Blutmai

Aus Wikipedia:

…Als Blutmai (zeitgenössisch auch Mai-Unruhen) werden Unruhen vom 1. bis 3. Mai 1929 in Berlin bezeichnet, bei denen die Polizei hart gegen ungenehmigte, von der KPD organisierte Demonstrationen vorging und 33 Zivilisten tötete sowie zahlreiche Demonstranten und Unbeteiligte verletzte.

Die Bezeichnung Blutmai geht auf den Streikaufruf der KPD vom 2. Mai 1929 zurück, in dem es hieß: „Zörgiebels Blutmai − das ist ein Stück Vorbereitung des imperialistischen Krieges! Das Gemetzel unter der Berliner Arbeiterschaft − das ist das Vorspiel für die imperialistische Massenschlächterei!“

Vorgeschichte des Konflikts

Schon 1924 waren Demonstrationen unter freiem Himmel am 1. Mai verboten worden, ohne dass es dadurch zu nennenswerten Zwischenfällen gekommen war. 1929 war die innenpolitische Lage in Deutschland jedoch so aufgeheizt, dass es zu schweren Unruhen kam.

Das gegen Adolf Hitler, den Führer der NSDAP, bestehende Redeverbot war am 28. September 1928 vom preußischen Innenminister Albert Grzesinski (SPD) aufgehoben worden, am 16. November hielt Hitler seine erste öffentliche Rede im Berliner Sportpalast. Dies heizte die innenpolitische Lage so auf, dass es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit vielen Toten kam. Der Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel (SPD) verbot daraufhin am 13. Dezember 1928 politische Versammlungen unter freiem Himmel. Dieses Verbot wurde am 21. März 1929 von Grzesinski auf ganz Preußen ausgedehnt.

Im April 1929 wurde die Gültigkeit des Demonstrationsverbotes auch für den 1. Mai bekräftigt, während die KPD am Aufruf für Maikundgebungen festhielt. Dies führte zu Vorwürfen, die KPD plane Aufruhr und nehme zahlreiche Tote in Kauf: „200 Tote am 1. Mai?“ titelte der „Vorwärts“, die Parteizeitung der SPD. Zörgiebel wiederum wurde vorgeworfen, als „Sachwalter des sozialdemokratischen Parteivorstands“ (Carl von Ossietzky nach dem „Blutmai“) die KPD-Demonstration verhindern zu wollen, weil befürchtet werde, die KPD könne mehr Menschen mobilisieren als SPD und Gewerkschaften.

Die Kasernierung der Berliner Schutzpolizei und die Vorbereitung auf die erwarteten Straßenkämpfe werden mit für die harte Reaktion der Polizei auf die Demonstrationen verantwortlich gemacht.

Die Unruhen vom 1. bis 3. Mai

Am 30. April 1929 verteilte die KPD Flugblätter, auf welchen wahrheitswidrig behauptet wurde, das Demonstrationsverbot sei aufgehoben worden. Am Morgen des 1. Mai waren etwa 8.000 Menschen hauptsächlich in den Berliner Arbeitervierteln Wedding und Neukölln in Zügen von 50 bis 500 Menschen unterwegs, deutlich weniger, als die KPD erwartet und die Polizei befürchtet hatte. Der 1. Mai fiel 1929 auf einen Mittwoch, in Preußen war er anders als in manchen anderen Ländern Deutschlands kein gesetzlicher Feiertag.

Die Polizei ging schon morgens unter Einsatz von Schlagstöcken und mit an Hydranten angeschlossenen Wasserschläuchen gegen die Demonstranten vor, vereinzelt wurden auch Warnschüsse abgegeben.

SPD und Gewerkschaften hielten sich an das Demonstrationsverbot und hielten ihre Maikundgebungen im Saal ab. Nach seiner Rückkehr von der SPD-Kundgebung im Sportpalast wurde Max Gmeinhardt, Mitglied der SPD und des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, von einem Polizisten erschossen, als er der Aufforderung, sein Wohnungsfenster an der Kösliner Straße zu schließen, nicht sofort nachkam. Der Konflikt eskalierte zunehmend. Am Nachmittag wurde als Hindernis für Polizeifahrzeuge eine kleinere Barrikade errichtet. Die Polizei eskalierte den Konflikt und setzte gegen Abend gepanzerte Fahrzeuge mit Maschinengewehren ein. Der Einsatz dieser Fahrzeuge war eigentlich nur bei Widerstand mit Schusswaffen vorgesehen. Die Polizei beschoss Wohngebäude, an denen rote Fahnen aufgehängt waren.

Am 2. Mai rief die KPD als Protest gegen die Polizeigewalt zu Massenstreiks auf, was von etwa 25.000 Arbeitern befolgt wurde. Die Polizeigewalt in Berlin ging weiter. Die Polizei durchkämmte am 2. und 3. Mai die Arbeiterviertel, durchsuchte Wohnungen und nahm zahlreiche Menschen fest. Erneut wurden gepanzerte Fahrzeuge mit Maschinengewehren eingesetzt und mehrere Menschen erschossen. Im Reichstag gab es Tumulte, Wilhelm Pieck bezeichnete Zörgiebel als „Mordkerl“, während die SPD die Polizeiführung verteidigte. Zörgiebel selbst rief zwar einerseits die Polizei zur Mäßigung auf, trug mit dem Erlass eines „Verkehrs- und Lichtverbots“ aber selbst zur Eskalation bei, indem er große Teile Berlins faktisch unter Ausnahmezustand setzte: Es galt eine strenge Ausgangssperre, straßenseitige Fenster mussten geschlossen sein, die Räume durften nicht beleuchtet werden. „Die Rote Fahne“, Zentralorgan der KPD, wurde für sieben Wochen verboten.

Kurz vor Mitternacht des 3. Mai 1929 wurde Charles Mackay, ein neuseeländischer Journalist, von der Polizei erschossen, vermutlich weil er die Aufforderung zum Verlassen der Straße nicht verstand. Er war der letzte Tote, die Unruhen flauten bis zum 6. Mai so weit ab, dass das „Verkehrs- und Lichtverbot“ wieder aufgehoben wurde.

Folgen

Unter dem Vorwurf, die KPD habe die Unruhen provoziert und einen Aufstandsversuch unternommen, gingen staatliche Stellen gegen die Partei und ihre Organe vor. Der Rote Frontkämpferbund (RFB) wurde am 3. Mai in Preußen verboten, am 6. Mai erließ Reichsinnenminister Carl Severing (SPD) ein reichsweites Verbot, am 10. Mai wurde das Verbot von der Innenministerkonferenz der Länder ausgesprochen und bis zum 14. Mai in allen Ländern verkündet. Ein Verbot der KPD wurde erwogen, aber als nicht aussichtsreich aufgegeben.

Insgesamt wurden bei den Unruhen 33 Zivilisten getötet, 198 wurden verletzt, bei der Polizei gab es 47 Verletzte (Zahlen nach Buchner, Schirmann zählt 32 Tote, andere Quellen bis zu 38). Entgegen der Behauptung der Polizei, dass die Demonstranten mit Schusswaffen Gegenwehr geleistet hätten, konnte nachgewiesen werden, dass der einzige Polizist mit Schussverletzung sich diese durch einen Unfall einige Tage vorher selbst beigebracht hatte. Der Munitionsverbrauch der Polizei lag nach amtlichen Angaben bei etwa 11.000 Schuss.

Eine amtliche Untersuchung der Polizeiübergriffe fand nicht statt, kein Polizist wurde angeklagt. Der Strafverteidiger Hans Litten gründete zusammen mit Alfred Döblin, Heinrich Mann und Carl von Ossietzky einen „Ausschuss zur Untersuchung der Berliner Maivorgänge“, um die angeklagten Arbeiter zu unterstützen. Von den 1228 Festgenommenen stand etwa jeder zehnte direkt oder indirekt mit der KPD in Verbindung, 89 waren Mitglieder des RFB. Es kam zu 43 Verurteilungen, die Summe aller Strafen belief sich auf etwa zehn Jahre Gefängnis, die höchste Einzelstrafe betrug neun Monate.

Die KPD distanzierte sich von den Vorwürfen, einen Aufstand angezettelt zu haben, versuchte aber, die Ereignisse propagandistisch für sich zu nutzen. Bei der Beerdigung von „Opfern des Blutmai“ am 8. Mai erklärte Ernst Thälmann: „Die Kommunistische Partei solidarisiert sich völlig mit denjenigen, die auf den Barrikaden gestanden haben“. Die Rechtfertigung der Polizeigewalt durch führende Vertreter der SPD diente der KPD als Bestätigung, diese seien „Sozialfaschisten“. Für die Agitprop-Kultur der KPD popularisierten dies die Schriftsteller Klaus Neukrantz 1931 in seinem reportagehaften Roman „Barrikaden am Wedding“ und Erich Weinert, zusammen mit dem Komponisten Hanns Eisler, im Lied „Roter Wedding“. Die Haltung der KPD zu den Ereignissen vertiefte die Spaltung der Arbeiterparteien. Letztlich kam dies den Nationalsozialisten zugute, die schon bei der Wahl in Sachsen am 12. Mai zulegen konnten.