Das Schreibmaschinenbureau

„Geflügelte Hand“, Bureau für Schreibmaschinen-Arbeiten, stand unten an der Tür auf schwarzumrändertem Porzellanschild.

Ich läutete.

Lautlos öffnete sich die Tür, und ich stand im Bureau. Es war völlig schwarz tapeziert. Die Fensterläden waren geschlossen. Auf einem Schreibtisch brannte eine grüne elektrische Lampe.

Ein äußerst schwindsüchtiger Herr, der sich in dem grünen Lichte wie ein längst Gestorbener ausnahm, trat, hohl hustend, auf mich zu. Seine Lunge rasselte. Aus seinem Munde kroch fast körperlich, wie eine quallige Masse, fauliger Atem.

„Sie wünschen?“ flüsterte der Schwindsüchtige.

„Ich möchte jemandem diktieren. Haben Sie Angestellte, die Sie mir empfehlen können?“

Der Schwindsüchtige schüttelte den Kopf.

„Ich habe keine Angestellten“ –

„Und die geflügelte Hand?“ –

„ – bin ich selbst …“

Er verneigte sich zeremoniell.

Ich sah unwillkürlich auf seine Hände; sie waren zart und schlank wie die Hände von Frauen. Sie allein schienen noch von Blut durchpulst, das bis zum Kopf nur noch in spärlichen Fasern und Rinnen gelangte.

Es war eine sonderbare Situation. Unleugbare Sympathien zogen mich zu diesem Verwesenden, dessen Gegenwart mich dennoch peinvoll bedrückte.

„Ich möchte Ihnen mein … Leben diktieren,“ sagte ich zögernd.

„Radiotelegraphisch. Werden Sie folgen können? Ich bin noch jung. Ich stehe fiebernd in allen Flammen. Selbst meine Ruhe rast. Sehen Sie meine Augen! Sie prüfen die Dinge tausendstrahlig wie mit den Armen eines Polypen. Meine Fäuste zerschmettern die Sterne und die Türen, die sich mir nicht öffnen wollen. Ich glaube glücklich, etwas zu gelten. Den Enkeln soll mein Leben noch lebendig sein. Ich werde kurz vor meinem Tode bei Ihnen vorsprechen und das Manuskript korrigieren. Schreiben Sie! Ich zahle mit meinem Blut …“

Der Dürre verbeugte sich, und ich ging. Das Leben wurde bunter mit jedem Tag. Die Jahreszeiten schaukelten wie Schmetterlinge an mir vorbei: silbern, grün, rot und golden. Eine Kette von Frauen schlang sich um meinen Schlaf.

Taten türmte ich. Mein Wille wirkte. Bis an den Thron scholl mein Ruhm. Orden bewiesen, dass ich für Ordnung warb. Geld, dass ich galt. Ruhm, dass ich rühmte. Das Volk klatschte den Herren und Helden, die meinem Griffel entgeistert über die Bühne schwankten, begeistert zu. Schon lasen ehrfürchtig er starrte Schüler in den Schullesebüchern meine moralischen Geschichten, meine göttlichen Gedichte. An den Universitäten begann man Vorlesungen über meine Werke zu halten. Ich alterte zusehends.

Als ich meine letzte Stunde nahen fühlte, begab ich mich, mühselig am Stocke dem Auto entsteigend, in das Bureau der „Geflügelten Hand.“

Der Dürre empfing mich gemessen lächelnd und heiser hustend.

„Die Arbeit, die ich Ihnen aufgab“, sagte ich und sank mühselig in einen Stuhl.

„Ich habe wenig Arbeit mit Ihnen gehabt. Weniger als ich vermutete. Hier ist das Manuskript.“ Und er reichte mir einen winzigen Zettel, darauf standen diese Worte: „Er war ein Mensch, nicht weniger, nicht mehr. Er starb, bevor er starb. Möge er leben, nachdem er lebte.“

Ich schrie, zermalmt von den wenigen Worten: „Siebzig Jahre bin ich alt geworden und schrieb siebzig Bücher: ist dies das Resultat meiner Rechnung? der Wert meines Wesens?“

Da strich der Dürre mit knochiger Hand über meine Stirn: „Beruhigen Sie sich, bitte, mein Bester. Millionen gehen mit einem leeren, weißen Zettel zu Grab. Bleibt nur ein Wort von Ihnen für die Ewigkeit, so leben Sie unsterblich im Liede des menschlichen Leides …“

Ich lehnte den kahlen Kopf an das Polster des Stuhles: „Was habe ich zu zahlen, bitte?“ –

Maßlos übermüdet fiel ich, weinend wie ein Kind, trostlos erschüttert in den letzten Schlaf.

Ich bemerkte noch, wie der Dürre mir das Herz aus dem Leibe, die Augen aus dem Kopfe schnitt und wieder eintönig auf seiner Maschine zu klappern begann.