus“ warnte vor den Totengräbern der Republik. Einige der schärfsten Hitler-Karikaturen erschienen“, lese ich bei Wikipedia.

Und über die Jahre des Nationalsozialismus ist eben dort zu lesen:

„… Während der Tage der „Machtergreifung“, in der Nacht vom 10. auf den 11. März (1933)verwüstete die SA die Redaktionsräume. Nach massiver Bedrohung unterschrieben am 23. März 1933 die Teilhaber der GmbH eine Erklärung, dass das Blatt „künftig in streng nationalem Geiste verwaltet und geführt“ werden solle. „Jede Verächtlichmachung oder Verhöhnung sowie Karikatur der mit der heutigen Bewegung in irgendwelchem Zusammenhang stehenden Faktoren wird künftig auf das strengste vermieden werden.

Und den Lesern wurde am 1. April erklärt, dass „die Zurücknahme des zeitweiligen Verbots unseres Blattes erfolgt ist, nachdem wir der Regierung gegenüber loyales Verhalten in bindender Form zugesagt haben. Hand in Hand damit ging eine Umstellung der Redaktion.“ Franz Schoenberner war umgehend aus Deutschland geflohen und auch Heine, der von den Nationalsozialisten – nicht zuletzt wegen seiner jüdischen Herkunft – am meisten gehasste Zeichner, tauchte unter, um schließlich zu emigrieren. Den Verbliebenen gelang es, die Zeitschrift und damit zugleich ihre Lebensgrundlage zu retten, zum Preis, ihre bisherige Gesinnung aufzugeben. Erich Schilling zum Beispiel, vor 1933 in seinen Zeichnungen einer der glühenden Verächter der Nazis, wurde nun deren Propagandist. Diese widerstandslose Gleichschaltung löste unter den Emigranten große Empörung aus.“

Franz Schoenberner Quelle: Gemeinfrei

Einer der schärfsten Kritiker ist Klaus Mann:

„… Von allen im Dritten Reich gedruckten Widrigkeiten ist mir die ‚satirische‘ Wochenschrift ‚Simplicissimus‘ der widrigsten eine. (…) da finden sich noch immer die alten Namen – die Karl Arnold, Olaf Gulbransson, Eduard Thöny, Erich Schilling, Wilhelm Schulz, sie sind alle noch da. Nur Th. Th. Heine fehlt, (…) von Prag und Brünn aus muss er sich gramvoll und beschämt mit ansehen, welche degoutante Gesinnungslumpereien seine früheren Freunde und Kollegen sich leisten.“

Der nationalsozialistische Eher Verlag kauft – wahrscheinlich mit viel nachschieben seitens der Machthaber – 1935/36 die Zeitschrift.

Wikipedia schreibt:

„…Die folgenden zehn Jahre sind von braver Unterhaltung im Plauderton geprägt – die idyllische Lyrik wirkt angesichts der Verhältnisse grotesk –, aber der „Simplicissimus“ blieb auch eine Insel für neutrale Künstler. (…) Alfred Kubin veröffentlichten hier bis in die letzten Jahrgänge hinein Zeichnungen, Wolfgang Borchert publizierte seine ersten Texte.

Faszinierend sind auch die zahlreichen erotischen, an amerikanische Pin-Ups angelehnten Zeichnungen von Kurt Heiligenstaedt. Beliebt waren die Zeichnungen der Gulbransson-Schülerin Franziska Bilek und die humoristischen Gedichte Eugen Roths. Nur gelegentlich blitzte etwas wie Subversion auf, aber zu den Mechanismen der Zensur sind bislang auch keine Quellen entdeckt worden.“

Das Aus des „Simplicissimus“ kommt mit der letzten Ausgabe am 13. September 1944 und bei Wikipedia ist zu lesen: mit einer sonderbaren ganzseitigen Zeichnung von Otto Nückel, „Gespensterschlacht“, auf der unkommentiert eine Ruine mit den Skeletten von Kriegern zu sehen ist. Eines schwenkt eine Piratenflagge – ein letzter Gruß des alten oppositionellen Simpl-Geistes, der unbeachtet in den Wirren des „totalen Krieges“ die Zensur passieren konnte. Gulbransson, Schilling, Schulz und Thöny lieferten hingegen nochmals reine Propagandazeichnungen. Zusammen mit den meisten Presseerzeugnissen wurde der Simplicissimus danach eingestellt.“

Gespensterschlacht von Otto Nückel Quelle: Simplicissimus

Alle Jahrgänge des „Simplicissimus“ sind im Deutschen Literaturarchiv in Marbach und der Herzogin-Amalia-Bibliothek in Weimar digitalisiert. Dazu heißt es: „digitalisiert und mit Stichwörtern erschlossen. Alle Bilder und Texte sind online leicht abzurufen und nach Personen, Institutionen, Ereignissen u. ä. zu durchsuchen.“

Nach dem II. Weltkrieg erschien ab 1946 bis 1950 in der amerikanischen Besatzungszone wiederrum in München „Der Simpl“, der aussah wie der alte „Simplicissimus, sich aber wegen ungeklärter Urheberrechte nicht so nennen durfte. Wikipedia schreibt:

„… „Der Simpl. Kunst – Karikatur – Kritik war die zweite satirische Zeitschrift in der amerikanischen Besatzungszone. Sie erschien erstmals unter US-Lizenz am 28. März 1946 im W. E. Freitag Verlag, München. Herausgeber war Willi Ernst Freitag, Chefredakteur Markus Schrimpf (Sohn des Malers Georg Schrimpf und der Malerin Maria Uhden).

Im Erscheinungsbild (Format, ganzseitige Karikaturen etc.) wahrte das Blatt bewusst die Tradition des „Simplicissimus“. Die politische Ausrichtung war wie die des Vorbilds in dessen Anfangsjahren entschieden antifaschistisch, antimilitaristisch und antinationalistisch.

Mitarbeiter der ersten Ausgabe waren u. a. Henry Meyer-Brockmann, Rudolf Schlichter, Otto Dix und Erich Kästner. Allmählich gesellten sich Mitarbeiter des alten „Simplicissimus“, so Olaf Gulbransson, Otto Nückel, Franziska Bilek, Rudolf Kriesch u. a., hinzu, was die politische Grundhaltung stärkte. Zu den gelegentlichen Mitarbeitern zählten Josef Hegenbarth, Rudolf Schlichter und Bele Bachem. Die Texte stammten vorwiegend von Heinz Hartwig, E. Horn, W. F. Kloeck und Hans Reimann. Auch Walter Kolbenhoff veröffentlichte einige Beiträge. Im Juni 1949 ergänzte Ernst Maria Lang die Gruppe der Hauptkarikaturisten.

Otto Dix um 1933 (Fotografie von Hugo Erfurth) Quelle: Wikipedia

Leider stellte das Blatt sein Erscheinen aus wirtschaftlichen Gründen bereits im März 1950 wieder ein.

Noch drei Versuche gab es laut Wikipedia, die alte Tradition erneut zu beleben:

„… Von 1954 bis 1967 erschien der „Simplicissimus“ in München unter dem Verleger und Herausgeber Olaf Iversen, bis Nr. 37/1959 mit dem Zusatz „Herausgegeben von Olaf Iversen“.

Ab Nr. 39/1959, nach Iversens Tod, lautete der Zusatz „Neubegründet von Olaf Iversen“. In diesem Zeitraum finden sich u. a. Lithographien von A. Paul Weber. Als Zeichner arbeiteten u. a. Horst Haitzinger, Walter Hanel, Wigg Siegl, Manfred Oesterle und Josef Sauer für das Blatt.

1981/82 wurde ein Neustart versucht und 1997 gab es einen erneuten Versuch einer Neuauflage der Zeitschrift, eine Koproduktion von Berlin und Wien. Mitte des Jahres 1998 wurde auch sie wegen finanzieller Probleme eingestellt.“

Der „Simplicissimus war der Namensgeber eines Münchner Künstlerlokals in der Türkenstraße in Münchner Marxvorstadt und dessen Geschichte erzähle ich auch noch.

Einige Titelblätter des „Simplicissimus:

Thomas Theodor Heine, „Vom Kriegsschauplatz in Wien“,

Thomas Theodor Heine, „Der Frühling von 1915“

Simplicissimus XXIX.13 (23. Juni 1924)

Thomas Theodor Heine, „Ergebnislose Haussuchung bei Hitler“